Fortbildungskosten im Arbeitsrecht
Begriffserklärung und Bedeutung
Fortbildungskosten im Arbeitsrecht bezeichnen sämtliche Aufwendungen, die im Zusammenhang mit der beruflichen Fortbildung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern entstehen. Fortbildung zielt auf den Erhalt, die Erweiterung oder die Anpassung bereits vorhandener Qualifikationen, ohne den eigentlichen Berufsabschluss zu verändern. Sie ist von der Ausbildung (Ersterwerb beruflicher Qualifikationen) und der Weiterbildung (qualifizierende Höher- oder Umorientierung) abzugrenzen.
Im Zentrum steht die Frage, unter welchen Bedingungen und zu wessen Lasten Kosten für Fortbildungsmaßnahmen anfallen sowie die arbeitsrechtlichen Implikationen von Rückzahlungsvereinbarungen und Fördermöglichkeiten. Die Thematik betrifft sowohl Individual- als auch Kollektivarbeitsrecht sowie steuerliche Aspekte und sozialversicherungsrechtliche Fragestellungen.
Rechtliche Grundlagen von Fortbildungskosten
Grundsätzliche Kostentragungspflicht
Ob und in welchem Umfang Arbeitgeber oder Arbeitnehmer für Fortbildungskosten aufkommen, ist gesetzlich nicht generell geregelt. Nach § 611a Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) gelten die allgemeinen Grundsätze des Arbeitsvertragsrechts. Maßgeblich sind daher vorrangig arbeitsvertragliche Regelungen, Betriebsvereinbarungen, Tarifverträge sowie das billige Ermessen des Arbeitgebers gemäß § 315 Abs. 1 BGB.
Sofern der Arbeitgeber eine Fortbildung anordnet oder die Maßnahme im überwiegenden Interesse des Unternehmens liegt, ist er regelmäßig zur Übernahme der hieraus entstehenden Kosten verpflichtet. Eigeninitiativ durchgeführte Maßnahmen des Arbeitnehmers, die nicht oder nur geringfügig im Interesse des Arbeitgebers liegen, müssen grundsätzlich selbst finanziert werden.
Vertragliche Regelungen
Im Arbeitsvertrag, in Zusatzvereinbarungen oder in einer Fortbildungsvereinbarung können die Kostenübernahme und deren Umfang individuell geregelt werden. Typische Inhalte sind:
- Art der Fortbildungsmaßnahme
- Übernahme bestimmter Kosten (Kursgebühren, Fahrtkosten, Lernmittel, Übernachtungskosten)
- Regelungen zur Freistellung (bezahlt oder unbezahlt)
- Verfahrensweise bei Abbruch oder Nichtbestehen
- Vereinbarungen zur Rückzahlung im Falle einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach Abschluss der Maßnahme
Rückzahlungsvereinbarungen und Wirksamkeit
Zulässigkeit und Voraussetzungen
Es ist rechtlich möglich, Fortbildungskosten durch Rückzahlungs- oder Bindungsklauseln abzusichern, sofern der Arbeitgeber die Kosten übernommen hat. Die Maßgabe hierfür ergeben sich aus der höchstrichterlichen Rechtsprechung, insbesondere der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG).
Rückzahlungsvereinbarungen müssen klar und transparent gefasst sein und den Arbeitnehmer nicht unangemessen benachteiligen (§ 307 BGB). Es muss ein begründetes Interesse des Arbeitgebers an der Bindung des qualifizierten Mitarbeiters bestehen. Ferner ist die Dauer der Bindung an die Höhe und den Nutzen der Fortbildung zu koppeln.
Unwirksamkeitstatbestände
Rückzahlungsvereinbarungen sind insbesondere dann unwirksam, wenn sie:
- den Arbeitnehmer länger binden, als es das Interesse des Arbeitgebers rechtfertigt (unangemessene Bindungsdauer)
- für Fälle gelten, in denen der Arbeitnehmer ohne eigenes Verschulden ausscheidet (z. B. krankheitsbedingte Kündigung, betriebsbedingte Kündigung seitens des Arbeitgebers)
- unbestimmte oder pauschale Formulierungen enthalten
Die Angemessenheit einer Bindungsdauer wird einzelfallabhängig bewertet. Nach der Rechtsprechung des BAG sind zum Beispiel Bindungsfristen von bis zu 24 Monaten für umfangreiche Fortbildungsmaßnahmen (z. B. Meisterschule) zulässig, bei einfachen Seminaren hingegen nur wenige Monate.
Staffelung der Rückzahlung
Häufig wird die Rückzahlungspflicht gestaffelt festgelegt, sodass die Verpflichtung mit jeder Betriebszugehörigkeit nach der Maßnahme anteilig sinkt („pro rata temporis“-Prinzip). Dieses Vorgehen findet häufig bei längeren Fortbildungen Anwendung.
Arbeitszeit und Freistellung
Anspruch auf Freistellung
Ein Anspruch des Arbeitnehmers auf bezahlte oder unbezahlte Freistellung vom Dienst zur Fortbildung kann bestehen, wenn tarifvertragliche, betriebliche oder einzelvertragliche Regelungen dies vorsehen. In einzelnen Bundesländern berechtigen landesrechtliche Bildungsurlaubsgesetze zur Freistellung für Weiterbildung und unter bestimmten Bedingungen auch für berufsbezogene Fortbildungen.
Vergütungsanspruch während der Fortbildung
Ist die Fortbildung vom Arbeitgeber veranlasst oder dient sie primär betrieblichen Zwecken, besteht gemäß § 615 BGB ein Anspruch auf Fortzahlung der Vergütung, soweit der Arbeitnehmer aufgrund der Fortbildung von der Arbeitsleistung freigestellt wird. Bei Eigeninitiative des Arbeitnehmers besteht dieser Anspruch grundsätzlich nicht.
Steuerliche Behandlung von Fortbildungskosten
Arbeitgeber
Fortbildungskosten sind auf Arbeitgeberseite regelmäßig Betriebsausgaben gemäß § 4 Abs. 4 Einkommensteuergesetz (EStG). Dazu zählen neben Teilnahmegebühren auch Fahrt-, Übernachtungs- und Verpflegungskosten sowie Kosten für Lernmaterialien.
Arbeitnehmer
Übernimmt der Arbeitnehmer die Kosten selbst, können diese als Werbungskosten im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG bei der Einkommensteuer geltend gemacht werden, soweit die Fortbildung im beruflichen Zusammenhang steht. Voraussetzung ist, dass die Maßnahme zur Erhaltung und Erweiterung beruflicher Kenntnisse dient.
Steuer- und Sozialabgabenrechtliche Behandlung von Kostenübernahmen
Erstattet der Arbeitgeber die Fortbildungskosten, ist dies in der Regel lohnsteuer- und sozialversicherungsfrei, sofern die Fortbildung im überwiegenden Interesse des Arbeitgebers stattfindet (§ 3 Nr. 19 EStG, Sozialversicherungsrechtliche Bestimmungen). Handelt es sich um eine Maßnahme von überwiegendem Eigeninteresse des Arbeitnehmers, stellen Erstattungen des Arbeitgebers einen geldwerten Vorteil dar und sind entsprechend steuer- und beitragspflichtig.
Kollektivrechtliche Regelungen
Betriebsräte haben nach § 87 Abs. 1 Nr. 8 und Nr. 10 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) bei der Durchführung von betrieblichen Fortbildungsmaßnahmen, der Einführung und Gestaltung von Personalentwicklungsmaßnahmen sowie bei Übernahme der Kosten ein Mitbestimmungsrecht. Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen enthalten häufig spezifische Vorgaben zur Übernahme von Fortbildungskosten und zur Gestaltung von Rückzahlungsklauseln.
Praxisbeispiele und Rechtsprechung
Beispiele typischer Fortbildungskosten
- Seminargebühren
- Literatur, Lernmittel
- Reise- und Übernachtungskosten
- Prüfungsgebühren
- Kosten für E-Learning-Angebote
- Lizenzgebühren für zertifizierte Programme
Ausgewählte Entscheidungen
Das Bundesarbeitsgericht hat in zahlreichen Urteilen Leitlinien zur Wirksamkeit und Angemessenheit von Rückzahlungsvereinbarungen, Bindungsdauer und zur Differenzierung zwischen Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen entwickelt, unter anderem (BAG, Urteil vom 6. August 2013 – 9 AZR 442/12; BAG, Urteil vom 18. März 2014 – 9 AZR 545/12).
Zusammenfassung
Fortbildungskosten im Arbeitsrecht umfassen komplexe Fragestellungen, die sowohl individuelle arbeitsvertragliche Absprachen als auch betriebliche Kollektivregelungen betreffen. Zentrale praktische Bedeutung haben die Kostentragung, die arbeitsrechtliche Zulässigkeit und Ausgestaltung von Rückzahlungsvereinbarungen, die steuer- und sozialrechtliche Behandlung sowie Fragen der Freistellung und Vergütung. Entscheidend ist jeweils eine sorgfältige und rechtskonforme Gestaltung der zugrundeliegenden Vereinbarungen, um sowohl die Interessen des Arbeitgebers als auch die Schutzbedürfnisse der Arbeitnehmer in ein angemessenes Gleichgewicht zu bringen.
Häufig gestellte Fragen
Können Fortbildungskosten vom Arbeitgeber beim Arbeitnehmer zurückgefordert werden?
Fortbildungskosten, die ein Arbeitgeber für einen Arbeitnehmer übernommen hat, können grundsätzlich nur dann zurückgefordert werden, wenn eine sogenannte Rückzahlungsvereinbarung ausdrücklich und rechtlich wirksam zwischen den Parteien geschlossen wurde. Diese Vereinbarung muss dem Arbeitnehmer verständlich gemacht werden, darf ihn nicht unangemessen benachteiligen und muss insbesondere klare Angaben zu den Rückzahlungsbedingungen, etwaigen Bindungsfristen sowie zur Höhe der ggf. zu erstattenden Kosten beinhalten. Rückzahlungsvereinbarungen, die zu allgemein gehalten sind oder dem Arbeitnehmer die Rückzahlung unabhängig von seinem Verschulden (z.B. auch im Krankheitsfall) auferlegen, sind rechtlich unwirksam. Überdies muss die Weiterbildung einen unmittelbaren beruflichen Vorteil für den Beschäftigten mit sich bringen, damit eine Bindung gerechtfertigt ist. Die Bindungsdauer, innerhalb derer eine Rückzahlung verlangt werden kann, hängt von Dauer und Umfang der Fortbildung ab und wird von der Rechtsprechung gestaffelt. Beispielsweise wird bei mehrmonatigen Qualifikationen eine Bindungsdauer von bis zu zwei Jahren als angemessen erachtet. Für längere Fortbildungen kann auch eine längere Bindung statthaft sein. Jede Rückzahlungsvereinbarung unterliegt der strikten gerichtlichen Kontrolle und kann gegebenenfalls als unwirksam beurteilt werden, wenn sie gegen das Transparenzgebot oder das AGB-Recht verstößt.
Welche Besonderheiten gelten bei der steuerlichen Behandlung von Fortbildungskosten?
Aus arbeitsrechtlicher Sicht beeinflusst die steuerliche Behandlung von Fortbildungskosten insbesondere die Frage, ob es sich um Arbeitslohn oder um sogenannte Werbungskosten handelt. Trägt der Arbeitgeber sämtliche Kosten für eine beruflich veranlasste Fortbildung, liegt grundsätzlich kein steuerpflichtiger geldwerter Vorteil vor, sofern die Maßnahme im überwiegenden betrieblichen Interesse stattfindet. Sollte die Fortbildung jedoch auch private Zwecke verfolgen oder deutlich über das notwendige Maß hinausgehen, kann ein Anteil steuerpflichtig werden. Zahlt der Arbeitnehmer selbst für seine Weiterbildung, kann er diese Kosten im Rahmen der Werbungskostenabzugsfähigkeit steuerlich geltend machen, wenn die Fortbildung der Ausübung seines aktuellen Berufes oder der Sicherung seines Arbeitsplatzes dient. Rechtlich ist zu beachten, dass steuerliche Aspekte häufig in Rückzahlungsvereinbarungen mit aufgenommen werden, etwa, indem festgelegt wird, wie im Fall einer Rückzahlung steuerlich zu verfahren ist. Dies erfordert eine enge Abstimmung mit dem Lohnsteuerrecht.
Was passiert, wenn ein Arbeitnehmer während oder kurz nach der Fortbildung kündigt?
Kündigt ein Arbeitnehmer während einer laufenden oder kurz nach einer abgeschlossenen Fortbildungsmaßnahme, ist die Rückforderung gezahlter Fortbildungskosten nur dann möglich, wenn eine wirksame Rückzahlungsvereinbarung besteht. Diese muss verhältnismäßig ausgestaltet sein und darf keine unangemessene Benachteiligung darstellen. Bindungszeiten und Rückzahlungsbeträge werden dabei oft nach dem Zeitablauf anteilig reduziert, sodass z.B. mit jedem Monat der Beschäftigung nach Abschluss der Fortbildung die Rückzahlungspflicht sinkt. Bei einer arbeitgeberseitigen Kündigung, die nicht vom Arbeitnehmer zu vertreten ist (z.B. betriebsbedingte Kündigung), ist eine Rückzahlung in aller Regel ausgeschlossen, da dem Arbeitnehmer keine faire Chance geblieben ist, die vereinbarte Bindung einzuhalten. Eine Rechtfertigung der Rückzahlungspflicht besteht in solchen Fällen selten, da das Beendigungsrisiko allein beim Arbeitgeber liegt.
Sind Rückzahlungsvereinbarungen für Fortbildungskosten in jedem Fall rechtlich zulässig?
Rückzahlungsvereinbarungen sind grundsätzlich zulässig, unterliegen jedoch strengen gesetzlichen Grenzen und einer intensiven Kontrolle der Arbeitsgerichte. Die Vereinbarungen sind sittenwidrig oder unwirksam, wenn sie den Arbeitnehmer unangemessen benachteiligen (§ 307 BGB), keine klaren Angaben über die Fortbildungsmaßnahme, die Bindungsdauer oder die Rückzahlungsmodalitäten enthalten oder gegen das Transparenzgebot verstoßen. Insbesondere ist die Kausalität zwischen Fortbildung und beruflichem Mehrwert zu wahren, das heißt, nur für eine Fortbildung, die dem Arbeitnehmer als Qualifikationsgewinn dient und nicht ohnehin Teil der arbeitsvertraglichen Pflichten ist, ist eine Bindung möglich. Die Vereinbarung muss im Einzelnen ausgehandelt oder zumindest im Arbeitsvertrag konkret umrissen sein. Bei Zweifeln gehen Unklarheiten zu Lasten des Arbeitgebers.
Wie werden Fortbildungskosten im Fall einer einvernehmlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses behandelt?
Im Fall einer einvernehmlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses, beispielsweise durch einen Aufhebungsvertrag, ist entscheidend, was in der Rückzahlungsvereinbarung geregelt wurde. Enthält diese keine ausdrückliche Regelung für den Fall der einvernehmlichen Trennung, sind die allgemeinen Grundsätze über die Rückzahlungsansprüche anzuwenden. Das bedeutet, eine Rückzahlungspflicht besteht grundsätzlich nur, wenn die Beendigung der Beschäftigung im Verantwortungsbereich des Arbeitnehmers liegt, etwa weil dieser die Initiative zur Beendigung ergriffen hat. Haben jedoch beide Parteien eine einvernehmliche Lösung gefunden, ist je nach Einzelfall zu prüfen, ob die Rückzahlung unangemessen erscheint; unter Umständen kann dies zur Unwirksamkeit der Rückforderung führen.
Was passiert mit Fortbildungskosten, wenn der Arbeitnehmer aus betrieblichen Gründen gekündigt wird?
Bei einer betriebsbedingten Kündigung, für die der Arbeitnehmer keine Verantwortung trägt, besteht in der Regel keine Verpflichtung zur Rückzahlung der Fortbildungskosten, selbst wenn eine Rückzahlungsvereinbarung existiert. In solchen Fällen würde eine Rückforderung gegen die Grundsätze von Treu und Glauben (§ 242 BGB) verstoßen. Der Arbeitnehmer hatte keine Möglichkeit, die Mindestbindungsdauer zu erfüllen – deshalb gilt, dass das Risiko für das vorzeitige Ende des Arbeitsverhältnisses beim Arbeitgeber verbleibt. Anders kann dies ausnahmsweise sein, wenn der Arbeitnehmer durch eigenes Verschulden einen betriebsbedingten Kündigungsgrund gesetzt hätte, etwa durch nachhaltige Störung des Betriebsfriedens, wobei dies in der Praxis eher selten vorliegt.
Welche Rechte hat der Betriebsrat bei der Einführung betrieblicher Fortbildungsmaßnahmen?
Soweit betriebliche Fortbildungsmaßnahmen eingeführt werden, stehen dem Betriebsrat Mitbestimmungsrechte nach § 97 BetrVG (Betriebsverfassungsgesetz) zu. Bei Weiterbildungen, die auf eine Veränderung des Tätigkeitsbereichs oder auf eine Umschulung abzielen, besteht ein erzwingbares Mitbestimmungsrecht, der Betriebsrat ist hier einzubinden und muss zustimmen. Darüber hinaus kann der Betriebsrat im Rahmen des § 98 BetrVG an der Auswahl der Teilnehmer und der Ausgestaltung der Maßnahmen mitwirken. Bei individuellen, rein freiwilligen Fortbildungen besteht allerdings regelmäßig kein Mitbestimmungsrecht. Bei Rückzahlungsvereinbarungen ist der Betriebsrat insbesondere bei der Einführung allgemeiner Regelungen beizuziehen, um sicherzustellen, dass keine unangemessenen Benachteiligungen entstehen.