Definition und Grundlagen des Forderungsvermächtnisses
Das Forderungsvermächtnis ist eine besondere Form des Vermächtnisses im deutschen Erbrecht und betrifft die Anordnung des Erblassers, einem Vermächtnisnehmer bei seinem Todesfall eine Forderung zuzuwenden. Im Unterschied zu anderen Vermächtnisarten zeichnet sich das Forderungsvermächtnis dadurch aus, dass nicht eine Sache, sondern eine bestehende oder zukünftige Forderung Gegenstand des Vermächtnisses ist. Die Regelungen zum Forderungsvermächtnis finden sich insbesondere in den §§ 2174 bis 2176 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB).
Rechtsnatur und Abgrenzung
Das Forderungsvermächtnis zählt zu den sogenannten Rechtsvermächtnissen im Sinne des § 2174 BGB. Vom klassischen Sachvermächtnis unterscheidet es sich dadurch, dass hier nicht ein körperlicher Gegenstand, sondern ein Recht, in der Regel ein Anspruch, vermacht wird. Hiervon zu unterscheiden ist das Verschaffungsvermächtnis, bei dem der Beschwerte verpflichtet ist, dem Vermächtnisnehmer eine Forderung erst zu beschaffen.
Unterschied zum Sachvermächtnis
Beim Sachvermächtnis wird dem Vermächtnisnehmer das Eigentum an einer konkreten Sache zugewendet, während beim Forderungsvermächtnis ein Anspruch – beispielsweise auf Zahlung eines Geldbetrags, auf Herausgabe einer Sache oder andere Leistungsverpflichtungen – übertragen wird.
Unterschied zum Verschaffungsvermächtnis
Beim Verschaffungsvermächtnis verpflichtet das Testament den Beschwerten, dem Vermächtnisnehmer eine Forderung zu verschaffen, die zum Todeszeitpunkt des Erblassers noch nicht zu dessen Vermögen gehörte. Beim Forderungsvermächtnis hingegen existiert die Forderung bereits im Nachlass.
Rechtliche Voraussetzungen und Wirkungen
Voraussetzungen
Damit ein Forderungsvermächtnis wirksam ist, müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein:
- Es muss eine wirksam entstandene und im Zeitpunkt des Erbfalls bestehende Forderung des Erblassers oder ein durchsetzbarer Anspruch vorhanden sein.
- Die Forderung muss im Testament oder Erbvertrag eindeutig bezeichnet oder zumindest bestimmbar sein.
- Der Erblasser muss die Zuwendung dieser Forderung an einen Vermächtnisnehmer anordnen.
Wirkung des Forderungsvermächtnisses
Mit Eintritt des Erbfalls entsteht ein Anspruch des Vermächtnisnehmers gegen den Beschwerten (in der Regel gegen den oder die Erben) auf Übertragung der Forderung. Der Vermächtnisnehmer tritt nicht automatisch in die Forderung ein, sondern kann vom Erben die Abtretung der Forderung verlangen (§§ 2174, 2176 BGB). Die Übertragung erfolgt durch Abtretung (Zession) nach § 398 BGB. Bis zur Abtretung steht die Forderung weiterhin dem Nachlass zu; erst mit Abtretung geht sie auf den Vermächtnisnehmer über.
Anwendungsfälle des Forderungsvermächtnisses
Das Forderungsvermächtnis findet vor allem dann Anwendung, wenn der Erblasser Zahlungsverpflichtungen Dritter, Rückzahlungsansprüche oder sonstige vermögenswerte Ansprüche an eine bestimmte Person übertragen möchte. Typische Beispiele sind:
- Die Zuwendung einer Forderung gegenüber einem Dritten (z. B. ein Darlehen, das der Erblasser vergeben hat)
- Die Zuwendung einer Forderung an einem Mieter (z. B. Anspruch auf Mietzahlungen)
- Die Anordnung, dass eine bereits bestehende Kaufpreis- oder Zahlungsforderung übertragen werden soll
In der Praxis dient das Forderungsvermächtnis häufig der gezielten Begünstigung bestimmter Personen und spielt insbesondere bei größerem Nachlassvermögen eine Rolle.
Rechte und Pflichten der Beteiligten
Rechte des Vermächtnisnehmers
Der Vermächtnisnehmer erhält durch das Forderungsvermächtnis einen schuldrechtlichen Anspruch gegen den Beschwerten auf Abtretung der jeweiligen Forderung. Bis zur Erfüllung dieses Anspruchs bleibt die Forderung Teil des Nachlasses und steht ausschließlich dem Nachlass zu.
Pflichten des Erben/Beschwerten
Der Erbe oder der sonstige mit dem Vermächtnis Beschwerte ist verpflichtet, die Forderung im Wege der Zession an den Vermächtnisnehmer zu übertragen. Die Zession erfolgt grundsätzlich durch eine schriftliche Abtretungserklärung. Bestehen zum Zeitpunkt des Erbfalls Unsicherheiten über das Fortbestehen oder den Bestand der Forderung, muss der Beschwerte diese Umstände im Rahmen der Vermächtniserfüllung berücksichtigen.
Haftung und Risiken
Für eventuell bestehende Einreden oder Einwendungen aus dem Forderungsverhältnis haftet grundsätzlich der Vermächtnisnehmer. Das bedeutet, dass Risiken wie die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners oder eine zwischenzeitliche Erfüllung der Forderung durch den Schuldner bereits vor dem Erbfall zu Lasten des Vermächtnisnehmers gehen. Die genaue Ausgestaltung kann jedoch testamentarisch anders geregelt werden.
Besteuerung und Bewertung des Forderungsvermächtnisses
Erbschaftsteuerliche Behandlung
Nach dem Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz (ErbStG) gilt das Forderungsvermächtnis als Erwerb von Todes wegen. Die Übertragung der Forderung an den Vermächtnisnehmer unterliegt somit der Erbschaftsteuer. Maßgeblich ist der Wert der Forderung zum Zeitpunkt des Erbfalls.
Bewertung
Die Bewertung der Forderung erfolgt zum gemeinen Wert, d. h. nach dem Wert, den sie zum Stichtag – dem Todestag des Erblassers – hat. Hierzu zählen auch etwaige Zinsen, Sicherheiten und sonstige Rechte, die mit der Forderung verbunden sind.
Besonderheiten und Zweifelsfragen
Unklare oder strittige Forderungsbestände
Ist die vermachte Forderung zum Zeitpunkt des Erbfalls nicht eindeutig bestimmbar oder bestehen Zweifel an Bestand oder Umfang, ist im Zweifel durch Auslegung des letzten Willens zu ermitteln, was der Erblasser gewollt hat. Gehören zur Forderung auch Nebenrechte (z. B. Hypotheken, Sicherheiten oder Zinsen), so gehen diese grundsätzlich mit auf den Vermächtnisnehmer über, wenn nichts anderes angeordnet wurde.
Beschränkungen und Modalitäten
Der Erblasser kann das Forderungsvermächtnis mit Bedingungen, Befristungen oder Auflagen verbinden (§ 2177 BGB). Zudem ist es möglich, dass nur ein Teil einer Forderung vermacht wird. Weitere Sonderfälle können sich ergeben, wenn die Forderung mit Rechten Dritter belastet ist oder im Ausland durchgesetzt werden muss.
Zusammenfassung
Das Forderungsvermächtnis stellt im deutschen Erbrecht ein bedeutendes Instrument zur individuellen Nachlassgestaltung dar. Es ermöglicht, Forderungen gezielt bestimmten Personen zuzuweisen und so Vermögenswerte passgenau zu verteilen. Die rechtlichen Anforderungen und Abläufe, insbesondere die Übertragung durch Abtretung sowie die steuerlichen Folgen, bedürfen einer sorgfältigen Beachtung, um spätere Streitigkeiten zu vermeiden. Insbesondere die präzise Formulierung im Testament sowie eine eindeutige Bezeichnung der Forderung sind entscheidend für die wirksame Umsetzung eines Forderungsvermächtnisses.
Häufig gestellte Fragen
Welche Rechte hat der Vermächtnisnehmer eines Forderungsvermächtnisses gegenüber dem Erben?
Der Vermächtnisnehmer eines Forderungsvermächtnisses erhält gemäß § 2174 BGB einen Anspruch gegen den Erben auf Verschaffung der betreffenden Forderung. Der Erbe ist verpflichtet, die im Vermächtnis bezeichnete Forderung auf den Vermächtnisnehmer zu übertragen und etwaige Besicherungen oder Nebenrechte ebenfalls herauszugeben. Zur ordnungsgemäßen Erfüllung muss der Erbe daher die Forderung rechtlich wirksam abtreten oder soweit möglich übertragen. Ist die Forderung bereits beim Erbfall untergegangen, kann der Vermächtnisnehmer unter bestimmten Voraussetzungen einen Ersatz in Form des Surrogats beanspruchen, sofern dieses noch beim Erben vorhanden ist. Darüber hinaus kann der Vermächtnisnehmer Schadenersatz verlangen, wenn der Erbe seiner Verpflichtung zur Verschaffung der Forderung schuldhaft nicht nachkommt. Die Rechte bestehen unabhängig davon, ob der Erbe über die Aussonderung einer bestimmten Forderung hinaus zur allgemeinen Erfüllung oder Gestaltung des Nachlasses berechtigt ist. Der Anspruch des Vermächtnisnehmers ist grundsätzlich sofort fällig, es sei denn, im Testament ist eine abweichende Regelung zur Fälligkeit getroffen.
Welche Bedeutung hat ein Forderungsvermächtnis für den Schuldner der vermachten Forderung?
Für den Schuldner der vermachten Forderung wird durch das Forderungsvermächtnis zunächst keine unmittelbare Änderung begründet, da das Vermächtnis ausschließlich schuldrechtliche Wirkung zwischen Erbe und Vermächtnisnehmer entfaltet. Der Schuldner muss zunächst weiter an den Erben leisten, solange ihm die Abtretung der Forderung nicht mitgeteilt wurde oder sie nicht in anderer Weise wirksam erfolgt ist. Sobald jedoch die Forderung im Rahmen der Vermächtniserfüllung wirksam abgetreten oder auf den Vermächtnisnehmer übertragen wurde und der Schuldner hiervon ordnungsgemäß benachrichtigt worden ist, kann er mit schuldbefreiender Wirkung nur noch an den Vermächtnisnehmer leisten. Bestehen Einreden, z.B. Zurückbehaltungsrechte oder Einwendungen wegen nicht erfolgter Leistungen, kann der Schuldner diese dem Vermächtnisnehmer in demselben Umfang wie dem Erben entgegenhalten.
Welche Besonderheiten sind bei der Auslegung eines Forderungsvermächtnisses zu beachten?
Die Auslegung eines Forderungsvermächtnisses richtet sich weitestgehend nach den allgemeinen Auslegungsgrundsätzen des Erbrechts (§§ 133, 2084 BGB). Es ist zu prüfen, ob der Erblasser tatsächlich die Übertragung einer bestehenden Forderung, die Begründung einer neuen Forderung oder ggf. sogar eine Begünstigung in anderer Form (z.B. durch Erlass einer Schuld) gewollt hat. Unklare oder missverständlich formulierte Anordnungen im Testament sind im Wege der Auslegung nach dem wirklichen Willen des Erblassers zu klären. Gerade bei der Benennung von Forderungen (z.B. Darlehen oder Kaufpreisforderungen) ist darauf zu achten, dass die genaue Identifikation möglich ist. Besonderes Augenmerk ist auch darauf zu legen, ob Nebenrechte wie Sicherheiten, Hypotheken oder Bürgschaften mitvermacht werden sollen, da dies gegebenenfalls ausdrücklich geregelt werden muss.
Welche Möglichkeiten zur Annahme oder Ausschlagung eines Forderungsvermächtnisses bestehen für den Vermächtnisnehmer?
Der Vermächtnisnehmer ist berechtigt, das Vermächtnis anzunehmen oder auszuschlagen (§ 2172 BGB). Die Annahme kann ausdrücklich oder durch schlüssiges Verhalten (konkludent) erfolgen, etwa durch die Geltendmachung des Anspruchs gegenüber dem Erben. Eine Frist zur Annahme besteht grundsätzlich nicht, wohl aber für die Ausschlagung: Die Ausschlagung muss gemäß § 1944 BGB innerhalb von sechs Wochen nach Kenntnis vom Anfall des Vermächtnisses und der Berufung erfolgen. Geschieht dies nicht, gilt das Vermächtnis als angenommen. Die Ausschlagung erfolgt durch Erklärung gegenüber dem Beschwerten, zumeist dem Erben. Für die Ausschlagung gelten die Formvorschriften des § 1945 BGB, d.h. sie ist entweder zur Niederschrift des Nachlassgerichts oder in öffentlich beglaubigter Form zu erklären.
Inwiefern kann ein Forderungsvermächtnis von aufschiebenden oder auflösenden Bedingungen abhängig gemacht werden?
Ein Forderungsvermächtnis kann – wie jedes andere Vermächtnis auch – sowohl unter eine aufschiebende als auch eine auflösende Bedingung gestellt werden, § 2074 BGB. Der Eintritt der Bedingung hat dabei Auswirkungen auf die Entstehung oder das Erlöschen des Vermächtnisanspruchs: Bei einer aufschiebenden Bedingung entsteht der Anspruch erst mit Bedingungseintritt, während er bei einer auflösenden Bedingung mit deren Eintritt erlischt. Der Erbe ist verpflichtet, das Vermächtnis bei Eintritt der Bedingung zu erfüllen bzw. abzuwickeln. Vor Eintritt einer aufschiebenden Bedingung ist die Rechtsposition des Bedachten lediglich eine Anwartschaft; erst mit Bedingungseintritt wird der Vermächtnisanspruch fällig und durchsetzbar. Bei auflösender Bedingung erlischt ein bereits entstandener Anspruch mit Eintritt der Bedingung, und eventuell bereits geleistete Gegenstände sind herauszugeben oder zurückzugewähren.
Welche Bedeutung hat das Forderungsvermächtnis für die Masse des Nachlasses und die Nachlassgläubiger?
Das Forderungsvermächtnis belastet die Erbmasse als Nachlassverbindlichkeit. Der Anspruch des Vermächtnisnehmers ist eine Nachlassverbindlichkeit im Sinne des § 1967 BGB, die durch den Erben zu erfüllen ist. Der Nachlasshaftung unterliegt somit die Verpflichtung zur Verschaffung der jeweiligen Forderung. Nachlassgläubiger haben grundsätzlich Vorrang vor Vermächtnisnehmern, d.h. die Erfüllung des Vermächtnisses darf nicht zur Benachteiligung der Nachlassgläubiger führen. Sollte die Forderung nicht ausreichend besichert oder verlustig sein und der Nachlass die Erfüllung nicht zulassen, kann sich dies auf die Durchsetzungsmöglichkeit des Vermächtnisnehmers auswirken. Bei einer Überschuldung des Nachlasses entfällt die Vermächtnisbelastung im Rahmen der Nachlassinsolvenz gegebenenfalls vollständig.
Wie verhält sich das Forderungsvermächtnis zu Pflichtteilsansprüchen und Pflichtteilsrechten?
Das Forderungsvermächtnis hat auf das Pflichtteilsrecht mittelbare Auswirkungen: Es kann die Nachlassmasse zugunsten eines Dritten mindern und damit den Wert des Nachlasses, der zur Berechnung des Pflichtteilsanspruches herangezogen wird, verringern. Gleichzeitig ist ein Vermächtnis, das den Pflichtteil beeinträchtigen könnte, ggf. nach den Regeln über die Pflichtteilsergänzung (§§ 2325 ff. BGB) zu behandeln, insbesondere wenn es sich um eine letztwillige Begünstigung im Wege der vorweggenommenen Erbfolge handelt. Pflichtteilsberechtigte können grundsätzlich den Pflichtteil aus dem um das Vermächtnis verminderten Nachlass verlangen, haben aber keinen direkten Anspruch auf das Vermächtnis selbst. Sollte ein Erbe durch ein Vermächtnis beschwert werden, ist seine Pflichtteilsquote aus dem nach Vermächtniserfüllung verbleibenden Nachlass zu berechnen.