Legal Wiki

Wiki»Wiki»Gastarbeitnehmer

Gastarbeitnehmer

Begriff und Einordnung: Was sind Gastarbeitnehmer?

Als Gastarbeitnehmer werden historisch ausländische Beschäftigte bezeichnet, die auf Grundlage staatlicher Anwerbung oder individueller Arbeitsmigration zeitlich befristet in ein anderes Land einreisen, um dort abhängig beschäftigt zu arbeiten. Der Begriff ist in vielen Staaten, insbesondere in Deutschland, vor allem mit der Arbeitsmigration der 1950er bis frühen 1970er Jahre verbunden. In der heutigen Rechts- und Verwaltungssprache wird der Ausdruck kaum noch verwendet; gebräuchlich sind stattdessen Bezeichnungen wie ausländische Arbeitnehmer, Beschäftigte aus Drittstaaten, Unionsbürger mit Freizügigkeit, entsandte Arbeitnehmer oder Saisonbeschäftigte. Inhaltlich berührt der Begriff Fragen des Aufenthaltsrechts, des Zugangs zum Arbeitsmarkt, der Arbeitsbedingungen, der sozialen Sicherung, der Besteuerung sowie der Kontrolle und Durchsetzung arbeits- und sozialrechtlicher Standards.

Historische Entwicklung

Anwerbeabkommen und Arbeitsmigration 1950-1973

Nach dem Zweiten Weltkrieg schlossen mehrere westeuropäische Staaten Anwerbeabkommen mit Herkunftsländern, um den hohen Arbeitskräftebedarf zu decken. In Deutschland wurden Arbeitskräfte insbesondere aus Italien, Spanien, Griechenland, der Türkei, Marokko, Portugal, Tunesien und dem damaligen Jugoslawien angeworben. Die Beschäftigung war meist einfach, industriell geprägt und zunächst als vorübergehend gedacht. Der Begriff Gastarbeitnehmer verweist auf diese zeitlich gedachte Aufenthaltsphase.

Wandel des Begriffs seit 1973 und heutige Terminologie

Mit dem Ende der staatlichen Anwerbung wandelten sich Zuwanderungswege und -motive. Familiennachzug, dauerhafte Lebensentwürfe, Qualifizierung und Freizügigkeit innerhalb der Europäischen Union prägten fortan die Migration. Heute ist der Begriff Gastarbeitnehmer rechtlich nicht maßgeblich. Entscheidend sind die jeweiligen Kategorien des Aufenthalts- und Arbeitsmarktzugangs, etwa als Unionsbürger, als Fachkraft aus einem Drittstaat, als Inhaber einer Blauen Karte EU, als Saisonbeschäftigter, als entsandter Arbeitnehmer oder als Leiharbeitnehmer.

Rechtlicher Rahmen heute

Aufenthalt und Zugang zum Arbeitsmarkt

Unionsbürger und gleichgestellte Personen

Staatsangehörige von EU-/EWR-Staaten und der Schweiz genießen Freizügigkeit. Sie können in der Regel ohne gesonderte Arbeitserlaubnis eine Beschäftigung aufnehmen und sich im Aufnahmestaat niederlassen. Familienangehörige können je nach Status nachziehen.

Drittstaatsangehörige

Personen aus Staaten außerhalb von EU/EWR/Schweiz benötigen üblicherweise einen Aufenthaltstitel, der die Erwerbstätigkeit ausdrücklich erlaubt. Hierzu zählen unter anderem Titel für qualifizierte Fachkräfte, die Blaue Karte EU, Titel für betriebsinterne Transfers, Forschung, Ausbildung, Praktika oder saisonale Beschäftigungen. Der Zugang kann an Qualifikationsnachweise, Arbeitsverträge, Mindestgehälter oder Kontingente geknüpft sein.

Kurzfristige und saisonale Beschäftigung

Für zeitlich begrenzte Tätigkeiten, insbesondere in Landwirtschaft, Hotellerie, Gastronomie oder bestimmten industriellen Bereichen, bestehen besondere Zugangswege. Diese beinhalten meist Vorgaben zu Höchstdauer, Arbeitsbedingungen, Unterbringung und sozialer Absicherung.

Beschäftigungsformen

Direkt eingestellte Arbeitnehmer

Gastarbeitnehmer können unmittelbar beim inländischen Arbeitgeber angestellt sein. Es gelten die allgemeinen Regeln zu Arbeitsvertrag, Vergütung, Arbeitszeit, Urlaub und Kündigungsschutz.

Entsandte Arbeitnehmer

Bei Entsendungen bleibt das Arbeitsverhältnis zum ausländischen Arbeitgeber bestehen. Während des Einsatzes im Aufnahmestaat müssen die dort geltenden verbindlichen Mindestarbeitsbedingungen eingehalten werden, etwa zu Mindestentgelt, Arbeitszeit, Ruhezeiten, Urlaub, Arbeitsschutz und Unterkünften. Für die soziale Sicherung kann das Heimatrecht fortgelten, sofern die Voraussetzungen für eine Entsendung vorliegen und entsprechende Nachweise erbracht werden.

Leiharbeitnehmer (Arbeitnehmerüberlassung)

Werden Gastarbeitnehmer als Leiharbeitnehmer eingesetzt, gelten zusätzlich die Regeln der Arbeitnehmerüberlassung. Wesentlich ist die Gleichstellung mit Stammarbeitnehmern des Einsatzbetriebs bei wesentlichen Arbeitsbedingungen, insbesondere Entgelt, sofern keine wirksamen abweichenden Regelungen bestehen.

Saisonarbeit

Saisonbeschäftigungen sind auf bestimmte Branchen und Zeiträume begrenzt. Üblich sind Vorgaben zu Mindestentgelt, Arbeitszeit, Unterbringung, Melde- und Dokumentationspflichten sowie besondere Kontrollen.

Arbeitsbedingungen und Gleichbehandlung

Gleiches Entgelt, Mindestlohn, Tarifverträge

Gastarbeitnehmer haben Anspruch auf mindestens die im Einsatzland verbindlichen Mindestarbeitsbedingungen. Dazu zählen gesetzliche Mindestlöhne und gegebenenfalls allgemeinverbindliche Tarifentgelte. Bei Entsendungen sind diese Mindeststandards ebenfalls zu wahren.

Arbeitszeit, Ruhezeiten, Urlaub

Es gelten die allgemeinen Vorgaben zu Höchstarbeitszeiten, Ruhepausen, Ruhezeiten und bezahltem Erholungsurlaub. Abweichungen sind nur innerhalb der zugelassenen Regelungsspielräume möglich.

Mutterschutz, Elternzeiten, besonderer Schutz

Schutzvorschriften für werdende Mütter, Elternzeiten, sowie besondere Schutzregeln für Jugendliche und schwerbehinderte Menschen gelten unabhängig von der Staatsangehörigkeit, sofern die Beschäftigung im Inland stattfindet.

Diskriminierungsverbot

Benachteiligungen wegen Herkunft, Sprache, Religion, Alter, Geschlecht, Behinderung oder Weltanschauung sind unzulässig. Stellenausschreibungen, Auswahlprozesse und betriebliche Praxis müssen diskriminierungsfrei gestaltet sein.

Soziale Sicherung und Leistungen

Sozialversicherungspflicht

Bei Beschäftigung im Inland besteht grundsätzlich Versicherungspflicht in Kranken-, Pflege-, Renten-, Arbeitslosen- und Unfallversicherung. Ausnahmen können bei Entsendungen oder kurzzeitigen Einsätzen greifen, wenn die erforderlichen Nachweise über die Fortgeltung der heimatstaatlichen Sicherung vorliegen.

Koordinierung innerhalb der EU

Innerhalb der EU wird die soziale Sicherung zwischen den Staaten koordiniert. Versicherungszeiten werden grundsätzlich zusammengerechnet, und Leistungen können unter bestimmten Voraussetzungen exportiert werden. Zuständigkeiten richten sich nach dem Ort der Beschäftigung oder besonderen Zuordnungsregeln bei Tätigkeiten in mehreren Staaten.

Leistungsansprüche

Bei Versicherung im Inland bestehen Ansprüche auf Leistungen der jeweiligen Zweige, etwa Krankenbehandlung, Geldleistungen bei Krankheit, Rentenansprüche, Leistungen der Arbeitsförderung oder Entschädigungen bei Arbeitsunfällen. Voraussetzungen und Umfang richten sich nach den allgemeinen Regeln.

Portabilität bei Rückkehr

Bei einem Wechsel des Beschäftigungsstaats oder der Rückkehr ins Herkunftsland spielt die Anrechnung von Zeiten, der Export von Renten und die Anerkennung von Leistungsansprüchen eine zentrale Rolle. Innerhalb der EU und teils auf Basis bilateraler Abkommen ist die Mitnahme von Ansprüchen in bestimmten Grenzen möglich.

Steuern

Arbeitnehmerbesteuerung

Das Arbeitseinkommen ist im Beschäftigungsstaat regelmäßig lohnsteuerpflichtig. Ob eine unbeschränkte oder beschränkte Steuerpflicht besteht, hängt von Wohnsitz, gewöhnlichem Aufenthalt und der Dauer des Aufenthalts ab.

Doppelbesteuerungsabkommen

Zur Vermeidung doppelter Besteuerung bestehen zwischen vielen Staaten bilaterale Abkommen. Sie ordnen zu, welchem Staat das Besteuerungsrecht für Lohneinkünfte zusteht und wie eine Anrechnung oder Freistellung erfolgt.

Betriebliche Mitbestimmung und Interessenvertretung

Betriebsrat und Tarifbindung

Gastarbeitnehmer sind in Betriebe mit Betriebsräten grundsätzlich einbezogen. Wahlrechte und Wählbarkeit richten sich nach den allgemeinen arbeitsverfassungsrechtlichen Regeln. Tarifverträge können auf sie Anwendung finden, insbesondere wenn sie allgemeinverbindlich sind oder der Arbeitgeber tarifgebunden ist.

Information und Verständlichkeit

Wesentliche Informationen zu Arbeitsbedingungen, Entgelt, Arbeitszeit, Sicherheit und Gesundheitsschutz müssen verständlich zugänglich sein. In internationalen Belegschaften kommt der sprachlich verständlichen Unterrichtung besondere Bedeutung zu.

Beendigung des Arbeitsverhältnisses und Aufenthalt

Kündigungsschutz

Für Gastarbeitnehmer gelten die allgemeinen Regeln zum Kündigungsschutz, zu Fristen, Formen und Gründen. Besonderheiten können sich aus Betriebsgröße, Dauer der Beschäftigung oder Sonderkündigungsschutz ergeben.

Auswirkungen auf den Aufenthaltstitel

Endet die Beschäftigung, kann dies Auswirkungen auf einen an die Erwerbstätigkeit geknüpften Aufenthaltstitel haben. Die Fortgeltung des Aufenthalts hängt von Art des Titels, dessen Zweck und von etwaigen Übergangs- oder Suchzeiten ab.

Kontrolle und Durchsetzung

Behördliche Aufsicht

Die Einhaltung von Mindestarbeitsbedingungen, Mindestentgelten, Arbeitszeitvorschriften, Unterbringungsvorgaben und Meldepflichten unterliegt behördlicher Kontrolle. Dies betrifft insbesondere Bereiche mit grenzüberschreitender Beschäftigung und saisonalen Tätigkeiten.

Nachweis- und Dokumentationspflichten

Arbeitgeber müssen Unterlagen zu Arbeitsverträgen, Entgelt, Arbeitszeit, Einsatzorten, Unterkünften und zur Berechtigung der Beschäftigung vorhalten. Bei Entsendungen sind Einsatzmeldungen und die Bereithaltung bestimmter Dokumente am Einsatzort üblich.

Abgrenzungen zu verwandten Begriffen

Migrantische Beschäftigte allgemein

Der Ausdruck umfasst alle Personen, die grenzüberschreitend zur Erwerbstätigkeit zuwandern. Gastarbeitnehmer betont demgegenüber die zeitlich gedachte, befristete Arbeitsaufnahme; in der Praxis verschwimmen die Grenzen durch längerfristige Aufenthalte und Integration.

Werkvertrag und Arbeitnehmerüberlassung

Beim Werkvertrag schuldet ein Unternehmen ein Arbeitsergebnis; das Personal untersteht nicht der Leitung des Auftraggebers. Bei Arbeitnehmerüberlassung wird Arbeitskraft zur Verfügung gestellt; Weisungen erteilt der Einsatzbetrieb. Die Einordnung ist für Entgelt, Gleichstellung, Haftung und Aufsicht maßgeblich.

Selbstständige Dienstleistungserbringer

Selbstständige treten ohne Arbeitsverhältnis auf. Maßgeblich sind Unternehmerrisiko, eigene Betriebsmittel und Weisungsfreiheit. Eine fehlerhafte Einordnung kann als abhängige Beschäftigung gewertet werden, mit Folgen für Entgelt, Sozialversicherung und Bußgelder.

Gastarbeitnehmer im deutschsprachigen Raum: Kurzüberblick

Auch in Österreich und der Schweiz ist der historische Begriff bekannt. Heute dominieren dort ebenfalls die kategoriale Unterscheidung nach Unionsbürgern, EFTA-Staatsangehörigen und Drittstaatsangehörigen sowie spezielle Regelungen für Entsendungen, Saison- und Grenzgängerbeschäftigung. Unterschiede bestehen in Kontingenten, Bewilligungsverfahren und der Ausgestaltung von Mindestarbeitsbedingungen, doch gilt der Grundsatz der Gleichbehandlung bei Beschäftigung im Inland.

Häufig gestellte Fragen

Was bedeutet der Begriff Gastarbeitnehmer heute noch?

Der Begriff ist vor allem historisch geprägt. In der heutigen Verwaltungssprache spielen präzise Kategorien wie Unionsbürger mit Freizügigkeit, Drittstaatsangehörige mit Aufenthaltstiteln zur Erwerbstätigkeit, entsandte Arbeitnehmer oder Saisonbeschäftigte die zentrale Rolle.

Welche aufenthaltsrechtlichen Grundlagen sind für Gastarbeitnehmer relevant?

Maßgeblich sind Freizügigkeit für Unionsbürger sowie Aufenthaltstitel für Drittstaatsangehörige, die eine Beschäftigung erlauben. Die Voraussetzungen betreffen meist Qualifikation, Arbeitsvertrag, Mindestentgelt, Einsatzdauer und gegebenenfalls Kontingente.

Gelten Mindestlohn und Tarifverträge auch für Gastarbeitnehmer?

Ja. Gesetzliche Mindestlöhne und gegebenenfalls allgemeinverbindliche Tarifentgelte sind einzuhalten. Bei Entsendungen müssen die im Einsatzstaat verbindlichen Mindestarbeitsbedingungen beachtet werden.

Wie sind Gastarbeitnehmer sozialversichert?

Bei Beschäftigung im Inland besteht grundsätzlich Versicherungspflicht in den Sozialversicherungszweigen. Bei Entsendungen kann die Versicherung im Herkunftsstaat fortgelten, wenn die Voraussetzungen vorliegen und entsprechende Nachweise erbracht werden.

Wie werden Gastarbeitnehmer steuerlich behandelt?

Lohneinkünfte sind regelmäßig im Beschäftigungsstaat steuerpflichtig. Ob eine unbeschränkte oder beschränkte Steuerpflicht vorliegt, hängt von Wohnsitz, gewöhnlichem Aufenthalt und Aufenthaltsdauer ab. Doppelbesteuerungsabkommen regeln die Zuteilung des Besteuerungsrechts.

Worin besteht der Unterschied zwischen entsandten Arbeitnehmern und direkt eingestellten Gastarbeitnehmern?

Entsandte bleiben beim ausländischen Arbeitgeber beschäftigt, unterliegen aber im Einsatzstaat wesentlichen Mindestarbeitsbedingungen. Direkt eingestellte Arbeitnehmer stehen in einem inländischen Arbeitsverhältnis und unterfallen vollständig dem lokalen Arbeitsrecht.

Welche Bedeutung hat der Kündigungsschutz für Gastarbeitnehmer?

Es gelten die allgemeinen Regeln zu Kündigungsfristen, Formerfordernissen und Kündigungsgründen. Sonderregelungen können sich aus Betriebsgröße, Beschäftigungsdauer oder besonderem Schutz einzelner Personengruppen ergeben.

Hat die Beendigung des Arbeitsverhältnisses Folgen für den Aufenthalt?

Wenn der Aufenthaltstitel an die Erwerbstätigkeit geknüpft ist, kann das Ende der Beschäftigung Auswirkungen auf die Aufenthaltsberechtigung haben. Die Folgen richten sich nach Art, Zweck und Geltungsdauer des Titels sowie möglichen Übergangsregelungen.