Legal Lexikon

Folgebescheid


Definition und rechtliche Einordnung des Folgebescheids

Der Folgebescheid ist ein Begriff aus dem Verwaltungsrecht, der eine Verwaltungsentscheidung bezeichnet, die nach Erlass und auf Grundlage eines vorausgegangenen Verwaltungsakts (sog. Grundlagenbescheid) ergeht. Der Folgebescheid setzt in rechtlicher und/oder tatsächlicher Hinsicht die Existenz eines gültigen Grundlagenbescheids zwingend voraus und entfaltet eigenständige Rechtswirkungen für den Adressaten.

Begriffsabgrenzung

Der Folgebescheid unterscheidet sich vom Grundlagenbescheid dadurch, dass Letzterer die maßgeblichen Feststellungen oder Regelungen trifft, auf deren Basis der Folgebescheid ergeht. Ein typisches Beispiel bildet das Steuerrecht: Ein Grundlagenbescheid (etwa Feststellungsbescheid gemäß § 179 AO) wird zuerst erlassen und im Anschluss dient dieser Bescheid als verbindliche Grundlage für den darauf aufbauenden Folgebescheid, wie einen Einkommensteuerbescheid.

Rechtliche Grundlagen

Allgemeines Verwaltungsrecht

Im allgemeinen Verwaltungsrecht gibt es keine ausdrückliche gesetzliche Definition des Folgebescheids. Seine Existenz ergibt sich jedoch mittelbar aus den Vorschriften des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG), die die Beziehung zwischen mehreren Verwaltungsakten regeln. Insbesondere § 35 VwVfG erläutert den Verwaltungsakt als behördliche Verfügung zur Regelung eines Einzelfalls. Die Verbindung zwischen Grundlagen- und Folgebescheid orientiert sich an den einschlägigen materiellen Rechtsvorschriften.

Steuerrecht

Das Steuerrecht enthält spezielle Regelungen zum Folgebescheid. Gemäß §§ 179-182 Abgabenordnung (AO) ist ein Folgebescheid ein Verwaltungsakt, dessen Inhalte von den getroffenen Feststellungen eines Grundlagenbescheids abhängen. Bindungswirkung, Anfechtung und Auswirkung von Änderungen oder Aufhebungen werden dort ausführlich geregelt.

Beispiele aus dem Steuerrecht

  • Feststellungsbescheid (§§ 179 ff. AO) als Grundlage für einen Steuerbescheid
  • Zerlegung steuerlicher Messbeträge (§ 185 AO) mit anschließendem Erlass von Zerlegungsbescheiden

Sozialrecht

Auch im Sozialrecht finden sich Formen von Folgebescheiden. Hier sind beispielsweise Rentenbescheide nach Feststellung der Versicherungszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung üblich.

Bindungswirkung und Rechtsfolgen

Bindungswirkung

Die Bindungswirkung des Grundlagenbescheids auf den Folgebescheid bedeutet, dass der Erlass, die Änderung oder Aufhebung des Grundlagenbescheids zwingend Auswirkungen auf den Folgebescheid hat (§ 182 AO). Die Behörde, die den Folgebescheid erlässt, ist an die Feststellungen des Grundlagenbescheids gebunden und kann eigene abweichende Feststellungen nicht treffen.

Fehlerhafte Grundlagenbescheide

Ist der Grundlagenbescheid rechtswidrig, wird dies grundsätzlich auch auf den Folgebescheid durchschlagen. Die Anfechtung des Folgebescheids hängt in diesen Fällen von der Bestandskraft des Grundlagenbescheids ab. Der Folgebescheid kann insoweit nicht erfolgreich angefochten werden, als er bindend auf dem Grundlagenbescheid basiert. Rechtsschutz muss daher vorrangig gegen den Grundlagenbescheid eingelegt werden.

Anfechtung und Rechtsbehelfe

Anfechtungsfähigkeit

Grundsätzlich sind sowohl der Grundlagenbescheid als auch der Folgebescheid selbständige Verwaltungsakte und können jeweils eigenständig mit Rechtsbehelfen angegriffen werden. Dabei ist zu beachten, dass die Bindungswirkung spätere Änderungen des Folgebescheids unmittelbar auslösen kann, wenn der Grundlagenbescheid geändert oder aufgehoben wird (§ 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO).

Bestandskraft

Erst wenn sowohl der Grundlagen- als auch der Folgebescheid bestandskräftig geworden sind, entstehen für die Behörde und den betroffenen Adressaten endgültige Rechtsverhältnisse. Nachträgliche Änderungen bedürfen besonderer gesetzlicher Rechtfertigung.

Auswirkungen bei Änderung oder Aufhebung

Eine Änderung oder Aufhebung des Grundlagenbescheids zwingt die Behörde dazu, auch den Folgebescheid entsprechend den neuen Feststellungen zu ändern oder aufzuheben. Dabei können sich für den Adressaten sowohl günstige als auch nachteilige Rechtsfolgen ergeben.

Nachteilsausgleich

Ist der Folgebescheid bereits vollzogen und wird der Grundlagenbescheid nachträglich aufgehoben oder geändert, kann dies Ansprüche auf Erstattung oder Schadensausgleich nach sich ziehen. Dies ist z. B. im Steuerrecht in § 37 Abs. 2 AO geregelt (Erstattung zu Unrecht erbrachter Zahlungen).

Besondere Konstellationen in der Praxis

Mehrstufige Verwaltungsakte

In komplexeren Fällen können auch mehrere Grundlagen- und Folgebescheide aufeinander aufbauen. Beispielsweise kann ein steuerlicher Feststellungsbescheid zu verschiedenen Folgebescheiden führen, die ihrerseits wiederum weitere Folgeentscheidungen nach sich ziehen.

Rückwirkung

Besonderheiten ergeben sich hinsichtlich der Rückwirkung von Bescheidsänderungen. Grundsätzlich gilt, dass die Änderung eines Grundlagenbescheids auf den Folgebescheid auch dann einzuwirken hat, wenn der Folgebescheid bereits bestandskräftig ist, solange keine absolute Rechtskraft eingetreten ist (§ 175 AO).

Literaturhinweise und weiterführende Quellen

  • Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Kommentar
  • Kopp/Ramsauer, VwVfG, Kommentar
  • Redeker, Allgemeines Verwaltungsrecht
  • Bundesministerium der Finanzen: Anwendungserlass zur Abgabenordnung (AEAO)
  • Oberverwaltungsgerichtsurteile zu Grundlagen- und Folgebescheiden

Zusammenfassung:
Der Folgebescheid ist ein eigenständiger Verwaltungsakt, der inhaltlich von der Existenz und dem Inhalt eines Grundlagenbescheids abhängt. Sowohl im allgemeinen Verwaltungsrecht als auch im Steuerrecht und Sozialrecht bildet er ein bedeutendes Element der mehrstufigen Verwaltungsentscheidung. Seine Besonderheiten liegen in der Bindungswirkung an den Grundlagenbescheid, der eigenständigen Anfechtbarkeit und den Auswirkungen von Änderungen des Grundlagenbescheids auf Folgeentscheidungen. Die systematische Regelung vor allem im Steuerrecht sowie die praktische Bedeutung in diversen Verwaltungsverfahren machen den Folgebescheid zu einem zentralen Begriff des Verwaltungsaktsystems.

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtlichen Voraussetzungen müssen für den Erlass eines Folgebescheids vorliegen?

Für den Erlass eines Folgebescheids müssen bestimmte rechtliche Voraussetzungen erfüllt sein. Zunächst muss ein Ausgangsbescheid existieren, auf den sich der Folgebescheid inhaltlich oder rechtlich bezieht. Der Folgebescheid dient dazu, die Regelung des ursprünglichen Bescheids abzuändern, zu konkretisieren oder deren Wirkung für einen weiteren Zeitraum oder einen neuen Sachverhalt anzugleichen. Damit ein Folgebescheid rechtmäßig ist, bedarf es einer ausdrücklichen oder zumindest der Auslegung nach ersichtlichen gesetzlichen Ermächtigung. Weiterhin müssen die allgemeinen Grundsätze des Verwaltungsrechts, unter anderem das Bestimmtheitsgebot (§ 37 VwVfG), das Anhörungsrecht (§ 28 VwVfG) sowie gegebenenfalls besondere Formerfordernisse, eingehalten werden. Nicht zuletzt muss materiell-rechtlich eine wesentliche Änderung der Sach- oder Rechtslage, die den Erlass rechtfertigt, vorliegen, sofern dies spezialgesetzlich gefordert ist.

Wie unterscheidet sich ein Folgebescheid rechtlich von einem Änderungsbescheid?

Ein Folgebescheid unterscheidet sich im rechtlichen Kontext von einem Änderungsbescheid dadurch, dass er nicht den ursprünglichen Verwaltungsakt als solchen ändert, sondern einen neuen Regelungsbereich für die Zukunft schafft, der aufgrund desselben oder eines sich fortsetzenden Lebenssachverhalts erlassen wird. Der Änderungsbescheid hingegen modifiziert oder ergänzt Inhalte des bereits existierenden (Ausgangs-)Bescheids rückwirkend oder für die Zukunft. Der Folgebescheid knüpft zwar an den früheren Verwaltungsakt an, ersetzt diesen aber nicht, vielmehr wird ein neues Verwaltungsverfahren eröffnet. Juristisch ist die Abgrenzung relevant für die Anwendbarkeit spezifischer Vorschriften über die Rücknahme oder den Widerruf von Verwaltungsakten (§§ 48, 49 VwVfG) und für die Frage, ob beispielsweise eine erneute Anhörung erfolgen muss.

Welche Rechtsbehelfe stehen gegen einen Folgebescheid zur Verfügung?

Grundsätzlich steht gegen einen Folgebescheid der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten offen. Der Adressat kann Widerspruch gegen den Folgebescheid einlegen, soweit das jeweilige Fachrecht dies vorsieht (§ 68 ff. VwGO). Nach erfolglosem Widerspruch kann eine Anfechtungs- beziehungsweise Verpflichtungsklage gemäß §§ 42 ff. VwGO erhoben werden. Besondere Fristen zur Einlegung des Widerspruchs und zur Erhebung der Klage (meist ein Monat nach Bekanntgabe des Bescheids, § 70, § 74 VwGO) sind zu beachten. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs oder der Klage kann eingeschränkt sein, wenn Gesetz oder Behörde dies anordnen. Im Einzelfall können auch besondere Rechtsschutzmöglichkeiten, wie ein Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz (§ 80 Abs. 5 VwGO), in Betracht kommen.

Unterliegt ein Folgebescheid denselben Formerfordernissen wie der Ursprungsbescheid?

Ja, ein Folgebescheid unterliegt grundsätzlich denselben Formerfordernissen wie ein Erstbescheid. Insbesondere müssen die Anforderungen an die Schriftform bei schriftlichen Verwaltungsakten und das Bestimmtheitsgebot (§ 37 VwVfG) eingehalten werden. Zudem sind die Begründungspflicht (§ 39 VwVfG) und das Gebot der ordnungsgemäßen Zustellung bei konstitutiven Regelungen zu beachten. Die Behörde muss außerdem die Beteiligten anhören, sofern nicht ausnahmsweise eine Anhörungsentbehrung einschlägig ist (§ 28 Abs. 2 VwVfG). Fehler in der Form oder im Verfahren können zur Rechtswidrigkeit und eventual zur Aufhebbarkeit des Folgebescheids führen.

Kann ein Folgebescheid rückwirkend erlassen werden?

Ein Folgebescheid kann nur in engen rechtlichen Grenzen rückwirkend erlassen werden. Insbesondere bedarf es dazu einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung oder einer atypischen Fallkonstellation, die eine Rückwirkung rechtfertigt. Im Allgemeinen gilt das Verbot der echten Rückwirkung im Verwaltungsrecht, wonach belastende Regelungen nicht rückwirkend in abgeschlossene Sachverhalte eingreifen dürfen. Eine sogenannte unechte Rückwirkung – also die Anordnung von Rechtsfolgen für noch nicht abgeschlossene, aber bereits begonnene Sachverhalte – ist unter gewissen Umständen zulässig, wenn schutzwürdige Interessen der Betroffenen berücksichtigt und das Prinzip des Vertrauensschutzes gewahrt bleibt. Im Sozialverwaltungsrecht beispielsweise existieren Spezialregeln, die in bestimmten Fällen eine rückwirkende Festsetzung von Ansprüchen über Folgebescheide ermöglichen.

Welche Bedeutung kommt dem Folgebescheid im gerichtlichen Verfahren zu?

Im gerichtlichen Verfahren ist ein Folgebescheid regelmäßig Gegenstand der rechtlichen Überprüfung, wenn dieser angefochten wurde. Dabei wird geprüft, ob die formellen und materiellen Voraussetzungen für dessen Erlass erfüllt wurden, insbesondere ob der Folgebescheid auf einer zutreffenden gesetzlichen Grundlage beruht und das Verwaltungsverfahren korrekt durchgeführt wurde. Die Rechtsprechung differenziert dabei genau, ob sich die Klage auch gegen den Ursprungsbescheid oder ausschließlich gegen den Folgebescheid richtet, insbesondere, wenn sich streitige Rechtmäßigkeit oder Ermessensfehler nur auf den Folgebescheid beziehen. Auch Fragen der Bindungswirkung und der Rechtskraft, etwa im Rahmen von Wiederaufnahme- und Überprüfungsverfahren, können bedeutsam werden.

Ist vor Erlass eines Folgebescheids eine Anhörung erforderlich?

Vor dem Erlass eines Folgebescheids ist eine Anhörung gemäß § 28 VwVfG erforderlich, sofern keine gesetzlichen Ausnahmen vorliegen. Die Beteiligten müssen vor der Entscheidung durch die zuständige Behörde Gelegenheit erhalten, sich zu den für den Folgebescheid erheblichen Tatsachen zu äußern. Die Anhörungspflicht dient dem Schutz des rechtlichen Gehörs und der sachgerechten Entscheidungsvorbereitung. Wird die Anhörung unterlassen, kann dies einen Verfahrensfehler darstellen, der nach § 45 VwVfG im Rahmen der Nachholung geheilt werden kann. Besondere Ausnahmevorschriften können sich aus Spezialgesetzen ergeben, beispielsweise im Bereich der Gefahrenabwehr bei Gefahr im Verzug.