Legal Wiki

Wiki»Wiki»Geisteskranke, Geistesschwache (Unterbringung)

Geisteskranke, Geistesschwache (Unterbringung)

Begriff und heutiger Sprachgebrauch

Die Bezeichnung „Geisteskranke, Geistesschwache (Unterbringung)“ entstammt einer älteren Rechtssprache. Sie wurde historisch verwendet, um rechtliche Regelungen zur zwangsweisen Aufnahme von Personen mit schweren psychischen Störungen oder erheblichen kognitiven Beeinträchtigungen in eine geeignete Einrichtung zu beschreiben. In der heutigen Rechts- und Verwaltungssprache wird sie durch neutrale und präzisere Begriffe wie „Personen mit psychischen Erkrankungen“ oder „Personen mit kognitiven Beeinträchtigungen“ ersetzt. Der hier erläuterte Begriff bezieht sich daher auf die rechtlichen Rahmenbedingungen der Unterbringung, also der freiheitsentziehenden Aufnahme in eine psychiatrische Klinik oder eine vergleichbare Einrichtung.

Definition und Abgrenzung

Unter „Unterbringung“ wird die rechtlich angeordnete, zeitweise Entziehung der Freiheit verstanden, um eine Person mit einer psychischen Erkrankung oder einer erheblichen kognitiven Beeinträchtigung in einer speziellen Einrichtung zu sichern und zu behandeln oder eine akute Gefahr abzuwenden. Sie ist vom freiwilligen Krankenhausaufenthalt zu unterscheiden. Ebenfalls abzugrenzen sind strafrechtliche Unterbringungen (forensische Bereiche) von zivil- und öffentlich-rechtlichen Unterbringungen aus Gründen der Gefahrenabwehr oder Fürsorge.

Sprachlicher Wandel und Sensibilität

Die historischen Begriffe gelten heute als stigmatisierend. Der rechtliche Gehalt – die Voraussetzungen, Verfahren und Schutzmechanismen einer Unterbringung – ist jedoch weiterhin aktuell. In der Praxis wird auf eine respektvolle, personenzentrierte Terminologie geachtet.

Rechtsrahmen der Unterbringung

Zivil- und betreuungsrechtliche Unterbringung

Hierunter fallen Unterbringungen, die dem Schutz einer konkret betroffenen Person dienen, wenn diese krankheitsbedingt nicht in der Lage ist, über medizinische Maßnahmen verantwortungsvoll zu entscheiden und eine erhebliche Selbstgefährdung vorliegt. Die Anordnung erfolgt durch ein Gericht. Beteiligte können unter anderem bestellte rechtliche Vertreterinnen und Vertreter oder Bevollmächtigte sein.

Öffentlich-rechtliche Unterbringung (Gefahrenabwehr)

Die Länder regeln die Unterbringung zur Gefahrenabwehr, wenn von einer Person mit akuter psychischer Krise eine erhebliche Gefahr für sich oder Dritte ausgeht. Die Anordnung erfolgt regelmäßig durch ein Gericht, häufig nach einer kurzfristigen Sicherung durch Ordnungsbehörden oder medizinische Dienste. Ziel ist vorrangig die Abwendung konkreter Gefahren.

Strafrechtliche/forensische Unterbringung

Von den vorgenannten Formen zu unterscheiden ist die Unterbringung im Maßregelvollzug. Sie betrifft Personen, bei denen im Zusammenhang mit Straftaten eine schwere psychische Störung vorliegt. Zweck ist Sicherung und Behandlung. Diese Unterbringung folgt eigenen Vorgaben und darf nicht mit zivil- oder ordnungsrechtlichen Verfahren vermischt werden.

Voraussetzungen der Unterbringung

Typische materielle Anforderungen

  • Vorliegen einer schwerwiegenden psychischen Erkrankung oder einer erheblichen kognitiven Beeinträchtigung mit Krankheitswert.
  • Konkrete erhebliche Gefahr für sich selbst (z. B. Suizidalität, gravierende Selbstschädigung) oder für bedeutende Rechtsgüter anderer.
  • Erforderlichkeit: ambulante, weniger eingriffsintensive Maßnahmen reichen nicht aus.
  • Geeignetheit und Verhältnismäßigkeit: der Freiheitsentzug muss geeignet sein, die Gefahr abzuwenden, und darf nicht weiter gehen als nötig.
  • Aktuelle und fachlich nachvollziehbare Einschätzung des Gesundheitszustands, meist auf Basis ärztlicher Stellungnahmen.

Verfahrensablauf

Einleitung und Eilmaßnahmen

Das Verfahren kann durch Einrichtungen, Ordnungsbehörden, rechtliche Vertretungen, Angehörige oder medizinische Dienste angestoßen werden. Bei akuten Gefährdungen sind kurzfristige Sicherungen möglich, die in der Regel unverzüglich einer richterlichen Prüfung zugeführt werden.

Richterliche Entscheidung und Anhörung

Eine Unterbringung bedarf der richterlichen Anordnung. Die betroffene Person wird persönlich angehört. Es können Verfahrensbeistände eingesetzt werden. Ärztliche Einschätzungen werden berücksichtigt. Die Entscheidung beinhaltet Dauer, Zweck und Umfang der Unterbringung.

Dokumentation und Begründung

Unterbringungsentscheidungen werden begründet und dokumentiert. Einrichtungen führen fortlaufende Dokumentation über Verlauf, Maßnahmen und Prüfungen der fortbestehenden Voraussetzungen.

Rechte der betroffenen Personen

Grundlegende Schutz- und Verfahrensrechte

  • Wahrung der Menschenwürde und des Rechts auf körperliche Unversehrtheit.
  • Recht auf rechtliches Gehör und auf eine unabhängige gerichtliche Entscheidung.
  • Recht auf Information über Gründe, Dauer und Ziele der Unterbringung.
  • Möglichkeit der Überprüfung der Entscheidung und der Einlegung von Rechtsbehelfen.
  • Kontaktmöglichkeiten zu Vertrauenspersonen; angemessene Kommunikationsrechte.
  • Datenschutz und Verschwiegenheit im Umgang mit Gesundheitsdaten.

Zwangsmaßnahmen und Behandlung

Unterbringung und Behandlung sind rechtlich zu unterscheiden. Eine Unterbringung begründet nicht automatisch eine Zwangsbehandlung. Maßnahmen wie medikamentöse Behandlung ohne Einwilligung, Fixierungen oder Absonderung unterliegen strengen zusätzlichen Voraussetzungen, besonderer Dokumentation, Verhältnismäßigkeit und in bestimmten Konstellationen einer gesonderten richterlichen Entscheidung. Leitprinzip ist stets die Wahrung der Selbstbestimmung, soweit keine gravierenden Gefahren entgegenstehen.

Minderjährige

Bei Minderjährigen gelten besondere Schutzstandards. Die Einbindung der Sorgeberechtigten und spezialisierter Einrichtungen ist vorgesehen. Gerichte prüfen bei freiheitsentziehenden Maßnahmen besondere Eignung und Erforderlichkeit sowie die Entwicklungs- und Einsichtsfähigkeit des Kindes oder Jugendlichen.

Dauer, Überprüfung und Entlassung

Unterbringungen sind zeitlich zu begrenzen. Gerichte legen Höchstdauern fest und ordnen regelmäßige Überprüfungen an. Fällt die Gefährdung weg oder stehen weniger eingriffsintensive Mittel zur Verfügung, ist die Unterbringung aufzuheben. Einrichtungen haben den Fortbestand der Voraussetzungen laufend zu prüfen und Veränderungen zu dokumentieren.

Kosten und Zuständigkeiten

Die Kosten richten sich nach Art der Unterbringung und dem jeweiligen Leistungssystem. In Betracht kommen Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung, Sozialleistungsträger sowie Eigenanteile. Zuständigkeitsfragen können sich je nach Wohnort, Einweisungsgrund und Einrichtung unterscheiden. Forensische Unterbringungen folgen gesonderten Finanzierungsregeln.

Datenschutz und Schweigepflicht

Gesundheitsdaten unterliegen einem besonderen Geheimnisschutz. Zugriff, Speicherung und Weitergabe sind nur im rechtlich zulässigen Rahmen gestattet. Betroffene haben grundsätzlich Anspruch auf Information über die Verarbeitung ihrer Daten und auf Einsicht in die Dokumentation, soweit keine überwiegenden Schutzinteressen entgegenstehen.

Gesellschaftliche und menschenrechtliche Bezüge

Unterbringungen berühren zentrale Freiheitsrechte. Maßstäbe ergeben sich aus verfassungsrechtlichen Garantien, europäischem Menschenrechtsschutz und internationalen Übereinkünften zum Schutz von Menschen mit Behinderungen. Leitprinzipien sind Nichtdiskriminierung, Inklusion, geringstmöglicher Eingriff, Transparenz und gerichtliche Kontrolle.

Abgrenzung zu anderen Maßnahmen

Ambulante Hilfen und betreuungsrechtliche Unterstützung

Ambulante Behandlungs- und Unterstützungsformen, Krisendienste, betreuungsrechtliche Vertretungen sowie Vorsorgeverfügungen können in geeigneten Fällen Unterbringungen vermeiden oder verkürzen. Sie ersetzen die Unterbringung jedoch nicht, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen eines Freiheitsentzugs vorliegen.

Forensischer Maßregelvollzug

Die strafrechtlich begründete Unterbringung im Maßregelvollzug dient der Sicherung der Allgemeinheit und der Behandlung im Zusammenhang mit strafrechtlichen Vorwürfen. Sie unterscheidet sich in Voraussetzungen, Dauer und Zielsetzung von zivil- und öffentlich-rechtlichen Unterbringungen.

Rolle von Angehörigen und Vertrauenspersonen

Angehörige und Vertrauenspersonen können wichtige Informationen zur Situation beitragen und in Verfahren einbezogen werden, soweit dies mit den Rechten der betroffenen Person vereinbar ist. Rechtliche Vertretungen handeln im Rahmen ihrer Befugnisse und unter Beachtung des mutmaßlichen Willens und der Wünsche der betroffenen Person.

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Was bedeutet „Unterbringung“ im Zusammenhang mit psychischen Erkrankungen?

Unter „Unterbringung“ wird die rechtlich angeordnete Aufnahme einer Person in eine psychiatrische Klinik oder eine vergleichbare Einrichtung verstanden, die mit einem Freiheitsentzug verbunden ist. Sie dient der Abwendung erheblicher Gefahren und gegebenenfalls der Behandlung, wenn freiwillige Maßnahmen nicht ausreichen.

Welche Voraussetzungen müssen für eine Unterbringung vorliegen?

Erforderlich sind eine schwere psychische Erkrankung oder erhebliche kognitive Beeinträchtigung, eine konkrete erhebliche Gefahr für die betroffene Person oder andere, die Geeignetheit und Erforderlichkeit der Maßnahme sowie ihre Verhältnismäßigkeit. Zudem ist eine aktuelle fachliche Einschätzung des Gesundheitszustands maßgeblich.

Wer entscheidet über die Unterbringung?

Die Entscheidung trifft ein Gericht. In Eilsituationen können kurzfristige Sicherungsmaßnahmen erfolgen, die unverzüglich einer richterlichen Überprüfung zugeführt werden. Die betroffene Person wird angehört; ärztliche Stellungnahmen fließen in die Entscheidung ein.

Wie lange darf eine Unterbringung dauern?

Unterbringungen sind zeitlich zu begrenzen. Die Dauer wird durch das Gericht festgelegt und regelmäßig überprüft. Bestehen die Voraussetzungen nicht mehr, ist die Maßnahme zu beenden.

Welche Rechte haben Betroffene während der Unterbringung?

Betroffene haben Anspruch auf Wahrung ihrer Menschenwürde, auf rechtliches Gehör, auf Information über Gründe und Dauer der Maßnahme, auf gerichtliche Überprüfung, auf Datenschutz und auf angemessene Kontaktmöglichkeiten zu Vertrauenspersonen.

Was ist der Unterschied zwischen zivilrechtlicher, öffentlich-rechtlicher und strafrechtlicher Unterbringung?

Die zivil- bzw. betreuungsrechtliche Unterbringung dient vorrangig dem Schutz der betroffenen Person. Die öffentlich-rechtliche Unterbringung dient der Gefahrenabwehr durch die Länder. Die strafrechtliche Unterbringung im Maßregelvollzug steht im Zusammenhang mit Straftaten und folgt eigenen Regeln und Zielen.

Dürfen Zwangsbehandlungen durchgeführt werden?

Zwangsbehandlungen sind rechtlich gesondert geregelt und nur unter strengen Voraussetzungen zulässig. Eine Unterbringung allein rechtfertigt keine Behandlung ohne Einwilligung. Erforderlich sind zusätzliche Voraussetzungen, besondere Abwägungen und häufig eine separate gerichtliche Entscheidung.

Wer trägt die Kosten einer Unterbringung?

Die Kostentragung richtet sich nach Art der Unterbringung und den jeweils zuständigen Leistungssystemen. In Betracht kommen insbesondere gesetzliche Krankenversicherung und Sozialleistungsträger; Eigenanteile können bestehen. Für den Maßregelvollzug gelten besondere Finanzierungsregelungen.