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Fluglinienverkehr


Definition und rechtliche Grundlagen des Fluglinienverkehrs

Der Begriff Fluglinienverkehr (auch Linienluftverkehr) bezeichnet den durch festgelegte Flugpläne geregelten, regelmäßigen und gewerbsmäßigen Beförderungsdienst von Passagieren, Gepäck, Fracht oder Post mit Luftfahrzeugen auf bestimmten Flugstrecken. Unterschieden wird der Fluglinienverkehr rechtlich von Bedarfs- und Charterverkehren, bei denen keine regelmäßigen und festgelegten Flugpläne bestehen. Die Durchführung und der Betrieb des Fluglinienverkehrs sind umfassend durch internationales, europäisches und nationales Recht geregelt.

Internationale Rechtsgrundlagen

Internationale Abkommen über den Fluglinienverkehr

Die wichtigsten internationalen Regelungen ergeben sich aus der Chicagoer Konvention von 1944 (Übereinkommen über die Internationale Zivilluftfahrt, ICAO), welches die grundlegenden Prinzipien der internationalen zivilen Luftfahrt und insbesondere die Rahmenbedingungen für die Durchführung des Linienverkehrs zwischen den Vertragsstaaten festlegt. Insbesondere regelt die Chicagoer Konvention Fragen der Luftverkehrsrechte, Betriebsgenehmigungen und Sicherheitsstandards.

Verkehrsrechte und „Freiheiten der Luft“

Ein Kernbereich der rechtlichen Ausgestaltung des Fluglinienverkehrs ist die Zuteilung sogenannter Verkehrsrechte, häufig als „Freiheiten der Luft“ bezeichnet. Diese Rechte umfassen unter anderem das Überfliegen fremder Staaten, technische Zwischenlandungen sowie das Ein- und Aussteigenlassen von Passagieren, Fracht oder Post in Drittstaaten. Diese Freiheiten werden im Rahmen bilateraler oder multilateraler Abkommen zwischen Staaten geregelt.

Internationale Luftfahrtorganisationen

Die International Civil Aviation Organization (ICAO) übernimmt die Standardsetzung und Koordination bei Sicherheits-, Umwelt- und Betriebsfragen im Fluglinienverkehr. Die IATA (International Air Transport Association) vertritt die wirtschaftlichen Interessen der Luftfahrtunternehmen und koordiniert insbesondere Tarif- und Kooperationsfragen.

Europäische Regelungen des Linienluftverkehrs

EASA-Verordnung und Single European Sky

Innerhalb der Europäischen Union bildet die Verordnung (EG) Nr. 1008/2008 über den gemeinsamen Luftverkehrsmarkt die zentrale Grundlage für die Organisation des Fluglinienverkehrs. Sie regelt die Zulassung von Luftfahrtunternehmen, den Zugang zu Strecken sowie die Vergabe von Betriebsgenehmigungen für den Linienluftverkehr. Ziel ist die Schaffung eines einheitlichen europäischen Luftverkehrsmarktes, in dem Luftfahrtunternehmen aus jedem EU-Staat Strecken innerhalb des gesamten EU-Gebiets bedienen dürfen.

Darüber hinaus verfolgt das Konzept „Single European Sky“ die Harmonisierung und Effizienzsteigerung der Nutzung des europäischen Luftraums sowie die Verbesserung der Flugsicherheit durch einheitliche Standards.

Rechte der Fluggäste

Mit der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 sind einheitliche Mindeststandards zum Schutz der Fluggäste bei Nichtbeförderung, Annullierung oder erheblicher Verspätung von Linienflügen geschaffen worden. Dies umfasst insbesondere Ansprüche auf Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen.

Nationale Regelungen in Deutschland

Zulassung von Luftfahrtunternehmen

In Deutschland erfolgt die Zulassung der Fluggesellschaften für den Linienluftverkehr nach Maßgabe des Luftverkehrsgesetzes (LuftVG) und der Verordnung zur Durchführung des Luftverkehrsgesetzes (LuftVO). Eine Erlaubnis für den Linienluftverkehr setzt den Nachweis der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, der Zuverlässigkeit sowie der Lufttüchtigkeit der eingesetzten Luftfahrzeuge voraus.

Erteilung und Widerruf von Streckenrechten

Die Zuweisung von Strecken wird im Linienverkehr nach dem Prinzip der offenen Märkte mit wenigen Einschränkungen vergeben. Engpässe am Flughafen können zu einer beschränkten Vergabe von Slots (Zeitfenstern für Start und Landung) führen, die nach transparenten und diskriminierungsfreien Kriterien zugeteilt werden. Der Widerruf der Streckenrechte ist unter bestimmten Bedingungen möglich, beispielsweise bei Verstößen gegen Sicherheitsvorschriften oder gravierenden Vertragsverletzungen.

Haftungsregelungen im Fluglinienverkehr

Haftung für Passagier- und Gepäckschäden

Das Montrealer Übereinkommen von 1999 regelt zentral die Haftung der Luftfahrtunternehmen im internationalen Fluglinienverkehr. Es bietet weitreichende Haftungsgrundlagen bei Tod oder Körperverletzung eines Reisenden sowie bei der Beschädigung oder dem Verlust von Gepäck. Die Haftung kann hierbei grundsätzlich durch das Luftfahrtunternehmen nur in Ausnahmefällen ausgeschlossen oder begrenzt werden.

Haftung bei Verspätung und Flugausfall

Zusätzlich zu internationalen Vorgaben greifen in der EU weiterreichende Regelungen, die Ansprüche der Fluggäste auf Entschädigung und Unterstützungsleistungen bei Verspätungen, Annullierung oder verpassten Anschlussflügen normieren.

Sicherheits- und Umweltanforderungen

Sicherheitsvorschriften und Überwachung

Sämtliche Fluglinien unterliegen umfangreichen Sicherheitsanforderungen, die von den nationalen Luftfahrtbehörden und der EASA überwacht werden. Dazu zählen sowohl technische Anforderungen an die Flugzeuge als auch an das Bodenpersonal und die betrieblichen Abläufe.

Umweltrechtliche Vorgaben

Im Rahmen des Emissionshandels und weiterer umweltrechtlicher Verpflichtungen sind Linienfluggesellschaften seit einigen Jahren verpflichtet, Emissionen zu melden und gegebenenfalls Zertifikate zu erwerben. Darüber hinaus existieren Lärmschutzvorschriften, die insbesondere an Flughäfen mit Nachtflugregelungen die Interessen von Anwohnern schützen.

Wettbewerbs- und kartellrechtliche Aspekte

Im Fluglinienverkehr gelten die allgemeinen Grundsätze des Wettbewerbsrechts. Absprachen zwischen Fluggesellschaften, beispielsweise Kartellbildungen bei Preisen oder Kapazitäten, sind untersagt und unterliegen strengen Kontrollen durch nationale und europäische Kartellbehörden.

Fazit

Der Fluglinienverkehr ist ein zentraler Bestandteil des globalen Verkehrs und unterliegt einer Vielzahl komplexer rechtlicher Rahmenbedingungen auf internationaler, europäischer und nationaler Ebene. Die Rechtsgrundlagen regeln den Marktzugang, die Sicherheit, die Rechte von Fluggästen, den Umweltschutz und gewährleisten einen fairen Wettbewerb. Eine kontinuierliche Weiterentwicklung der rechtlichen Vorgaben trägt dazu bei, die Interessen aller Beteiligten, insbesondere aber die Sicherheit und den Schutz der Fluggäste, zu gewährleisten.

Häufig gestellte Fragen

Welche Rechte haben Passagiere bei Flugverspätungen und Flugausfällen nach europäischem Recht?

Nach der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 genießen Fluggäste, die von einem EU-Flughafen abfliegen oder mit einer EU-Fluggesellschaft in die EU reisen, spezifische Rechte bei Verspätungen und Ausfällen. Im Falle einer Verspätung gilt ab zwei Stunden bei Kurzstrecken (bis zu 1500 km), drei Stunden bei Mittelstrecken (bis zu 3500 km) und vier Stunden bei Langstreckenflügen eine Unterstützungsleistungspflicht. Dazu zählen kostenlose Mahlzeiten, Erfrischungen, Kommunikation (Telefonate, E-Mails) sowie gegebenenfalls Hotelunterbringung inklusive Transport zwischen Flughafen und Unterkunft. Wird der Flug mindestens drei Stunden verspätet am Zielort angetroffen, haben Reisende Anspruch auf eine finanzielle Ausgleichszahlung gemäß Art. 7 der Verordnung. Die Höhe variiert zwischen 250 und 600 Euro, gestaffelt nach Flugstrecke. Ausgeschlossen ist der Ausgleichsanspruch nur, wenn die Verspätung auf außergewöhnliche Umstände zurückgeht, wie z.B. extreme Wetterbedingungen oder sicherheitsrelevante Ereignisse, die sich der Kontrolle der Airline entziehen – Routineprobleme wie technische Defekte zählen meist nicht dazu. Die ausführende Fluggesellschaft ist zudem verpflichtet, Passagiere über deren Rechte schriftlich zu informieren.

Welche Haftungsregelungen gelten für Fluggesellschaften bei Gepäckverlust oder Gepäckbeschädigung?

Die Haftung der Airline bei Gepäckverlust oder -beschädigung regelt das Montrealer Übereinkommen (MÜ), das für internationale Flüge bindend ist und in der EU durch entsprechende Verordnungen Geltung erhält. Airlines haften bis zu einem Höchstbetrag von derzeit 1.288 Sonderziehungsrechten (SZR, etwa 1.600 Euro) je Passagier – unabhängig davon, wie viele Gepäckstücke betroffen sind. Der Passagier muss einen Verlust, eine Beschädigung oder eine Verspätung des Gepäcks unmittelbar nach Feststellung und spätestens sieben Tage (bei Beschädigung) bzw. 21 Tage (bei verspätetem Gepäck) nach Entgegennahme schriftlich der Fluggesellschaft melden. Andernfalls erlischt der Anspruch. Zu beachten sind etwaige deklarierte höhere Werte beim Check-in und die Standards der jeweiligen Airline hinsichtlich der Haftung für Wertgegenstände, da diese grundsätzlich vom Haftungsumfang ausgeschlossen sind, sofern sie im aufgegebenen Gepäck transportiert werden. Im Streitfall kann neben einer Ersatzbeschaffung auch eine Wertminderung oder eine Teilerstattung geltend gemacht werden.

Wann kann eine Fluggesellschaft die Beförderung verweigern und welche Ansprüche bestehen in diesem Fall?

Eine Fluggesellschaft darf die Beförderung verweigern, etwa bei Überbuchung, fehlenden oder ungültigen Reisedokumenten, aus Sicherheitsgründen oder bei begründeten Zweifeln an der Reisefähigkeit des Passagiers (z.B. gesundheitliche Bedenken). Im Falle nicht freiwilliger Nichtbeförderung (insbesondere bei Überbuchung) bestehen nach der EU-Verordnung (EG) Nr. 261/2004 umfangreiche Rechte: Fluggäste können zwischen vollständiger Kostenerstattung ihres Tickets binnen sieben Tagen oder einer alternativen Beförderung zum Endziel zum frühestmöglichen Zeitpunkt wählen. Zusätzlich steht ihnen eine Ausgleichszahlung von 250 bis 600 Euro zu, gestaffelt nach Flugdistanz. Weiterhin bestehen Ansprüche auf Betreuungsleistungen, etwa Verpflegung, Unterbringung und den Transport zwischen Flughafen und Unterkunft. Bei berechtigter Verweigerung aufgrund der Passagierverantwortung (z.B. ungültiger Ausweis) bestehen hingegen keine Entschädigungsansprüche.

Welche Informationspflichten treffen Fluggesellschaften gegenüber den Passagieren?

Fluggesellschaften sind verpflichtet, Reisende über wesentliche Aspekte der Flugbeförderung umfassend und rechtzeitig zu informieren. Dazu zählen nach der EU-Fluggastrechteverordnung (EG) Nr. 261/2004 unter anderem der Grund, die Dauer und die Konsequenzen etwaiger Flugunregelmäßigkeiten (Verspätung, Stornierung, Nichtbeförderung). Die Gesellschaft muss im Fall eines Vorfalls schriftlich über die bestehenden Rechte auf Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen informieren – dies gilt vorzugsweise am Flughafen, spätestens beim Check-in. Zusätzlich regelt die EU-VO (EG) Nr. 2111/2005 die Pflicht zur Information über den ausführenden Luftfahrtunternehmer (etwa bei Codeshare-Flügen). Verstöße gegen diese Informationspflichten können aufsichtsrechtlich sanktioniert werden und Grundlage für Schadensersatzansprüche sein.

Welche rechtlichen Besonderheiten sind bei der Buchung von sogenannten Codeshare-Flügen zu beachten?

Bei Codeshare-Flügen werden Verbindungen von zwei oder mehreren Fluggesellschaften gemeinsam angeboten, wobei ein Flug durch eine andere als die buchende Airline durchgeführt werden kann. Rechtlich maßgeblich ist stets die ausführende Fluggesellschaft im Sinne der Fluggastrechte; sie ist Ansprechpartnerin bei Verspätungen, Ausfällen und Gepäckfragen. Auch die Informationspflichten liegen primär bei der ausführenden Airlinie. Nach EU-Fluggastrechteverordnung steht nur gegenüber der ausführenden Gesellschaft ein Ausgleichsanspruch nach Art. 7 zu. Konflikte können insbesondere beim Wechsel zwischen EU- und Nicht-EU-Carrier auftreten, da nicht alle internationalen Airlines der EU-Verordnung unterliegen. Verbraucher sollten daher bei Buchung auf den jeweiligen Status der Airline achten und die Vertragspartei klar identifizieren.

Unter welchen Voraussetzungen haften Fluggesellschaften für Personenschäden auf internationalen Flügen?

Die rechtliche Grundlage dafür bildet das Montrealer Übereinkommen (MÜ). Die Fluggesellschaft haftet bei Tod oder Körperverletzung eines Passagiers während der Beförderung (einschließlich Ein- und Aussteigen) verschuldensunabhängig bis zu einem Betrag von 128.821 SZR (ungefähr 155.000 Euro). Darüber hinausgehende Summen müssen nur bezahlt werden, wenn nachgewiesen wird, dass der Schaden durch ein Verschulden der Airline oder ihrer Angestellten verursacht wurde, es sei denn, das Luftfahrtunternehmen kann beweisen, dass der Schaden nicht durch Fahrlässigkeit oder ein sonstiges Fehlverhalten entstanden ist oder ausschließlich auf das Verschulden eines Dritten zurückzuführen ist. Der Anspruch ist bei Eintritt des Schadens innerhalb von zwei Jahren beim zuständigen Gericht geltend zu machen. Airlines sind verpflichtet, Passagiere über die Haftungsgrenzen zu informieren.

Was gilt bei Flugbuchungen im Internet hinsichtlich Widerrufsrecht und Stornierung?

Flugbuchungen, die online außerhalb von Reisebüros oder Pauschalreisen unmittelbar bei der Airline abgeschlossen werden, unterliegen gemäß § 312g Abs. 2 Nr. 9 BGB nicht dem gesetzlichen Widerrufsrecht für Fernabsatzverträge. Ein nachträglicher kostenfreier Rücktritt ist demnach rechtlich nicht vorgesehen, sofern nicht im Einzelfall im Rahmen der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) der Airline abweichende Regelungen eingeräumt werden. Stornierungen sind grundsätzlich möglich, ziehen aber meist Stornogebühren nach sich, deren Höhe sich an der Tarifwahl orientiert. Bei Nichteinhaltung oder vollständigem Verfall des Tickets bleibt dem Fluggast teilweise Ansprüche auf Rückerstattung von Steuern, Flughafengebühren und weiteren Drittentgelten, unabhängig von der Tarifwahl. Die Airlines sind verpflichtet, solche Rückzahlungen auf Antrag des Verbrauchers zu leisten, auch wenn der Ticketpreis nicht erstattungsfähig ist.