Legal Wiki

Wiki»Wiki»Gattungssache

Gattungssache

Begriff und Grundprinzip der Gattungssache

Eine Gattungssache ist ein Gegenstand, der nicht durch ein einzelnes, einzigartiges Merkmal bestimmt ist, sondern durch seine Zugehörigkeit zu einer Gattung, also zu einer Gruppe gleichartiger Sachen. Maßgeblich sind hierbei typbildende Kriterien wie Art, Sorte, Maß, Gewicht, Qualität oder handelsübliche Standards. Typisch ist die Beschreibung „mittlerer Art und Güte“. Beispiele sind standardisierte Waren wie Zement, Getreide, Schrauben einer bestimmten Norm oder serienmäßig hergestellte Geräte.

Demgegenüber steht die Stückschuld: Hier ist genau ein individuell bestimmter Gegenstand geschuldet, etwa ein Einzelstück, ein Unikat oder ein bestimmtes gebrauchtes Fahrzeug mit identifizierbarer Serien- oder Fahrgestellnummer. Während bei der Gattungssache mehrere gleichwertige Exemplare in Betracht kommen, ist bei der Stückschuld nur die eine, bestimmte Sache geschuldet.

Abgrenzungen und Grundbegriffe

Gattungssache versus Stückschuld

Die Abgrenzung entscheidet, welche Pflichten Schuldner und Gläubiger treffen und wie mit Leistungsstörungen umzugehen ist. Bei der Gattungssache besteht eine Auswahlmöglichkeit innerhalb der vereinbarten Gattung; bei der Stückschuld entfällt diese, da nur das konkrete Einzelstück in Frage kommt. Die Gattung kann enger (z. B. „Weizen der Sorte X aus Erntejahr Y“) oder weiter (z. B. „handelsüblicher Weizen“) bestimmt sein.

Vertretbare und unvertretbare Sachen

Gattungssachen sind regelmäßig vertretbar. Vertretbarkeit bedeutet, dass sich die Sache im Rechtsverkehr nach Zahl, Maß oder Gewicht bestimmen lässt und austauschbar ist. Unvertretbare Sachen sind in der Regel Stückschulden, da sie gerade nicht ohne Weiteres austauschbar sind.

Beispiele

  • Gattungssache: „100 kg Zucker, raffiniert, handelsüblich“.
  • Stückschuld: „Der Oldtimer mit der konkreten Fahrgestellnummer“.
  • Grenzfall: Seriengerät aus laufender Produktion ist Gattungssache; wird aber genau ein Ausstellungsstück schuldbestimmend benannt, liegt eine Stückschuld vor.

Rechtliche Wirkungen der Gattungssache

Leistungsinhalt und Qualitätsmaßstab

Ist eine Gattungssache geschuldet, umfasst die Pflicht die Lieferung eines Gegenstands, der der vereinbarten Gattungsbeschreibung entspricht. Fehlt eine ausdrückliche Qualitätsvereinbarung, gilt der Maßstab der „mittleren Art und Güte“. Der Schuldner darf keine minderwertigen oder atypischen Exemplare auswählen. Erfüllt wird mit einem Exemplar, das der Gattung und dem vereinbarten Leistungsinhalt entspricht.

Auswahl und Konkretisierung

Die Gattungsschuld „verengt“ sich auf ein einzelnes Stück durch Konkretisierung. Diese tritt ein, wenn der Schuldner das zur Leistung Erforderliche mit einem der Gattung entsprechenden Gegenstand ordnungsgemäß vornimmt. Typische Wege der Konkretisierung sind:

  • Bereitstellung am richtigen Ort zur richtigen Zeit, verbunden mit einer eindeutigen Auswahl und Zuordnung zum Gläubiger.
  • Übergabe an eine Transportperson zur Versendung, wenn die Versendung der vereinbarte Leistungsweg ist und die Ware ordnungsgemäß ausgewählt, verpackt und adressiert wurde.
  • Tatsächliche Übergabe an den Gläubiger.

Mit der Konkretisierung wird die zuvor offene Auswahlbindung auf das ausgewählte Stück festgelegt. Ab diesem Zeitpunkt ist die Verpflichtung inhaltlich wie eine Stückschuld zu behandeln.

Gefahr und Verantwortungsbereiche

Vor der Konkretisierung bleibt die Verantwortung für die ordnungsgemäße Auswahl und Beschaffung beim Schuldner. Geht ein zur Lieferung gedachtes Exemplar vor der Konkretisierung unter oder ist mangelhaft, muss der Schuldner grundsätzlich ein anderes, der Gattung entsprechendes Exemplar auswählen. Nach der Konkretisierung wirken sich zufällige Untergänge der konkretisierten Sache anders aus, weil die Auswahl abgeschlossen ist und die Leistung auf das ausgewählte Stück festgelegt wurde.

Unmöglichkeit und Beschaffungspflicht

Gattungsschulden sind widerstandsfähig gegenüber Unmöglichkeit: Solange die Gattung im Rechtsverkehr verfügbar ist, bleibt die Leistungspflicht grundsätzlich bestehen. Unmöglichkeit kommt erst in Betracht, wenn die gesamte in Bezug genommene Gattung oder der vertraglich maßgebliche Vorrat nicht (mehr) beschaffbar ist. Einzelne fehlgeschlagene Beschaffungsversuche genügen nicht.

Vorratsschuld und beschränkte Gattung

Ist die Leistung auf einen bestimmten Vorrat begrenzt (z. B. „aus unserem Lagerbestand“), spricht man von Vorratsschuld. Dann ist die Gattung auf diesen Vorrat beschränkt. Geht der gesamte Vorrat ohne Verschulden unter oder ist erschöpft, kann dies die Leistungspflicht beeinflussen. Bei der unbeschränkten Gattungsschuld bleibt die Beschaffungspflicht weiter gefasst.

Teilleistung und Austauschbarkeit

Bei Gattungsschulden ist grundsätzlich die vollständige, der Vereinbarung entsprechende Leistung geschuldet. Teilleistungen bedürfen einer entsprechenden Vereinbarung. Die Austauschbarkeit innerhalb der Gattung erlaubt es dem Schuldner, aus mehreren gleichwertigen Exemplaren zu wählen, nicht aber, eine andere Gattung zu liefern.

Eigentumsübergang und Individualisierung

Das Eigentum an einer Gattungssache kann erst mit der Individualisierung auf ein konkret ausgesondertes Exemplar übergehen. Praktisch erfolgt dies durch Abtrennen, Abwiegen, Abfüllen, Kennzeichnen, Verpacken oder Versenden eines bestimmten Teils aus einer Menge. Ohne Individualisierung verbleibt die Zuordnung in der unbestimmten Masse.

Gattungsschuld im Schuldverhältnis

Erfüllungsort und Leistungsarten

Der Weg der Leistung (Abholung, Bringen, Versenden) beeinflusst, wie und wann die Konkretisierung eintritt. Bei Abholung genügt die rechtzeitige und ordnungsgemäße Bereitstellung eines passenden Exemplars. Bei vereinbarter Versendung ist die Übergabe an die Transportperson in ordnungsgemäßem Zustand maßgeblich. Bei persönlicher Übergabe findet die Konkretisierung regelmäßig mit der tatsächlichen Übergabe statt.

Leistungsstörungen bei Gattungssachen

Liefert der Schuldner ein der Gattung nicht entsprechendes oder mangelhaftes Exemplar, liegt eine nicht vertragsgemäße Leistung vor. In diesem Fall kommen die gesetzlich vorgesehenen Rechte wegen Leistungsstörungen in Betracht, etwa Ansprüche auf Nacherfüllung oder andere Rechtsfolgen. Auch Verzögerungen bei der Beschaffung einer Gattungssache können zu Verzugstatbeständen führen, wenn die fällige Leistung nicht rechtzeitig erfolgt.

Preis, Gefahrtragung und Gegenleistung

Die Frage, wer das Risiko des zufälligen Untergangs trägt, hängt vom Stadium der Leistung und von den vertraglichen Vereinbarungen ab. Vor der Konkretisierung ist regelmäßig der Schuldner gehalten, ein anderes Exemplar zu beschaffen. Nach der Konkretisierung nähert sich der Risikozuschnitt dem einer Stückschuld an. Bei Austauschverhältnissen wie dem Kauf bestimmt sich die Pflicht zur Zahlung in Abhängigkeit von Lieferung und Übergabe sowie dem vereinbarten Leistungsweg.

Praxisnahe Konstellationen

Serienprodukte und Standardware

Serienprodukte werden als Gattungssachen behandelt, solange kein bestimmtes Stück zur Erfüllung ausgewählt ist. Das gilt für neue Geräte, Normteile und standardisierte Komponenten. Erst durch Zuweisung eines konkreten Exemplars (z. B. Pick, Pack und Versand) tritt die Konkretisierung ein.

Rohstoffe und Massengüter

Rohstoffe, lose Ware und Schüttgüter (Getreide, Öl, Kohle) sind typische Gattungssachen. Die Individualisierung geschieht durch Abtrennen oder Abfüllen der vereinbarten Menge. Bis dahin bleibt der Schuldner zur Auswahl und Lieferung eines der Gattung entsprechenden Teils verpflichtet.

Geld und Zahlungsmittel

Geldschulden sind in der Regel Gattungsschulden: Es kommt nicht auf ein bestimmtes einzelnes Geldstück, sondern auf den Betrag in der geltenden Währung an. Einzelne Banknoten sind austauschbar; ein speziell bezeichnetes Sammlerstück wäre dagegen eine Stückschuld.

Häufig gestellte Fragen

Worin liegt der Unterschied zwischen Gattungssache und Stückschuld?

Die Gattungssache wird durch allgemeine Merkmale wie Art, Maß, Gewicht oder Qualität beschrieben, sodass mehrere gleichwertige Exemplare in Betracht kommen. Bei der Stückschuld ist genau ein individuelles, unverwechselbares Einzelstück geschuldet. Die Einordnung beeinflusst Auswahl, Risiko und Behandlung von Leistungsstörungen.

Was bedeutet Konkretisierung bei Gattungsschulden?

Konkretisierung ist die rechtliche Verengung der Gattungsschuld auf ein bestimmtes Exemplar. Sie tritt ein, wenn der Schuldner alles Erforderliche zur Erfüllung mit einem der Gattung entsprechenden Stück ordnungsgemäß vornimmt, etwa durch Bereitstellung, Übergabe an eine Transportperson oder tatsächliche Übergabe. Ab diesem Zeitpunkt wird die Leistung wie eine Stückschuld behandelt.

Kann die Leistung einer Gattungssache unmöglich werden?

Unmöglichkeit ist bei Gattungsschulden selten. Solange die Gattung im Rechtsverkehr beschaffbar ist, besteht die Leistungspflicht fort. Unmöglichkeit kommt insbesondere dann in Betracht, wenn die vereinbarte Gattung oder ein vertraglich begrenzter Vorrat insgesamt wegfällt und keine Beschaffungsmöglichkeit mehr besteht.

Was ist eine Vorratsschuld?

Bei der Vorratsschuld ist die Gattung auf einen bestimmten Bestand begrenzt, etwa auf das eigene Lager. Die Pflicht zur Leistung besteht nur aus diesem Vorrat. Geht der gesamte Vorrat ohne Verantwortlichkeit unter oder ist erschöpft, wirkt sich dies auf die Leistungspflicht anders aus als bei unbeschränkten Gattungsschulden.

Welche Qualitätsanforderungen gelten bei Gattungssachen?

Maßgeblich ist die getroffene Vereinbarung. Fehlt eine präzise Beschreibung, wird in der Regel Ware mittlerer Art und Güte geschuldet. Erfüllt wird mit einem Exemplar, das dem vereinbarten Gattungsbild entspricht und keine atypischen Abweichungen aufweist.

Wann geht das Eigentum an einer Gattungssache über?

Der Eigentumsübergang setzt die Individualisierung voraus. Erst wenn ein konkretes Stück aus der Gattung ausgesondert, zugeordnet oder übergeben ist, kann das Eigentum an diesem Exemplar übertragen werden. Ohne Individualisierung bleibt die Ware Teil einer unbestimmten Masse.

Wie verhält es sich mit Geldschulden: Gattungssache oder Stückschuld?

Geldschulden sind typischerweise Gattungsschulden. Geschuldet ist ein bestimmter Betrag in einer Währung, nicht die Übergabe genau bestimmter Banknoten. Erst wenn eine konkrete, individuell bezeichnete Münze oder Banknote Vertragsinhalt ist, liegt eine Stückschuld vor.