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Gattungskauf

Begriff und Grundprinzip des Gattungskaufs

Der Gattungskauf bezeichnet den Erwerb von Waren, die nach allgemeinen Merkmalen (Gattungsmerkmalen) bestimmt sind, etwa Art, Typ, Größe, Norm oder Qualität. Es wird nicht ein individuelles Einzelstück geschuldet, sondern eine Sache aus einer Vielzahl gleichartiger Exemplare. Typisch sind etwa der Kauf von „100 Schrauben der Größe X“, „10 Sack Zement der Norm Y“ oder „500 Liter Heizöl“. Die geschuldete Leistung ist austauschbar, solange sie den vereinbarten Merkmalen entspricht.

Abgrenzung zum Stückkauf

Dem Gattungskauf steht der Stückkauf gegenüber. Beim Stückkauf ist genau ein bestimmtes Einzelstück geschuldet, das einzigartige Merkmale besitzt oder individuell bestimmt wurde. Während beim Gattungskauf grundsätzlich jedes Exemplar der vereinbarten Art geliefert werden kann, ist beim Stückkauf genau das konkret bezeichnete Objekt maßgeblich. Diese Unterscheidung beeinflusst insbesondere Leistungsstörungen, Gefahrtragung und die Möglichkeiten der Nachlieferung.

Rechtsnatur und Pflichten im Gattungskauf

Gattungsschuld und Beschaffungspflicht

Im Gattungskauf besteht eine sogenannte Gattungsschuld: Der Verkäufer schuldet eine Sache aus der vereinbarten Gattung. Er hat die Pflicht, eine Ware zu beschaffen, die den vereinbarten Merkmalen entspricht. Solange die Gattung existiert und die Beschaffung möglich und zumutbar ist, bleibt die Lieferpflicht bestehen. Für den Käufer besteht die Pflicht, die vereinbarte Gegenleistung zu erbringen und die ordnungsgemäß angebotene Ware abzunehmen.

Auswahl, Konkretisierung und Übergang der Leistungsgefahr

Wählt der Verkäufer aus dem Bestand ordnungsgemäße Ware aus und trifft die zur Leistung erforderlichen Handlungen (z. B. Absonderung, Versandaufgabe oder Bereitstellung zur Abholung), kann die ursprünglich austauschbare Gattungsschuld auf das ausgewählte Stück „konkretisiert“ werden. Ab diesem Zeitpunkt ist genau dieses Stück die geschuldete Leistung. Die rechtliche Bedeutung der Konkretisierung liegt darin, dass sich danach die Frage der Leistungsgefahr (wer das Risiko des zufälligen Untergangs oder der Verschlechterung der Leistung trägt) an dem konkret ausgewählten Stück ausrichtet.

Ort und Art der Leistung (Hol-, Bring- und Schickschuld)

Die Einordnung, ob die Leistung am Ort des Verkäufers abzuholen ist (Holschuld), vom Verkäufer an den Wohn- oder Geschäftssitz des Käufers zu bringen ist (Bringschuld) oder über einen Transporteur versendet wird (Schickschuld), beeinflusst den Zeitpunkt der Konkretisierung und damit den Gefahrübergang. Bei der Holschuld genügt in der Regel die ordnungsgemäße Aussonderung und Bereitstellung; bei der Schickschuld kommt die ordnungsgemäße Übergabe an den Transporteur hinzu; bei der Bringschuld ist die tatsächliche Anbietung am Bestimmungsort maßgeblich.

Qualität, Menge und Leistungshindernisse

Qualitätsstandard: mittlere Art und Güte

Ist keine besondere Qualität vereinbart, schuldet der Verkäufer Ware mittlerer Art und Güte. Das bedeutet, die Lieferung muss sich innerhalb eines branchenüblichen Durchschnitts bewegen, frei von Mängeln sein, die den gewöhnlichen Gebrauch beeinträchtigen, und die vertraglich zugrunde gelegten Beschaffenheitsmerkmale aufweisen. Bei standardisierten Waren können technische Normen, Typenbezeichnungen oder Handelsbräuche den Maßstab prägen.

Mengenbestimmung und Teilleistung

Die geschuldete Menge ergibt sich aus der Vereinbarung. Teilleistungen sind nur zulässig, wenn sie vereinbart sind oder für den Käufer zumutbar sind. Eine Unter- oder Überlieferung kann Rechte des Käufers auslösen, sofern die Abweichung rechtlich relevant ist.

Lieferverzug, Unmöglichkeit und Untergang der Gattung

Kommt der Verkäufer mit der Lieferung in Verzug, richten sich die Folgen nach den allgemeinen Regeln zum Leistungsverspätungsfall. Der vollständige Untergang der Gattung ist bei massenhaft produzierten oder leicht beschaffbaren Waren selten. Wird jedoch die gesamte Marktgattung unzugänglich oder unbeschaffbar, kann von Unmöglichkeit auszugehen sein. Bei einer bloßen Erschöpfung des eigenen Vorrats entfällt die Pflicht nicht ohne Weiteres, sofern die Gattung am Markt noch verfügbar ist und keine wirksame Einschränkung auf einen bestimmten Vorrat vereinbart wurde.

Mängel und Rechte bei Schlechtleistung

Lieferung mangelhafter Ware

Liegt ein Sachmangel vor, etwa weil die Ware nicht der vereinbarten Art oder üblichen Qualität entspricht, bestehen die üblichen Rechte wegen Schlechtleistung. Maßgeblich ist die Abweichung von der vereinbarten oder objektiv geschuldeten Beschaffenheit. Im Gattungskauf tritt häufig der Aspekt der Austauschbarkeit hervor.

Nacherfüllung: Nachlieferung und Nachbesserung

Bei Gattungsware ist die Nachlieferung gleichartiger, mangelfreier Ware regelmäßig möglich. Der Verkäufer darf eine zweite Andienung mit vertragsgerechter Ware vornehmen, sofern die Voraussetzungen der Nacherfüllung vorliegen. In Betracht kommt auch eine Nachbesserung, wenn die Art der Ware dies zulässt und angemessen ist. Grenzen bestehen dort, wo Nacherfüllung unzumutbar, unmöglich oder unverhältnismäßig wäre.

Weitere Rechte: Rücktritt, Minderung, Schadensersatz

Bleibt die Nacherfüllung aus oder scheitert sie, können vertragliche Gestaltungsrechte wie Rückabwicklung des Vertrags oder Herabsetzung des Preises sowie Ersatz von Vermögensnachteilen in Betracht kommen. Die konkreten Voraussetzungen richten sich nach den allgemeinen Regeln zu Mängeln und Leistungsstörungen.

Besondere Erscheinungsformen des Gattungskaufs

Vorratsschuld

Wird die Gattungsschuld auf den Vorrat eines bestimmten Lagers oder einer bestimmten Produktionsstätte beschränkt, spricht man von einer Vorratsschuld. In diesem Fall ist die Beschaffungspflicht auf den festgelegten Vorrat begrenzt. Erschöpft sich dieser Vorrat ohne Vertretenmüssen, kann die Leistungspflicht entfallen. Ohne entsprechende Beschränkung bleibt der Verkäufer zur Marktbeschaffung verpflichtet, soweit diese möglich und zumutbar ist.

Verbrauchsgüterkauf

Beim Erwerb von Gattungsware durch Privatpersonen von Unternehmern gelten besondere Schutzmechanismen. Diese beeinflussen insbesondere Beweisfragen, Informationspflichten und die Ausgestaltung von Nacherfüllung und Gefahrübergang. Die Grundstruktur des Gattungskaufs bleibt davon unberührt, wird aber zugunsten des Käufers ergänzt.

Digitale Inhalte und Energie

Auch digitale Inhalte, Softwarelizenzen standardisierter Art oder Energie (etwa Strom oder Gas) können Gegenstand eines Gattungskaufs sein, sofern die Leistung nach allgemeinen Merkmalen bestimmt ist. Hier stehen Regelungen zur Beschaffenheit, Kompatibilität, Aktualität und Bereitstellung im Vordergrund. Bei Energie- und Datendiensten spielen außerdem kontinuierliche Leistungsbeziehungen und Messbarkeit eine besondere Rolle.

Praxisrelevanz und typische Konstellationen

Regelmäßige Beispiele

Häufige Fälle sind der Kauf standardisierter Bauteile, Rohstoffe, Massenwaren im Einzel- und Großhandel, Lebensmittel nach Gewicht oder Volumen sowie normierte Industrieprodukte. In diesen Konstellationen sind Austauschbarkeit, Verfügbarkeit und Qualitätsstandards prägend.

Typische Rechtsfragen

Wiederkehrend sind Fragen zur rechtssicheren Bestimmung von Qualität und Menge, zum Zeitpunkt der Konkretisierung und zum Gefahrübergang, zur Abgrenzung von Markt- und Vorratsschuld, zu Rechten bei Mängeln sowie zu den Folgen von Lieferhindernissen in angespannten Beschaffungsmärkten.

Häufig gestellte Fragen

Was ist ein Gattungskauf?

Ein Gattungskauf liegt vor, wenn die geschuldete Ware nur nach allgemeinen Merkmalen bestimmt ist und austauschbar bleibt. Es wird nicht ein einzelnes, unverwechselbares Stück geschuldet, sondern eine Sache aus einer Vielzahl gleichartiger Exemplare, die die vereinbarten Merkmale erfüllt.

Worin unterscheidet sich der Gattungskauf vom Stückkauf?

Beim Stückkauf ist ein konkret individualisiertes Einzelstück geschuldet, beim Gattungskauf eine Ware aus einer Gattung. Diese Unterscheidung wirkt sich auf Beschaffungspflichten, die Möglichkeit der Nachlieferung, den Zeitpunkt des Gefahrübergangs und die Folgen von Unmöglichkeit aus.

Wann wird eine Gattungsschuld zum konkret geschuldeten Stück?

Durch Auswahl ordnungsgemäßer Ware und Vornahme der zur Leistung erforderlichen Schritte (z. B. Absonderung, Übergabe an einen Transporteur oder tatsächliche Anbietung am Bestimmungsort) wird die zunächst austauschbare Gattungsschuld auf ein bestimmtes Stück konkretisiert. Ab diesem Zeitpunkt richtet sich das Leistungsrisiko nach dem ausgewählten Stück.

Welche Bedeutung hat „mittlere Art und Güte“?

Ist keine besondere Qualität vereinbart, muss die Ware im Durchschnittsbereich der Gattung liegen, gebrauchstauglich sein und den üblichen Standards entsprechen. Der Maßstab wird durch branchenübliche Erwartungen, Normen, Typenbezeichnungen und Beschreibungen geprägt.

Welche Rechte bestehen bei mangelhafter Gattungsware?

Bei Mängeln kommen vorrangig Nacherfüllungsrechte in Betracht, insbesondere die Lieferung mangelfreier Ware derselben Gattung. Bleibt dies aus oder scheitert es, können Rückabwicklung, Preisanpassung und Ersatz von Vermögensnachteilen in Betracht kommen, abhängig von den allgemeinen Voraussetzungen.

Was gilt, wenn die Gattung am Markt nicht mehr verfügbar ist?

Ist die gesamte Gattung objektiv nicht mehr beschaffbar oder dauerhaft unzugänglich, kann die Leistung unmöglich werden. Eine bloße Erschöpfung des eigenen Lagers genügt dafür nicht, sofern die Gattung am Markt noch erhältlich und die Beschaffung zumutbar ist.

Welche Rolle spielen Hol-, Bring- und Schickschuld?

Die Einordnung bestimmt die zur Leistung erforderlichen Schritte und damit den Zeitpunkt der Konkretisierung und des Gefahrübergangs. Bei Holschuld genügt die ordnungsgemäße Bereitstellung, bei Schickschuld die ordnungsgemäße Übergabe an den Transporteur, bei Bringschuld die tatsächliche Anbietung am Bestimmungsort.