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Freistellungsauftrag


Definition und rechtliche Grundlagen des Freistellungsauftrags

Ein Freistellungsauftrag ist eine schriftliche Erklärung, mit der natürliche Personen Kreditinstitute, Banken, Versicherungen oder andere zum Steuerabzug vom Kapitalertrag verpflichtete Stellen (sog. Zahlstellen) anweisen, ihre Kapitalerträge bis zu einem gewissen Betrag ohne Steuerabzug gutzuschreiben. Hintergrund hierfür ist die Möglichkeit, Kapitaleinkünfte im Rahmen des gesetzlich festgelegten Sparerpauschbetrags (§ 20 Abs. 9 Einkommensteuergesetz – EStG) steuerfrei zu stellen. Der Freistellungsauftrag ist ein wesentliches Instrument im deutschen Steuerrecht, um die automatische Abführung der Abgeltungsteuer auf Kapitalerträge zu vermeiden, soweit der Sparerpauschbetrag noch nicht ausgeschöpft wurde.

Gesetzliche Regelungen

Die zentrale gesetzliche Grundlage für den Freistellungsauftrag bildet das Einkommensteuergesetz (EStG), insbesondere § 44a EStG hinsichtlich der Anwendung des Sparerpauschbetrags sowie die dazugehörigen Regelungen zur Abgeltungsteuer. Ergänzende Regelungen finden sich unter anderem in der Abgabenordnung (AO) und der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV).

Zweck und Funktionsweise des Freistellungsauftrags

Zweck

Der Zweck des Freistellungsauftrags liegt darin, dass Kapitalerträge bis zur Höhe des Sparerpauschbetrags steuerfrei vereinnahmt werden können, ohne dass der Steuerpflichtige eine Steuererstattung im Rahmen seiner Einkommensteuererklärung beantragen muss. Ohne einen erteilten Freistellungsauftrag wird auf sämtliche Kapitalerträge die Abgeltungsteuer (25 % zuzüglich Solidaritätszuschlag und ggf. Kirchensteuer) direkt von der auszahlenden Stelle einbehalten und an das Finanzamt abgeführt.

Funktionsweise und Voraussetzungen

Der Freistellungsauftrag ist gegenüber der Zahlstelle (z. B. Bank oder Versicherung) schriftlich zu erteilen. Seit 2011 ist auch die elektronische Erteilung möglich. Ein Freistellungsauftrag kann jeweils für ein Kalenderjahr gestellt, angepasst oder widerrufen werden.

Personenkreis

Freistellungsaufträge können ausschließlich von inländischen natürlichen Personen gestellt werden. Für Gemeinschaftskonten von Ehegatten oder Lebenspartnern gilt: Es kann ein gemeinsamer Freistellungsauftrag mit dem verdoppelten Sparerpauschbetrag gestellt werden.

Höhe des Sparerpauschbetrags

Der Sparerpauschbetrag beträgt seit 2023 für Einzelpersonen 1.000 Euro, für zusammenveranlagte Ehegatten oder Lebenspartner 2.000 Euro jährlich.

Gültigkeit und Geltungsbereich

Der Freistellungsauftrag kann für bestimmte Konten oder für alle Konten bei einer Bank erteilt werden. Die Summe aller Freistellungsaufträge darf den Sparerpauschbetrag nicht überschreiten. Der Steuerpflichtige ist verantwortlich, den Betrag auf verschiedene Institute aufzuteilen.

Identifikationsnummer

Seit dem Steuerjahr 2011 ist die Angabe der steuerlichen Identifikationsnummer zwingend vorgeschrieben, damit der Freistellungsauftrag gültig wird. Diese Regelung dient der Vermeidung von Doppel- oder Mehrfachverwendung des Sparerpauschbetrags.

Rechtsfolgen bei fehlendem oder fehlerhaftem Freistellungsauftrag

Wurde kein gültiger Freistellungsauftrag gestellt, zieht die auszahlende Stelle von sämtlichen Kapitalerträgen die Abgeltungsteuer nebst Solidaritätszuschlag und ggf. Kirchensteuer ab und führt diese direkt an das Finanzamt ab. Eine nachträgliche Berücksichtigung des Sparerpauschbetrags ist in solchen Fällen nur über die Einkommensteuererklärung durch Beantragung einer Erstattung möglich.

Bei Überschreitung des gesetzlichen Höchstbetrages sind die überschießenden Anteile des Freistellungsauftrags unwirksam. Es besteht in solchen Fällen eine Anzeigepflicht für Kreditinstitute.

Missbrauchs- und Strafvorschriften

Die vorsätzliche oder fahrlässige Angabe mehrerer Freistellungsaufträge, die in Summe den maximal zulässigen Sparerpauschbetrag überschreiten, kann als Ordnungswidrigkeit oder Steuerhinterziehung gewertet werden (§ 370 AO). Kreditinstitute sind verpflichtet, bei Erkennen solcher Sachverhalte die Finanzbehörden zu informieren.

Unterschiede zum Nichtveranlagungsbescheinigung (NV-Bescheinigung)

Neben dem Freistellungsauftrag existiert die Möglichkeit der Vorlage einer sogenannten Nichtveranlagungsbescheinigung (NV-Bescheinigung), die von den Finanzämtern ausgestellt wird, sofern keine Einkommensteuerschuld zu erwarten ist. Diese NV-Bescheinigung gilt in der Regel für drei Jahre und bewirkt, dass die Zahlstelle auf sämtliche Kapitalerträge keine Abgeltungsteuer einbehält. Der Unterschied zum Freistellungsauftrag liegt in der Reichweite: Die NV-Bescheinigung gilt unabhängig vom Sparerpauschbetrag.

Widerruf, Änderung und Nachweise

Ein Freistellungsauftrag kann vom Kontoinhaber jederzeit mit Wirkung für die Zukunft geändert oder widerrufen werden. Änderungen an einem bestehenden Auftrag erlangen erst ab dem Zeitpunkt ihrer Erteilung Gültigkeit. Frühere Zeiträume sind hiervon nicht betroffen. Banken sind verpflichtet, dem Kunden auf Anfrage einen Nachweis über die im Jahr erteilten und im Folgejahr auf die Steuer übertragenen Freistellungsbeträge auszuhändigen.

Verjährung und Aufbewahrungspflichten

Banken und sonstige Verpflichtete sind verpflichtet, Daten über erteilte Freistellungsaufträge zehn Jahre aufzubewahren. Diese Frist richtet sich nach den Aufbewahrungspflichten der Abgabenordnung.

Internationale Aspekte

Der Freistellungsauftrag gilt nur für inländische Steuerpflichtige und bezieht sich auf in Deutschland steuerpflichtige Kapitalerträge. Auslandserträge und dortige Steuerabzugsregelungen bleiben unberührt. Ausländische Institute dürfen keine Freistellungsaufträge entgegennehmen.

Relevanz des Freistellungsauftrags in der Praxis

Die automatisierte Besteuerung von Kapitalerträgen durch den Steuerabzug an der Quelle und die Möglichkeit des Freistellungsauftrags vereinfachen für viele private Anleger die steuerliche Behandlung und reduzieren den administrativen Aufwand. Insbesondere für Sparer, deren Kapitaleinkünfte unterhalb des Sparerpauschbetrags liegen, ist der korrekte und vollständige Freistellungsauftrag ein zentrales Element zur Vermeidung unnötiger Steuerabzüge und Erstattungsverfahren.


Siehe auch:

Häufig gestellte Fragen

Wann muss ein Freistellungsauftrag bei der Bank eingereicht werden?

Ein Freistellungsauftrag muss grundsätzlich spätestens zu dem Zeitpunkt bei der Bank eingereicht werden, ab dem Zinserträge oder andere Kapitalerträge gutgeschrieben werden, für die eine Steuerfreistellung gewünscht wird. Nach § 43 Absatz 1 Satz 1 EStG sind Banken dazu verpflichtet, die Abgeltungsteuer automatisch einzubehalten und an das Finanzamt abzuführen, sofern kein wirksamer Freistellungsauftrag vorliegt. Die rechtliche Wirksamkeit des Freistellungsauftrags beginnt frühestens am Tag des Eingangs bei der Bank und kann nicht rückwirkend für bereits entstandene Kapitalerträge geltend gemacht werden. Eine Änderung oder Aufteilung des Freistellungsbetrags ist jederzeit möglich, entfaltet jedoch ebenfalls erst ab Eingang Rechtsgültigkeit. Für Zinseinnahmen, die vor Erteilung des Freistellungsauftrags angefallen sind, kann keine Steuerfreistellung rückwirkend erreicht werden. Anders formuliert: Die Bank benötigt stets einen zum Zeitpunkt der Ertragserzielung vorliegenden, gültigen Freistellungsauftrag, um die Steuerbefreiung zu gewährleisten.

Ist der Freistellungsauftrag auf mehrere Banken aufteilbar?

Ja, nach § 44a Absatz 2 und 2a EStG dürfen Steuerpflichtige den Steuerfreibetrag gemäß § 20 Absatz 9 EStG (Sparerpauschbetrag) auf beliebig viele Kreditinstitute aufteilen. Die Summe aller erteilten Freistellungsaufträge pro Steuerpflichtigen ist jedoch auf den jeweils gültigen Höchstbetrag beschränkt (aktuell 1.000 € für Ledige, 2.000 € für Verheiratete/Lebenspartner). Überschreitungen führen dazu, dass Freistellungsaufträge teilweise oder vollständig wirkungslos werden (§ 43a Absatz 1 Satz 3 EStG). Die Aufteilung erfolgt formlos bzw. auf den von der Bank vorgegebenen Vordrucken, wobei der Steuerpflichtige selbst für die korrekte Summierung und Aufteilung verantwortlich ist. Eine Kontrolle seitens des Bundeszentralamts für Steuern (BZSt) erfolgt zentral durch die steuerliche Identifikationsnummer.

Welche rechtlichen Folgen hat ein zu hoher oder mehrfache Freistellungsaufträge?

Erteilt ein Steuerpflichtiger Freistellungsaufträge in Summe über den jeweils maximal zulässigen Sparerpauschbetrag hinaus, ist nach § 44a Abs. 1 S. 3 und 4 EStG der gesetzliche Höchstbetrag als absolute Obergrenze maßgeblich. Überschreiten Freistellungsaufträge diese Grenze, sind sie insoweit unwirksam. Das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) prüft anhand der steuerlichen Identifikationsnummer, ob die Gesamtsumme überschritten wird und meldet Fehler zurück. In Fällen falscher Angaben oder bewusst vorteilhafter Aufteilung liegt ein Verstoß gegen steuerliche Vorschriften mit möglichen steuerlichen und ordnungsrechtlichen Konsequenzen (inklusive Nachversteuerung und ggf. Bußgeldern) vor.

Welche Formvorschriften gelten für die Erteilung oder Änderung eines Freistellungsauftrags?

Der Freistellungsauftrag muss nach § 44a Absatz 2 EStG schriftlich oder elektronisch gegenüber der Bank unter Angabe der steuerlichen Identifikationsnummer (IdNr.) erfolgen. Das Einreichen in anderer Form (z.B. mündlich) ist rechtlich nicht zulässig und wird vom Kreditinstitut nicht anerkannt. Die Änderung, Widerruf oder Aufteilung eines Freistellungsauftrags setzen ebenfalls schriftliche oder elektronische Mitteilung unter Angabe der IdNr. voraus. Der Auftrag entfaltet erst nach Bearbeitung durch die Bank Rechtswirkung und gilt – sofern kein expliziter Zeitraum bestimmt wurde – unbefristet bis zu einem möglichen Widerruf oder einer Änderung.

Was geschieht bei Namensänderung, Heirat oder Änderung des Familienstands mit bestehenden Freistellungsaufträgen?

Im Fall einer Namensänderung, Heirat oder Änderung des Familienstands bleibt ein bestehender Freistellungsauftrag in der Regel solange wirksam, bis eine entsprechende Mitteilung beim Kreditinstitut eingeht. Im Falle der Heirat können Eheleute oder Lebenspartner einen gemeinsamen Sparerpauschbetrag nutzen, müssen dazu jedoch gemeinsam einen neuen, kombinierten Freistellungsauftrag bei ihrer Bank einreichen (§ 44a Abs. 2 EStG). Eine automatische Anpassung findet aus rechtlicher Sicht nicht statt; steuerliche Vorteile oder zusätzliche Freibeträge werden erst nach offiziellem Antrag und unter Angabe beider steuerlicher Identifikationsnummern berücksichtigt. Werden Änderungen nicht form- und fristgerecht gemeldet, besteht das Risiko einer steuerlichen Benachteiligung oder eines fehlerhaften Einbehalts der Abgeltungsteuer.

Wie lange ist ein Freistellungsauftrag gültig und wann endet er automatisch?

Ein Freistellungsauftrag ist grundsätzlich unbefristet gültig, sofern der Antragsteller keinen bestimmten Zeitraum für die Gültigkeit angibt. Er endet automatisch nur im Falle der Auflösung des entsprechenden Kontos, des Tods des Kontoinhabers (§ 44a Abs. 2a Satz 3 EStG) oder durch den schriftlichen Widerruf seitens des Auftraggebers. Erteilte Freistellungsaufträge werden von der Bank darüber hinaus gelöscht, wenn kein Konto mehr beim Institut besteht oder ein gesetzlicher Vertreter dies nach Ende der gesetzlichen Vertretung widerruft (z.B. bei Volljährigkeit des Kindes). Im Erbfall geht der Freistellungsauftrag nicht auf Erben über, sondern erlischt.

Was ist bei einer Auflösung oder einem Wechsel der Bank bezüglich des Freistellungsauftrags rechtlich zu beachten?

Mit der Kündigung oder Schließung eines Kontos erlischt der zugehörige Freistellungsauftrag bei der jeweiligen Bank automatisch und der bis dahin nicht genutzte Anteil des Sparerpauschbetrags steht grundsätzlich wieder für andere Banken zur Verfügung. Bei Wechsel oder Neueröffnung eines Kontos bei einer anderen Bank ist ein neuer Antrag erforderlich. Alte Freistellungsaufträge können nicht übertragen werden – jeder Freistellungsauftrag bezieht sich jeweils nur auf das Kreditinstitut, bei dem er eingereicht wurde. Der Kontoinhaber ist rechtlich verpflichtet, Überzahlungen oder Doppelnennungen frühzeitig zu vermeiden. Die Bank ist seit 2011 (§ 44 Abs. 1 Satz 4 EStG) zur elektronischen Meldung von erteilten Freistellungsaufträgen beim Bundeszentralamt für Steuern verpflichtet.