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furtum usus


Begriff und Wesen von furtum usus

Definition

Furtum usus ist ein Begriff aus dem klassischen römischen Recht und bezeichnet eine besondere Form des Diebstahls (furtum), nämlich den unerlaubten Gebrauch einer fremden Sache ohne Aneignungsabsicht. Anders als beim gewöhnlichen Diebstahl (furtum rei), bei dem es um die Wegnahme im Sinne einer dauerhaften Entziehung des Eigentums geht, steht beim furtum usus der vorübergehende, verbotene Gebrauch im Vordergrund. Der Täter beabsichtigt nicht, die Sache dauerhaft zu behalten, sondern sie lediglich zu benutzen und anschließend zurückzugeben.

Herkunft und geschichtlicher Kontext

Im römischen Recht war die Unterscheidung zwischen verschiedenen Formen von Diebstahl von zentraler Bedeutung. Die römischen Juristen entwickelten fein abgestufte Kategorien, um unterschiedliche Schweregrade und Unrechtsgehalte angemessen rechtlich zu erfassen. Furtum usus entstand als Reaktion auf alltägliche, gesellschaftlich relevante Sachverhalte, in denen jemand eine Sache missbräuchlich zum eigenen Vorteil gebrauchte, ohne sich diese dauerhaft zuzueignen.

Abgrenzung zu anderen Delikten

Furtum rei versus furtum usus

Während beim klassischen Diebstahl (furtum rei) die dauerhafte Sachentziehung charakteristisch ist, liegt bei furtum usus kein Aneignungswille im eigentlichen Sinne vor. Die zentralen Unterscheidungskriterien sind:

  • Dauer der Entziehung: Furtum rei ist auf dauerhafte Entziehung gerichtet, furtum usus bezieht sich auf den Gebrauch und eine anschließende Rückgabe.
  • Aneignungsabsicht: Furtum usus liegt vor, wenn der Täter keine dauerhafte Aneignung anstrebt, sondern nur verbotswidrig von der Sache Gebrauch macht.
  • Beispiel: Wer ein ihm geliehenes Pferd ohne Erlaubnis für eine andere als vereinbarte Strecke benutzt, begeht furtum usus.

Vergleich mit modernen Tatbeständen

Das Konzept des furtum usus hat zahlreiche Nachwirkungen in modernen europäischen Rechtsordnungen, woraus sich unter anderem das Delikt des „unbefugten Gebrauchs eines Fahrzeugs“ oder die „Gebrauchsanmaßung“ entwickelt haben. In Deutschland ist dem § 248b StGB („Unbefugter Gebrauch eines Fahrzeugs“) verwandt, wobei auch hier die temporäre Gebrauchsabsicht ohne Enteignungsabsicht das Unrecht kennzeichnet. Ebenfalls relevant ist der Begriff der Unterschlagung, wenn der unbefugte Gebrauch Elemente vorsätzlicher Zueignung enthält.

Tatbestandsmerkmale des furtum usus

Objekt der Handlung

Beim furtum usus muss es sich um eine fremde, bewegliche Sache handeln. Immobile Sachen oder eigentumslose Gegenstände fallen nicht unter diesen Tatbestand. Die Tat richtet sich nicht gegen die Substanz der Sache, sondern explizit gegen deren bestimmungsgemäßen Gebrauch.

Subjektiver Tatbestand

Animus furandi (Diebstahlsabsicht)

Der Täter muss vorsätzlich (mit sog. animus furandi) handeln, wobei bereits das Bewusstsein genügt, etwas Verbotenes zu tun. Der Täter weiß, dass der Gebrauch der Sache außerhalb der eingeräumten Berechtigung liegt.

Fehlen der Aneignungsabsicht

Das zentrale Abgrenzungsmerkmal zum klassischen Diebstahl ist das Fehlen des Aneignungswillens. Das Ziel ist nicht die dauerhafte Behaltung der Sache, sondern lediglich deren temporäre Nutzung entgegen dem Willen des Eigentümers oder Nutzungsberechtigten.

Tatmodalitäten

Missbräuchliche Gebrauchsanmaßung

Die unbefugte Verwendung kann verschiedene Formen annehmen:

  • Zweckentfremdende Nutzung (z.B. Benutzung eines Dienstwagens zu privaten Zwecken)
  • Überschreitung einer Vereinbarung (z.B. längere Nutzung als vereinbart)
  • Nutzung zu unzulässigen Zeiten oder mit unzulässigen Personen

Rechtswidrigkeit der Handlung

Die Rechtswidrigkeit ist dann gegeben, wenn die Benutzung gegen den erteilten Willen oder die gesetzlichen Vorschriften verstößt. Einverständliche Überschreitungen (z.B. Duldung) heben die Strafbarkeit auf.

Rechtsfolgen und Sanktionen

Privatrechtliche Konsequenzen

Im römischen Recht bestand für das furtum usus eine actio furti (Diebstahlsklage) mit der Möglichkeit zur Geltendmachung eines Mehrfachen des Werts als Strafe. Der Delinquent konnte sowohl auf Schadensersatz als auch auf Strafe in Anspruch genommen werden.

Öffentlich-rechtliche Sanktionen

Neben zivilrechtlichen Folgen konnte der Täter in der Antike staatlich verfolgt und bestraft werden. Dies reichte von Entschädigungsleistungen bis hin zu repressiven Maßnahmen wie Körperstrafen, abhängig von der Schwere und den Umständen der Tat.

Moderne Entsprechungen

Die Wertung des furtum usus findet sich in modernen Rechtsordnungen, wenn auch meist nicht mehr als eigenständiger Straftatbestand. Die unbefugte Gebrauchsüberlassung oder temporäre Entwendung wird heute vor allem in Zusammenhang mit Fahrzeugen oder besonderen Wertsachen pönalisiert (z.B. § 248b StGB in Deutschland). Auch deliktische Ansprüche aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch können einschlägig sein, zum Beispiel bei Überschreitung der eingeräumten Nutzungsrechte.

Bedeutung in der Rechtswissenschaft

Dogmatische Einordnung

Die Dogmatik des furtum usus illustriert das römische Bemühen, vielfältige soziale Realitäten differenziert rechtlich abzubilden. Die typologische Trennschärfe hat Bedeutung für Schadensersatzansprüche, die Zuweisung strafrechtlicher und zivilrechtlicher Sanktionen sowie für die Auslegung vergleichbarer Tatbestände im modernen Recht.

Fortwirkung im heutigen Recht

Das Delikt des furtum usus bildet eine Vorläuferfigur für zahlreiche moderne Begriffe, etwa im Bereich des „unbefugten Gebrauchs“ oder der Überschreitung von Leih-, Miet- oder Verwahrungsverhältnissen. Die heute gängige Differenzierung zwischen Besitz- und Eigentumsdelikten hat ihre Wurzeln im klassischen Verständnis des römischen Diebstahlsrechts.

Literaturhinweise und Quellen

  • Kaser, Max: Römisches Privatrecht, München
  • Zimmermann, Reinhard: The Law of Obligations: Roman Foundations of the Civilian Tradition, Oxford
  • Schulz, Fritz: Klassiker des römischen Rechts, Göttingen
  • Digesten des Corpus Iuris Civilis, insbesondere D.47,2

Schlagworte: furtum usus, römisches Recht, Diebstahl, unerlaubter Gebrauch, actio furti, Gebrauchsanmaßung, römische Rechtsgeschichte, Abgrenzung


Dieser Artikel bietet einen umfassenden Überblick über den Begriff furtum usus, dessen rechtshistorische Entwicklung sowie seine Bedeutung für klassische und moderne Rechtsordnungen, ergänzt um eine differenzierte Darstellung der Tatbestandsmerkmale und der sich daraus ergebenden Sanktionen.

Häufig gestellte Fragen

Welche Rechtsfolgen treten beim Nachweis eines furtum usus ein?

Wird ein furtum usus, also eine rechtswidrige und eigenmächtige Verwendung einer geliehenen oder überlassenen Sache außerhalb der vereinbarten Nutzung, festgestellt, so ergeben sich daraus mehrere konkrete Rechtsfolgen. Aus dem klassischen römischen Recht resultiert in erster Linie die Haftung auf die actio furti, was eine mehrfache Bußzahlung an den Geschädigten beinhalten konnte. Neben dieser strafrechtlichen Haftung kann auch eine zivilrechtliche Haftung durch die actio legis Aquiliae erfolgen, sofern durch den vertragswidrigen Gebrauch ein Schaden an der Sache eintritt. Des Weiteren verliert der Entleiher oder Verwahrer regelmäßig sämtliche Schutzwirkungen aus dem ursprünglich bestehenden Vertragsverhältnis, etwa aus dem Leihvertrag (Commodatum) oder Verwahrungsvertrag (Depositum). Viele moderne Rechtssysteme sehen bei Begehen eines furtum usus zudem die Möglichkeit der fristlosen Kündigung des Vertrags sowie die Verpflichtung zum Ersatz des vollen Schadensumfangs vor. Die rechtlichen Konsequenzen sind somit umfassend und können erhebliche wirtschaftliche und strafrechtliche Nachteile für den handelnden Nutzer mit sich bringen.

Kann ein furtum usus auch ohne unmittelbaren Schadenseintritt vorliegen?

Ein furtum usus liegt nicht zwingend erst dann vor, wenn durch die zweckwidrige Nutzung der Sache tatsächlich ein materieller Schaden entsteht. Schon die unbefugte, vertragswidrige Ingebrauchnahme an sich erfüllt im Sinne des römischen und modernen Rechts die Merkmale des Delikts, sofern der Benutzer hierbei vorsätzlich und gegen die Interessen des Eigentümers handelt. Entscheidend ist, dass das Verhalten des Nutzers gegen das mit dem Eigentümer Vereinbarte verstößt und sich dessen alleinigen Entscheidungsbefugnisse über die Sache anmaßt. Der Eintritt eines Schadens erhöht zwar den Umfang der möglichen Ersatzforderungen, ist jedoch keine zwingende Voraussetzung für das Vorliegen des Delikts „furtum usus“.

In welchen Vertragsverhältnissen kann ein furtum usus typischerweise entstehen?

Das Delikt des furtum usus tritt insbesondere im Rahmen von Leihverträgen (Commodatum), Verwahrungsverträgen (Depositum), Mietverträgen (Locatio conductio rei) sowie bei Testateigentum (Fideikommiss) auf, wenn der Besitzer sich über die dem Vertrag zugrundeliegenden Nutzungsbeschränkungen hinwegsetzt. Beispielsweise begeht der Entleiher ein furtum usus, wenn er das geliehene Gut einem Dritten überlässt, es für unerlaubte Zwecke verwendet oder nach Ablauf der vereinbarten Zeit weiterbenutzt. Typische Fälle ergeben sich auch, wenn ein Verwahrer die anvertrauten Wertgegenstände eigenmächtig und ohne ausdrückliche Erlaubnis gebraucht – etwa indem er das hinterlegte Geld kurzfristig für persönliche Ausgaben nutzt.

Welche Beweislast besteht im Streitfall eines furtum usus?

Die Beweislast beim Nachweis eines furtum usus liegt grundsätzlich beim Geschädigten bzw. Eigentümer der Sache. Dieser muss darlegen und beweisen, dass eine vertragswidrige, unbefugte Nutzung durch den Berechtigten erfolgte. Hierbei reicht es im Allgemeinen aus, Indizien oder Beobachtungen zu präsentieren, die eine Nutzung außerhalb des vereinbarten Rahmens nahelegen, insbesondere wenn bestimmte Nutzungsformen im Vertrag ausdrücklich ausgeschlossen wurden. Bei besonderen Treueverhältnissen, wie sie im Verwahrungs- oder Leihvertrag bestehen, kann sich die Beweisführung jedoch erleichtern, etwa wenn der Besitzer den Nachweis erbringen kann, dass sich die Sache nicht mehr im ursprünglichen Zustand oder am vereinbarten Ort befindet.

Wie unterscheidet sich furtum usus vom klassischen Diebstahl (furtum rei)?

Furtum usus unterscheidet sich vom klassischen Diebstahl im römischen Rechtsverständnis dadurch, dass beim furtum usus nicht die dauerhafte Wegnahme, sondern die unbefugte Nutzung im Vordergrund steht. Während beim furtum rei der Täter die Sache dem Eigentümer mit dem Willen entzieht, sie dauerhaft zu behalten oder sich anzueignen, behält der Täter beim furtum usus die Absicht, die Sache später zurückzugeben, verwendet sie jedoch bewusst entgegen der Vereinbarung für eigene Zwecke. Der Unterschied manifestiert sich auch in den unterschiedlichen Rechtsfolgen und Handlungsanforderungen: Beim furtum rei steht die Besitzbegründung im Vordergrund, beim furtum usus reicht die Überschreitung der eingeräumten Nutzungsbefugnis.

Ist ein Einverständnis des Eigentümers nachträglich heilend für ein furtum usus?

Ein nachträgliches Einverständnis – auch als Genehmigung oder condonatio bezeichnet – kann in bestimmten Fällen als Heilung des Delikts fungieren, sofern der Eigentümer ausdrücklich und wissentlich die vertragswidrige Nutzung nachträglich gutheißt. Diese Genehmigung muss jedoch eindeutig, freiwillig und voll informiert erfolgen. Liegt eine solche nachträgliche Akzeptanz nicht vor, bleibt das Verhalten ein furtum usus mit sämtlichen rechtlichen Konsequenzen. Besonders in Fällen, wo der Eigentümer erst im Nachhinein Kenntnis erlangt, wird die Frage regelmäßig in Einzelfallabwägungen entschieden, wobei die Schwere und Dauer der Vertragsverletzung maßgebliche Bedeutung haben.

Können juristische Personen Täter eines furtum usus sein?

Im römischen Recht als Ursprung der Deliktslehre war die Abgrenzung zu juristischen Personen nicht vorgesehen, da diese Rechtsform damals nicht im heutigen Sinne existierte. In modernen Rechtsordnungen jedoch, in denen juristische Personen Träger von Rechten und Pflichten sind, können auch Organisationen und Unternehmen Täter eines furtum usus sein, wenn deren Organe oder Bevollmächtigte unbefugt eine Sache, die ihnen nur zur Nutzung überlassen wurde, vertragswidrig verwenden. Die Haftung trifft dann die juristische Person als solche, unabhängig davon, welche natürliche Person konkret gehandelt hat.

Welche Ansprüche hat der Geschädigte gegenüber dem Täter bei festgestelltem furtum usus?

Der Geschädigte hat einen umfassenden Anspruch auf Schadenersatz (§ 823 BGB analog, falls nationales Recht einschlägig ist), der sämtliche direkt und mittelbar aus der vertragswidrigen Nutzung resultierenden Schäden abdeckt. Daneben kann je nach Rechtsordnung ein Anspruch auf Herausgabe des aus dem vertragswidrigen Gebrauch Gezogenen (Früchte oder Gebrauchsvorteile) bestehen. In bestimmten Fällen, z.B. bei erheblichen Verstößen oder besonders treuwidrigem Verhalten, kann neben der zivilrechtlichen Haftung auch eine strafrechtliche Sanktionierung in Betracht kommen, sofern die jeweilige nationale Gesetzgebung dies vorsieht. Ferner besteht regelmäßig ein Recht zur außerordentlichen Kündigung und Rückforderung der Sache.