Gehaltsfortzahlung: Bedeutung, Funktion und Abgrenzung
Gehaltsfortzahlung bezeichnet die Weiterzahlung des regelmäßigen Arbeitsentgelts, obwohl vorübergehend keine Arbeitsleistung erbracht wird. Sie dient dem Einkommensschutz in typischen Lebens- und Arbeitssituationen, in denen Beschäftigte unverschuldet ausfallen oder rechtlich an der Arbeit gehindert sind. Vom Begriff abzugrenzen sind Entgeltersatzleistungen, die nicht vom Arbeitgeber, sondern etwa von Sozialversicherungsträgern oder staatlichen Stellen erbracht werden. Gehaltsfortzahlung ist somit Teil des arbeitsvertraglichen Synallagmas: Arbeit gegen Entgelt, mit gesetzlich ausgestalteten Ausnahmen, in denen das Entgelt trotz ausbleibender Arbeit geschuldet bleibt.
Anwendungsfälle der Gehaltsfortzahlung
Krankheit der Arbeitnehmerin oder des Arbeitnehmers
Voraussetzungen
Die Gehaltsfortzahlung im Krankheitsfall setzt eine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit voraus, die nicht vorsätzlich herbeigeführt wurde. Typischerweise ist eine Mindestdauer des bestehenden Arbeitsverhältnisses erforderlich. Die Pflicht zur unverzüglichen Anzeige der Arbeitsunfähigkeit sowie zur Vorlage eines Nachweises (ärztliche Bescheinigung) ist gesetzlich vorgesehen; regelmäßig wird eine Bescheinigung ab dem vierten Kalendertag verlangt, arbeits- oder tarifvertraglich kann eine frühere Vorlage vereinbart sein.
Dauer und Wiederholung
Die Gehaltsfortzahlung wegen derselben Erkrankung ist zeitlich begrenzt. Erkrankt eine Person erneut an derselben Ursache, kann ein neuer Anspruch entstehen, wenn seit dem Ende der vorangegangenen Arbeitsunfähigkeit sechs Monate vergangen sind oder seit Beginn der ersten Arbeitsunfähigkeit zwölf Monate verstrichen sind. Bei unterschiedlichen Ursachen entsteht grundsätzlich ein neuer Anspruch innerhalb der zeitlichen Grenzen.
Ausschlüsse
Ein Anspruch entfällt, wenn die Arbeitsunfähigkeit vorsätzlich herbeigeführt wurde. Eine bloß fahrlässige Verursachung lässt den Anspruch grundsätzlich unberührt. Bei eigenmächtiger Arbeitsverhinderung ohne Krankheit, bei Streikteilnahme oder vergleichbaren Umständen besteht keine Gehaltsfortzahlung.
Öffentliche Feiertage
Fallen planmäßige Arbeitstage aufgrund gesetzlicher Feiertage aus, bleibt die Vergütung in der Regel ungekürzt, sofern die Arbeit ohne den Feiertag hätte erbracht werden müssen. Dies ist keine Krankheitsfortzahlung, sondern eine eigene Form gesetzlich angeordneter Entgeltfortzahlung.
Urlaub und Krankheit im Urlaub
Während des Urlaubs besteht Anspruch auf Urlaubsvergütung. Wird eine Person während des Urlaubs arbeitsunfähig und liegt ein Nachweis vor, werden die erkrankten Tage dem Urlaub nicht angerechnet. In diesem Zeitraum gilt die Systematik der Gehaltsfortzahlung bei Krankheit; der Urlaub wird zu einem späteren Zeitpunkt gewährt.
Beschäftigungsverbote und Mutterschutz
Bei Beschäftigungsverboten zum Schutz der schwangeren oder stillenden Person kann ein Anspruch auf Weiterzahlung des durchschnittlichen Arbeitsentgelts bestehen. Daneben existieren während der Schutzfristen eigene Leistungen der sozialen Sicherung, die durch einen Zuschuss des Arbeitgebers ergänzt werden können. Bei individuellen Beschäftigungsverboten wird in der Regel das bisherige Durchschnittsentgelt fortgezahlt.
Betriebliche Risikosphäre und Annahmeverzug
Kann nicht gearbeitet werden, weil die Ursache in der betrieblichen Sphäre liegt (etwa Störungen, für die der Betrieb einzustehen hat), bleibt das Entgelt grundsätzlich geschuldet. Gleiches gilt, wenn der Arbeitgeber die ordnungsgemäß angebotene Arbeitsleistung nicht annimmt. In beiden Konstellationen handelt es sich um Entgeltzahlung ohne Arbeitsleistung aufgrund der Risikoverteilung im Arbeitsverhältnis.
Quarantäne und behördliche Tätigkeitsverbote
Bei behördlich angeordneten Tätigkeitsverboten oder Quarantäne ist zu unterscheiden: Liegt eine Arbeitsunfähigkeit wegen Krankheit vor, greift die Gehaltsfortzahlung bei Krankheit. Besteht ein Tätigkeitsverbot ohne Arbeitsunfähigkeit, kommen regelmäßig Entschädigungsleistungen außerhalb der klassischen Gehaltsfortzahlung in Betracht, über die in separaten Rechtsregimen entschieden wird.
Kinderkrankheit und Pflege naher Angehöriger
Müssen Beschäftigte der Arbeit fernbleiben, um ein erkranktes Kind zu betreuen, besteht in der Regel kein Anspruch auf Gehaltsfortzahlung durch den Arbeitgeber. Stattdessen sieht das Sozialrecht eine eigene, zeitlich begrenzte Entgeltersatzleistung vor. Tarif- oder arbeitsvertragliche Regelungen können im Einzelfall hiervon abweichen.
Personenkreise und Besonderheiten
Minijob, Teilzeit, Befristung, Probezeit
Teilzeit- und geringfügig Beschäftigte werden im Grundsatz gleichbehandelt: Sie können unter denselben Voraussetzungen Gehaltsfortzahlung beanspruchen. Befristung und Probezeit ändern am Grundprinzip nichts; maßgeblich sind die jeweiligen Anspruchsvoraussetzungen, insbesondere die erforderliche Mindestbeschäftigungsdauer.
Zeitarbeit und Leiharbeit
Leiharbeitnehmende erhalten Gehaltsfortzahlung vom jeweiligen Vertragsarbeitgeber. Für die Anspruchsentstehung gelten die allgemeinen Grundsätze. Abweichungen können sich aus tarifvertraglichen Regelungen der Branche ergeben.
Auszubildende sowie Praktikantinnen und Praktikanten
Auszubildende sind in die Gehaltsfortzahlungssystematik einbezogen; an die Stelle des Gehalts tritt die Ausbildungsvergütung. Für Praktika kommt es auf die Ausgestaltung des Rechtsverhältnisses an. Pflichtpraktika und freiwillige Praktika sind differenziert zu betrachten; maßgeblich ist, ob ein Arbeits- bzw. arbeitnehmerähnliches Verhältnis besteht.
Neueinstellungen und Wartezeiten
Zu Beginn eines neuen Arbeitsverhältnisses ist häufig eine kurze Wartezeit vorgesehen, bevor ein Anspruch auf Gehaltsfortzahlung bei Krankheit entsteht. Innerhalb dieser Zeit greifen regelmäßig Entgeltersatzleistungen über die soziale Sicherung, sofern die persönlichen Voraussetzungen vorliegen.
Berechnung der Gehaltsfortzahlung
Bemessungsgrundlage
Maßgeblich ist der regelmäßige Arbeitsverdienst, der ohne den Ausfall erzielt worden wäre. Erfasst werden das feste Grundgehalt und regelmäßige, arbeitsleistungsbezogene Entgeltbestandteile. Auslagenersatz und reine Aufwandsentschädigungen gehören nicht dazu.
Variable Vergütung, Zuschläge, Sachbezüge
Regelmäßig anfallende variable Vergütungen und Zulagen (z. B. Schicht-, Erschwernis- oder Funktionszulagen) fließen in die Berechnung ein. Unvorhersehbare Mehrarbeit wird typischerweise nicht fortgezahlt. Sachbezüge werden berücksichtigt, sofern sie Entgeltcharakter haben; ist eine Naturalgewährung unmöglich, kann eine Geldkompensation maßgeblich sein.
Anrechnung anderer Leistungen
Entgeltersatzleistungen Dritter, die denselben Zeitraum abdecken, können auf die Gehaltsfortzahlung angerechnet oder nachgelagert gewährt werden. Die Koordination verhindert eine Überkompensation. Nach Ablauf der Gehaltsfortzahlung treten typischerweise Leistungen der sozialen Sicherung oder der gesetzlichen Unfallversicherung ein.
Steuer- und Sozialversicherung
Gehaltsfortzahlung ist reguläres Arbeitsentgelt und unterliegt deshalb grundsätzlich der Lohnsteuer sowie den Beiträgen zur Sozialversicherung. Entgeltersatzleistungen außerhalb der Gehaltsfortzahlung werden nach den jeweils eigenen steuer- und beitragsrechtlichen Regeln behandelt.
Ende der Gehaltsfortzahlung und Übergang in andere Leistungen
Nach Ausschöpfen der zeitlichen Grenzen endet die Gehaltsfortzahlung. Daran schließen sich regelmäßig Entgeltersatzleistungen an, etwa Krankengeld oder Verletztengeld, abhängig von der Ursache des Ausfalls. Endet das Arbeitsverhältnis, endet auch die Gehaltsfortzahlung; eine Zahlungspflicht besteht dann nur für bereits entstandene Ansprüche bis zum Beendigungszeitpunkt.
Rechte und Pflichten im Zusammenhang mit der Gehaltsfortzahlung
Beschäftigte sind zur unverzüglichen Anzeige der Arbeitsverhinderung und zu geeigneten Nachweisen verpflichtet. Arbeitgeber dürfen Nachweise verlangen und organisatorische Vorkehrungen zur Bearbeitung treffen. Beide Seiten haben die Pflicht zu rücksichtsvollem Verhalten, Information und zur Vermeidung von Pflichtverletzungen, die Ansprüche gefährden oder verzögern könnten.
Gestaltung durch Vertrag und Kollektivvereinbarungen
Arbeits- und Tarifverträge können die Gehaltsfortzahlung konkretisieren, etwa durch günstigere Regelungen zur Dauer, zur Bemessungsgrundlage oder zu zusätzlichen Anlässen (z. B. bezahlte Freistellungen aus besonderem Anlass). Zulässig sind Verbesserungen gegenüber der gesetzlichen Grundordnung; Einschränkungen sind nur im rechtlich zulässigen Rahmen möglich.
Abgrenzungen
Nicht zur Gehaltsfortzahlung gehören Kurzarbeitsphasen, in denen ein spezielles Entgeltersatzsystem greift. Ebenfalls ausgeschlossen ist die Entgeltzahlung bei rechtmäßiger Arbeitsniederlegung im Rahmen eines Arbeitskampfs. Unentschuldigtes Fernbleiben begründet keinen Vergütungsanspruch. Demgegenüber bleibt das Entgelt geschuldet, wenn allein der Betrieb die Leistungserbringung verhindert oder die Annahme der angebotenen Arbeit verweigert.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zur Gehaltsfortzahlung
Was bedeutet Gehaltsfortzahlung und wovon ist sie abzugrenzen?
Gehaltsfortzahlung ist die Weiterzahlung des üblichen Arbeitsentgelts trotz vorübergehend ausbleibender Arbeitsleistung, etwa bei Krankheit, Feiertagen oder Beschäftigungsverboten. Davon abzugrenzen sind Entgeltersatzleistungen, die nicht vom Arbeitgeber stammen, sondern von Sozialversicherungsträgern oder staatlichen Stellen gewährt werden.
Wie lange besteht Anspruch auf Gehaltsfortzahlung bei Krankheit?
Bei derselben Erkrankung besteht der Anspruch für einen begrenzten Zeitraum. Bei erneuter Arbeitsunfähigkeit aufgrund derselben Ursache entsteht ein neuer Anspruch, wenn seit dem Ende der vorherigen Arbeitsunfähigkeit sechs Monate vergangen sind oder seit deren Beginn zwölf Monate verstrichen sind.
Besteht der Anspruch auch während der Probezeit oder bei Minijobs?
Grundsätzlich ja. Maßgeblich sind die allgemeinen Voraussetzungen, insbesondere eine kurze Mindestdauer des bestehenden Arbeitsverhältnisses. Teilzeit- und geringfügig Beschäftigte werden im Rahmen der Gehaltsfortzahlung gleichbehandelt.
Muss bei wiederholter Erkrankung derselben Ursache erneut gezahlt werden?
Ein neuer Anspruch entsteht, wenn die zeitlichen Voraussetzungen erfüllt sind: Entweder sind sechs Monate seit dem Ende der letzten krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit vergangen oder zwölf Monate seit deren Beginn.
Was zählt bei der Berechnung zur Gehaltsfortzahlung?
Bemessungsgrundlage ist der regelmäßige Arbeitsverdienst einschließlich fester Bezüge und regelmäßig anfallender Zuschläge sowie variabler Entgeltbestandteile. Unvorhersehbare Mehrarbeit wird typischerweise nicht berücksichtigt; Auslagenersatz ist nicht Teil der Berechnung.
Gibt es Gehaltsfortzahlung, wenn ein Kind krank ist?
In der Regel besteht kein Anspruch auf Gehaltsfortzahlung durch den Arbeitgeber. Stattdessen sieht das Sozialrecht für eine begrenzte Zeit eine eigene Entgeltersatzleistung vor. Abweichungen können sich aus Tarif- oder Arbeitsverträgen ergeben.
Gilt die Gehaltsfortzahlung an Feiertagen und im Urlaub?
An gesetzlichen Feiertagen bleibt die Vergütung grundsätzlich ungekürzt, wenn Arbeitspflicht bestanden hätte. Im Urlaub besteht Anspruch auf Urlaubsvergütung; erkrankt eine Person nachweislich im Urlaub, werden die Krankheitstage nicht auf den Urlaub angerechnet.
Was passiert nach Ablauf der Gehaltsfortzahlung?
Nach Ablauf der zeitlichen Grenzen der Gehaltsfortzahlung kommen regelmäßig Entgeltersatzleistungen der sozialen Sicherung zum Tragen, beispielsweise bei anhaltender Krankheit oder nach einem Arbeitsunfall, jeweils nach den dort geltenden Voraussetzungen.