Legal Lexikon

Fragerecht


Begriff und Rechtsnatur des Fragerechts

Das Fragerecht bezeichnet im deutschen Recht das Recht, Fragen zu stellen beziehungsweise Auskünfte zu verlangen. Es handelt sich dabei nicht um ein einheitliches Rechtsinstitut, sondern vielmehr um ein vielfältig geregeltes Instrument im Arbeitsrecht, Strafrecht, Verwaltungsrecht sowie in weiteren Rechtsgebieten. Die Voraussetzungen, der Umfang und die Grenzen des Fragerechts sind je nach rechtlichem Kontext unterschiedlich geregelt, wobei stets das allgemeine Persönlichkeitsrecht, das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und weitere Schutzinteressen zu berücksichtigen sind.


Fragerecht im Arbeitsrecht

Fragerecht des Arbeitgebers im Einstellungsverfahren

Im Arbeitsrecht kommt dem Fragerecht insbesondere im Bewerbungsverfahren große Bedeutung zu. Arbeitgeber dürfen Bewerberinnen und Bewerber nach Umständen fragen, die im Zusammenhang mit dem angestrebten Arbeitsverhältnis von Bedeutung sind. Die Grenzen des Fragerechts ergeben sich dabei aus dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG), dem Datenschutzrecht sowie dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht.

Zulässige und unzulässige Fragen

  • Zulässig sind Fragen, die im direkten Zusammenhang mit der zu besetzenden Stelle stehen und deren Beantwortung für die Tätigkeit relevant ist (z. B. Qualifikationen, beruflicher Werdegang, Vorstrafen bei sicherheitsrelevanten Tätigkeiten).
  • Unzulässig sind Fragen, die das Persönlichkeitsrecht und das Gleichbehandlungsgebot verletzen, etwa solche nach Schwangerschaft, Religionszugehörigkeit, Gewerkschaftsmitgliedschaft oder Familienplanung, sofern diese Informationen für die Ausübung des Jobs unerheblich sind.

Recht zur Lüge (Recht auf Notlüge)

Im Falle unzulässiger Fragen steht dem Bewerber grundsätzlich ein „Recht zur Lüge“ zu. Eine wahrheitswidrige Beantwortung unzulässiger Fragen führt nicht zu einer Anfechtung oder Kündigung des Arbeitsvertrages.

Fragerecht während des laufenden Arbeitsverhältnisses

Auch im bestehenden Arbeitsverhältnis besteht ein Fragerecht des Arbeitgebers, etwa im Rahmen des Direktionsrechts oder zur Organisation der Tätigkeit. Die Fragen müssen jedoch stets sachlich gerechtfertigt und verhältnismäßig sein.


Fragerecht in anderen Rechtsgebieten

Fragerecht im Strafprozessrecht

Im Strafprozessrecht ist das Fragerecht sowohl ein Instrument der Aufklärung als auch Teil des rechtlichen Gehörs. Es betrifft insbesondere:

  • Das Fragerecht der Verfahrensbeteiligten (§ 240 StPO)
  • Das Fragerecht der Richter zur Sachverhaltsaufklärung
  • Das Fragerecht des Angeklagten und der Verteidigung zur eigenen Entlastung

Das Fragerecht wird maßgeblich durch die Pflicht zur Wahrheit, das Recht zur Aussageverweigerung (§§ 52 ff. StPO) sowie das Gebot eines fairen Verfahrens begrenzt.

Fragerecht im Verwaltungsverfahren

Im Verwaltungsrecht besteht ein Fragerecht der Behörden zur Sachverhaltsermittlung sowie im Rahmen der Amtshilfe und Akteneinsicht. Bürgerinnen und Bürger haben ein Fragerecht in Form eines Auskunftsrechts gegenüber Behörden (Informations- und Akteneinsichtsrechte).


Grenzen und Schranken des Fragerechts

Persönlichkeitsrecht und Datenschutz

Das Fragerecht steht unter dem Vorbehalt gesetzlicher und grundrechtlicher Schranken. Vor allem das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG) und das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) beschränken den Umfang zulässiger Fragen.

Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG)

Das AGG verbietet Diskriminierung aus Gründen der Rasse, ethischer Herkunft, des Geschlechts, der Religion, Weltanschauung, Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität und begrenzt damit das Fragerecht, insbesondere im Arbeitsleben.

Verbotene Fragen und Rechtsfolgen

Die Überschreitung der Grenzen des Fragerechts kann je nach Sachverhalt verschiedene Rechtsfolgen nach sich ziehen, beispielsweise:

  • Anspruch auf Unterlassung
  • Schadensersatz- oder Entschädigungsansprüche
  • Unwirksamkeit eines Arbeitsvertrags oder einer Kündigung

Fazit und Bedeutung des Fragerechts

Das Fragerecht ist ein zentrales Instrument rechtlicher Kommunikation und Aufklärung, das in zahlreichen Rechtsgebieten etabliert ist. Sein Umfang und seine Grenzen werden durch spezielle gesetzliche Regelungen, grundrechtliche Vorgaben sowie durch die Erfordernisse des jeweils betroffenen Rechtsgebiets bestimmt. Die Interessenabwägung zwischen dem berechtigten Informationsinteresse und dem Schutz persönlicher Daten steht bei der Anwendung des Fragerechts stets im Mittelpunkt. Das Verständnis der unterschiedlichen Ausprägungen und Schranken dieses Rechts ist für die rechtskonforme Ausübung und die Wahrung von Beteiligteninteressen unerlässlich.

Häufig gestellte Fragen

Welche Fragen sind im Vorstellungsgespräch rechtlich zulässig?

Im Vorstellungsgespräch dürfen Arbeitgeber nur solche Fragen stellen, die in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der zu besetzenden Arbeitsstelle stehen und für die Eignungsbeurteilung des Bewerbers relevant sind. Zulässig sind beispielsweise Fragen zu Ausbildung, beruflichem Werdegang, Qualifikationen, spezifischen Kenntnissen oder praktischen Erfahrungen. Fragen, die das allgemeine Persönlichkeitsrecht verletzen – wie etwa nach Schwangerschaft, sexueller Orientierung, Religionszugehörigkeit oder Parteimitgliedschaften – sind grundsätzlich unzulässig, sofern sie für die Tätigkeit nicht von berechtigtem Interesse sind (z.B. eine kirchliche Einrichtung fragt nach der Religionszugehörigkeit). Eine zulässige Frage setzt immer eine nachvollziehbare Bezugnahme auf die Stelle voraus; Fragen ins Blaue hinein sind nicht erlaubt. Im Streitfall muss der Arbeitgeber die Erforderlichkeit der Frage nachweisen.

Welche Folgen hat eine unzulässige Frage im Bewerbungsverfahren?

Wenn ein Arbeitgeber eine unzulässige Frage stellt, hat der Bewerber grundsätzlich das Recht, diese wahrheitswidrig zu beantworten, ohne rechtliche Konsequenzen befürchten zu müssen. Dies wird als das „Recht zur Lüge“ bezeichnet, das die arbeitsrechtliche Literatur auf den Schutz von Persönlichkeitsrechten und das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) stützt. Macht der Arbeitgeber etwa eine Einstellung von einer unzulässigen Antwort abhängig und stellt sich später heraus, dass der Bewerber nicht wahrheitsgemäß geantwortet hat, kann die Anfechtung des Arbeitsvertrages in der Regel nicht erfolgreich herangezogen werden. Außerdem können Bewerber bei Diskriminierung aufgrund einer unzulässigen Fragestellung nach dem AGG Schadensersatzansprüche geltend machen.

Dürfen Arbeitgeber nach einer Schwerbehinderung fragen?

Eine Frage nach einer Schwerbehinderung ist im Allgemeinen nur dann zulässig, wenn die Beantwortung für die konkrete Tätigkeit entscheidend ist, beispielsweise wenn spezielle physische Anforderungen an die Ausübung der Arbeit geknüpft sind. Im Regelfall ist die Frage jedoch unzulässig. Eine Pflicht zur Offenbarung besteht nur, wenn die Schwerbehinderung Auswirkungen auf die Arbeitsfähigkeit oder die Sicherheit Dritter hat bzw. bestimmte Rahmenbedingungen am Arbeitsplatz geschaffen werden müssen. Wird ohne erforderlichen Grund nach einer Behinderung gefragt, greift auch hier das Recht zur Lüge und der Bewerber darf die Frage wahrheitswidrig beantworten.

Welche Fragerechte bestehen im laufenden Arbeitsverhältnis?

Im bestehenden Arbeitsverhältnis dürfen Arbeitgeber Fragen stellen, die erforderlich sind, um das Arbeitsverhältnis ordnungsgemäß zu gestalten, zu organisieren oder gesetzlichen Verpflichtungen nachzukommen. Darunter fallen etwa Fragen zu Änderungen in den steuerlichen Daten, zum Gesundheitszustand im Rahmen der Fürsorgepflicht oder zur Mitteilung von Nebentätigkeiten bei arbeitsvertraglichen Nebenpflichten. Auch hier sind Fragen, die keinen Bezug zur beruflichen Tätigkeit oder den betrieblichen Abläufen haben, in der Regel nicht zulässig. Datenschutzrechtliche Vorgaben und das Persönlichkeitsrecht der Mitarbeiter sind stets zu beachten.

Welche Konsequenzen hat die wahrheitswidrige Beantwortung einer zulässigen Frage?

Beantwortet ein Arbeitnehmer im Bewerbungsverfahren oder später im Arbeitsverhältnis eine rechtlich zulässige Frage absichtlich falsch, kann dies arbeitsrechtliche Konsequenzen wie die Anfechtung des Arbeitsvertrages wegen arglistiger Täuschung gemäß § 123 BGB oder sogar eine fristlose Kündigung rechtfertigen. Maßgeblich ist hierbei, ob die richtige Antwort für den Arbeitgeber von wesentlicher Bedeutung war und er unter Kenntnis der Wahrheit keine Einstellung oder Fortführung des Arbeitsverhältnisses vollzogen hätte. Die Beweislast für die Kausalität der Falschauskunft liegt beim Arbeitgeber.

Was gilt für Fragen zum Familienstand und zur Familienplanung?

Fragen zum Familienstand sind grundsätzlich nur insoweit zulässig, wie sie für die Ausübung der Tätigkeit relevant sind, etwa bei Tätigkeiten im Ausland mit besonderen rechtlichen Bestimmungen. Fragen nach der Familienplanung – insbesondere nach bestehender oder beabsichtigter Schwangerschaft – sind hingegen unzulässig. Sie greifen unzulässig in das Persönlichkeitsrecht ein und stehen oft im Widerspruch zum Diskriminierungsverbot aus dem AGG sowie zum Mutterschutzgesetz. Eine wahrheitswidrige Beantwortung durch den Bewerber ist erlaubt.

Gibt es Besonderheiten bei Fragen nach Vorstrafen?

Fragen nach Vorstrafen sind nur insoweit zulässig, wie einschlägige Vorstrafen für die zu besetzende Position von Bedeutung sind (z.B. Strafregisterauszug bei sicherheitsrelevanten Tätigkeiten oder im Umgang mit Schutzbedürftigen). Fragen nach getilgten Vorstrafen oder solchen, die nicht in das polizeiliche Führungszeugnis aufzunehmen sind, verstoßen gegen das Bundeszentralregistergesetz (BZRG) und sind unzulässig. Bewerber dürfen solche unzulässigen Fragen ebenfalls wahrheitswidrig beantworten.