Legal Lexikon

Fragestunde


Begriff und rechtliche Einordnung der Fragestunde

Die Fragestunde ist ein feststehender Begriff im parlamentarischen Verfahren demokratischer Staaten, insbesondere auch im deutschen Rechtsraum. Sie bezeichnet einen institutionalisierten Zeitraum innerhalb von Sitzungen parlamentarischer Vertretungen, insbesondere des Bundestages, in dem Abgeordnete an die Regierung sowie an andere Mitglieder des Parlaments Fragen zu verschiedenen Themen des öffentlichen Interesses richten können. Die Fragestunde dient der Regierungskontrolle, Information der Öffentlichkeit sowie der politischen Diskussion und Transparenz. Die rechtliche Ausgestaltung der Fragestunde richtet sich vorrangig nach den jeweiligen Vorschriften der Geschäftsordnungen der Parlamente sowie den Verfassungen der jeweiligen Körperschaften.


Regelungen zur Fragestunde im Deutschen Bundestag

Rechtsgrundlagen

Die rechtliche Ausgestaltung der Fragestunde im Deutschen Bundestag findet sich primär in der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages (GO-BT). Insbesondere §§ 100-106 GO-BT regeln das Verfahren, die Anmeldung, Zulassung und Durchführung von Fragen sowie die Pflichten der Bundesregierung zur Beantwortung.

Artikel 38 Grundgesetz

Das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland bildet die verfassungsrechtliche Grundlage dafür, dass die Abgeordneten umfassende Kontrollrechte, insbesondere auch gegenüber Regierung und Verwaltung, wahrnehmen können. Artikel 38 GG gewährleistet die Rechte der Abgeordneten im Rahmen der parlamentarischen Demokratie, worunter auch das Recht zur Information zählt.

Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages

Nach der Geschäftsordnung ist die Fragestunde ein regelmäßig wiederkehrender Tagesordnungspunkt während der Sitzungswochen. Die §§ 100 ff. regeln unter anderem:

  • Teilnahmeberechtigung: Fragen können ausschließlich von Bundestagsabgeordneten gestellt werden.
  • Frist zur Einreichung: Schriftliche Einreichung muss rechtzeitig vor der jeweiligen Fragestunde erfolgen (meist mehrere Tage im Voraus).
  • Zulässigkeit: Die Zulässigkeit wird durch den Präsidenten des Bundestages geprüft; unzulässig sind beispielsweise Fragen zu nicht-öffentlichen Vorgängen oder Angelegenheiten außerhalb der Zuständigkeit der Bundesregierung.
  • Beantwortung: Die Bundesregierung ist verpflichtet, Fragen mündlich innerhalb der Fragestunde zu beantworten oder bei Verhinderung schriftlich Stellung zu nehmen.

Ablauf und Verfahrensregeln

Die Fragestunde ist in etwa einstündige Sitzungseinheit unter Führung des Parlamentspräsidenten. Die Bundesregierung (bzw. einzelne Mitglieder oder ihre Vertreter) stehen für unmittelbare Fragen zur Verfügung. Die Abgeordneten haben die Möglichkeit, Anschlussfragen zu stellen. Dabei gelten Begrenzungen hinsichtlich der Redezeiten und Nachfragemöglichkeiten, um einen geordneten Ablauf sicherzustellen.


Rechtliche Funktionen und Bedeutung der Fragestunde

Regierungskontrolle

Die Fragestunde ist ein zentrales parlamentarisches Kontrollinstrument. Hierdurch wird die Bundesregierung verpflichtet, dem Parlament und damit mittelbar der Öffentlichkeit Rechenschaft über ihr Handeln abzulegen. Die Abgeordneten nutzen das Fragerecht dazu, Informationen über konkrete Sachverhalte, aktuelle Entwicklungen oder geplante Maßnahmen einzuholen. Die Regierung muss dabei wahrheitsgemäß, vollständig und unverzüglich Auskunft geben, solange keine Geheimhaltungsgründe, wie etwa der Schutz sicherheitsrelevanter Daten, dem entgegenstehen (§ 103 GO-BT).

Transparenz und Öffentlichkeit

Die in der Fragestunde behandelten Themen sowie die gestellten Fragen und die erteilten Antworten werden regelmäßig vollständig dokumentiert und im amtlichen Protokoll sowie in öffentlichen Informationsdiensten veröffentlicht. Durch diese Transparenz wird die Öffentlichkeit über relevante Themen informiert, die parlamentarische Debatte nachvollziehbar gemacht und das demokratische Prinzip gestärkt.

Rechtsschutz und Beschränkungen

Rechte der Fragesteller

Abgeordnete können bei Verweigerung der Beantwortung einzelner Fragen oder unzureichenden Antworten spezielle parlamentarische Verfahren anstrengen, etwa Nachfragen stellen oder die Angelegenheit in Ausschüssen weiterverfolgen. In extremen Fällen kommen Verfassungsklagen wegen Verletzung von Abgeordnetenrechten in Betracht.

Regierungsschutz

Die Bundesregierung kann die Beantwortung einer Frage ablehnen, sofern dies aus zwingenden verfassungsrechtlichen oder gesetzlichen Gründen – beispielweise zum Schutz des Staatswohles, der laufenden Ermittlungen oder der Persönlichkeitsrechte Dritter – erforderlich ist. Die Ablehnung ist grundsätzlich zu begründen.


Fragestunde in Ländern, Landtagen und anderen Organen

Auch auf Ebene der Landtage und anderer parlamentarischer Gremien existiert die Institution der Fragestunde. Die jeweiligen Landesverfassungen und Geschäftsordnungen enthalten vergleichbare, jedoch teils abweichende Regelungen hinsichtlich Ablauf, zulässigen Fragestellungen und Zeitrahmen.


Abgrenzung zu anderen parlamentarischen Instrumenten

Die Fragestunde unterscheidet sich rechtlich und funktional von anderen parlamentarischen Kontrollmechanismen, wie den Kleinen Anfragen, Großen Anfragen und anderen Interpellationsformen. So sind beispielsweise schriftliche Einzelfragen oder Große Anfragen in der Regel umfassender und können zu ausgedehnten Aussprache- und Debattenrunden führen, während die Fragestunde auf kurzfristige, gezielte und mündliche Informationserlangung ausgerichtet ist.


Internationale Ausgestaltung der Fragestunde

Auch in anderen Parlamenten demokratischer Staaten, etwa im britischen House of Commons (Prime Minister’s Questions), finden sich vergleichbare Verfahren. Die rechtlichen Ausprägungen unterscheiden sich je nach Staatsorganisation, grundsätzlich ähneln sich jedoch Intention und demokratischer Gehalt der Institution.


Literaturhinweise und weiterführende Quellen

  • Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages
  • Kommentar zum Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland
  • Verfassungen und Geschäftsordnungen der deutschen Länder
  • Bundestagsdrucksachen und Protokolle der Fragestunde

Zusammenfassung

Die Fragestunde ist ein zentrales Element parlamentarischer Kontrolle und Transparenz. Sie ist rechtlich detailliert ausgestaltet durch die Geschäftsordnungen der Parlamente und durch das Grundgesetz abgesichert. Sie dient der Kontrolle der Regierung, der Information der Öffentlichkeit und der Stärkung demokratischer Prinzipien. Die rechtlichen Vorgaben gewährleisten sowohl wirksame Kontrollrechte der Abgeordneten als auch den Schutz berechtigter Geheimhaltungsinteressen der Exekutive. Die Fragestunde ist in ihren wesentlichen Grundzügen integraler Bestandteil parlamentarischer Praxis in demokratischen Staaten.

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtlichen Rahmenbedingungen gelten für die Durchführung einer Fragestunde in öffentlichen Körperschaften?

Die Durchführung einer Fragestunde in öffentlichen Körperschaften, wie etwa Gemeindevertretungen, Stadträten oder parlamentarischen Gremien, ist in der Regel in der jeweiligen Geschäftsordnung der Körperschaft sowie, je nach Ebene, durch Landes- oder Bundesgesetze geregelt. Zentrale rechtliche Grundlagen bilden für Parlamente beispielsweise die Geschäftsordnungen der Parlamente, für kommunale Gremien die Gemeindeordnungen bzw. Zuständigkeitsordnungen der Länder. Diese regeln unter anderem, welche Mitglieder Anfragen stellen dürfen, wie Anfragen einzureichen sind (z. B. schriftlich oder mündlich, Einreichungsfristen), den Umfang der zulässigen Fragestellungen sowie das Verfahren der Beantwortung. Häufig sind bestimmte Fristen zu wahren, sowohl was die Einreichung als auch die Beantwortung betrifft. Darüber hinaus werden Fragen, die gegen Gesetze, insbesondere Persönlichkeitsrechte, Datenschutz oder die guten Sitten verstoßen, regelmäßig ausgeschlossen. Einige Ordnungen sehen explizite Sanktionen vor, wenn Fragen gegen die Geschäftsordnung verstoßen. Somit ist die Durchführung streng formalisiert und erfolgt unter dem Vorbehalt der Einhaltung aller einschlägigen gesetzlichen Vorgaben.

Wer ist in einer Fragestunde rechtlich zur Beantwortung von Fragen verpflichtet?

Die Beantwortung von Fragen in einer Fragestunde obliegt nach dem jeweiligen Regelwerk in erster Linie dem Vorsitzenden des jeweiligen Gremiums oder den inhaltlich zuständigen Mitgliedern des Vorstandes, der Verwaltung bzw. den zuständigen Ministern oder Dezernenten. Die Verpflichtung zur Antwort ergibt sich stets aus den Vorschriften der Geschäftsordnung, ergänzt durch spezialgesetzliche Regelungen im jeweiligen Zuständigkeitsbereich (wie etwa § 26 der Gemeindeordnung NRW). In Landtagen und Bundestag besteht eine grundsätzliche Antwortpflicht der Regierung gegenüber dem Parlament, wobei Ausnahmen bei Fragen bestehen, deren Beantwortung verfassungsrechtlich unzulässig wäre, etwa zum Schutz von Staatsgeheimnissen oder Persönlichkeitsrechten. Die Verpflichtung gilt demnach nicht absolut, sondern unterliegt stets den rechtlichen Schranken, die insbesondere dem Schutz übergeordneter Rechtsgüter dienen.

Welche rechtlichen Grenzen gibt es für die zulässigen Inhalte der Fragestunde?

Die Zulässigkeit der Inhalte von Fragen in einer Fragestunde wird primär durch das Grundgesetz, die jeweiligen Geschäftsordnungen sowie relevante Fachgesetze eingeschränkt. Unzulässig sind insbesondere Fragen, die gegen Persönlichkeitsrechte, Geschäftsgeheimnisse, datenschutzrechtliche Vorgaben oder die Verfassung (insbesondere das Diskriminierungsverbot) verstoßen. Zudem werden Fragen, die nicht in den Zuständigkeitsbereich des betroffenen Organs oder Gremiums fallen, abgelehnt. Geschäftsordnungen sehen oft vor, dass Fragen, deren Beantwortung offensichtlich unmöglich ist oder die nur auf Meinungsäußerungen zielen, nicht zugelassen werden. Über die Zulässigkeit entscheidet typischerweise der Vorsitzende oder ein zuständiger Ausschuss im Rahmen der Sitzungsvorbereitung.

Gibt es eine rechtliche Verpflichtung zur Protokollierung und Veröffentlichung der Fragestunde?

Die rechtliche Verpflichtung zur Protokollierung und Veröffentlichung der Fragestunde ergibt sich wiederum aus den Vorschriften der jeweiligen Körperschafts- und Geschäftsordnungen. In parlamentarischen Gremien werden Fragestunden in der Regel wörtlich oder zusammenfassend protokolliert und im amtlichen Protokoll oder Parlamentsinformationssystem veröffentlicht, womit der Öffentlichkeit Zugang zu den Inhalten verschafft wird. In kommunalen Gremien entscheidet die Gemeindeordnung bzw. die Geschäftsordnung über die Art und Weise der Protokollführung und etwaige Veröffentlichungspflichten. Ziel ist stets die Transparenz der parlamentarischen Arbeit. Bestimmte Bereiche können jedoch aus Gründen des Datenschutzes oder aus Geheimhaltungsinteressen herausgenommen werden.

Wie können sich Fragestellende gegen die Ablehnung ihrer Frage rechtlich zur Wehr setzen?

Wird eine Frage durch den Vorsitzenden oder das Präsidium als unzulässig eingestuft und abgelehnt, steht den Fragestellenden in der Regel zunächst der innerorganisatorische Rechtsbehelf offen, etwa die Anrufung des Ältestenrates, eines besonderen Ausschusses oder im Falle von Parlamentsfragen der Antrag auf eine Geschäftsordnungsdebatte. Besteht weiterhin Uneinigkeit, so kann unter Umständen in letzter Instanz auch der Rechtsweg beschritten werden, typischerweise durch Klage zum Verwaltungsgericht, wobei das besondere Organstreitverfahren (z. B. gemäß § 36 BVerfGG für den Bundestag) die einschlägige Rechtsgrundlage bildet. Die Erfolgsaussichten einer solchen Klage hängen maßgeblich davon ab, ob durch die Ablehnung in subjektive Rechte des Fragestellers – etwa das freie Mandat – eingegriffen wurde.

Welche Fristen gelten für die Einreichung und Beantwortung von Fragen in der Fragestunde?

Die für die Einreichung und Beantwortung von Fragen geltenden Fristen werden in der jeweiligen Geschäftsordnung konkretisiert. Zumeist müssen schriftliche Fragen bis zu einem bestimmten Zeitpunkt vor dem Sitzungstag eingereicht werden (typisch: 48 bis 72 Stunden vorher). Für die Beantwortung wird oft eine Frist zum Sitzungszeitpunkt gesetzt, mit der Möglichkeit zur mündlichen oder schriftlichen Nachreichung, sofern die Antwort nicht sofort erteilt werden kann. In manchen Parlamenten ist eine schriftliche Beantwortung binnen einer nachgesetzten Frist vorgeschrieben (z. B. binnen zwei Wochen). Bei Fristversäumnis kann den Verantwortlichen ein förmlicher Verweis drohen; im parlamentarischen Bereich kann dies auch (politische) Konsequenzen nach sich ziehen.

Was ist im Falle einer fehlerhaften oder verweigerten Antwort rechtlich vorgesehen?

Kommt es zu einer fehlerhaften oder bewusst verweigerten Antwort auf eine zulässige Frage, so sieht das Verfahrensrecht unterschiedliche Konsequenzen vor. In Parlaments- und Kommunalordnungen ist regelmäßig geregelt, dass eine Nichtbeantwortung dokumentiert und beanstandet werden kann, beispielsweise über Nachfragen, einen Antrag auf Wiederholung der Fragestunde oder durch Einbringen des Themas in den zuständigen Ausschuss. In gravierenden Fällen – etwa bei vorsätzlicher Falschauskunft oder Verweigerung von Informationen, zu deren Herausgabe eine Verpflichtung besteht – können verwaltungsrechtliche oder gar strafrechtliche Schritte, wie Organstreitverfahren oder Verfahren wegen Falschaussage, eingeleitet werden. Dieses Vorgehen schützt das parlamentarische Fragerecht und sichert die Kontrolle der Exekutive durch die Legislative.