Begriff und Einordnung der Gelegenheitsgesellschaft
Eine Gelegenheitsgesellschaft ist ein Zusammenschluss von mindestens zwei Personen, die sich für einen einzelnen Zweck oder ein einmaliges Projekt zusammentun. Sie entsteht formlos, häufig spontan und ohne eigene Bezeichnung nach außen. Typisch ist die Ausrichtung auf ein kurzfristiges, klar umrissenes Vorhaben, etwa den gemeinsamen Erwerb einer Sache, die Bildung einer Tippgemeinschaft oder die Teilnahme als Bietergemeinschaft an einer Ausschreibung. Rechtlich handelt es sich dabei regelmäßig um eine Ausprägung der einfachen Personengesellschaft. Je nach Ausgestaltung kann sie nur intern wirken oder ausnahmsweise im Rechtsverkehr nach außen auftreten.
Abgrenzung zu anderen Rechtsformen
Innen- und Außencharakter
Die Gelegenheitsgesellschaft tritt typischerweise nicht nach außen in Erscheinung (Innencharakter). Sobald sie jedoch im eigenen Namen oder in erkennbarer gemeinsamer Organisation Rechtsgeschäfte mit Dritten vornimmt, kann sie im Einzelfall wie eine nach außen auftretende Personengesellschaft behandelt werden. Die gelegentliche, zeitlich kurze Zusammenarbeit schließt einen Außenauftritt rechtlich nicht aus.
Bruchteilsgemeinschaft
Die Bruchteilsgemeinschaft betrifft gemeinsames Eigentum an einer Sache ohne gemeinsamen Zweck über den Bestand hinaus. Bei der Gelegenheitsgesellschaft steht dagegen ein gemeinsamer Zweck im Vordergrund, etwa die Durchführung eines Projekts; das Eigentum an Beiträgen oder Ergebnissen ist dem Zweck untergeordnet.
Bietergemeinschaft und Arbeitsgemeinschaft
Bietergemeinschaften und projektbezogene Arbeitsgemeinschaften können, wenn sie für ein konkretes Vorhaben gebildet werden, Gelegenheitsgesellschaften darstellen. Sie sind typischerweise zeitlich befristet und zweckgebunden. Tritt eine solche Gemeinschaft im Vergabe- oder Geschäftsverkehr als Einheit auf, kommt ein Außencharakter in Betracht.
Stille Gesellschaft und Zweckgesellschaft
Die stille Gesellschaft ist auf eine Beteiligung an einem bestehenden Unternehmen gerichtet und tritt nicht als eigener Zusammenschluss in Erscheinung. Der Begriff Zweckgesellschaft wird daneben auch für organisatorisch verselbständigte Unternehmen genutzt. Eine Gelegenheitsgesellschaft ist demgegenüber ein einfacher Zusammenschluss für einen einmaligen Zweck ohne organisatorische Verselbständigung.
Bloße Gefälligkeit
Reine Gefälligkeiten ohne Rechtsbindungswillen, etwa gelegentliche unentgeltliche Hilfe ohne gemeinsamen Zweck, begründen keine Gelegenheitsgesellschaft. Erforderlich ist ein erkennbarer Wille zur gemeinsamen Zweckverfolgung auf Basis gleichberechtigter Zusammenarbeit.
Entstehung und Rechtsbindungswille
Zustandekommen
Die Gelegenheitsgesellschaft entsteht durch Einigung der Beteiligten, einen gemeinsamen Zweck zu verfolgen und dafür Beiträge zu erbringen. Ein besonderes Formerfordernis besteht nicht; eine mündliche oder konkludente Vereinbarung genügt. Entscheidend ist der gemeinsame Wille, in eigener Verantwortung und auf gemeinsame Rechnung tätig zu werden.
Konkludente Bildung und Beweisfragen
Häufig lässt sich der Zusammenschluss aus dem tatsächlichen Verhalten ableiten, etwa aus der gemeinschaftlichen Planung, Finanzierung oder Durchführung eines Projekts. Für die Einordnung sind Indizien maßgeblich wie gemeinsame Entscheidungen, abgestimmtes Auftreten und die Verteilung von Chancen und Risiken.
Struktur, Vermögen und Organisation
Beiträge, Gewinn- und Verlustverteilung
Beiträge können in Geld, Sachen, Arbeitsleistungen oder Know-how bestehen. Sofern nichts anderes vereinbart ist, erfolgt die Verteilung von Ergebnissen und Lasten nach dem vereinbarten oder dem sich aus dem Zweck ergebenden Maßstab. Bei Gelegenheitsgesellschaften steht typischerweise die unmittelbare Zweckverwirklichung im Vordergrund; einen fortlaufenden Gewinnzweck gibt es regelmäßig nicht.
Geschäftsführung und Vertretung
Die Geschäftsführung betrifft die innere Willensbildung und die Ausführung der gemeinsamen Maßnahmen. Ohne besondere Vereinbarung ist von gemeinsamer Geschäftsführung auszugehen. Die Vertretung nach außen setzt einen erkennbaren Außenauftritt voraus; sie kann einzelnen Personen übertragen sein oder gemeinsam erfolgen. Bei rein intern wirkenden Gelegenheitsgesellschaften stellt sich die Frage der Vertretung regelmäßig nicht.
Gesellschaftsvermögen
Werden dem Zusammenschluss für die gemeinsame Zweckverfolgung Vermögenswerte gewidmet und tritt die Gemeinschaft nach außen auf, kann ein vom Privatvermögen der Mitglieder abgrenzbarer Vermögenskreis entstehen. In rein internen Konstellationen verbleiben die eingebrachten Gegenstände rechtlich häufig im Eigentum der Beteiligten, die Nutzung richtet sich dann nach der Abrede.
Außenauftritt und Rechtsfähigkeit
Innen- versus Außenwirkung im Einzelfall
Ob eine Gelegenheitsgesellschaft im Rechtsverkehr eigenständig auftritt, beurteilt sich nach dem Erscheinungsbild gegenüber Dritten. Treten die Beteiligten erkennbar als Einheit auf, verwenden eine gemeinsame Bezeichnung oder schließen gemeinsam Verträge, wird die Gemeinschaft rechtlich wie eine eigenständig handelnde Personengesellschaft behandelt. Fehlt ein solcher Außenauftritt, verbleibt es bei einer rein internen Kooperation.
Verträge mit Dritten und Haftungsdurchgriff
Beim Außenauftritt kann die Gelegenheitsgesellschaft Trägerin von Rechten und Pflichten aus Verträgen sein. Verpflichtungen, die in diesem Rahmen eingegangen werden, können den Beteiligten persönlich zugerechnet werden. In rein internen Konstellationen wirken Abreden grundsätzlich nur im Verhältnis der Beteiligten; Verpflichtungen gegenüber Dritten entstehen dann nur, wenn einzelne Mitglieder im eigenen Namen handeln.
Haftung
Interne Haftung
Die Beteiligten tragen die mit der Zweckverfolgung verbundenen Lasten entsprechend ihrer Vereinbarung oder dem Charakter des Zusammenschlusses. Dazu zählen Aufwendungen, Verluste und sonstige interne Verpflichtungen. Für Pflichtverletzungen innerhalb der Gemeinschaft haften Beteiligte nach den allgemeinen Grundsätzen.
Haftung gegenüber Dritten
Tritt die Gelegenheitsgesellschaft nach außen auf, kommt eine persönliche, unbeschränkte und gemeinsame Haftung der Beteiligten für die im Rahmen der Zweckverfolgung begründeten Verpflichtungen in Betracht. Bei rein internen Zusammenschlüssen ohne Außenauftritt haften die Beteiligten gegenüber Dritten grundsätzlich nur, wenn sie selbst Vertragspartner geworden sind oder eine Zurechnung aus anderen Gründen erfolgt.
Deliktische Verantwortlichkeit
Werden bei der Zweckverfolgung Dritte geschädigt, richtet sich die Verantwortlichkeit nach den allgemeinen Regeln. Eine Zurechnung zum Zusammenschluss oder zu den einzelnen Beteiligten kann sich unter anderem aus gemeinsamem Handeln, Organisationsentscheidungen oder der Übernahme besonderer Pflichten ergeben.
Beendigung und Auseinandersetzung
Erlöschensgründe
Die Gelegenheitsgesellschaft endet in der Regel mit Erreichen des Zwecks, durch Zeitablauf, durch Unmöglichkeit der Zweckverfolgung oder durch Beendigungserklärungen der Beteiligten. Weitere Beendigungsgründe können sich aus der getroffenen Abrede ergeben.
Abwicklung
Nach der Beendigung sind laufende Angelegenheiten zu beenden, gemeinsame Vermögenswerte zu verwerten oder herauszugeben und verbleibende Überschüsse beziehungsweise Fehlbeträge entsprechend der internen Verteilungsschlüssel auszugleichen. Die Auseinandersetzung erfolgt einvernehmlich oder, bei Streit, nach den allgemeinen Regeln.
Öffentliche und behördliche Bezüge
Registrierung und Publizität
Eine Gelegenheitsgesellschaft unterliegt regelmäßig keiner Registerpflicht. Erreicht die Tätigkeit jedoch den Charakter eines auf Dauer angelegten Geschäftsbetriebs mit entsprechender Organisation und Außenwirkung, kann eine Einordnung als andere, eintragungspflichtige Rechtsform in Betracht kommen.
Steuerliche Einordnung
Bei lediglich interner Zusammenarbeit ohne Außenauftritt erfolgt die steuerliche Zurechnung in der Regel unmittelbar bei den Beteiligten. Tritt die Gelegenheitsgesellschaft im Geschäftsverkehr auf, wird sie regelmäßig als transparent behandelt, sodass Einkünfte, Umsätze und wirtschaftliche Ergebnisse den Beteiligten zugeordnet werden. Einzelheiten hängen von Art, Umfang und Ziel der Tätigkeit ab.
Kartell- und vergaberechtliche Aspekte
Bietergemeinschaften können Gelegenheitsgesellschaften sein. Ihre Zulässigkeit beurteilt sich nach den Regeln des Wettbewerbs- und Vergaberechts. Maßgeblich sind der konkrete Markt, die Notwendigkeit der Kooperation zur Angebotserstellung und die Auswirkungen auf den Wettbewerb.
Typische Anwendungsfelder und Beispiele
Tippgemeinschaft
Mehrere Personen legen Geld zusammen, um gemeinsam an einem Gewinnspiel teilzunehmen. Zweck, Beitragsumfang und Verteilung eines möglichen Gewinns sind klar umrissen. Ein Außenauftritt findet typischerweise nicht statt.
Fahrgemeinschaft
Personen organisieren einen gemeinsamen Transport für eine einzelne Fahrt, etwa zur Veranstaltung oder zum Flughafen. Der gemeinsame Zweck ist punktuell und nicht auf Dauer angelegt. In der Regel handelt es sich um eine interne Kooperation ohne Außenauftritt.
Bietergemeinschaft bei Ausschreibungen
Unternehmen schließen sich zusammen, um ein Angebot für ein einzelnes Vergabeverfahren abzugeben. Der Zusammenschluss ist zweck- und projektbezogen. Bei Teilnahme am Vergabeverfahren tritt die Gemeinschaft regelmäßig nach außen auf.
Gemeinschaftlicher Ankauf
Privatpersonen erwerben gemeinsam eine Sache für ein einmaliges Projekt, zum Beispiel eine technische Ausrüstung zur temporären Nutzung. Der Zusammenschluss endet regelmäßig mit Erfüllung des Zwecks und der Abwicklung der Nutzungs- und Kostenverteilung.
Häufig gestellte Fragen zur Gelegenheitsgesellschaft
Was ist eine Gelegenheitsgesellschaft?
Eine Gelegenheitsgesellschaft ist ein formloser Zusammenschluss mehrerer Personen zur Verfolgung eines einzelnen, klar umrissenen Zwecks. Sie ist typischerweise kurzfristig angelegt und kann je nach Ausgestaltung nur intern wirken oder ausnahmsweise nach außen auftreten.
Worin liegt der Unterschied zur bloßen Gefälligkeit?
Bei einer Gefälligkeit fehlt der Wille, rechtlich verbindlich einen gemeinsamen Zweck zu verfolgen. Die Gelegenheitsgesellschaft setzt einen erkennbaren Rechtsbindungswillen voraus, etwa durch Absprachen über Beiträge, Entscheidungen und die Verteilung von Ergebnissen.
Ist für die Entstehung ein schriftlicher Vertrag erforderlich?
Nein. Die Gelegenheitsgesellschaft kann ohne Schriftform durch mündliche oder konkludente Einigung entstehen. Maßgeblich ist der gemeinsame Wille, einen Zweck in eigener Verantwortung gemeinsam zu verfolgen.
Kann eine Gelegenheitsgesellschaft selbst Verträge schließen?
Tritt sie im Rechtsverkehr als Einheit auf, kann sie Verträge abschließen und Trägerin von Rechten und Pflichten sein. Fehlt ein erkennbarer Außenauftritt, werden Verträge in der Regel von den einzelnen Beteiligten in eigenem Namen geschlossen.
Wer haftet für Verbindlichkeiten?
Bei einem Außenauftritt kann eine persönliche, unbeschränkte und gemeinsame Haftung der Beteiligten für im Rahmen der Zweckverfolgung begründete Verbindlichkeiten in Betracht kommen. Bei rein internen Zusammenschlüssen haften die Beteiligten gegenüber Dritten grundsätzlich nur, wenn sie selbst Vertragspartner geworden sind oder eine Zurechnung aus anderen Gründen erfolgt.
Wie wird eine Gelegenheitsgesellschaft steuerlich behandelt?
In der Praxis erfolgt die steuerliche Zurechnung regelmäßig transparent, das heißt die wirtschaftlichen Ergebnisse werden den Beteiligten zugerechnet. Bei rein internen Konstellationen ohne Außenauftritt erfolgt die steuerliche Betrachtung ebenfalls bei den Beteiligten. Die Einordnung hängt von Art und Umfang der Tätigkeit ab.
Wann endet eine Gelegenheitsgesellschaft?
Sie endet in der Regel mit Erreichen des Zwecks, durch Zeitablauf, bei Unmöglichkeit der Zweckverfolgung oder aufgrund einer Beendigungserklärung. Anschließend erfolgt die Abwicklung und Verteilung verbleibender Werte und Lasten.
Ist eine Bietergemeinschaft stets eine Gelegenheitsgesellschaft?
Bietergemeinschaften sind häufig Gelegenheitsgesellschaften, weil sie projektbezogen und zeitlich begrenzt sind. Ihre rechtliche Behandlung richtet sich nach ihrem tatsächlichen Auftreten und der inneren Organisation sowie nach den einschlägigen vergabe- und wettbewerbsrechtlichen Vorgaben.