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Gastarbeitnehmer


Begriff und rechtliche Einordnung von Gastarbeitnehmern

Der Begriff „Gastarbeitnehmer“ bezeichnet ausländische Staatsangehörige, die zur Ausübung einer Beschäftigung befristet in einen anderen Staat einreisen und dort einer Erwerbstätigkeit nachgehen. Ursprünglich wurde der Terminus in der Bundesrepublik Deutschland im Zuge des Wirtschaftsaufschwungs der 1950er- und 1960er-Jahre geprägt, als eine Vielzahl ausländischer Arbeitskräfte (v.a. aus Italien, Spanien, Griechenland, der Türkei und Jugoslawien) auf Grundlage bilateraler Anwerbeabkommen nach Deutschland kamen. Im rechtlichen Kontext umfasst der Begriff vor allem Vorschriften des Aufenthalts-, Arbeits- und Sozialrechts, die die Bedingungen für Einreise, Aufenthalt und Beschäftigung ausländischer Arbeitnehmer regeln.


Historische Entwicklung des Gastarbeiterbegriffs

Anwerbeabkommen und rechtlicher Rahmen

Die ersten Gastarbeitnehmer kamen auf Basis zwischenstaatlicher Anwerbeabkommen nach Deutschland. Diese Verträge regelten u.a. Auswahlverfahren, Arbeitsbedingungen, Aufenthaltsdauer, Familiennachzug und den Schutz vor Ausbeutung. Mit dem Anwerbestopp im Jahr 1973 endeten neue Anwerbemöglichkeiten, bestehende Arbeitsverhältnisse bestanden jedoch fort.

Wandel der Begrifflichkeit

Während der Begriff „Gastarbeitnehmer“ heute offiziell kaum noch verwendet wird, bestehen die mit ihrer Zuwanderung verbundenen rechtlichen Fragestellungen – insbesondere in Hinblick auf Arbeitsmigration, Integrationspolitik sowie Gleichstellungsfragen – fort. Im geltenden Recht wird stattdessen von „ausländischen Arbeitnehmern“, „drittstaatsangehörigen Arbeitnehmern“ oder „arbeitsmigranten“ gesprochen.


Aufenthaltsrechtliche Grundlagen

Einreisevoraussetzungen

Gastarbeitnehmer benötigen für die Einreise in die Bundesrepublik grundsätzlich einen Aufenthaltstitel, der zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigt. Diese Regelungen sind im Aufenthaltsgesetz (AufenthG), insbesondere in den §§ 18 ff. festgelegt. Die Einreise erfolgt regelmäßig nur mit gültigem Arbeitsvertrag bzw. Arbeitsplatzangebot und nach Erfüllung weiterer Anforderungen.

Aufenthaltstitel zur Erwerbstätigkeit

Das Aufenthaltsgesetz unterscheidet verschiedene Aufenthaltstitel, u.a. das Visum zur Erwerbstätigkeit, die Blaue Karte EU und die Aufenthaltserlaubnis für qualifizierte Fachkräfte. Für nicht hochqualifizierte Arbeitskräfte – im historischen Sinne der Gastarbeitsmigration – kann eine Beschäftigungserlaubnis nur in Ausnahmefällen erteilt werden, beispielsweise im Rahmen von Kontingenten oder bilateralen Abkommen.

Aufenthaltsdauer und Verlängerung

Der Aufenthalt von Gastarbeitnehmern ist grundsätzlich befristet; eine Verlängerung ist möglich, wenn die Voraussetzungen weiterhin erfüllt werden. Nach mehrjährigem Aufenthalt und Erfüllung bestimmter Bedingungen kann gegebenenfalls eine Niederlassungserlaubnis beantragt werden, die ein unbefristetes Aufenthaltsrecht vermittelt.


Arbeitsrechtliche Aspekte

Arbeitsmarktzugang

Der Zugang zum Arbeitsmarkt wird durch das Aufenthaltsgesetz und die Beschäftigungsverordnung geregelt. Die Bundesagentur für Arbeit prüft, ob die Beschäftigung den gesetzlichen Voraussetzungen entspricht und ob keine bevorrechtigten inländischen Bewerber zur Verfügung stehen (sog. Vorrangprüfung). Die Bedingungen für Gastarbeitnehmer orientieren sich an arbeitsrechtlichen Schutzbestimmungen wie dem Mindestlohngesetz, Arbeitszeitgesetz und Arbeitsschutz.

Arbeitsvertrag und Gleichbehandlung

Gastarbeitnehmer haben grundsätzlich Anspruch auf die gleichen Arbeitsbedingungen und Löhne wie inländische Arbeitnehmer (Gleichbehandlungsgrundsatz gemäß Art. 3 GG sowie § 2 AGG). Diskriminierung auf Grund der Staatsangehörigkeit ist unzulässig. Arbeitsverträge müssen den geltenden gesetzlichen Vorgaben entsprechen.

Kündigungsschutz und Rechte während der Beschäftigung

Auch für Gastarbeitnehmer gelten die allgemeinen Kündigungsschutzregeln des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG) und die Vorschriften zu Mutterschutz, Elternzeit und Urlaub. Ansprüche auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und sonstige arbeitsvertragliche Rechte stehen ihnen zu, soweit keine spezialgesetzlichen Ausschlüsse bestehen.


Sozialrechtliche Rahmenbedingungen

Sozialversicherungspflicht

Gastarbeitnehmer unterliegen in Deutschland grundsätzlich der Sozialversicherungspflicht, d.h. sie müssen Beiträge zur gesetzlichen Renten-, Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung leisten. Sie erwerben damit Ansprüche auf entsprechende Leistungen.

Übertragbarkeit und Rückerstattung

Die Anrechnung von Beitragszeiten und die Übertragbarkeit von Renten- und Sozialleistungsansprüchen werden häufig durch bilaterale Sozialversicherungsabkommen geregelt, um eine Doppelversicherung oder den Verlust von Ansprüchen zu vermeiden. Unter bestimmten Voraussetzungen ist die Rückerstattung geleisteter Beiträge möglich, falls der Gastarbeitnehmer in sein Heimatland zurückkehrt und keine Versicherungsansprüche erworben werden.


Aufenthaltsbeendigung und Rückführung

Beendigung des Aufenthalts

Das Aufenthaltsverhältnis endet spätestens mit Ablauf des Aufenthaltstitels, Beendigung des Arbeitsverhältnisses oder freiwilliger Ausreise. Bei Verlust des Arbeitsplatzes kann nach aktuellem Recht eine erwerbslose Zeit zur Arbeitsplatzsuche eingeräumt werden, sofern die Aufenthaltserlaubnis dies vorsieht.

Rückführung und Ausreisepflicht

Nach Ablauf des Aufenthaltsrechts bzw. bei Versagung oder Widerruf der Aufenthaltserlaubnis entsteht grundsätzlich eine Ausreisepflicht (§ 50 AufenthG). Zwangsmaßnahmen (Abschiebung) sind letztes Mittel und kommen insbesondere dann in Betracht, wenn keine freiwillige Ausreise erfolgt. Näheres regelt das Aufenthaltsgesetz i.V.m. dem Freizügigkeitsgesetz/EU.


Rechtsstellung von Gastarbeitnehmern aus EU-Mitgliedstaaten

Arbeitnehmer aus EU-/EWR-Staaten und der Schweiz genießen aufgrund der Freizügigkeitsregelungen nach dem Freizügigkeitsgesetz/EU und den EU-Grundfreiheiten (Art. 45 AEUV) umfangreiche Rechte. Sie benötigen keinen Aufenthaltstitel und unterliegen nicht der Vorrangprüfung. Arbeits- und sozialrechtlich gelten für sie die gleichen Regeln wie für deutsche Arbeitnehmer.


Fazit

Der rechtliche Status von Gastarbeitnehmern ist in Deutschland durch ein weitgehend kodifiziertes System von Vorschriften geregelt, das Einreise, Aufenthalt, Arbeitsbedingungen, Sozialversicherungsansprüche und Rückführung umfasst. Der ursprünglich befristete und auf einfache Tätigkeiten beschränkte Regelungsrahmen wurde durch die Entwicklungen im europäischen und internationalen Migrationsrecht erheblich ausdifferenziert. Heute prägen Fragen des Aufenthalts-, Arbeits- und Sozialrechts sowie die Gleichbehandlung mit Inländern die Rechtsstellung von Gastarbeitnehmern. Aktuelle Gesetze und bilaterale Abkommen sichern dabei nicht nur den Schutz der Arbeitsmigranten, sondern schaffen auch Rechtssicherheit für Arbeitgeber und Verwaltung.


Hinweis: Rechtsvorschriften können sich kurzfristig ändern. Für eine verbindliche Bewertung aktueller Einzelfragen empfiehlt es sich, die aktuell geltenden Gesetzestexte und Verordnungen zu konsultieren.

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtlichen Voraussetzungen müssen Arbeitgeber erfüllen, um Gastarbeitnehmer einstellen zu dürfen?

Arbeitgeber, die Gastarbeitnehmer beschäftigen möchten, unterliegen einer Vielzahl gesetzlicher Bestimmungen, insbesondere aus dem Aufenthaltsgesetz (AufenthG), dem Arbeitsrecht sowie spezialgesetzlichen Regelungen wie dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) und dem Sozialgesetzbuch (SGB IV, V, VI, VII und XI). Zunächst müssen Arbeitgeber prüfen, ob die potenziellen Gastarbeitnehmer über eine gültige Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis verfügen. In der Regel muss vor der Arbeitsaufnahme eine Zustimmung der Ausländerbehörde und/oder der Bundesagentur für Arbeit eingeholt werden (§ 39 AufenthG). Maßgeblich sind dabei die jeweiligen Aufenthaltstitel, die explizit zur Beschäftigung berechtigen. Arbeitgeber sind weiterhin verpflichtet, sozialversicherungsrechtliche Anmeldepflichten zu erfüllen, Lohnsteuer korrekt abzuführen und den gesetzlichen Mindestlohn zu beachten. Bei Nichteinhaltung dieser Verpflichtungen drohen empfindliche Bußgelder oder Strafverfahren. Zusätzlich besteht die Pflicht, relevante Unterlagen wie Arbeitsverträge, Aufenthaltsgenehmigungen und Nachweise über die Anmeldung zur Sozialversicherung aufzubewahren und auf Anforderung vorzulegen. Bei bestimmten Branchen (z.B. Bau, Gastronomie, Pflege) gelten darüber hinaus branchenspezifische Bestimmungen, etwa im Hinblick auf Arbeitszeitregelungen und Arbeitsschutz.

Welche Rechte haben Gastarbeitnehmer im deutschen Arbeitsrecht?

Gastarbeitnehmer genießen grundsätzlich die gleichen arbeitsrechtlichen Schutzbestimmungen wie einheimische Arbeitnehmer. Dies betrifft insbesondere den Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn, Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz (KSchG), bezahlten Urlaub gemäß Bundesurlaubsgesetz (BUrlG), Arbeitszeitschutz nach dem Arbeitszeitgesetz (ArbZG), Mutterschutz, Elternzeit sowie Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Sie sind ebenfalls durch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) vor Diskriminierung am Arbeitsplatz geschützt. Zudem gelten Vorschriften zur Befristung von Arbeitsverträgen (Teilzeit- und Befristungsgesetz – TzBfG), zum Arbeits- und Gesundheitsschutz sowie zum Zugang zu betrieblichen Mitbestimmungsrechten (Betriebsverfassungsgesetz – BetrVG), sofern die jeweiligen Voraussetzungen erfüllt sind. Allerdings kann der Zugang zu bestimmten Sozialleistungen (z. B. Arbeitslosengeld I oder II) von der Art und Dauer des Aufenthaltsstatus abhängig sein.

Wie ist der Sozialversicherungsschutz für Gastarbeitnehmer geregelt?

Gastarbeitnehmer unterliegen in Deutschland grundsätzlich der Sozialversicherungspflicht, sobald sie in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis stehen. Das umfasst die Kranken-, Pflege-, Renten-, Arbeitslosen- und Unfallversicherung. Die Beiträge werden hälftig durch Arbeitnehmer und Arbeitgeber getragen und richten sich nach dem Bruttoarbeitsentgelt. Bei bereits in einem anderen EU-Staat bestehenden Sozialversicherungsverhältnissen sowie für Arbeitnehmer aus Staaten, mit denen Deutschland ein Sozialversicherungsabkommen geschlossen hat, gelten unter Umständen Sonderregelungen (Ausstrahlung, Entsendung oder Befreiungsvereinbarungen gemäß der VO (EG) Nr. 883/2004). Entsandte Arbeitnehmer können unter bestimmten Voraussetzungen weiterhin im Herkunftsland sozialversichert bleiben, müssen dies aber mit einer sog. A1-Bescheinigung nachweisen. Für Arbeitnehmer aus Drittstaaten greift grundsätzlich die deutsche Sozialversicherungspflicht, sobald eine Arbeitsaufnahme in Deutschland erfolgt.

Welche arbeitsrechtlichen Besonderheiten gelten bei der Rückkehr oder Beendigung der Beschäftigung von Gastarbeitnehmern?

Bei der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses sind zwingend die gesetzlichen und tariflichen Kündigungsfristen zu beachten. Die Beendigung des Aufenthaltsrechts ist häufig an das Fortbestehen des Beschäftigungsverhältnisses gekoppelt. Endet das Arbeitsverhältnis, kann dies somit unmittelbare Auswirkungen auf die Aufenthaltserlaubnis haben; der Arbeitnehmer muss im Zweifel das Land verlassen oder eine neue Beschäftigung aufnehmen. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses unverzüglich der Ausländerbehörde zu melden (§ 4a Abs. 5 AufenthG). Etwaige ausstehende Ansprüche, wie gesetzlicher Resturlaub oder offene Lohnzahlungen, müssen auch gegenüber Gastarbeitnehmern abgegolten werden. Bei Rückkehr ins Heimatland können unter Umständen Rentenversicherungsbeiträge auf Antrag erstattet werden, sofern keine Rentenzahlungsansprüche bestehen und entsprechende bilaterale Abkommen dies vorsehen.

Wie werden Verstöße gegen gesetzliche Bestimmungen bei der Beschäftigung von Gastarbeitnehmern sanktioniert?

Verstöße gegen aufenthalts-, arbeits- oder sozialrechtliche Vorschriften bei der Beschäftigung von Gastarbeitnehmern werden empfindlich sanktioniert. Neben Bußgeldern, die bis zu mehreren hunderttausend Euro reichen können, kommen strafrechtliche Konsequenzen infrage, insbesondere bei vorsätzlicher Beschäftigung ohne Arbeitserlaubnis oder bei Scheinarbeitsverhältnissen (§§ 95 ff. AufenthG, § 404 SGB III, § 266a StGB). Arbeitgeber riskieren zudem Nachzahlungen von Sozialversicherungsbeiträgen, Steuern sowie die Eintragung ins Gewerbezentralregister. Bei wiederholten oder besonders schweren Verstößen droht der Ausschluss von öffentlichen Ausschreibungen und die Entziehung von Betriebsgenehmigungen. Arbeitnehmern kann bei illegaler Beschäftigung die Aufenthaltserlaubnis entzogen und eine Ausweisung ausgesprochen werden.

Welche Mitwirkungspflichten haben Gastarbeitnehmer gegenüber Behörden und Arbeitgebern?

Gastarbeitnehmer haben eigenständige Mitwirkungspflichten sowohl gegenüber den zuständigen Behörden als auch dem Arbeitgeber. Sie müssen die für den Aufenthalt und die Beschäftigung erforderlichen Nachweise – insbesondere Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis – unaufgefordert und rechtzeitig vorlegen. Änderungen des Aufenthaltsstatus, der Wohnadresse oder des Beschäftigungsumfangs müssen umgehend gemeldet werden. Zudem sind sie verpflichtet, bei der Beantragung oder Verlängerung von Aufenthaltstiteln an gesetzlich vorgesehenen Integrations- oder Sprachkursen teilzunehmen, falls dies behördlich angeordnet wird. Bei behördlichen Kontrollen am Arbeitsplatz müssen sie ihre Identität und Aufenthaltserlaubnis nachweisen können. Unterlassen sie diese Mitwirkung oder machen sie falsche Angaben, drohen aufenthaltsrechtliche Konsequenzen bis hin zur Ausweisung.

Unter welchen Bedingungen ist eine Verlängerung oder Änderung der Aufenthaltserlaubnis für Gastarbeitnehmer möglich?

Eine Verlängerung oder Änderung der Aufenthaltserlaubnis für Gastarbeitnehmer ist grundsätzlich an das Fortbestehen eines Beschäftigungsverhältnisses und die Erfüllung der Zulassungsvoraussetzungen gebunden. Der Antrag muss in der Regel vor Ablauf des bisherigen Aufenthaltstitels bei der zuständigen Ausländerbehörde gestellt werden. Wesentliche Voraussetzungen sind ein gesicherter Lebensunterhalt, ein rechtsgültiger Arbeitsvertrag mit Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit und keine Verstöße gegen bestehende aufenthaltsrechtliche Vorschriften. Veränderungen im Beschäftigungsverhältnis (z. B. Wechsel des Arbeitgebers oder Tätigkeitsfeldes) müssen ebenfalls angezeigt werden und bedürfen häufig einer erneuten behördlichen Zustimmung. Für einen ununterbrochenen und rechtmäßigen Aufenthalt über mehrere Jahre kann unter bestimmten Bedingungen ein unbefristetes Aufenthaltsrecht (Niederlassungserlaubnis) beantragt werden.