Begriff und rechtlicher Status der Freikirchen
Freikirchen sind christliche Glaubensgemeinschaften, die sich durch ein freiwilliges Bekenntnis ihrer Mitglieder und eine organisationsrechtliche Unabhängigkeit von den Großkirchen (insbesondere von der römisch-katholischen und den landeskirchlichen Evangelischen Kirchen) auszeichnen. Im Unterschied zu den Volkskirchen basieren Freikirchen auf Prinzipien der Freiwilligkeit im Glaubensbekenntnis sowie der Selbstverwaltung. Vom rechtlichen Standpunkt nehmen sie in Deutschland, Österreich und der Schweiz einen besonderen Platz innerhalb des Religionsverfassungsrechts ein und unterliegen spezifischen gesetzlichen Regelungen.
Rechtsstellung der Freikirchen in Deutschland
Religionsrechtlicher Rahmen
Freikirchen werden in Deutschland als Religionsgemeinschaften behandelt. Das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland garantiert im Artikel 4 die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses. Nach Artikel 140 GG, der die Weimarer Reichsverfassung in Teilen inkorporiert, stehen Religionsgesellschaften grundsätzlich das Recht der Vereinigungsfreiheit zu und besitzen das Recht, ihre Angelegenheiten selbständig innerhalb der Schranken der für alle geltenden Gesetze zu ordnen und zu verwalten (§ 137 Abs. 3 WRV).
Körperschaftsstatus und Anerkennung
Freikirchen können, wie andere Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften, den Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts beantragen (§ 137 Abs. 5 WRV). Dieser Status geht mit bestimmten Privilegien einher, etwa der Erhebung von Kirchensteuern durch staatliche Behörden, Dienstherrenfähigkeit im öffentlichen Dienst sowie dem Recht eigene Friedhöfe zu verwalten. Die Voraussetzungen für die Verleihung umfassen insbesondere die Gewähr der Dauer und die Rechtstreue der Gemeinschaft. Viele Freikirchen sind regelmäßig als eingetragene Vereine (e.V.) oder als Körperschaften des privaten Rechts organisiert und unterliegen damit dem Vereinsrecht des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB).
Verhältnis zu Staat und Gesellschaft
Der verfassungsrechtliche Grundsatz der Trennung von Staat und Kirche (vgl. Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 1 WRV) gilt auch für Freikirchen. Sie sind unabhängig in ihren inneren Angelegenheiten, teilen mit den Großkirchen jedoch viele Rechte und Pflichten staatlicherseits, sofern sie als Religionsgemeinschaft anerkannt sind.
Freikirchen können Verträge mit dem Staat abschließen (z.B. Staatskirchenverträge, “Konkordate”), was jedoch aufgrund ihrer häufigen Zahlmäßigkeit und Organisationsstruktur in der Praxis selten ist.
Steuer- und Gemeinnützigkeitsrecht
Gemeinnützigkeit
Freikirchen werden steuerrechtlich in der Regel als gemeinnützige Körperschaften gemäß § 52 der Abgabenordnung (AO) behandelt, sofern ihre satzungsmäßigen Zwecke ausschließlich und unmittelbar der Förderung der Religion dienen. Als gemeinnützige Organisationen sind sie von der Körperschaftsteuern befreit und ihre Spenden sind steuerlich absetzbar, sofern die entsprechenden rechtlichen Voraussetzungen erfüllt und Nachweise vorliegen.
Kirchensteuer
Freikirchen mit Körperschaftsstatus können Kirchensteuer erheben, wobei in der Praxis nur wenige Freikirchen hiervon Gebrauch machen. Häufiger erfolgt die Finanzierung durch freiwillige Spenden der Mitglieder und Gemeindeveranstaltungen.
Arbeitsrechtliche Aspekte
Freikirchen stehen ihren Mitgliedern und Angestellten im Rahmen des sogenannten “kirchlichen Arbeitsrechts” gegenüber. Der sogenannte “dritte Weg” erlaubt es, Arbeitsbedingungen und Regeln teils unabhängig vom staatlichen Arbeitsrecht zu gestalten. Auch sind Loyalitätsanforderungen häufig Gegenstand arbeitsvertraglicher Vereinbarungen, wobei grundlegende Rechte (wie das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, AGG) dennoch zu beachten sind.
Freikirchen in Österreich
Gesetzliche Grundlagen
In Österreich regelt das Religionsrecht die Rechtsstellung von Freikirchen. Das Bundesgesetz über die Rechtspersönlichkeit von religiösen Bekenntnisgemeinschaften (BekGG) sowie das Religionsgesetz bilden die maßgebliche rechtliche Grundlage. Freikirchen können als religiöse Bekenntnisgemeinschaften anerkannt werden (seit 2013 ist z.B. die “Freikirche in Österreich” als Körperschaft öffentlichen Rechts anerkannt).
Rechte und Pflichten
Als anerkannte Religionsgemeinschaft genießen Freikirchen umfassende Privilegien, u. a. im Bereich des Religionsunterrichts, der Seelsorge, der Steuerbefreiung sowie hinsichtlich der Errichtung und Verwaltung von sakralen Einrichtungen und Friedhöfen.
Freikirchen in der Schweiz
Kantonale Besonderheiten
In der Schweiz fällt das Religionsrecht in die Zuständigkeit der einzelnen Kantone. Die meisten Freikirchen sind als Vereine nach Zivilgesetzbuch organisiert. Nur wenige Freikirchen genießen den Status einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft, wie etwa die Reformierten oder Römisch-Katholischen Landeskirchen.
Steuerrecht
Freikirchen, die als Vereine oder Stiftungen gemeinnützig tätig sind, können von Steuern befreit werden, sofern die gemeinnützigen Voraussetzungen erfüllt sind und die Antragstellung sowie die Nachweise gegenüber den kantonalen Steuerbehörden erfolgen.
Datenschutz und Verschwiegenheitspflichten
Mitglieder- und Spendendaten fallen unter datenschutzrechtliche Vorgaben, die sich nach der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) bzw. nationalem Datenschutzrecht (z.B. Bundesdatenschutzgesetz, BDSG) richten. Besondere gesetzlichen Schweigepflichten ergeben sich zudem für seelsorgerische Tätigkeiten innerhalb der Freikirchen.
Haftungs- und Vermögensrecht
Als rechtsfähige Vereine oder Körperschaften verwalten Freikirchen regelmäßig eigenes Vermögen und haften mit diesem für Verbindlichkeiten. Im Fall von Körperschaften öffentlichen Rechts können spezifische Haftungsmodalitäten gelten; bei eingetragenen Vereinen ist die Haftung auf das Vereinsvermögen beschränkt.
Zusammenfassung
Freikirchen bezeichnen unabhängige, christliche Religionsgemeinschaften, deren rechtliche Stellung durch Grundsätze der Religionsfreiheit, Vereinsautonomie und – je nach Land – besondere Anerkennungsverfahren geprägt wird. Sie können als Vereine, Bekenntnisgemeinschaften oder Körperschaften des öffentlichen Rechts organisiert sein und unterliegen den entsprechenden staatskirchen- und steuerrechtlichen Bestimmungen. Die Rechte und Pflichten von Freikirchen umfassen u.a. Selbstverwaltungsrechte, Steuerprivilegien, arbeits- und datenschutzrechtliche Sonderregelungen sowie – in Einzelfällen – das Recht zur Erhebung von Kirchensteuern und zum Abschluss von Verträgen mit dem Staat.
Häufig gestellte Fragen
Welche Rechtsform haben Freikirchen in Deutschland?
In Deutschland nehmen die meisten Freikirchen die Rechtsform eines eingetragenen Vereins (e.V.) gemäß Bürgerlichem Gesetzbuch (BGB) an. Diese ermöglicht ihnen eine eigenständige Rechtspersönlichkeit, wodurch sie Verträge abschließen, Eigentum erwerben und als juristische Person am Rechtsverkehr teilnehmen können. Daneben beantragen viele Freikirchen zusätzlich die Anerkennung als Körperschaft des öffentlichen Rechts nach Artikel 140 GG in Verbindung mit Artikel 137 WRV. Diese Anerkennung verleiht ihnen erweiterte Rechte, wie das Erheben von Kirchensteuern (wovon jedoch selten Gebrauch gemacht wird), das Dienstherrnrecht und die Möglichkeit, eigene Friedhöfe zu betreiben. Voraussetzung hierfür ist u.a. die Gewähr der Dauer und die Loyalität zur Rechtsordnung. Dieser Status ist jedoch nicht verpflichtend; viele kleinere Freikirchen bleiben beim Status als eingetragener Verein.
Müssen Freikirchen in Deutschland Steuern zahlen?
Freikirchen sind wie andere kirchliche Körperschaften grundsätzlich als gemeinnützig anerkannt, sofern sie die Voraussetzungen nach §§ 51 ff. Abgabenordnung (AO) erfüllen. Damit sind sie in der Regel von der Körperschaftssteuer und Gewerbesteuer befreit. Spenden an Freikirchen können steuerlich geltend gemacht werden, sofern die Freikirche über eine gültige Gemeinnützigkeitsbescheinigung des Finanzamts verfügt. Dennoch unterliegen Umsätze, die nicht unmittelbar der Religionsausübung oder dem Satzungszweck dienen, der Umsatzsteuerpflicht. Einnahmen aus wirtschaftlichem Geschäftsbetrieb, wie etwa dem Verkauf von Büchern oder CDs, müssen entsprechend über die Steuer erklärt werden.
Wie ist das Verhältnis zwischen Freikirchen und dem Staat geregelt?
Die Beziehung zwischen Freikirchen und dem Staat basiert auf dem Grundsatz der Trennung von Kirche und Staat, wie in Artikel 140 Grundgesetz in Verbindung mit Artikel 137 Weimarer Reichsverfassung festgelegt. Der Staat ist zu neutralem Verhalten verpflichtet und darf keine Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft bevorzugen oder benachteiligen (Religionsfreiheit und Gleichbehandlungsgebot). Freikirchen haben das Recht, ihre Angelegenheiten eigenständig zu ordnen (Selbstverwaltungsrecht), können sich als juristische Person organisieren und interne Strukturen, Riten und Mitgliedschaften nach eigenem Regelwerk gestalten, solange diese nicht gegen das allgemeine Gesetz verstoßen.
Haben Freikirchen Anspruch auf staatliche Leistungen?
Ein Anspruch auf direkte staatliche Subventionen oder Privilegien besteht grundsätzlich nicht, es sei denn, die Freikirche wird als Körperschaft des öffentlichen Rechts anerkannt und es handelt sich um Leistungen, die auch anderen Religionsgemeinschaften gleichermaßen zustehen (Gleichbehandlungsgrundsatz). Förderungen, etwa für soziale Projekte oder Kitas, sind möglich, erfolgen aber in der Regel im Rahmen allgemeiner Förderung gemeinnütziger Träger und nicht spezifisch aufgrund des Status als Freikirche. Auch können Freikirchen im Rahmen kirchlicher Zusammenarbeit beispielsweise Seelsorge in staatlichen Einrichtungen ausüben, sofern entsprechende Vereinbarungen bestehen.
Wie ist die Mitgliedschaft in Freikirchen rechtlich geregelt?
Der Beitritt zu einer Freikirche erfolgt auf freiwilliger Basis und ist wie beim Verein dem Grundsatz der Privatautonomie unterstellt. Die Aufnahmebedingungen sowie die Beendigung der Mitgliedschaft regeln die jeweiligen Satzungen der Freikirche. Rechtlich handelt es sich dabei meist um eine Mitgliedschaft in einem Verein, was auch bedeutet, dass Mitglieder – etwa durch Austrittserklärung – jederzeit die Mitgliedschaft beenden können. Pflichten und Rechte der Mitglieder ergeben sich aus der jeweils gültigen Satzung, wobei diese nicht gegen geltendes Recht verstoßen dürfen. Kirchenaustrittserklärungen gegenüber dem Standesamt sind nur für Körperschaften des öffentlichen Rechts relevant; bei vereinsrechtlich organisierten Freikirchen genügt zumeist eine schriftliche Erklärung gegenüber dem Vorstand.
Unterliegen Freikirchen der staatlichen Aufsicht?
Freikirchen unterliegen als Vereine grundsätzlich der staatlichen Vereinsaufsicht, insbesondere hinsichtlich der Einhaltung von Satzungsbestimmungen, Gemeinnützigkeitsvorgaben und der Gefahrenabwehr. Werden sie als Körperschaft des öffentlichen Rechts anerkannt, sind sie zusätzlich bestimmten Aufsichtsbefugnissen durch die zuständigen Regierungspräsidien unterworfen, dies betrifft etwa die Einhaltung des öffentlichen Rechts und den ordnungsgemäßen Gebrauch ihrer Rechte. Die innere Organisation und die Glaubenslehre sind jedoch weiterhin von der staatlichen Aufsicht ausgenommen und unterliegen der Religionsfreiheit.
Können Freikirchen eigene Bildungseinrichtungen betreiben?
Ja, Freikirchen haben das Recht, eigene Bildungseinrichtungen wie Schulen oder Kindergärten zu gründen und zu betreiben. Für die staatliche Anerkennung solcher Einrichtungen müssen jedoch die jeweiligen länderspezifischen Schul- und Bildungsgesetze beachtet und Mindestanforderungen hinsichtlich Lehrplänen, Lehrerqualifikationen und Ausstattung eingehalten werden (§ 7 GG). Bei Kindertagesstätten gelten bundes- und landesrechtliche Vorgaben, etwa aus dem Kinder- und Jugendhilfegesetz (SGB VIII). Werden alle staatlichen Anforderungen erfüllt, haben auch Freikirchen Anspruch auf öffentliche Zuschüsse nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen.