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Gefahrenabwehrbehörden


Begriff und rechtliche Grundlagen der Gefahrenabwehrbehörden

Gefahrenabwehrbehörden sind öffentliche Stellen, die für die Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung zuständig sind. Sie stellen zentrale Akteure im Rahmen des Gefahrenabwehrrechts, welches zum Polizei- und Ordnungsrecht zählt. Die Aufgaben, Zuständigkeiten und rechtlichen Rahmenbedingungen der Gefahrenabwehrbehörden sind wesentlich durch das Bundesrecht, die Landesgesetze sowie durch die Aufbauorganisation des jeweiligen Gemeinwesens bestimmt.


Gesetzliche Grundlagen

Bundesrechtliche Regelungen

Im föderalen System der Bundesrepublik Deutschland ist die Gefahrenabwehr vorrangig Aufgabe der Länder. Allerdings existieren auch bundesgesetzliche Vorschriften mit Bezug zur Gefahrenabwehr, beispielsweise im Bereich des Infektionsschutzes (IfSG), Atomrechts oder Luftrechts. Bundesbehörden übernehmen Gefahrenabwehraufgaben vor allem im Rahmen ihrer spezialgesetzlichen Zuständigkeiten, insbesondere bei Gefahr erheblicher Tragweite oder länderübergreifender Sachverhalte.

Landesrechtliche Regelungen

Das eigentliche Gefahrenabwehrrecht ist vorwiegend im Landesrecht geregelt. Die Polizeigesetze der Länder sowie die jeweiligen Landesgesetze über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (Ordnungsbehördengesetze) bilden die rechtlichen Grundlagen. Diese bestimmen, welche Behörden für welche Aufgabenbereiche zuständig sind, regeln deren Befugnisse, Organisation und das Verfahren zur Gefahrenabwehr.


Arten und Zuständigkeiten der Gefahrenabwehrbehörden

Einteilung der Gefahrenabwehrbehörden

Gefahrenabwehrbehörden lassen sich grundsätzlich unterscheiden in:

  • Polizeibehörden: nehmen Aufgaben der Gefahrenabwehr auf Grundlage der Polizeigesetze wahr.
  • Ordnungsbehörden: befassen sich auf Grundlage der jeweiligen Sicherheits- und Ordnungsgesetze mit der Abwehr nichtpolizeilicher Gefahren.
  • Sonderbehörden: z.B. Gesundheits-, Umwelt- oder Bauaufsichtsbehörden leisten Gefahrenabwehr im Rahmen ihrer besonderen Aufgabenbereiche.

Funktionale und örtliche Zuständigkeit

Die Zuständigkeit der Gefahrenabwehrbehörden richtet sich nach den im jeweiligen Gesetz festgelegten Kriterien der Sach- (funktional) und Gebietszuständigkeit (örtlich). Örtlich ist in der Regel die Behörde zuständig, in deren Bezirk die Gefahr auftritt oder droht; funktional ist diejenige Behörde zuständig, deren Aufgabenbereich unmittelbar berührt ist.


Aufgaben und Befugnisse der Gefahrenabwehrbehörden

Aufgaben der Gefahrenabwehr

Die zentrale Aufgabe der Gefahrenabwehrbehörden besteht darin, Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung abzuwehren. Dabei wird unterschieden zwischen konkreter Gefahr (unmittelbar drohende Schädigung) und abstrakter Gefahr (potenziell mögliches, aber noch nicht unmittelbar drohendes Schadensereignis). Gefahrenabwehr umfasst das Erkennen, Verhindern und Beseitigen von Gefahren sowie die Durchsetzung von Maßnahmen zur Verhinderung weiterer Gefährdungen.

Eingriffs- und Handlungsbefugnisse

Gefahrenabwehrbehörden verfügen über umfangreiche Eingriffsbefugnisse, die in den jeweiligen Gesetzen normiert sind. Dazu zählen beispielsweise:

  • Anordnungsverfügungen (Verwaltungsakte)
  • Platzverweise und Aufenthaltsverbote
  • Sicherstellungen und Beschlagnahmen
  • Betreten und Durchsuchung von Grundstücken und Wohnungen
  • Inanspruchnahme von Personen als Störer (Verhaltens- und Zustandsstörer)
  • Maßnahmen gegenüber Nichtstörern zur Gefahrenabwehr in Ausnahmesituationen

Einzelne Maßnahmen müssen jeweils auf eine gesetzliche Grundlage gestützt sein und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügen.


Rechtsstellung und Organisation

Aufbau und Hierarchie

Gefahrenabwehrbehörden sind in der Regel hierarchisch gegliedert, mit einer gestuften Organisation vom Land bis zur Gemeindeebene. Je nach Bundesland bestehen unterschiedliche Strukturen, häufig aus:

  • Obersten Behörden (z.B. Innenministerium)
  • Mittelbehörden (z.B. Regierungspräsidenten, Bezirksregierungen)
  • Unteren Behörden (z.B. Landräte, Bürgermeister, Ordnungsämter)

Polizeiliche und nichtpolizeiliche Behörden

Man unterscheidet zwischen Polizeibehörden, denen die polizeiliche Gefahrenabwehr und Strafverfolgung obliegt, und Verwaltungsbehörden (z.B. Ordnungsämtern), die für die nichtpolizeiliche Gefahrenabwehr zuständig sind. Die Zusammenarbeit ist über gesetzliche Kooperationspflichten und Abstimmungsregelungen abgesichert.


Abgrenzung zu anderen Behörden und Tätigkeiten

Verhältnis zu den Sicherheitsbehörden

Gefahrenabwehrbehörden sind Teil der Sicherheitsbehörden und stehen neben anderen Behörden wie den Nachrichtendiensten oder Katastrophenschutzbehörden. Während die Gefahrenabwehrbehörden primär für die Prävention und Unterbindung von Gefahren im Regelbetrieb zuständig sind, übernehmen Katastrophenschutzbehörden und spezielle Einsatzleitungen Aufgaben bei Großschadenslagen.

Verhältnis zur Strafverfolgung

Die Gefahrenabwehr zur Prävention von Straftaten ist von der repressiven Strafverfolgung getrennt. Polizeibehörden nehmen jedoch häufig beide Aufgaben gleichzeitig wahr, wobei die rechtlichen Maßstäbe und Verfahrensvorschriften jeweils unterschiedlich geregelt sind.


Rechtsschutz und Kontrolle

Rechtsschutzmöglichkeiten Betroffener

Betroffene von Maßnahmen der Gefahrenabwehrbehörden können Verwaltungsrechtliche Rechtsbehelfe (insb. Widerspruch und Anfechtungsklage) bei den zuständigen Verwaltungsgerichten einlegen. In dringenden Fällen besteht die Möglichkeit des Eilrechtsschutzes. Die Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandelns unterliegt der Kontrolle durch unabhängige Gerichte.

Aufsicht und Innenrevision

Gefahrenabwehrbehörden unterliegen der Fach- und Rechtsaufsicht übergeordneter Behörden. Daneben besteht eine parlamentarische und gerichtliche Kontrolle zur Sicherstellung der Rechtmäßigkeit und Angemessenheit behördlichen Handelns.


Bedeutung in der öffentlichen Verwaltung

Gefahrenabwehrbehörden sind maßgebliche Träger der öffentlichen Sicherheit und nehmen eine herausgehobene Stellung innerhalb der öffentlichen Verwaltung ein. Sie sind Bindeglied zwischen Bevölkerung, Verwaltung und weiteren Institutionen der Gefahrenvorsorge und -bekämpfung. Die effiziente Organisation und gesetzliche Regulierung der Gefahrenabwehrbehörden ist ein Kernbestandteil des Rechtsstaats in Deutschland.


Literaturhinweise

  • Polizeigesetze der Länder
  • Ordnungsbehördengesetze der Länder
  • Bundes- und Landesgesetze zur öffentlichen Sicherheit und Ordnung
  • Kommentar: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts

Die umfassende Kenntnis der Aufgaben, Befugnisse und rechtlichen Rahmenbedingungen der Gefahrenabwehrbehörden ist unerlässlich für das Verständnis moderner Sicherheitsverwaltung und deren Bedeutung für das Gemeinwesen.

Häufig gestellte Fragen

Welche gesetzlichen Grundlagen regeln die Zuständigkeit der Gefahrenabwehrbehörden?

Die Zuständigkeit der Gefahrenabwehrbehörden wird in Deutschland überwiegend durch die Landesgesetze geregelt, da die Gefahrenabwehr primär eine Angelegenheit der Länder ist. Maßgeblich sind hier insbesondere die Polizeigesetze der Bundesländer (z.B. das Polizeigesetz Nordrhein-Westfalen – PolG NRW) sowie die jeweiligen Gesetzestexte zur Ordnungsverwaltung (z.B. Ordnungsbehördengesetz NRW – OBG NRW). Diese Normen legen fest, welche Behörden für bestimmte Gefahrenbereiche (z.B. Polizei, Ordnungsämter, Feuerwehr, Katastrophenschutz) zuständig sind. Die Kompetenzen der einzelnen Behörden werden dabei im Rahmen der Aufgabenaufteilung zwischen allgemeiner und spezieller Gefahrenabwehr unterschieden. Darüber hinaus existieren auf Bundesebene spezielle Regelungen, beispielsweise im Bundespolizeigesetz, die insbesondere dann eingreifen, wenn bundesweite oder länderübergreifende Gefahren bestehen. Im Katastrophenschutz regeln zudem spezielle Landeskatastrophenschutzgesetze die Aufgaben, Befugnisse und Zuständigkeiten der Behörden.

Wie ist das Verhältnis zwischen allgemeinen und besonderen Gefahrenabwehrbehörden gesetzlich geregelt?

Das Verhältnis zwischen allgemeinen und besonderen (oder spezialisierten) Gefahrenabwehrbehörden findet sich in den einschlägigen Polizeigesetzen der Länder und im Ordnungsrecht. Allgemeine Gefahrenabwehrbehörden, wie örtliche Polizeibehörden oder Ordnungsämter, sind laut Gesetz in der Regel dann zuständig, wenn keine spezialgesetzlichen Regelungen oder speziellen Behörden eingreifen. Sobald ein Sachverhalt unter einen besonderen Gefahrenabwehrbereich fällt – etwa Seuchenbekämpfung, Umweltschutz oder Gefahren durch Sprengstoffe -, sieht das Spezialgesetz häufig die vorrangige Zuständigkeit einer besonderen Behörde, wie etwa der Gesundheits- oder Umweltbehörde, vor. Das sogenannte Vorrangprinzip sorgt dafür, dass spezielle Regelungen vor allgemeinen Bestimmungen greifen (lex specialis derogat legi generali). So werden Zuständigkeitsüberschneidungen minimiert und Rechtsklarheit geschaffen.

Unter welchen Voraussetzungen dürfen Gefahrenabwehrbehörden Grundrechtseingriffe vornehmen?

Gefahrenabwehrbehörden dürfen Grundrechtseingriffe nur auf gesetzlicher Grundlage und unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes vornehmen. Die rechtliche Ermächtigung ergibt sich aus den einschlägigen Polizeigesetzen oder Spezialgesetzen (wie dem Infektionsschutzgesetz, KrWaffKontrG etc.). Voraussetzung für einen Eingriff ist stets das Vorliegen einer konkreten Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung. Darüber hinaus gilt das Prinzip der Verhältnismäßigkeit: Eingriffe müssen geeignet, erforderlich und angemessen sein, um die Gefahr abzuwenden. Insbesondere ist der Grundsatz der Subsidiarität zu beachten, wonach mildere Mittel vorrangig sind. Vor schwerwiegenden Grundrechtseingriffen (z.B. Wohnungsdurchsuchung, Freiheitsentziehung) ist oftmals zudem die Zustimmung eines Richters erforderlich (Richtervorbehalt gemäß Artikel 13 und 104 GG). Ferner müssen Betroffene über ihre Rechte und die Maßnahme informiert werden, sofern dies den Zweck der Maßnahme nicht gefährdet.

Welche Kontrollmechanismen bestehen zur Überwachung der Gefahrenabwehrbehörden?

Kontrollmechanismen für die Arbeit der Gefahrenabwehrbehörden sind rechtlich vielfältig ausgestaltet. Zum einen unterliegen sie der allgemeinen Rechtsaufsicht durch übergeordnete Behörden, was heißt, dass Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit des Verwaltungshandelns überprüft werden können. Darüber hinaus können Betroffene sich gegen Maßnahmen der Gefahrenabwehrbehörden auf dem Verwaltungsrechtsweg zur Wehr setzen, z.B. durch Einlegen von Widerspruch und Erheben einer Klage. Innerhalb der Polizei und der Ordnungsverwaltung existieren zudem interne Kontrollinstanzen wie Dienstaufsicht, Datenschutzbeauftrage oder eigene Beschwerdestellen. Speziell für polizeiliche Maßnahmen können parlamentarische Gremien und Datenschutzbeauftragte bei Grundrechtseingriffen mit besonders sensibler Datenverarbeitung prüfen. Bei gravierenden Rechtsverstößen besteht die Möglichkeit strafrechtlicher Verfolgung einzelner Amtsträger.

Wie ist der Rechtsschutz gegen Maßnahmen der Gefahrenabwehrbehörden ausgestaltet?

Der Rechtsschutz gegen Maßnahmen der Gefahrenabwehrbehörden ist nach den allgemeinen Regeln des Verwaltungsrechts gegeben. Maßnahmen der Gefahrenabwehrbehörden stellen in der Regel Verwaltungsakte dar, gegen die Betroffene gemäß Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) und Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) Widerspruch einlegen und Klage vor dem Verwaltungsgericht erheben können. In besonders eilbedürftigen Fällen kann auch einstweiliger Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO (Suspensiveffekt) oder § 123 VwGO (Sicherungsanordnung) beantragt werden. Dabei prüft das Gericht die Rechtmäßigkeit der Maßnahme insbesondere im Hinblick auf die gesetzlichen Eingriffsvoraussetzungen und das Gebot der Verhältnismäßigkeit. Auch informeller Rechtsschutz durch Beschwerden bei Aufsichtsbehörden, Datenschutzbeauftragten oder der Polizei selbst ist möglich.

Dürfen Gefahrenabwehrbehörden Zwangsmittel anwenden und wie ist dies rechtlich geregelt?

Gefahrenabwehrbehörden dürfen zur Durchsetzung ihrer Anordnungen und zur Gefahrabwehr grundsätzlich Zwangsmittel anwenden, sofern eine gesetzliche Ermächtigung besteht. Die rechtlichen Grundlagen für den Zwangseinsatz finden sich in den Verwaltungsvollstreckungsgesetzen der Länder (z.B. VwVG NRW) oder den entsprechenden Vorschriften im Polizeigesetz (§§ 55 ff. PolG NRW). Typische Zwangsmittel sind Zwangsgeld, unmittelbarer Zwang (physischer Zwang/Mittel) und Ersatzvornahme. Der Einsatz von Zwangsmitteln ist nur zulässig, wenn ein vollstreckbarer Verwaltungsakt vorliegt und mildere Mittel nicht ausreichen. Vor dem Einsatz ist in der Regel eine Androhung gesetzlich vorgeschrieben. Auch beim Zwangsmitteln gilt der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Zudem unterliegen insbesondere polizeiliche Zwangsmaßnahmen einer nachträglichen gerichtlichen und dienstlichen Kontrolle.

Welche Bedeutung hat die Kooperation zwischen unterschiedlichen Gefahrenabwehrbehörden?

Die Kooperation zwischen verschiedenen Gefahrenabwehrbehörden ist im Gefahrenabwehrrecht gesetzlich vorgesehen, um eine effektive Gefahrenbeseitigung sicherzustellen. Die einschlägigen Gesetze (z.B. Polizeigesetze, Ordnungsbehördengesetze, Katastrophenschutzgesetze) sehen verschiedene Formen der Zusammenarbeit vor, wie die Amtshilfe (§ 4 VwVfG), die Übertragung von Aufgaben, gemeinsame Einsätze und Koordinierungsstrukturen (z.B. Krisenstäbe). Ziel ist es, Kompetenzüberschneidungen zu vermeiden und im Ereignisfall durch abgestimmtes Vorgehen Synergieeffekte zu nutzen. Zwischen Bund und Ländern sowie zwischen Ländern untereinander regelt das Grundgesetz die Grundzüge der Amtshilfe und Kooperation (Art. 35 GG). Gerade im Bereich des Katastrophenschutzes ist die ressort- und behördenübergreifende Zusammenarbeit unverzichtbar und unterliegt daher detaillierten rechtlichen Regelungen auf Bundes- und Landesebene.