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Gehaltspfändung


Begriff und Grundlagen der Gehaltspfändung

Die Gehaltspfändung ist eine Maßnahme der Zwangsvollstreckung zugunsten eines Gläubigers, bei der die Ansprüche eines Schuldners auf Arbeitsentgelt oder vergleichbare laufende Zahlungen beschlagnahmt werden. Ziel ist die Sicherung und Einziehung offener Geldforderungen. Die rechtliche Grundlage für die Gehaltspfändung findet sich in der Zivilprozessordnung (ZPO), insbesondere in den §§ 829 ff. sowie den §§ 850 ff. ZPO.

Abgrenzung: Lohnpfändung, Arbeitseinkommen und andere Einkommensarten

Gehaltspfändung und Lohnpfändung werden im allgemeinen Sprachgebrauch häufig synonym verwendet, umfassen aber rechtlich sämtliche Einkünfte aus unselbständiger Arbeit, mithin „Arbeitseinkommen“ im Sinne des § 850 ZPO. Dazu zählen neben Gehalt und Lohn auch Dienstbezüge, Renten sowie diverse Arbeitsvergütungen unabhängig von Arbeitszeit oder Art des Arbeitsvertrags.

Voraussetzungen und Ablauf der Gehaltspfändung

Pfändungstitel und Antrag

Voraussetzung einer Gehaltspfändung ist das Vorliegen eines vollstreckbaren Titels (zum Beispiel Urteil, Vollstreckungsbescheid) und die Beantragung der Zwangsvollstreckung durch den Gläubiger beim zuständigen Vollstreckungsgericht. Erst nach Erlass des sogenannten Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses (PfÜB) wird die Pfändung wirksam.

Pfändungs- und Überweisungsbeschluss (PfÜB)

Das rechtliche Instrument zur Durchführung der Gehaltspfändung ist der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss. Mit Zustellung an den Arbeitgeber (Drittschuldner) wird diesem untersagt, nicht pfändbare Beträge an den Schuldner auszuzahlen. Gleichzeitig wird das pfändbare Arbeitseinkommen zum Zwecke der Tilgung der Forderungen an den Gläubiger abgetreten bzw. überwiesen.

Beteiligte Parteien

  • Schuldner: Die Person, gegen die vollstreckt wird.
  • Gläubiger: Die Person oder Institution, die die Forderung geltend macht.
  • Drittschuldner: Regelmäßig der Arbeitgeber, der zur Zahlung verpflichtet ist.

Schutz des Schuldners

Das Arbeitseinkommen ist nicht in voller Höhe pfändbar. Zum Schutz des Schuldners werden pfändungsfreie Beträge gemäß der Pfändungstabelle (§ 850c ZPO) berücksichtigt. Diese berücksichtigen insbesondere Unterhaltsverpflichtungen sowie den notwendigen Lebensunterhalt des Schuldners.

Pfändbare und unpfändbare Einkommensbestandteile

Pfändbarer Betrag

Nicht das gesamte Arbeitseinkommen unterliegt der Pfändung. Die maximale Höhe des pfändbaren Betrags richtet sich nach Nettogehalt, Unterhaltspflichten und dem in regelmäßigen Abständen angepassten Freibetrag (§ 850c ZPO).

Unpfändbare Beträge

Unpfändbar sind insbesondere:

  • Notwendiger Unterhalt des Schuldners und seiner unterhaltsberechtigten Angehörigen
  • Erschwerniszulagen, Weihnachtsgeld bis 500 Euro jährlich (§ 850a Abs. 4 ZPO)
  • Aufwandsentschädigungen, Sozialleistungen, Kindergeld und spezielle Mehrarbeitsvergütungen (§ 850a, § 54 SGB I)

Darüber hinaus sind Sonderzahlungen, Urlaubsgeld oder bestimmte Einmalzahlungen im Regelfall nur eingeschränkt oder gar nicht pfändbar.

Rangfolge mehrerer Gläubiger und Verteilung

Bestehen mehrere Forderungen gegen denselben Schuldner, richtet sich die Verteilung pfändbarer Beträge nach dem zeitlichen Eingang der Pfändungen beim Arbeitgeber (Prioritätsprinzip). Nachrangige Pfändungen werden erst bedient, wenn vorrangige Forderungen befriedigt wurden oder entfallen.

Verfahrensrechtliche Besonderheiten

Drittschuldnererklärung

Nach Zustellung des PfÜB ist der Arbeitgeber verpflichtet, eine Drittschuldnererklärung abzugeben (§ 840 ZPO). Darin wird offengelegt, in welcher Höhe und wann das Gehalt des Schuldners zur Auszahlung ansteht sowie etwaige weitere Ansprüche bestehen.

Auskunftspflichten und Mitwirkung

Arbeitgeber sind verpflichtet, pfändbare Beträge ordnungsgemäß zu berechnen, abzuführen und die Einhaltung der Pfändungsfreigrenzen stets zu beachten. Eine fehlerhafte Behandlung kann zur Schadensersatzpflicht führen.

Beendigung der Gehaltspfändung

Eine Gehaltspfändung endet im Regelfall mit vollständiger Befriedigung des Gläubigers. Sie kann auch durch Rücknahme, Aufhebung des PfÜB, Insolvenzverfahren des Schuldners oder durch Gerichtsbeschluss beendet oder ausgesetzt werden. Im Insolvenzfall gehen Forderungen an den Insolvenzverwalter über.

Pfändungsschutz und individuelle Anträge

Schuldner können beim Vollstreckungsgericht Anträge auf Erhöhung der unpfändbaren Beträge stellen, etwa wegen besonderer finanzieller Belastungen (Mehrbedarf, § 850f ZPO). Auch können bestimmte Einkünfte explizit ganz oder teilweise von der Pfändung ausgenommen werden (§§ 850i, 850k ZPO).

Rechtsfolgen für den Arbeitgeber

Die Pflicht zur Abführung pfändbarer Beträge ist für Arbeitgeber rechtlich bindend. Werden pfändbare Beträge nicht korrekt behandelt, kann sich ein Arbeitgeber schadensersatzpflichtig machen. Umgekehrt kann eine Nichtbeachtung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses Ordnungswidrigkeiten nach sich ziehen.

Unterschiede zu anderen Vollstreckungsarten

Die Gehaltspfändung unterscheidet sich von der Kontopfändung (§ 850k ZPO) oder Sachpfändung insbesondere durch den laufenden Zufluss des Einkommens und besondere Schutzvorschriften für Schuldner.

Zusammenfassung

Die Gehaltspfändung ist eine effektive und rechtlich klar geregelte Maßnahme der Zwangsvollstreckung zur Sicherung und Befriedigung von Geldforderungen gegen natürliche Personen mit regelmäßigem Arbeitseinkommen. Durch umfangreiche Schutzmechanismen wird der notwendige Lebensunterhalt des Schuldners berücksichtigt. Das Verfahren setzt eine gerichtliche Anordnung voraus und bindet sowohl Schuldner als auch Arbeitgeber an strenge Mitwirkungs- und Sorgfaltspflichten.

Für weitergehende Fragestellungen liefern §§ 850 ff. ZPO und die dort in Bezug genommenen Spezialgesetze detaillierte Auskünfte über Abläufe, Schutzvorschriften und Rechtsfolgen der Gehaltspfändung im deutschen Recht.

Häufig gestellte Fragen

Was sind die Voraussetzungen für eine Gehaltspfändung?

Eine Gehaltspfändung kann erst erfolgen, wenn bestimmte rechtliche Voraussetzungen erfüllt sind. Zunächst muss der Gläubiger einen vollstreckbaren Titel gegen den Schuldner erwirkt haben, beispielsweise ein Urteil, einen Vollstreckungsbescheid oder eine notarielle Urkunde mit Vollstreckungsklausel. Anschließend muss der Gläubiger beim Vollstreckungsgericht einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss beantragen, der sich ausdrücklich auf das Arbeitseinkommen des Schuldners bezieht. Ohne einen solchen Beschluss darf kein Arbeitgeber das Gehalt des Schuldners an den Gläubiger abführen. Weiterhin muss der Pfändungsantrag die genaue Bezeichnung des Schuldners, des Arbeitgebers sowie des zu pfändenden Anspruchs enthalten und die Forderung muss bestimmte Mindestbeträge überschreiten, um als pfändbar zu gelten. Besonders zu beachten ist der Schutz des Schuldners: Es gibt einen unpfändbaren Teil des Einkommens, den sogenannten Pfändungsfreibetrag, der dem Existenzminimum dienen soll und in der Zivilprozessordnung (ZPO) geregelt ist. Die Einhaltung aller Formalien und gesetzlichen Vorgaben ist Grundvoraussetzung, andernfalls wird die Pfändung vom Gericht abgewiesen oder kann im Nachhinein angefochten werden.

Welche Beträge sind bei der Gehaltspfändung unpfändbar?

Grundsätzlich unterliegt nicht das gesamte Arbeitseinkommen einer Pfändung. Nach den §§ 850 ff. ZPO sind bestimmte Teile des Einkommens unpfändbar, um das Existenzminimum des Schuldners und seiner unterhaltsberechtigten Personen zu sichern. Der unpfändbare Betrag, der sogenannte Pfändungsfreibetrag, richtet sich nach der gesetzlichen Pfändungstabelle, welche jährlich angepasst wird. Der Grundfreibetrag liegt für eine alleinstehende Person (Stand 2024) bei monatlich 1.402,28 Euro netto; bei unterhaltsberechtigten Personen erhöht sich dieser Betrag stufenweise. Außerdem sind bestimmte Zuschläge und Leistungen wie Erziehungsgelder, Schmutzzulagen oder Aufwandsentschädigungen grundsätzlich nicht pfändbar. Arbeitgeber müssen die maßgeblichen Beträge selbständig auf die Pfändungsgrenzen prüfen und lediglich das pfändbare Einkommen an den Gläubiger abführen. Verstöße gegen diese Vorgaben können zu Schadensersatzansprüchen führen.

Was ist die Rolle des Arbeitgebers bei einer Gehaltspfändung?

Wird dem Arbeitgeber ein Pfändungs- und Überweisungsbeschluss zugestellt, ist er verpflichtet, diesen zu beachten und umzusetzen. Der Arbeitgeber muss zunächst den pfändbaren Betrag vom Bruttoeinkommen des Schuldners ermitteln, dabei alle unpfändbaren Bestandteile herausrechnen und ausschließlich den pfändbaren Anteil an den Gläubiger überweisen. Dabei wird der Arbeitgeber zum sogenannten „Drittschuldner“ und haftet für die korrekte Berechnung und Abführung. Kommt er dieser Verpflichtung nicht nach oder leistet versehentlich Zahlungen an den Schuldner, obwohl eine gültige Pfändung vorliegt, kann er sich gegenüber dem Gläubiger schadensersatzpflichtig machen. Zudem ist der Arbeitgeber verpflichtet, dem Gläubiger Auskunft über das Arbeitsverhältnis sowie die Gehaltszahlungen zu erteilen, sofern dies zur Durchsetzung der Pfändung erforderlich ist. Strikte Einhaltung der Vorgaben ist unumgänglich, um rechtliche Nachteile zu vermeiden.

Wie lange dauert eine Gehaltspfändung und wann endet sie?

Eine Gehaltspfändung dauert im Regelfall so lange, bis die titulierte Forderung einschließlich aller aufgelaufenen Zinsen und Kosten vollständig beglichen ist. Es gibt keine generelle zeitliche Begrenzung, sondern sie orientiert sich ausschließlich an der Höhe der Forderung und der monatlich pfändbaren Beträge. Endet das Arbeitsverhältnis, wird die Pfändung gegenüber dem bisherigen Arbeitgeber unwirksam, der Gläubiger kann jedoch bei einem neuen Arbeitgeber einen erneuten Beschluss beantragen. Die Pfändung endet automatisch, wenn der Gläubiger dem Arbeitgeber eine so genannte „Löschungsbescheinigung“ zukommen lässt oder das Gericht die Pfändung aufhebt. Eine weitere Beendigungsmöglichkeit besteht im Wegfall der Forderung durch Erfüllung, Forderungsverzicht des Gläubigers oder durch rechtskräftige Entscheidung eines Gerichts.

Welche Rechte und Pflichten hat der Schuldner während einer Gehaltspfändung?

Der Schuldner hat während der Gehaltspfändung bestimmte Schutzrechte, aber auch Pflichten. Er sollte dem Arbeitgeber unverzüglich mitteilen, wenn sich persönliche Verhältnisse ändern, die sich auf die Pfändungsfreibeträge auswirken (z. B. Geburt eines Kindes, Unterhaltsverpflichtungen). Außerdem ist er verpflichtet, wahrheitsgemäße Angaben über seine wirtschaftlichen und familiären Verhältnisse zu machen, um die korrekte Berechnung der pfändbaren Beträge zu ermöglichen. Der Schuldner kann beim Vollstreckungsgericht beantragen, dass der pfändbare Betrag reduziert oder die Pfändung ausgesetzt wird, wenn besondere Härten vorliegen (§ 850k ZPO). Er hat zudem Anspruch darauf, Auskunft vom Arbeitgeber zu erhalten, wie hoch der abgeführte Betrag ist. Des Weiteren steht dem Schuldner das Recht zu, sich gegen die Pfändung rechtlich zu wehren, wenn sie unberechtigt erscheint oder formelle Fehler aufweist.

Was geschieht mit Sonderzahlungen wie Weihnachtsgeld oder Urlaubsgeld im Rahmen der Gehaltspfändung?

Sonderzahlungen unterliegen besonderen Pfändungsregelungen. Weihnachtsgeld ist gemäß § 850a Nr. 4 ZPO bis zum Betrag von der Hälfte des monatlichen Arbeitseinkommens, maximal jedoch bis 500 Euro jährlich, unpfändbar. Urlaubsgeld ist vollständig unpfändbar, soweit es den üblichen Umfang nicht übersteigt. Weiterhin sind gemäß § 850a ZPO gewisse Erschwerniszulagen, Aufwandsentschädigungen und ähnliche Bezüge vom Zugriff des Gläubigers ausgenommen. Überschreiten diese Sonderzahlungen die gesetzlich festgelegten Freibeträge, ist der Überschuss jedoch pfändbar und muss anteilig an den Gläubiger abgeführt werden. Der Arbeitgeber muss bei der Berechnung zwischen einmaligen und laufenden Zahlungen differenzieren und gegebenenfalls eine Einzelprüfung vornehmen.

Kann eine Gehaltspfändung auch in der Privatinsolvenz durchgeführt werden?

Mit der Eröffnung eines Verbraucherinsolvenzverfahrens (Privatinsolvenz) werden Einzelzwangsvollstreckungen grundsätzlich untersagt („Vollstreckungsschutz gemäß Insolvenzordnung (InsO)“). Das Einkommen oberhalb der unpfändbaren Grenze wird vom Insolvenzverwalter eingezogen und an die Gläubiger verteilt. Während der Wohlverhaltensphase (Restschuldbefreiung) werden ebenfalls nur die pfändbaren Einkommensanteile an den Treuhänder abgeführt. Einzelne Pfändungen gegen den Schuldner – auch durch Gehaltspfändung – sind in dieser Zeit unzulässig und werden vom Insolvenzgericht aufgehoben. Bereits laufende Lohnpfändungen müssen dem Insolvenzverwalter angezeigt werden und der Arbeitgeber hat sich ab diesem Zeitpunkt ausschließlich an die Anordnungen des Insolvenzverwalters zu halten. Dies gewährleistet eine gleichmäßige Gläubigerbefriedigung und schützt den Schuldner vor weiteren Vollstreckungsmaßnahmen.