Geisteskranke, Geistesschwache (Unterbringung): Definition und rechtliche Grundlagen
Der Begriff Geisteskranke, Geistesschwache (Unterbringung) bezeichnet im deutschen Recht die gesetzlichen Regelungen zur zwangsweisen Unterbringung von Personen, die an einer psychischen Krankheit oder einer geistigen Behinderung leiden und durch ihr Verhalten sich selbst oder andere erheblich gefährden. Die Unterbringung solcher Personen stellt einen bedeutenden Eingriff in das Grundrecht auf Freiheit dar und bedarf deshalb besonderer rechtlicher Voraussetzungen und Verfahrensgarantien.
Begriffserklärung und Historie
Die Bezeichnungen „Geisteskranke“ und „Geistesschwache“ stammen aus älteren Fassungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) und des Unterbringungsrechts. Heutzutage werden sie durch die Begriffe „psychisch Kranke“ und „psychisch Behinderte“ ersetzt, um Stigmatisierung zu vermeiden. Dennoch finden sich die alten Begriffe noch in historischen Dokumenten und älterer Literatur. Wichtige gesetzliche Grundlagen bilden das BGB, das Gesetz über die Unterbringung psychisch Kranker (Psychisch-Kranken-Gesetze, Länderregelungen) sowie straf- und zivilrechtliche Vorschriften.
Gesetzliche Grundlagen der Unterbringung
Bürgerliches Gesetzbuch (§§ 1631b, 1906 BGB)
Bereits im BGB wird die Möglichkeit geschaffen, eine Betreuung und Unterbringung psychisch Kranker zu regeln. Nach § 1906 BGB kann eine unter Betreuung stehende Person gegen ihren natürlichen Willen untergebracht werden, wenn erhebliche Selbstgefährdung oder Gefährdung Dritter vorliegt und dies zur Abwendung der Gefahr erforderlich ist.
Voraussetzungen nach § 1906 BGB
- Bestehende psychische Krankheit oder geistige oder seelische Behinderung
- Gefahr für den Betreuten oder Dritte
- Notwendigkeit der Unterbringung zur Abwehr der Gefahr
- Genehmigung durch das Betreuungsgericht
Neben § 1906 BGB enthält § 1631b BGB spezielle Vorschriften zur Unterbringung von Minderjährigen.
Ländergesetze: Psychisch-Kranken-Gesetze (PsychKHG, PsychKG)
Die Bundesländer regeln die Unterbringung im Rahmen eigener Psychisch-Kranken-Gesetze. Diese legen das Verfahren und die Voraussetzungen für die zwangsweise Unterbringung fest, wenn die öffentliche Sicherheit und Ordnung betroffen sind. Beispiele sind das PsychKG NRW, das BayPsychKHG oder das PsychKG Berlin.
Wesentliche Elemente der Ländergesetze
- Vorliegen einer psychischen Störung
- Akute Selbts- oder Fremdgefährdung
- Verhältnismäßigkeit und Erforderlichkeit der Maßnahme
- Regelmäßig befristete und gerichtliche Überprüfung
- Rechtsmittel gegen die Entscheidung
Strafrechtliche Unterbringung: §§ 63, 64 StGB
Im Strafgesetzbuch werden Regelungen zur sogenannten Unterbringung in einer psychiatrischen Klinik (§ 63 StGB) oder einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) getroffen. Diese Maßnahmen werden im Rahmen eines Strafverfahrens angeordnet, wenn die Schuldfähigkeit der Täter aufgehoben oder vermindert war und eine dauerhafte Gefährlichkeit angenommen werden muss.
Öffentlich-rechtliche Unterbringung (§§ 70 ff. FGG, jetzt FamFG)
Früher wurde die Unterbringung im Rahmen des Gesetzes über die freiwillige Gerichtsbarkeit (FGG) geregelt. Heute finden sich die maßgeblichen Verfahrensvorschriften im Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG). Das FamFG regelt die richterlichen Entscheidungsprozesse und Verfahrensbeteiligungen, insbesondere die Bestellung eines Verfahrenspflegers und die Anhörung des Betroffenen.
Verfahrensabläufe und Rechtsschutz
Antragstellung und gerichtliches Verfahren
Die Einleitung einer Unterbringung erfolgt durch einen Antrag des Betreuers, Sorgeberechtigten oder der zuständigen Behörde. Die Entscheidung trifft das zuständige Betreuungsgericht, das alle Umstände sorgfältig prüft.
Rechtliches Gehör und Anhörung
Das Gericht hat den Betroffenen persönlich anzuhören und sich einen unmittelbaren Eindruck zu verschaffen. Zudem ist regelmäßig ein Sachverständigengutachten einzuholen. Das rechtliche Gehör ist ein zentrales Verfahrensmerkmal.
Dauer und Überprüfung der Unterbringung
Die Unterbringung ist befristet und bedarf fortlaufender gerichtlicher Überprüfung. Jede Verlängerung oder erneute Anordnung ist an strenge Voraussetzungen geknüpft. Rechtsmittel sind möglich.
Zwangsmaßnahmen und Maßnahmen zur Durchsetzung der Unterbringung
Die Durchführung der Unterbringung kann mit Zwangsmaßnahmen wie Fixierungen oder medikamentöser Behandlung verbunden sein. Diese sind nur unter strikten Voraussetzungen zulässig und bedürfen jeweils gesonderter richterlicher Anordnung (§ 1906a BGB, PsychKHG).
Rechtsschutzmöglichkeiten
Gegen gerichtliche Entscheidungen können Beschwerde oder sofortige Beschwerde eingelegt werden. Die Betroffenen haben Anspruch auf Verfahrensbeistand und im Regelfall auch auf gerichtliche Bestellung eines Rechtsbeistandes.
Grundrechtliche Aspekte der Unterbringung
Verhältnis zur Menschenwürde und zum Grundgesetz
Die zwangsweise Unterbringung stellt einen Eingriff in das Grundrecht auf persönliche Freiheit aus Art. 2 Abs. 2 GG dar. Deshalb sind hohe Anforderungen an die Rechtmäßigkeit und Erforderlichkeit der Maßnahme gestellt. Die gesetzlichen Regelungen genügen den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsprinzips und des Grundsatzes der Menschenwürde (Art. 1 GG).
Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK)
Die Vorschriften berücksichtigen auch den Schutz nach Art. 5 EMRK, der eine Freiheitsentziehung nur unter strengen Voraussetzungen erlaubt und gerichtliche Kontrolle verlangt.
Zentrale Rechtsfolgen und Auswirkungen
Auswirkungen auf die Handlungsfähigkeit
Eine Unterbringung kann sich unmittelbar auf die Geschäftsfähigkeit, die Fähigkeit zur selbstbestimmten Lebensführung und Teilnahme am Rechtsverkehr auswirken. Entscheidungsbefugnisse werden ggf. an einen Betreuer übertragen.
Ende der Unterbringung
Die zwangsweise Unterbringung ist auf den unbedingt erforderlichen Zeitraum zu beschränken. Sie endet automatisch mit Wegfall der gesetzlichen Voraussetzungen oder durch gerichtliche Entscheidung.
Zusammenfassung
Unterbringungsgesetze für psychisch kranke und psychisch behinderte Menschen zielen in Deutschland insbesondere darauf, Gefahren für Leib und Leben abzuwehren und die Rechte der Betroffenen zu schützen. Die Rechtslage umfasst umfangreiche Prüf- und Verfahrensvorschriften, deutschlandweit durch Bundes- und Landesgesetze differenziert. Die Entscheidung über eine zwangsweise Unterbringung beruht stets auf strengen gesetzlichen Voraussetzungen, gerichtlicher Kontrolle und umfassenden Rechtsschutzgarantien, um unverhältnismäßige Freiheitsentziehungen zu verhindern.
Quellenhinweise:
- Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), insbesondere §§ 1631b, 1906, 1906a
- Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG)
- Psychisch-Kranken-Gesetze der Länder (PsychKG, PsychKHG)
- Strafgesetzbuch (StGB), insbesondere §§ 63, 64
- Grundgesetz, Art. 1, 2
- Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK), Art. 5
Häufig gestellte Fragen
Welche gesetzlichen Grundlagen regeln die Unterbringung von Geisteskranken und Geistesschwachen in Deutschland?
Die Unterbringung von Geisteskranken und Geistesschwachen ist in Deutschland vorrangig durch unterschiedliche Rechtsnormen geregelt. Im Strafrecht wird insbesondere auf die §§ 63 und 64 des Strafgesetzbuches (StGB) Bezug genommen, die Sicherungsmaßnahmen bei Schuldunfähigkeit oder erheblich verminderter Schuldfähigkeit durch eine psychische Störung regeln. Für das Zivilrecht ist das Betreuungsrecht (§§ 1896 ff. BGB) sowie das Gesetz über die Unterbringung psychisch Kranker (Psychisch-Kranken-Gesetze der Bundesländer) maßgeblich. Diese Landesgesetze enthalten Regelungen zur Prävention von Selbst- und Fremdgefährdung sowie Verfahrensvorschriften, Zuständigkeiten und Voraussetzungen für eine zwangsweise Unterbringung. Im Maßregelvollzugsgesetz werden weitere Details zum Ablauf und zu den Rechten der Untergebrachten geregelt. Ferner finden internationale Vorgaben, wie die UN-Behindertenrechtskonvention, bei der Auslegung und Anwendung der Vorschriften Beachtung.
Unter welchen Voraussetzungen ist eine Zwangsunterbringung im psychiatrischen Kontext rechtlich zulässig?
Eine Zwangsunterbringung ist rechtlich nur unter engen Voraussetzungen zulässig. Voraussetzung ist in der Regel das Vorliegen einer schweren psychischen Erkrankung, die mit einer akuten Selbst- oder erheblichen Fremdgefährdung einhergeht. Die Unterbringung muss verhältnismäßig sein, d. h. sie darf nur das letzte Mittel darstellen, wenn andere, weniger eingreifende Maßnahmen keinen ausreichenden Schutz bieten. Ein ärztliches Gutachten ist erforderlich, das die Notwendigkeit und Dringlichkeit der Unterbringung bestätigt. Die Entscheidung wird stets durch ein Gericht getroffen, das alle persönlichen und sachlichen Umstände berücksichtigt und die betroffene Person regelmäßig persönlich anhört. Weitere Voraussetzung ist die zeitliche Begrenzung der Anordnung sowie eine fortlaufende Überprüfung, ob die Voraussetzungen weiterhin vorliegen.
Wie läuft das gerichtliche Verfahren zur zwangsweisen Unterbringung ab?
Das gerichtliche Verfahren zur zwangsweisen Unterbringung erfolgt in mehreren Schritten: Zunächst wird ein Antrag – meist von nahen Angehörigen, Betreuern oder behandelnden Ärzten – beim zuständigen Amtsgericht gestellt. Anschließend wird ein ärztliches Gutachten eingeholt, das die psychische Erkrankung und die Gefährdungslage bestätigt. Das Gericht prüft sodann die formellen und materiellen Voraussetzungen sowie die Einhaltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Die betroffene Person wird dabei zwingend persönlich angehört; in der Regel wird ihr ein Verfahrenspfleger oder ein Rechtsanwalt zur Seite gestellt. Das Gericht entscheidet durch Beschluss über die Unterbringung, deren Dauer maximal für eine bestimmte Frist genehmigt wird. Verlängerungen bedürfen eines neuen richterlichen Beschlusses und erneuter Begutachtung. Gegen gerichtliche Entscheidungen stehen Rechtsmittel wie die Beschwerde offen.
Welche Rechte haben untergebrachte Personen während des Aufenthalts in einer Einrichtung?
Untergebrachte Personen genießen während ihres Aufenthalts weitreichende Rechte. Dazu gehören insbesondere das Recht auf menschenwürdige Behandlung, das Recht auf Besuch und auf regelmäßigen Kontakt mit Familienangehörigen, Rechtsanwälten und Behörden. Weiterhin besteht das Recht auf eine angemessene medizinische und therapeutische Versorgung sowie Zugang zu Beschäftigungs- und Freizeitangeboten. Die Unverletzlichkeit der persönlichen Freiheit wird lediglich insoweit eingeschränkt, wie es der Zweck der Unterbringung erfordert. Zusätzlich besteht das Recht, die Unterbringung regelmäßig gerichtlich überprüfen zu lassen sowie Beschwerde- und Antragsrecht, um unrechtmäßige Maßnahmen abzuwehren.
Inwieweit ist eine zwangsweise medikamentöse Behandlung im Rahmen der Unterbringung zulässig?
Eine zwangsweise medikamentöse Behandlung ist nur unter sehr engen rechtlichen Voraussetzungen zulässig. Sie setzt voraus, dass eine akute Eigen- oder Fremdgefährdung besteht und die Behandlung zur Beseitigung dieser Gefährdung unumgänglich ist. Das Vorliegen der Einwilligungsunfähigkeit ist ebenso erforderlich. Vor der Durchführung muss grundsätzlich eine gerichtliche Genehmigung eingeholt werden, in der das Verfahren und die Notwendigkeit der Maßnahme geprüft werden. Die Maßnahme unterliegt strengen Dokumentations- und Kontrollpflichten. Alternativen sind stets zu prüfen, und nach Möglichkeit ist zuvor die freiwillige Einwilligung der betroffenen Person einzuholen.
Nach welchen Kriterien wird zwischen Geisteskrankheit und Geistesschwäche unterschieden und wie wirkt sich dies auf die Unterbringung aus?
Aus rechtlicher Sicht wird zwischen Geisteskrankheit (z. B. Psychosen, schwere Depressionen, Schizophrenien) und Geistesschwäche (z. B. angeborene oder früh erworbene Intelligenzminderung) unterschieden. Die Differenzierung erfolgt anhand medizinischer Gutachten, die Diagnosen gemäß internationaler Klassifikationssysteme (ICD-10 bzw. ICD-11) zu Grunde legen. Die Auswirkungen auf die Unterbringung ergeben sich daraus, dass bei Geistesschwäche zumeist andere Maßnahmen und Einrichtungen relevant sind (z. B. Behindertenhilfe), während Geisteskranke vermehrt psychotherapeutischer oder psychiatrischer Behandlung bedürfen. Die rechtlichen Schutzmechanismen greifen in beiden Fällen, differenzieren jedoch hinsichtlich der erforderlichen Versorgung und Langzeitperspektive.
Wie häufig werden gerichtliche Entscheidungen zur Unterbringung überprüft oder aufgehoben?
Gerichtliche Entscheidungen zur Unterbringung werden gesetzlich regelmäßig überprüft, in der Regel mindestens einmal jährlich (§ 329 FamFG). Die Frist kann sich verkürzen, wenn Umstände dies erfordern oder die betroffene Person beziehungsweise ihr Vertreter einen Antrag auf Überprüfung stellt. Bei jeder Überprüfung wird erneut geprüft, ob die Voraussetzungen für eine weitere Unterbringung noch vorliegen. Die Gerichte sind verpflichtet, bei jeder Überprüfung die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme kritisch zu hinterfragen und gegebenenfalls die Aufhebung der Unterbringung zu beschließen. Bei Wegfall der Voraussetzungen ist die Unterbringung umgehend aufzuheben, unabhängig vom Ablauf der gesetzten Frist.