Begriff und Einordnung
Fluglinienverkehr bezeichnet planmäßige Luftbeförderungen von Personen oder Gütern nach veröffentlichtem Flugplan und mit allgemein zugänglichen Tarifen. Kennzeichnend sind wiederkehrende Verbindungen zwischen festgelegten Flughäfen, unabhängig davon, ob alle Sitzplätze einzeln verkauft oder teilweise im Block abgenommen werden. Abzugrenzen ist der Fluglinienverkehr vom Charterverkehr (nicht planmäßig, bedarfsorientiert), der Allgemeinen Luftfahrt (privat oder geschäftlich ohne Liniencharakter) sowie von reinen Frachtflügen ohne Passagierbeförderung. Rechtlich ist der Fluglinienverkehr in ein mehrstufiges System internationaler, europäischer und nationaler Regeln eingebettet, das Marktzugang, Verkehrsrechte, Sicherheit und Verbraucherschutz koordiniert.
Rechtlicher Rahmen
Internationaler Rahmen
Die Grundlagen des grenzüberschreitenden Luftverkehrs beruhen auf zwischenstaatlichen Übereinkünften. Staaten erkennen sich dabei gegenseitig Hoheitsrechte über ihren Luftraum zu und regeln auf bilateraler oder multilateraler Ebene, welche Luftfahrtunternehmen Verkehrsrechte erhalten. Technische Standards für Flugsicherheit und Flugbetrieb werden durch internationale Organisationen erarbeitet und global harmonisiert. Haftungsfragen im grenzüberschreitenden Personen- und Gepäcktransport unterliegen ebenfalls international vereinbarten Haftungsregimen mit einheitlichen Grundprinzipien.
Europäischer Rahmen
Im europäischen Binnenluftverkehr besteht ein weitgehend liberalisierter Markt. Zugelassene Luftfahrtunternehmen mit Sitz in einem Mitgliedstaat können grundsätzlich frei Strecken innerhalb des Binnenmarktes bedienen. Einheitliche Regeln bestehen zu Sicherheit und Lufttüchtigkeit, zum Verbraucherschutz bei Nichtbeförderung, Annullierung und großer Verspätung, zur Nichtdiskriminierung mobilitätseingeschränkter Reisender, zur Preistransparenz sowie zur Zuteilung und Nutzung von Flughafen-Slots. Aufsicht und Zulassung erfolgen nach harmonisierten Kriterien, die eine gegenseitige Anerkennung ermöglichen.
Nationaler Rahmen
Auf nationaler Ebene werden Betriebsgenehmigungen erteilt, Sicherheitsaufsicht geführt, Flughäfen zugelassen und Luftverkehrsordnungen umgesetzt. Behörden überwachen die Einhaltung der technischen, betrieblichen und verbraucherbezogenen Pflichten. Zudem werden öffentliche Dienstleistungsaufträge für verkehrspolitisch gewünschte, wirtschaftlich aber nicht tragfähige Linien vergeben. Nationale Bestimmungen konkretisieren die internationalen und europäischen Vorgaben und regeln Durchsetzung und Sanktionen.
Markt- und Verkehrsrechte
Zulassung von Luftfahrtunternehmen
Für den Linienbetrieb benötigen Unternehmen eine Betriebszulassung und ein Betriebszeugnis. Voraussetzung sind unter anderem Zuverlässigkeit, fachliche Befähigung, finanzielle Leistungsfähigkeit, ein angemessenes Sicherheitsmanagement sowie die Verfügbarkeit lufttüchtiger Luftfahrzeuge. Für grenzüberschreitende Einsätze in Drittstaaten sind häufig zusätzliche Genehmigungen oder Betreiberzulassungen erforderlich. Leasingmodelle (etwa Wet Lease) bedürfen je nach Konstellation behördlicher Zustimmung.
Verkehrsrechte und Freiheiten der Luft
Ob und in welchem Umfang ein Unternehmen eine Strecke bedienen darf, richtet sich bei internationalen Verbindungen nach Verkehrsrechten, die Staaten einander einräumen. Diese Rechte umfassen je nach Abkommen den reinen Überflug, Landungen zu nicht kommerziellen Zwecken, Beförderungen zwischen Herkunfts- und Bestimmungsstaat sowie gegebenenfalls weitergehende Rechte. Innerhalb liberalisierter Märkte bestehen erweiterte Verkehrsrechte, während Kabotage (innerstaatliche Beförderung durch ausländische Unternehmen) regelmäßig beschränkt ist.
Öffentliche Dienstleistungsaufträge (PSO)
Im Interesse der Anbindung strukturschwacher Regionen können Staaten Strecken als öffentliche Dienstleistung ausschreiben. Die Bedienung erfolgt dann nach vorgegebenen Mindeststandards und Entgeltregelungen, oft mit Ausgleichszahlungen. Rechtlich sind Transparenz, Nichtdiskriminierung und Verhältnismäßigkeit bei der Vergabe zentral.
Slots und Flughafenkoordination
Auf stark nachgefragten Flughäfen wird die Nutzung von Start- und Landerechten über Slots koordiniert. Zuweisung, Nutzungspflichten und Prioritäten folgen festen Regeln. Missbrauch oder Nichtnutzung kann zum Verlust von Prioritäten führen. Slot-Regime sollen Kapazität effizient verteilen, Wettbewerb ermöglichen und Planungssicherheit für Linienverkehre schaffen.
Vertrags- und Verbraucherfragen
Beförderungsvertrag und Bedingungen
Mit der Buchung kommt ein Beförderungsvertrag zwischen Reisenden und dem vertraglichen Luftfrachtführer zustande. Wird der Flug von einem anderen Unternehmen durchgeführt (Codesharing, Wet Lease), treten vertraglicher und ausführender Frachtführer auseinander. Die Beförderungsbedingungen regeln Details zu Check-in, Beförderungsausschlüssen, Gepäck, Änderungen und Haftungsgrenzen und dürfen zwingenden Schutzvorschriften nicht widersprechen.
Preisangaben und Nebenkosten
Entgelte müssen in der Werbung und bei Buchung klar, vollständig und transparent ausgewiesen sein, einschließlich Steuern, Gebühren, Zuschlägen und unvermeidbaren Entgelten. Optionale Zusatzleistungen dürfen nur getrennt und eindeutig erkennbar angeboten werden. Irreführende Preisangaben sind unzulässig.
Verspätung, Annullierung, Nichtbeförderung
Für Fälle großer Verspätung, Annullierung oder Nichtbeförderung bestehen europaweit einheitliche Schutzmechanismen. Dazu gehören Ansprüche auf Unterstützung, Erstattung oder anderweitige Beförderung sowie unter bestimmten Voraussetzungen pauschale Ausgleichszahlungen. Außergewöhnliche Umstände können Ausgleichspflichten entfallen lassen, ohne Unterstützungsleistungen grundsätzlich zu berühren. Informationspflichten gegenüber Reisenden gelten während der Störung fortlaufend.
Gepäckrechte und Haftung
Für aufgegebenes und mitgeführtes Gepäck gelten einheitliche Haftungsgrundsätze bei Zerstörung, Verlust, Beschädigung oder Verspätung. Es bestehen Haftungshöchstgrenzen je Reisendem, die bei besonderem Interesse an der Lieferung unter bestimmten Voraussetzungen vertraglich angehoben werden können. Anzeigefristen und Nachweiserfordernisse sind zu beachten. Beschränkungen für gefährliche Gegenstände ergeben sich aus Sicherheits- und Gefahrgutvorgaben.
Barrierefreiheit und Nichtdiskriminierung
Reisende mit Behinderungen oder eingeschränkter Mobilität genießen besonderen Schutz. Diskriminierende Verweigerungen sind unzulässig, sofern Sicherheitsgründe nicht entgegenstehen. Flughäfen und Luftfahrtunternehmen müssen Hilfeleistungen bereitstellen und Informationen barrierearm zugänglich machen. Entgelte dürfen nicht aufgrund der Inanspruchnahme solcher Hilfeleistungen erhöht werden.
Pauschalreise und Nur-Flug
Bei Pauschalreisen greifen zusätzliche Schutzmechanismen, etwa für Insolvenzabsicherung und Vertragsdurchführung. Im reinen Linienflugvertrag gelten vorrangig luftverkehrs- und zivilrechtliche Regeln sowie die speziellen Fluggastrechte. Welche Regelungen Anwendung finden, hängt von der Art der Buchung und der Rolle des Reisevermittlers ab.
Sicherheit, Schutz und Betrieb
Flugsicherheit (Safety)
Luftfahrtunternehmen unterliegen umfassenden Sicherheitsanforderungen, einschließlich Ausbildung und Lizenzierung des Personals, Wartung und Lufttüchtigkeit der Flugzeuge sowie eines Sicherheitsmanagementsystems. Aufsichtsbehörden prüfen kontinuierlich die Einhaltung und können Maßnahmen von Auflagen bis zur Betriebseinschränkung ergreifen.
Schutz vor unrechtmäßigen Eingriffen (Security)
Zur Abwehr sicherheitsrelevanter Risiken bestehen einheitliche Kontrollen von Passagieren, Gepäck und Fracht. Flughäfen und Luftfahrtunternehmen setzen abgestufte Maßnahmen um, einschließlich Zugangskontrollen, Screening-Verfahren und Sicherheitsprogrammen. Vorgaben zu verbotenen Gegenständen und Meldepflichten sind verbindlich.
Leasing, Codesharing, Betrieb durch Dritte
Im Linienverkehr sind Kooperationen verbreitet. Codesharing ermöglicht die Vermarktung ein und desselben Fluges unter mehreren Flugnummern. Bei Wet-Lease- und Dry-Lease-Konstellationen sind Verantwortlichkeiten zwischen Halter, Betreiber und Vermarkter rechtlich zugeordnet. Transparenz gegenüber Reisenden über den ausführenden Frachtführer ist vorgeschrieben.
Datenverarbeitung und Fluggastdaten
Die Verarbeitung personenbezogener Daten unterliegt strengen Datenschutzregeln. Daneben bestehen Pflichten zur Übermittlung bestimmter Fluggast- und Buchungsdaten an Behörden zu Sicherheits- und Grenzzwecken. Zweckbindung, Datensicherheit und Speicherfristen sind rechtlich festgelegt.
Wettbewerb, Abgaben und Umwelt
Wettbewerbs- und Beihilferecht
Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Zusammenschlüsse und koordinierte Praktiken im Linienverkehr unterliegen der Kontrolle des Wettbewerbsrechts. Staatliche Unterstützungen für Luftfahrtunternehmen oder Flughäfen müssen mit den Vorgaben zu staatlichen Beihilfen vereinbar sein. Allianzen und Joint Ventures werden an wettbewerblichen Maßstäben gemessen.
Abgaben und Entgelte
Passagiere und Luftfahrtunternehmen können luftverkehrsspezifischen Abgaben unterliegen, etwa Luftverkehrsteuern, Sicherheitsentgelten, Lärmentgelten, Flugsicherungs- und Flughafenentgelten. Die Erhebung folgt gesetzlichen Grundlagen und veröffentlichten Entgeltordnungen; Transparenz und Nichtdiskriminierung sind maßgeblich.
Umwelt- und Lärmvorgaben
Für den Linienverkehr gelten Emissions- und Lärmgrenzen sowie Vorgaben zur effizienten Nutzung des Luftraums. Marktbasierten Instrumenten zur Emissionsminderung kann der Linienverkehr unterliegen. Flughäfen wenden Lärmschutzkonzepte und Betriebsbeschränkungen an, die luftverkehrs- und immissionsschutzrechtlich abgestimmt sind.
Zuständigkeiten und Durchsetzung
Aufsichtsbehörden
Behördliche Zuständigkeiten erstrecken sich auf Zulassung, laufende Sicherheitsaufsicht, Verbraucherschutzkontrolle, Slot-Koordination und Marktüberwachung. Bei Verstößen sind Anordnungen und Sanktionen möglich, bis hin zum Entzug von Genehmigungen.
Außergerichtliche Streitbeilegung
Zur Klärung von Konflikten im Linienverkehr bestehen anerkannte Schlichtungsstellen und Beschwerdeverfahren bei nationalen Durchsetzungsstellen. Diese ergänzen individuelle Ansprüche und fördern eine einheitliche Rechtsanwendung.
Gerichtsstände und anwendbares Recht
Gerichtsstände und das anwendbare Recht richten sich nach vertraglichen Vereinbarungen, allgemeinen zivilprozessualen Regeln sowie besonderen luftverkehrsspezifischen Zuständigkeits- und Haftungsregelungen. Im grenzüberschreitenden Linienverkehr kommen internationale Zuständigkeits- und Kollisionsnormen zur Anwendung.
Häufig gestellte Fragen
Was gilt rechtlich als Fluglinienverkehr?
Fluglinienverkehr liegt vor, wenn Beförderungen planmäßig nach veröffentlichtem Flugplan und zu allgemein zugänglichen Tarifen erfolgen. Entscheidend sind Regelmäßigkeit, Vorhersehbarkeit und die Öffnung des Angebots für die Allgemeinheit, unabhängig von der Auslastung einzelner Flüge.
Worin unterscheidet sich der Linienflug rechtlich vom Charterflug?
Der Linienflug folgt einem festen Flugplan und standardisierten Beförderungsbedingungen, während der Charterflug bedarfsorientiert durchgeführt wird und häufig auf gesondert vereinbarten Verträgen beruht. Für den Linienverkehr bestehen besondere Regeln zu Slots, Preistransparenz und Fluggastrechten, die im Charterverkehr teilweise anders ausgestaltet sind.
Wer ist Vertragspartner bei Codeshare-Flügen?
Vertragspartner ist das Unternehmen, das den Flug vermarktet und das Ticket ausstellt (vertraglicher Luftfrachtführer). Der tatsächlich ausführende Luftfrachtführer erbringt die Beförderungsleistung. Beide können je nach Anspruchsgrundlage verantwortlich sein; Transparenz über den ausführenden Frachtführer ist vorgeschrieben.
Welche Rechte bestehen bei Verspätung oder Annullierung im Linienverkehr?
Es bestehen europaweit einheitliche Mindeststandards für Unterstützung, Information, Erstattung oder anderweitige Beförderung sowie unter bestimmten Voraussetzungen Ausgleichszahlungen. Außergewöhnliche Umstände können Ausgleichspflichten ausschließen, ohne Unterstützungsleistungen generell entfallen zu lassen.
Welche Haftungsregeln gelten für Gepäck im Linienverkehr?
Für Zerstörung, Verlust, Beschädigung und Verspätung von Gepäck gelten einheitliche Haftungsgrundsätze mit Höchstgrenzen je Reisendem. Bei besonderem Interesse an der Lieferung kann eine höhere Haftungsgrenze vereinbart werden. Anzeigefristen und Nachweisregeln sind zu beachten.
Welche Bedeutung haben Slots rechtlich?
Slots sind zugewiesene Start- und Landerechte auf koordinierten Flughäfen. Ihre Zuteilung, Nutzung und Priorität folgen festen Regeln, die Kapazität steuern und fairen Wettbewerb sichern sollen. Nichtnutzung entgegen den Vorgaben kann zu Prioritätsverlusten führen.
Was gilt bei der Insolvenz einer Fluggesellschaft im Linienverkehr?
Ansprüche aus dem Beförderungsvertrag werden Teil des Insolvenzverfahrens. Für Direktbuchungen gelten die allgemeinen insolvenzrechtlichen Grundsätze, während bei Pauschalreisen zusätzliche Absicherungen greifen können. Erstattungsansprüche gegen Vermittler richten sich nach deren Rolle im Buchungsvorgang.