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Forderungsvermächtnis

Forderungsvermächtnis: Begriff und Grundidee

Ein Forderungsvermächtnis ist eine letztwillige Zuwendung, durch die die begünstigte Person (Vermächtnisnehmer) einen Anspruch erhält, der sich auf eine Forderung bezieht. Gegenstand ist nicht ein körperlicher Gegenstand, sondern ein Recht: entweder soll eine bestehende Forderung auf den Vermächtnisnehmer übergehen (Übertragung) oder eine bestehende Schuld erlassen bzw. zum Erlöschen gebracht werden (Befreiung). Der Vermächtnisnehmer erhält dabei kein Erbrecht am Nachlass als Ganzes, sondern eine auf Erfüllung gerichtete Geld- oder Rechtsposition gegenüber den Erben.

Abgrenzung zu anderen Vermächtnisarten

Das Forderungsvermächtnis unterscheidet sich vom Sach- oder Geldvermächtnis dadurch, dass der Schwerpunkt auf dem rechtlichen Anspruch liegt. Typisch ist die Zuwendung einer konkreten Forderung (z. B. ein Darlehensrückzahlungsanspruch) oder die Befreiung eines bestimmten Schuldners. Ein Geldvermächtnis schafft demgegenüber regelmäßig erst die Zahlungspflicht der Erben, ohne dass eine bereits bestehende Forderung Gegenstand der Zuwendung ist.

Typische Erscheinungsformen

Abtretungsvermächtnis (Übertragung einer Forderung)

Gegenstand und Umfang

Der Erblasser kann anordnen, dass eine ihm zustehende Forderung auf den Vermächtnisnehmer übergehen soll. Dies betrifft etwa Darlehens-, Kaufpreis- oder Werklohnforderungen sowie andere übertragbare Ansprüche. Mit der Forderung gehen in der Regel die damit verbundenen Nebenrechte (z. B. Zinsen, Sicherheiten) über, soweit sie akzessorisch sind und der Zuwendung nicht widersprechen.

Wirkung gegenüber Schuldner und Erben

Die Erben sind verpflichtet, die Forderung auf den Vermächtnisnehmer zu übertragen und die hierfür erforderlichen Erklärungen abzugeben. Der Schuldner der Forderung kann bis zur Kenntnis von der Übertragung mit befreiender Wirkung an die Erben leisten. Nach Kenntnis ist an den Vermächtnisnehmer zu leisten; ihm stehen die zur Forderung gehörenden Rechte zu.

Erlassvermächtnis (Befreiung von einer Schuld)

Reichweite der Befreiung

Der Erblasser kann bestimmen, dass eine Person, die dem Erblasser oder später den Erben etwas schuldet, von dieser Schuld befreit sein soll. Die Erben müssen dann eine entsprechende Befreiung erklären. Mit der Befreiung erlischt regelmäßig auch das, was die Schuld absichert, soweit es mit der Schuld verknüpft ist.

Besonderheiten bei Gesamtschuld und Sicherheiten

Besteht eine Schuld gegenüber mehreren Gläubigern oder mehreren Schuldnern, beeinflusst eine Befreiung das Außen- und Innenverhältnis unterschiedlich: Gegenüber den übrigen Schuldnern bleibt die Forderung grundsätzlich bestehen, die Ausgleichspflichten können sich jedoch ändern. Bei Sicherheiten sind akzessorische Sicherheiten in der Regel betroffen, von der Schuld unabhängige Sicherungsinstrumente können gesonderte Erklärungen erfordern.

Inhaltliche Anforderungen und Bestimmtheit

Bestimmbarkeit und Auslegung

Das Vermächtnis muss den Gegenstand hinreichend bestimmen. Bei Forderungen sind insbesondere Schuldner, Forderungsgrund, Betrag und etwaige Sicherheiten so zu bezeichnen, dass die Forderung identifiziert werden kann. Fehlen Angaben, wird anhand des Gesamtinhalts der Verfügung ermittelt, welche Forderung gemeint ist. Unübertragbare oder höchstpersönliche Rechte können nicht wirksam Gegenstand eines Forderungsvermächtnisses sein.

Bedingungen, Befristungen und Auflagen

Ein Forderungsvermächtnis kann an Bedingungen geknüpft oder befristet sein. Ebenso können Auflagen vorgesehen werden, die der Vermächtnisnehmer oder die Erben zu beachten haben. Der Eintritt oder Wegfall einer Bedingung beeinflusst das Entstehen oder Erlöschen des Anspruchs.

Rechte und Pflichten der Beteiligten

Stellung des Vermächtnisnehmers

Der Vermächtnisnehmer hat einen Anspruch auf Erfüllung des Vermächtnisses gegen die Erben. Im Abtretungsfall kann er nach Übertragung die Forderung gegenüber dem Schuldner geltend machen. Im Erlassfall hat er einen Anspruch darauf, dass die Schuld entsprechend erlassen wird.

Pflichten der Erben

Die Erben müssen das Vermächtnis erfüllen, etwa durch Abgabe der Abtretungserklärung oder der Erlasserklärung. Bei mehreren Erben sind sie grundsätzlich gemeinschaftlich verpflichtet; im Außenverhältnis kann die Verpflichtung gesamtschuldnerisch ausgestaltet sein. Die Erfüllung erfolgt regelmäßig aus dem Nachlass.

Rechte des Schuldners der bezeichneten Forderung

Der Schuldner kann Einwendungen und Einreden geltend machen, die ihm bereits zustehen. Im Abtretungsfall bleiben bestehende Aufrechnungsrechte und Einwendungen grundsätzlich erhalten. Hat der Schuldner vor Kenntnis der Übertragung an die Erben geleistet, wirkt dies regelmäßig befreiend.

Nebenrechte, Zinsen und Sicherheiten

Nebenrechte und Zubehör

Mit einer Forderung gehen üblicherweise akzessorische Nebenrechte über, etwa Hypotheken, Pfandrechte oder Bürgschaften, soweit sie die Forderung sichern. Bei nicht akzessorischen Sicherungsinstrumenten kann eine gesonderte Übertragung erforderlich sein, abhängig von deren Ausgestaltung.

Zinsen und Erträge

Zinsen und Erträge, die nach dem Erbfall anfallen, stehen in der Regel dem Vermächtnisnehmer zu. Bereits fällige, aber noch nicht gezahlte Zinsen vor dem Erbfall gehören regelmäßig zum Nachlass, sofern nichts anderes bestimmt ist.

Durchsetzung, Erfüllung und Grenzen

Erfüllungswege

Die Erfüllung eines Abtretungsvermächtnisses erfolgt durch wirksame Übertragung der Forderung auf den Vermächtnisnehmer; zusätzlich sind übliche Mitteilungshandlungen zweckmäßig, damit der Schuldner an den richtigen Gläubiger leistet. Beim Erlassvermächtnis genügt die entsprechende Erklärung gegenüber dem Schuldner. Ist die Beschaffung einer Forderung angeordnet, kommt ein Verschaffungsvermächtnis in Betracht; bei rechtlicher oder tatsächlicher Unmöglichkeit kann das Vermächtnis ins Leere gehen.

Einreden, Aufrechnung, Streit über das Bestehen der Forderung

Der Schuldner kann bestehende Einreden und Gegenrechte weiterhin nutzen. Ist das Bestehen der Forderung unklar, wirkt sich dies unmittelbar auf den Nutzen des Vermächtnisses aus. Eine nicht (mehr) bestehende Forderung kann nicht wirksam übertragen werden; der Anspruch des Vermächtnisnehmers richtet sich dann auf die vereinbarte Art der Erfüllung im Rahmen des Vermächtnisses, soweit der Inhalt dies vorsieht.

Grenzen: Unmöglichkeit, Unübertragbarkeit, Sittenwidrigkeit

Ist der Inhalt rechtlich oder tatsächlich unmöglich oder verstößt er gegen grundlegende Wertungen, ist das Vermächtnis insoweit unwirksam. Nicht übertragbare, höchstpersönliche oder gesetzlich ausgeschlossene Forderungen können nicht Gegenstand eines Abtretungsvermächtnisses sein.

Mehrere Erben, Haftung und Kürzung

Haftung der Erben und Nachlassbezug

Die Erben haften für die Erfüllung des Vermächtnisses. Ihre Haftung steht in einem engen Bezug zum Nachlass. Reicht der Nachlass nicht aus, kommen Reduktions- oder Anpassungslagen in Betracht. Die interne Verteilung unter Miterben richtet sich nach den Erbquoten und etwaigen Ausgleichsregelungen.

Verhältnis zu Pflichtteilsrechten

Forderungsvermächtnisse mindern den Nachlasswert, aus dem Pflichtteilsansprüche berechnet werden. Bestehende Pflichtteilsrechte bleiben unberührt; Vermächtnisse können allerdings der Anrechnung oder Kürzung unterliegen, wenn Pflichtteilsrechte sonst nicht gewahrt würden.

Internationale Bezüge und Steueraspekte

Anknüpfung des anwendbaren Rechts

Bei grenzüberschreitenden Sachverhalten stellt sich die Frage, welches Recht auf die Erbfolge und damit auf das Vermächtnis Anwendung findet. Maßgeblich sind insbesondere der gewöhnliche Aufenthaltsort des Erblassers und etwaige Rechtswahl. Die Wirksamkeit und Durchführung eines Forderungsvermächtnisses kann deshalb unterschiedlichen Rechtsordnungen unterliegen.

Erbschaftsteuerliche Grundzüge

Vermächtnisnehmer können erbschaftsteuerlich erfasst werden. Höhe und Freibeträge hängen regelmäßig vom persönlichen Verhältnis zum Erblasser und vom Wert der zugewendeten Forderung ab. Bei einem Erlassvermächtnis kann der Vorteil in der Befreiung von der Schuld liegen.

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Was ist ein Forderungsvermächtnis in einfachen Worten?

Es ist eine letztwillige Anordnung, durch die eine konkrete Forderung übertragen oder eine bestimmte Schuld erlassen wird. Der Begünstigte erhält daraus einen Anspruch gegen die Erben auf Umsetzung dieser Anordnung.

Worin unterscheidet sich das Forderungsvermächtnis vom Geldvermächtnis?

Beim Forderungsvermächtnis ist der Gegenstand eine bereits bestehende Forderung oder die Befreiung von einer Schuld. Beim Geldvermächtnis wird eine Zahlungspflicht der Erben erst durch die Anordnung geschaffen, ohne dass eine vorhandene Forderung übertragen wird.

Welche Arten des Forderungsvermächtnisses gibt es?

Hauptformen sind die Übertragung einer bestehenden Forderung auf den Vermächtnisnehmer (Abtretungsvermächtnis) und die Befreiung eines Schuldners von einer bestehenden Schuld (Erlassvermächtnis). Möglich sind zudem bedingte oder befristete Gestaltungen.

Gehen Zinsen und Sicherheiten mit der Forderung über?

Akzessorische Sicherheiten und nach dem Erbfall entstehende Zinsen gehen üblicherweise mit der Forderung auf den Vermächtnisnehmer über. Unabhängige Sicherungsinstrumente können zusätzliche Erklärungen erfordern. Bereits vor dem Erbfall fällige Zinsen gehören meist noch zum Nachlass.

Welche Rechte hat der Schuldner der Forderung?

Er kann bestehende Einreden und Aufrechnungsrechte grundsätzlich weiterhin geltend machen. Leistet er vor Kenntnis der Übertragung an die Erben, wirkt dies in der Regel befreiend; nach Kenntnis ist an den Vermächtnisnehmer zu leisten.

Was passiert, wenn die bezeichnete Forderung nicht besteht oder uneinbringlich ist?

Besteht die Forderung nicht (mehr), kann sie nicht wirksam übertragen werden. Das Vermächtnis kann dann ins Leere gehen, sofern die Anordnung keine anderweitige Erfüllung vorsieht. Ist die Forderung uneinbringlich, trägt der Vermächtnisnehmer das wirtschaftliche Risiko, soweit nichts anderes bestimmt ist.

Gibt es Fristen für die Geltendmachung?

Ansprüche aus Vermächtnissen unterliegen den allgemeinen Verjährungsregeln. Üblich ist eine regelmäßige Frist von drei Jahren, beginnend mit dem Jahresende der Kenntnis von Erbfall und Anspruch. Unabhängig davon gelten langfristige Höchstfristen.

Wie wirkt sich ein Forderungsvermächtnis auf Pflichtteilsrechte aus?

Es mindert den Nachlasswert, kann jedoch den Bestand von Pflichtteilsrechten nicht beeinträchtigen. Falls der Nachlass zur Erfüllung nicht ausreicht, kommen Kürzungen oder Anpassungen in Betracht, um Pflichtteilsrechte zu wahren.