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Folgenbeseitigungsanspruch


Definition und Grundlagen des Folgenbeseitigungsanspruchs

Der Folgenbeseitigungsanspruch ist ein zivilrechtlicher Anspruch auf Beseitigung fortwirkender rechtswidriger Beeinträchtigungen, die aus einem früheren Eingriff in ein geschütztes Rechtsgut resultieren. Dieser Anspruch ist geprägt von seinem selbständigen Charakter und dient der Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustandes, ohne unmittelbare Leistung einer Kompensation oder Schadensersatz zum Gegenstand zu haben. Besondere Bedeutung besitzt der Folgenbeseitigungsanspruch im öffentlichen Recht, findet jedoch ebenso im Privatrecht Anwendung.

Rechtsgrundlagen des Folgenbeseitigungsanspruchs

Gesetzliche Regelungen

Trotz seiner weitreichenden Relevanz ist der Folgenbeseitigungsanspruch im Gesetz nicht ausdrücklich kodifiziert. Seine rechtliche Herleitung erfolgt vornehmlich aus dem allgemeinen Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) sowie aus Sondervorschriften, wie etwa § 1004 BGB für das Eigentum. Im öffentlichen Recht wird er über die ungeschriebene Anspruchsgrundlage aus dem allgemeinen Verwaltungsrecht und Art. 20 Abs. 3 GG (Rechtsstaatsprinzip) entwickelt.

Anspruchsgrundlagen im Privatrecht

Im Privatrecht ist § 1004 BGB maßgeblich. Er gewährt dem Eigentümer einen Anspruch gegen den Störer auf Beseitigung der Beeinträchtigung. Vergleichbare Vorschriften existieren etwa im Nachbarrecht (§§ 906, 910ff. BGB) oder im Deliktsrecht.

Anspruchsgrundlagen im Verwaltungsrecht

Im Verwaltungsrecht wird der Folgenbeseitigungsanspruch aus grundsätzlichen Bestimmungen, insbesondere aus dem allgemeinen öffentlich-rechtlichen Schadensersatzrecht, entwickelt. Das Bundesverwaltungsgericht hat ihn als eigenständige Anspruchsart anerkannt. Im Übrigen besteht im öffentlichen Recht ein Nebeneinander von Folgenbeseitigungsanspruch und Amtshaftungsanspruch.

Voraussetzungen des Folgenbeseitigungsanspruchs

Rechtswidriger, fortwirkender Eingriff

Zentrale Voraussetzung ist ein rechtswidriger Hoheitseingriff oder eine privatrechtliche Beeinträchtigung, deren Folgen trotz Beendigung des Eingriffs noch anhalten. Die eigentliche Handlung (z.B. ein Verwaltungsakt oder eine Sachbeschädigung) muss bereits abgeschlossen sein, während deren Auswirkungen noch fortbestehen.

Kein rechtmäßiger Zustand

Der Folgenbeseitigungsanspruch setzt voraus, dass der zuvor bestehende rechtmäßige Zustand nicht wiederhergestellt wurde. Es genügt nicht, wenn der Eingriff zwar beendet, dessen Folgen jedoch weiterhin spürbar oder ersichtlich sind.

Keine vorrangigen und abschließenden Rechtsbehelfe

Der Anspruch besteht nur, wenn keine vorrangigen und abschließenden spezialgesetzlichen Regelungen greifen, etwa besondere Rücknahme- oder Widerrufsnormen.

Kein Ausschluss des Anspruchs

Der Anspruch kann ausgeschlossen sein, wenn er mit unzumutbaren Nachteilen für den Anspruchsgegner verbunden ist oder schutzwürdige Interessen Dritter entgegenstehen. Auch Verwirkung oder Mitverschulden können gegebenenfalls berücksichtigt werden.

Rechtsnatur und Abgrenzung

Verhältnis zu anderen Ansprüchen

Der Folgenbeseitigungsanspruch ist von anderen Rechtsbehelfen abzugrenzen:

  • Er unterscheidet sich vom Schadensersatzanspruch dadurch, dass keine Kompensation von Vermögensschäden, sondern eine Wiederherstellung des vorherigen Zustandes gefordert wird.
  • Im Gegensatz zum Unterlassungsanspruch (§ 1004 BGB) wird keine zukünftige Beeinträchtigung abgewehrt, sondern eine gegenwärtige fortwirkende Störung beseitigt.

Anspruchsgegner

Anspruchsgegner kann jeder sein, der rechtswidrig einen fortdauernden Zustand geschaffen hat (Störerprinzip). Im Verwaltungsrecht trifft dies regelmäßig die handelnde Behörde. Im Privatrecht sind es in der Regel der unmittelbare oder mittelbare Störer.

Anspruchsumfang

Der Folgenbeseitigungsanspruch beinhaltet alle zumutbaren und erforderlichen Maßnahmen zur Beseitigung der Beeinträchtigung. Er umfasst auch Nebenfolgen und Folgehandlungen soweit sie zum Schutz des beeinträchtigten Rechtsguts notwendig sind.

Anwendungsbereiche

Zivilrechtliche Anwendungsfelder

  • Eigentumsschutz: Z.B. Die Entfernung unbefugt angebrachter Einrichtungen auf dem Grundstück.
  • Nachbarrecht: Wiederherstellung des vor der Beeinträchtigung bestehenden Zustandes.

Öffentliches Recht

  • Rückbau baurechtswidriger Bauwerke: Die Behörde beseitigt widerrechtlich gebaute öffentliche Anlagen.
  • Fehlerhafte Vollstreckungsmaßnahmen: Rechtswidrig beschlagnahmte Gegenstände sind an den Berechtigten zurückzugeben.

Sonstige Anwendungsgebiete

Auch im Bereich des Wettbewerbsrechts oder des Datenschutzrechts wird mitunter auf Grundsätze des Folgenbeseitigungsanspruchs zurückgegriffen, etwa bei der Löschung unberechtigt erfasster oder gespeicherter Daten.

Rechtsschutz und Durchsetzbarkeit

Durchsetzung im Zivilrecht

Im Zivilrecht erfolgt die Durchsetzung grundsätzlich im ordentlichen Gerichtsweg. Klagearten können die Beseitigungsklage oder eine Leistungsklage sein.

Durchsetzung im öffentlichen Recht

Im öffentlichen Recht ist insbesondere der Verwaltungsrechtsweg eröffnet. Betroffene Personen können im Wege der Verpflichtungsklage auf Folgenbeseitigung klagen.

Rechtsfolgen bei Nichterfüllung

Wird dem Anspruch nicht nachgekommen, kann die zwangsweise Durchsetzung per Vollstreckung erfolgen. Auch Ersatzvornahmen kommen in Betracht.

Bedeutung in der Rechtsprechung und Literatur

Entwicklung in der Rechtsprechung

Die Rechtsprechung – insbesondere die des Bundesverwaltungsgerichts und des Bundesgerichtshofs – prägt die Anforderungen und die Reichweite des Folgenbeseitigungsanspruchs maßgeblich. Insbesondere im öffentlichen Recht ist die Figur des Folgenbeseitigungsanspruchs kontinuierlich weiterentwickelt worden.

Wissenschaftliche Einordnung

Die Literatur sieht im Folgenbeseitigungsanspruch ein zentrales Institut des Rechtsschutzes. Die dogmatische Herleitung und Abgrenzung zu bestehenden Rechtsinstituten ist regelmäßig Gegenstand vertiefter Diskussion.

Fazit

Der Folgenbeseitigungsanspruch ist ein zentrales Rechtsinstitut zur effektiven Realisierung des Rechtssschutzes gegen fortdauernde rechtswidrige Zustände. Seine Flexibilität, unabhängig von spezialgesetzlichen Regelungen und sein weitreichender Anwendungsbereich, machen ihn zu einem wichtigen Instrument im Privatrecht wie im öffentlichen Recht. Im Vordergrund steht stets die Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustandes und die Wahrung der Rechte des Einzelnen gegenüber fortwirkenden Störungen.

Häufig gestellte Fragen

Welche Voraussetzungen müssen für das Entstehen eines Folgenbeseitigungsanspruchs vorliegen?

Für das Entstehen eines Folgenbeseitigungsanspruchs ist zunächst erforderlich, dass durch eine rechtswidrige Handlung eines Hoheitsträgers (etwa einer Behörde) oder eines Privaten ein fortdauernder rechtswidriger Zustand herbeigeführt wurde, der noch „beseitigungsfähig“ ist. Dies bedeutet, dass der betroffene Zustand noch so verändert werden kann, dass der rechtmäßige Zustand wiederhergestellt werden kann. Dabei muss die Handlung, die zu dem fortdauernden Zustand geführt hat, abgeschlossen sein, der dadurch verursachte Zustand jedoch weiterhin bestehen und das Rechtsgut des Betroffenen beeinträchtigen. Der Anspruch setzt außerdem voraus, dass keine vorrangigen spezialgesetzlichen Regelungen (z. B. in den Polizeigesetzen der Länder) den Anspruch ausschließen oder abschließend regeln, und dass der Betroffene Anspruchssteller ist, also in eigenen Rechten verletzt wurde. Ebenso ist eine enge Kausalität zwischen der ursprünglich rechtswidrigen Handlung und der fortbestehenden Beeinträchtigung erforderlich. Der Anspruch kann grundsätzlich sowohl gegen den Hoheitsträger als auch gegen Private gerichtet sein, wenn sie eine fortdauernde Eingriffsfolge zu verantworten haben.

Wie unterscheidet sich der Folgenbeseitigungsanspruch von anderen Ansprüchen wie dem Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch?

Abzugrenzen ist der Folgenbeseitigungsanspruch insbesondere vom Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch. Beim Folgenbeseitigungsanspruch steht die Beseitigung eines durch eine rechtswidrige Handlung herbeigeführten, fortdauernden Zustandes im Zentrum, während beim Unterlassungsanspruch die zukünftige Verhinderung weiterer oder gleicher Rechtsverletzungen im Fokus steht. Der Beseitigungsanspruch, häufig in zivilrechtlichen Fallgestaltungen etwa nach § 1004 BGB, verlangt hingegen die Beseitigung einer Störung unabhängig von deren Rechtswidrigkeit, also auch bei rechtmäßigen Zuständen, wenn ein absolutes Recht – etwa das Eigentum – betroffen ist. Der Folgenbeseitigungsanspruch ist also als eigenständiges Institut zu begreifen, das speziell auf die Wiederherstellung des rechtmäßigen Ausgangszustandes nach einer substantiellen, rechtswidrig herbeigeführten Veränderung abzielt. Im öffentlichen Recht kommt er typischerweise ergänzend zu Rücknahme-, Widerrufs- oder Rückgabepflichten vor.

Gegen wen kann sich der Folgenbeseitigungsanspruch richten?

Adressat des Folgenbeseitigungsanspruchs ist grundsätzlich derjenige, der die rechtswidrige Beeinträchtigung herbeigeführt hat und in der Lage ist, diese zu beseitigen. Im Bereich des öffentlichen Rechts ist dies meist ein Hoheitsträger (Behörde oder Amtsträger), der durch eine Amtshandlung, Verwaltungsakt oder schlichtes Verwaltungshandeln eine fortdauernde Störung verursacht hat. In Einzelfällen kann aber auch eine Privatperson Anspruchsgegner sein, etwa wenn sie durch eigenes Verhalten einen fortdauernden rechtlichen Nachteil für einen Rechtsinhaber geschaffen hat. Im Gegensatz zur allgemeinen Eingriffsverwaltung betrifft der Anspruch nicht lediglich Maßnahmen, die bereits wieder beendet sind, sondern solche mit fortwährender Wirkung. Im Rahmen der Fiskalverwaltung ist der Anspruch gegen den Fiskus wiederum nur gegeben, sofern dieser wie ein Hoheitsträger und nicht wie ein Privater gehandelt hat.

Wie erfolgt die Durchsetzung eines Folgenbeseitigungsanspruchs im Verwaltungsprozess?

Der Folgenbeseitigungsanspruch wird im Verwaltungsprozess regelmäßig mittels der allgemeinen Leistungsklage (§ 43 VwGO analog) oder – soweit möglich – durch Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1, 2. Alt. VwGO), gegebenenfalls ergänzt durch einen Antrag auf einstweilige Anordnung, durchgesetzt. Da der Anspruch auf Realhandeln (die tatsächliche Wiederherstellung des vor dem Eingriff bestehenden Zustands) gerichtet ist, ist eine verwaltungsgerichtliche Verpflichtungsklage auf Vornahme einer bestimmten Beseitigungsmaßnahme die typische prozessuale Form. Die Fristen richten sich dabei nicht nach den besonderen Anfechtungs- oder Verpflichtungsklagefristen, sondern nach allgemeinen Grundsätzen, solange die Beeinträchtigung noch andauert und beseitigungsfähig ist. Zu beachten ist jedoch, dass spezialgesetzliche Vorschriften – strafrechtliche oder besondere verwaltungsrechtliche Regeln – Vorrang genießen.

Welche typischen Beispiele für einen Folgenbeseitigungsanspruch gibt es im Verwaltungsrecht?

Klassische Anwendungsfälle des Folgenbeseitigungsanspruchs im Verwaltungsrecht sind etwa: das Entfernen unangemessen angebrachter Schilder oder baulicher Anlagen, die nach rechtswidrigem Verwaltungsakt bzw. Behördenhandeln errichtet wurden; die Rückgabe beschlagnahmter, jedoch nach Abschluss des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens nicht mehr benötigter Gegenstände; sowie der Rückbau von Einrichtungen oder Veränderungen an Grundstücken, welche aufgrund einer sittenwidrigen, fehlerhaften oder unrechtmäßigen Anordnung vorgenommen wurden. Auch im Bereich des Datenschutzes kann der Anspruch geltend gemacht werden, etwa durch die Rücknahme oder Vernichtung unrechtmäßig erhobener Daten. Im Bauordnungsrecht ist der Rückbau einer aufgrund fehlerhafter Baugenehmigung errichteten Baumaßnahme häufiges Beispiel.

Gibt es Einschränkungen oder Ausschlussgründe für den Folgenbeseitigungsanspruch?

Der Folgenbeseitigungsanspruch ist ausgeschlossen, wenn spezialgesetzliche Ausschlussregelungen greifen oder eine nachträgliche Beseitigung nicht mehr möglich oder zumutbar ist. Kann die Wiederherstellung des früheren Zustands nur unter unverhältnismäßigem Aufwand geschehen oder stehen öffentliche Interessen (z. B. Sicherheit, Ordnung, Rechtsfrieden) schwerer im Gewicht, so muss der Anspruch dem allgemeinen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und Zumutbarkeit Rechnung tragen. Zudem ist der Anspruch ausgeschlossen, wenn der Betroffene die Störung genehmigt oder nachträglich akzeptiert hat, ebenso wie bei selbstverschuldeten oder lediglich rechtmäßigen Eingriffen. Auch die Verwirkung kann eine Rolle spielen, etwa wenn der Betroffene lange untätig bleibt und beim Anspruchsgegner schutzwürdiges Vertrauen in den Fortbestand des Zustands entstanden ist.

Wie verhält sich der Folgenbeseitigungsanspruch zu Schadensersatzansprüchen?

Dem Folgenbeseitigungsanspruch liegt eine andere Zielrichtung zugrunde als dem Schadensersatzanspruch. Während der Schadensersatz auf die Kompensation erlittenen materiellen oder immateriellen Schadens durch Geldzahlung ausgerichtet ist, bezweckt der Folgenbeseitigungsanspruch die Wiederherstellung des ursprünglichen (rechtmäßigen) Zustands durch tatsächliche Maßnahmen. Beide Ansprüche können nebeneinander bestehen, schließen sich aber im Hinblick auf ihre jeweilige Zielrichtung nicht aus. In bestimmten Fällen kann jedoch die Folgenbeseitigung nicht mehr möglich sein, sodass der Betroffene lediglich auf Schadensersatz verwiesen wird. Auch im öffentlichen Recht ist dies insbesondere bei irreversiblen oder endgültigen Beeinträchtigungen der Fall. Die Anspruchsgrundlagen unterscheiden sich dabei: Der Schadensersatz setzt zumeist ein Verschulden voraus (§ 839 BGB), während beim Folgenbeseitigungsanspruch häufig schon die objektive Rechtswidrigkeit und die bestehende Störungsfolge ausreichen.