Legal Lexikon

Wiki»Gattungskauf

Gattungskauf


Definition und Grundlagen des Gattungskaufs

Der Gattungskauf ist ein zentrales Rechtsinstitut des deutschen und österreichischen Schuldrechts und bezeichnet den Kaufvertrag über eine Sache, die nach allgemeinen Merkmalen bestimmt und nicht individuell festgelegt ist. Im Gegensatz zum Stückkauf, bei dem ein ganz bestimmter, einzelner Gegenstand geschuldet wird, verpflichtet sich der Verkäufer beim Gattungskauf zur Lieferung einer Sache mittlerer Art und Güte aus einer bestimmten Gattung (vgl. § 243 Abs. 1 BGB). Die Bedeutung des Gattungskaufs erstreckt sich insbesondere auf den Warenhandel, Massenproduktion und Onlinehandel.


Abgrenzung: Gattungskauf, Stückkauf und Spezifikationskauf

Der Gattungskauf ist abzugrenzen vom Stückkauf, bei dem ein einmaliges, individuelles Stück Gegenstand des Kaufvertrags ist. Der Stückkauf liegt etwa beim Verkauf eines bestimmten Gebrauchtwagens vor (z.B. ein Auto mit festgelegter Fahrgestellnummer), während beim Gattungskauf beispielsweise „ein neues Smartphone des Typs X“ geschuldet wird. Beim Spezifikationskauf wird die Art der Ware noch aufgeschoben; Einzelheiten wie Ausführung oder Menge werden zu einem späteren Zeitpunkt festgelegt.

Wesentliches Merkmal ist beim Gattungskauf die Bestimmbarkeit nach generellen Merkmalen wie Typ, Qualität, Herkunft aus einer bestimmten Produktionsserie oder Losgröße, ohne dass die Individualisierung im Vordergrund steht.


Rechtliche Grundlagen

Deutsches Recht

Im deutschen Zivilrecht regelt § 243 BGB die Pflichten beim Gattungskauf. Demnach wird eine Schuld nach Gattung (Gattungsschuld) durch Sachen einer bestimmten Gattung erfüllt, die der mittleren Art und Güte entsprechen. Die Auswahl, welche einzelnen Sachen der Gattung geliefert werden, steht im pflichtgemäßen Ermessen des Verkäufers.

Leistungsgefahr und Leistungsstörung:
Beim Gattungskauf gilt grundsätzlich die Regel, dass der Verkäufer solange leisten kann, wie überhaupt Ware der Gattung existiert („solange Vorrat reicht“). Erst mit der Konkretisierung (§ 243 Abs. 2 BGB) wandelt sich die Gattungsschuld in eine Stückschuld, was erhebliche Auswirkungen auf die Gefahrtragung und Haftung hat.

Österreichisches Recht

Das österreichische ABGB teilt ebenfalls in Spezies- (Stück-) und Gattungsschulden (Gattungskauf). Nach § 905 ABGB muss der Schuldner beim Gattungskauf Waren mittlerer Art und Güte liefern. Auch im österreichischen Recht ist die Unterscheidung für die Gefahrtragung sowie für die Frage der Leistungsstörung von Bedeutung.


Konkretisierung und Erfüllung beim Gattungskauf

Begriff der Konkretisierung

Die Konkretisierung einer Gattungsschuld bedeutet, dass der Schuldner alles seinerseits Erforderliche zur Leistung getan hat, sodass nur noch die individuell ausgewählten Gegenstände zu liefern sind. Erst ab diesem Zeitpunkt trägt der Käufer – je nach gesetzlichen Regelungen – das Risiko für Verlust oder Verschlechterung der Ware.

Beispiel im deutschen Recht (§ 243 Abs. 2 BGB):

  • Der Verkäufer hat die Gattungsware ausgesondert (z. B. Waren zum Versand abgepackt) und bereitgestellt oder an den Transporteur übergeben.
  • Ab diesem Moment liegt keine Gattungsschuld, sondern eine Stückschuld vor.

Bedeutung der mittleren Art und Güte

Der Begriff der „mittleren Art und Güte“ dient als Maßstab für die zu liefernde Ware. Weder der Verkäufer noch der Käufer können Lieferung von Gegenständen fordern oder anbieten, die erheblich vom Durchschnitt abweichen. Liegt die tatsächlich gelieferte Ware außerhalb dieses Spektrums, können Rechte wegen Sachmängeln geltend gemacht werden, etwa Nacherfüllung, Rücktritt oder Minderung.


Gefahrtragung beim Gattungskauf

Grundregel

Vor der Konkretisierung trägt der Verkäufer die Gefahr, dass die Leistung unmöglich wird (z. B. Untergang der gesamten Vorräte durch ein Feuer). Nach der Konkretisierung, das heißt mit Auswahl und Übergabe an den Käufer oder einen Versender, geht die Leistungsgefahr auf den Käufer über.

„Solange der Vorrat reicht“

Typisch für den Gattungskauf ist das Bestehenbleiben der Lieferpflicht solange, wie noch Ware der Gattung verfügbar ist. Geht nur eine Auswahl, nicht jedoch die Gesamtgattung unter, bleibt die Leistungspflicht des Verkäufers bestehen.


Rechte bei Leistungsstörungen

Unmöglichkeit der Lieferung

Kommt es zu einer Unmöglichkeit der Leistung (Sachuntergang), unterscheidet das Gesetz:

  • Vor der Konkretisierung: Verkäufer bleibt nach wie vor leistungspflichtig, solange noch andere Sachen der Gattung vorhanden sind.
  • Nach der Konkretisierung: Die Leistungsgefahr geht auf den Käufer über, sodass etwaige Nachteile diesen treffen können.

Mängelhaftung

Auch beim Gattungskauf besteht eine Haftung für Sachmängel nach allgemeinen Regeln (§§ 434 ff. BGB). Der Käufer kann Nacherfüllung, Rücktritt, Kaufpreisminderung oder Schadensersatz verlangen, wenn die gelieferte Sache nicht der vereinbarten Güte entspricht.


Praktische Anwendungsbereiche und Relevanz

Gattungskäufe sind insbesondere im Groß- und Einzelhandel, im Versandgeschäft und Onlinehandel sowie in sämtlichen Bereichen der Massenproduktion von erheblicher Bedeutung. Typische Konstellationen sind der Erwerb standardisierter Produkte, Rohstoffe, Verbrauchsgüter oder Ersatzteile.


Zusammenfassung

Der Gattungskauf ist ein grundlegendes Konzept des Schuldrechts und regelt den Kauf von Waren, die nach allgemeinen Kriterien bestimmt sind, ohne individuelle Kennzeichnung. Die wesentlichen rechtlichen Aspekte betreffen insbesondere die Abgrenzung zu Stückkäufen, die Maßstäbe für die zu liefernde Ware, die Regelungen zur Gefahrtragung sowie die Rechtsfolgen bei Leistungsstörungen. Die genaue Kenntnis der Inhalte und Risiken des Gattungskaufs ist maßgeblich für die rechtliche Handhabung von Kaufverträgen und Ansprüchen im Wirtschafts- und Alltagsleben.

Häufig gestellte Fragen

Wer trägt das Risiko beim Gattungskauf und wann geht es auf den Käufer über?

Beim Gattungskauf, also beim Kauf von vertretbaren Sachen, regelt § 243 BGB das sogenannte Konkretisierungsprinzip. Solange die geschuldete Leistung nur der Gattung nach bestimmt ist, trägt grundsätzlich der Verkäufer das Risiko des Untergangs oder Verschlechterung der Sache. Das Risiko geht erst dann auf den Käufer über, wenn der Verkäufer das seinerseits zur Leistung Erforderliche getan hat. Dies bedeutet in der Praxis, dass der Verkäufer die zur Gattung gehörenden Sachen ausgesondert, bereitgestellt und, falls eine Versendung geschuldet ist, die Ware dem Transporteur ordnungsgemäß übergeben haben muss. Erst in diesem Moment erfolgt die sogenannte Konkretisierung, sodass ab diesem Zeitpunkt bei zufälligem Untergang (z.B. durch höhere Gewalt) der Käufer das Risiko zu tragen hat.

Welche Rechte hat der Käufer bei mangelhafter Lieferung im Gattungskauf?

Kommt es bei einem Gattungskauf zu einer mangelhaften Lieferung, stehen dem Käufer grundsätzlich die Gewährleistungsrechte aus §§ 437 ff. BGB zu. Dies umfasst das Recht auf Nacherfüllung (Nachbesserung oder Ersatzlieferung), Rücktritt vom Vertrag, Minderung des Kaufpreises sowie Schadensersatz. Besonders relevant beim Gattungskauf ist das Recht auf Lieferung einer mangelfreien Sache, da Gattungsschulden durch Austausch der mangelhaften Ware gegen einwandfreie Neuware erfüllt werden können. Die Besonderheiten liegen insbesondere darin, dass der Verkäufer den Mangel durch einfache Austauschlieferung beheben kann, sofern nicht eine Stückschuld konkretisiert wurde und keine speziellen Vereinbarungen (z.B. hinsichtlich einer bestimmten Sorte der Ware) getroffen wurden.

Was gilt, wenn die gesamte Gattung untergeht?

Geht die gesamte Gattung unter, so spricht man vom subjektiven Gattungskauf. In diesem Fall erlischt die Leistungspflicht des Verkäufers grundsätzlich nicht, da Gattungsschulden nach dem Prinzip „Genus non perit“ („Die Gattung geht nicht unter“) behandelbar sind. Der Verkäufer muss also, sofern möglich, aus anderen Quellen beschaffen und liefern. Eine Ausnahme besteht nur, wenn die gesamte Gattung weltweit oder am Markt nicht mehr verfügbar ist, der Kaufvertrag sich also objektiv auf eine nicht mehr beschaffbare Gattung bezieht. In diesem Ausnahmefall kann Unmöglichkeit im Sinne des § 275 BGB eintreten. Im Regelfall bleibt der Verkäufer jedoch auch nach Untergang eines Teils der Gattung zur Leistung verpflichtet.

Kann der Verkäufer beim Gattungskauf Teilleistungen erbringen?

Grundsätzlich ist beim Gattungskauf nach § 266 BGB der Käufer nicht verpflichtet, eine Teilleistung anzunehmen, es sei denn, eine entsprechende Vereinbarung wurde zwischen den Parteien getroffen. Viele Kaufverträge enthalten jedoch entsprechende Regelungen, insbesondere bei größeren Lieferungen. Das Gesetz schützt den Käufer vor dem Nachteil, dass eine unvollständige Lieferung seine Interessen gefährden könnte, etwa wenn die Teilmengen wertlos oder nicht brauchbar sind. Ohne ausdrückliche Vereinbarung hat der Käufer daher Anspruch auf Lieferung der gesamten vereinbarten Menge in vertragsgemäßem Zustand.

Gibt es Besonderheiten beim Verbrauchsgüterkauf im Rahmen des Gattungskaufs?

Beim Verbrauchsgüterkauf, also dem Kauf zwischen Unternehmer und Verbraucher (§ 13, § 14 BGB), gelten verschärfte Regelungen zugunsten des Verbrauchers. Insbesondere ist hier die Beweislastumkehr des § 477 BGB relevant: Tritt innerhalb von zwölf Monaten ab Gefahrübergang ein Sachmangel auf, wird vermutet, dass dieser Mangel bereits bei Gefahrübergang vorlag. Dies stellt eine erhebliche Erleichterung für den Verbraucher dar und verstärkt dessen Gewährleistungsrechte, insbesondere im Zusammenhang mit der Lieferung von Gattungssachen, die typischerweise leicht austauschbar sind. Zudem sind etwaige Haftungsbeschränkungen gegenüber Verbrauchern strenger reglementiert.

Wie unterscheidet sich der Gattungskauf vom Stückkauf hinsichtlich der Leistungsgefahr?

Beim Gattungskauf ist bis zur Konkretisierung das Risiko des Untergangs grundsätzlich beim Verkäufer, während beim Stückkauf die Gefahr sofort mit Vertragsschluss spätestens jedoch bei Übergabe der individuell bestimmten Sache auf den Käufer übergeht. Dies bedeutet, dass beim Gattungskauf erst dann das Risiko auf den Käufer übergeht, wenn eine eindeutige Zuordnung (z.B. durch Aussonderung bestimmter Exemplare) erfolgt ist, während beim Stückkauf eine spezifische Sache, die nicht ausgetauscht werden kann, Gegenstand des Vertrags ist. Die praktische Folge ist, dass der Käufer beim Gattungskauf bis zur Konkretisierung besser geschützt ist, insbesondere gegen zufälligen Untergang oder Verschlechterung der Ware.