Begriff und rechtliche Grundlagen des Flächennutzungsplans
Ein Flächennutzungsplan (FNP) ist das zentrale formelle Planungsinstrument der vorbereitenden Bauleitplanung in Deutschland. Er wird gemäß § 5 Baugesetzbuch (BauGB) von den Gemeinden innerhalb ihres jeweiligen Gemeindegebiets aufgestellt. Der Flächennutzungsplan bildet die Grundlage für die geordnete städtebauliche Entwicklung und entfaltet als behördeninterner Plan keine unmittelbare Außenwirkung gegenüber Bürgerinnen und Bürgern. Seine rechtliche Bedeutung liegt vielmehr in der Bindung der Gemeinde und der koordinierten Steuerung späterer verbindlicher Bauleitpläne (Bebauungspläne).
Rechtliche Einordnung und Zielsetzungen
Funktionen und Ziele des Flächennutzungsplans
Der Flächennutzungsplan dient der Darstellung beabsichtigter städtebaulicher Entwicklung sowie der Steuerung und Lenkung der Bodennutzung im Gemeindegebiet. Er bildet die planerische Grundlage zur Ausweisung von Bauflächen, Grünflächen, Verkehrsflächen, land- und forstwirtschaftlichen Nutzflächen sowie Flächen für den Gemeinbedarf. Darüber hinaus enthält er Festlegungen zur Sicherung von Natur und Landschaft sowie die Sicherstellung sozialer, wirtschaftlicher und umweltbezogener Belange der Gemeindeentwicklung.
Gesetzliche Grundlagen
Zentrale rechtliche Grundlage für den Flächennutzungsplan ist das Baugesetzbuch (insbesondere §§ 5-7 BauGB). Ergänzt wird die rechtliche Einordnung durch die Baunutzungsverordnung (BauNVO), die Regelwerke des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (BImSchG), das Raumordnungsgesetz (ROG) sowie durch einschlägige europarechtliche Vorgaben. Der Flächennutzungsplan steht in einem Stufenverhältnis zur Landes- und Regionalplanung, an deren Ziele sich die gemeindliche Bauleitplanung anzulehnen hat.
Verfahren zur Aufstellung, Änderung und Aufhebung
Verfahrensschritte gemäß Baugesetzbuch
Die Aufstellung, Änderung oder Aufhebung eines Flächennutzungsplans erfolgt nach einem formalisierten Verfahren gemäß §§ 2 ff. BauGB. Hierzu zählen:
- Vorbereitende Verfahrenshandlungen: Aufstellungsbeschluss durch den Gemeinderat.
- Beteiligung der Öffentlichkeit (§ 3 BauGB): Information und Anhörung der Öffentlichkeit über Ziel und Zweck der Planung.
- Beteiligung der Behörden und sonstigen Träger öffentlicher Belange (§ 4 BauGB): Anhörung sowie Einholen von Stellungnahmen relevanter Stellen.
- Abwägung sämtlicher Belange (§ 1 Abs. 7 BauGB): Prüfung und Ausgleich verschiedener öffentlicher und privater Interessen durch das zuständige Gremium.
- Beschlussfassung durch den Gemeinderat
- Genehmigung durch die höhere Verwaltungsbehörde (§ 6 BauGB): Prüft Vereinbarkeit mit übergeordneten Planungen und Rechtsvorschriften.
- Bekanntmachung des genehmigten Plans
Rechtsschutz und Kontrollmöglichkeiten
Gegen den Flächennutzungsplan können im Regelfall keine unmittelbaren Rechtsmittel Dritter eingelegt werden. Eine gerichtliche Kontrolle erfolgt nur mittelbar, beispielsweise im Rahmen verwaltungsgerichtlicher Verfahren gegen nachfolgende Bebauungspläne oder im Kontext behördlicher Genehmigungsentscheidungen.
Inhalt und rechtliche Wirkungen des Flächennutzungsplans
Aufbau und Darstellung
Der Flächennutzungsplan besteht zumeist aus einer textlichen Begründung und einem kartografischen Teil. Er stellt unter anderem dar:
- Bauflächen (Wohnbau, Mischbau, Gewerbegebiet u.a.)
- Verkehrsflächen
- Flächen für Landwirtschaft und Forstwirtschaft
- Flächen für Gemeinbedarf (Schulen, Kindergärten usw.)
- Grünflächen und Flächen für Natur und Landschaft
Bindungswirkung und Rechtscharakter
Der Flächennutzungsplan entfaltet keine unmittelbare Rechtswirkung gegenüber Privatpersonen (sogenannter Vorbehaltscharakter). Er wirkt stattdessen intern verwaltungsbindend für nachgeordnete Planungen (Bebauungspläne) und durch ihn ist der Vorrang städtebaulicher Entwicklung gesichert. Bebauungspläne sind aus dem Flächennutzungsplan zu entwickeln (§ 8 Abs. 2 BauGB).
Für Behörden und Träger öffentlicher Belange ist der FNP maßgebliches Abstimmungsinstrument im Rahmen ihrer Planungen und Maßnahmen. Der Plan ist auch für die Beurteilung bauplanungsrechtlicher Zulässigkeit sogenannter „privilegierter Vorhaben im Außenbereich“ nach § 35 BauGB von Bedeutung.
Abweichungen, Anpassungen und Konfliktlösung
Entwicklungsgebot und Anpassungsgrundsatz
Ein Entwicklungsgebot verpflichtet die Gemeinde, verbindliche Bebauungspläne aus dem Flächennutzungsplan zu entwickeln. Dies dient der planerischen Stimmigkeit im Baurecht und stellt sicher, dass Bebauungspläne vor Ort nicht willkürlich, sondern im Rahmen der gesamtstädtischen Entwicklungsziele aufgestellt werden.
Ist eine Abweichung erforderlich, so ist grundsätzlich zuvor eine Änderung des FNP durchzuführen. Nur in Ausnahmefällen, etwa bei planwidrigen geringfügigen Abweichungen, kann hiervon abgesehen werden, sofern dies mit den Grundsätzen der Bauleitplanung zu vereinbaren ist.
Anpassung an die Regional- und Landesplanung
Der Flächennutzungsplan muss die Ziele der Raumordnung und Landesplanung berücksichtigen (§ 1 Abs. 4 BauGB) und an die Vorgaben der übergeordneten Planungsebenen anpassen. Konflikte zwischen Regional- und FNP werden im Rahmen der gesetzlichen Abwägung gelöst. Bei Unvereinbarkeit besteht die Verpflichtung zur Überarbeitung des FNP.
Flächennutzungsplan und Umweltrecht
Umweltprüfung und Umweltbericht
Im Rahmen der Aufstellung oder Änderung des FNP ist gemäß § 2 Abs. 4 BauGB eine umweltbezogene Prüfung durchzuführen. Hierbei werden die voraussichtlichen erheblichen Umweltauswirkungen des Plans in einem Umweltbericht dokumentiert und in die Abwägung einbezogen. Ziel ist die nachhaltige Entwicklung und der Schutz natürlicher Lebensgrundlagen.
Bedeutung für Natur, Artenschutz und Wasserrecht
Im Flächennutzungsplan finden umweltrechtliche Belange und Schutzmechanismen Niederschlag. Festlegungen zum Schutz von Gewässern, Biotopen oder zu baurechtlichen Restriktionen in Überschwemmungsgebieten erfolgen in Abstimmung mit den einschlägigen umweltrechtlichen Vorschriften auf Bundes- und Landesebene.
Zusammenfassung und Ausblick
Der Flächennutzungsplan ist das maßgebliche Instrument der vorbereitenden Bauleitplanung und sichert die geordnete städtebauliche Entwicklung der Gemeinden in Deutschland. Er ist rechtlich ausführlich geregelt, unterliegt einem strengen Verfahrensrecht und steht im wechselseitigen Bezug zu anderen Planungs-, Umwelt- und Raumordnungsvorschriften. Seine Bedeutung als Entscheidungsgrundlage und Koordinationsinstrument kann in Zeiten wachsender Anforderungen an Siedlungsentwicklung, Infrastruktur und Umweltschutz kaum überschätzt werden. Zukünftig bleibt die fortlaufende Anpassung an gesellschaftliche, ökologische und rechtliche Veränderungen eine zentrale Aufgabe der gemeindlichen Planungsträger.
Häufig gestellte Fragen
Welche rechtlichen Möglichkeiten bestehen gegen einen Flächennutzungsplan Einspruch zu erheben?
Im deutschen Planungsrecht gilt der Flächennutzungsplan (FNP) als vorbereitender Bauleitplan, der keine unmittelbare Außenwirkung gegenüber dem Bürger entfaltet, sondern verwaltungsinterne Bindungswirkung für die Gemeinde und andere Planungsträger besitzt. Ein direkter Rechtsbehelf wie die Anfechtungsklage gegen den FNP ist daher für den Bürger grundsätzlich ausgeschlossen (§ 47 VwGO bezieht sich nur auf Bebauungspläne und Satzungen nach § 10 BauGB, nicht aber auf Flächennutzungspläne). Dennoch bestehen im Rahmen des Beteiligungsverfahrens nach § 3 BauGB für jede natürliche und juristische Person die Möglichkeit, Stellungnahmen während der öffentlichen Auslegung abzugeben. Auch Träger öffentlicher Belange nach § 4 BauGB sind zu beteiligen. Sollte sich ein Bürger als durch den FNP in eigenen Rechten verletzt ansehen, kann im Einzelfall eine sogenannte Feststellungsklage nach § 43 VwGO in Betracht kommen, etwa wenn ein vollzogener FNP als Grundlage einer rechtswidrigen Verwaltungsentscheidung benutzt wurde und sich daraus beschwerte Konsequenzen für den Kläger ergeben. Die praktischen Erfolgsaussichten sind jedoch eingeschränkt, da die unmittelbare Rechtswirkung des FNP fehlt. Erst bei der Umsetzung in verbindliches Planungsrecht (Bebauungsplan) kann effektiver Rechtsschutz (z.B. durch Normenkontrollantrag nach § 47 VwGO) erfolgen.
Inwiefern unterliegt der Flächennutzungsplan der gerichtlichen Kontrolle?
Obwohl der Flächennutzungsplan keine unmittelbare Rechtswirkung gegenüber Privatpersonen hat, unterliegt er dennoch der gerichtlichen Kontrolle. Gerichte überprüfen Flächennutzungspläne im Regelfall inzident – also mittelbar – im Rahmen von Klagen gegen aus dem FNP abgeleitete Verwaltungsakte oder bei Streitigkeiten um Bebauungspläne, die auf dem FNP fußen. Hierbei überprüfen Verwaltungsgerichte, ob der FNP verfahrens- und materiell-rechtlich ordnungsgemäß zustande gekommen ist, insbesondere ob die gesetzlichen Vorgaben nach dem BauGB (z.B. Erforderlichkeit nach § 1 Abs. 3 BauGB, ordnungsgemäße Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung, Umweltprüfung nach § 2 Abs. 4 BauGB) eingehalten wurden. Typische Anlässe für eine solche inzidente Prüfung sind Ablehnungen von Bauanträgen, bei denen die Begründung (Unvereinbarkeit mit den Darstellungen des FNP) rechtlich angegriffen wird.
Welche Rolle spielt der Flächennutzungsplan bei der Kontrolle von Genehmigungen und Bauanträgen?
Der FNP ist als vorbereitender Bauleitplan für die Verwaltung verbindlich. Nach § 35 BauGB (Bauen im Außenbereich), aber auch bei der Beurteilung von Vorhaben in Gebieten ohne qualifizierten Bebauungsplan, wird auf die Darstellungen des FNP zurückgegriffen. Kommunale Baugenehmigungsbehörden sind verpflichtet, die Planungsabsichten aus dem FNP zu berücksichtigen, können jedoch im Rahmen des pflichtgemäßen Ermessens davon abweichen, wenn die tatsächlichen Gegebenheiten dies erfordern. Da dem FNP keine unmittelbare Rechtsverbindlichkeit für Privatpersonen zukommt, können Bauherren zwar keine Ansprüche aus dem FNP ableiten, aber Behörden müssen Abweichungen vom FNP begründen. Gerichte überprüfen im Streitfall, ob die Verwaltung pflichtgemäß mit den FNP-Darstellungen umgegangen ist.
Muss der Flächennutzungsplan regelmäßig aktualisiert werden und gibt es rechtliche Vorgaben für Änderungen?
Es gibt keine starre gesetzliche Vorgabe im BauGB, nach der der FNP regelmäßig aktualisiert werden muss. Jedoch muss der FNP gemäß § 1 Abs. 3 BauGB stets die städtebauliche Entwicklung ordnungsgemäß steuern („erforderlich“ sein). Ändern sich wesentliche Rahmenbedingungen, ist die Gemeinde verpflichtet, den FNP fortzuschreiben oder zu ändern. Für die Änderung eines FNP gelten dieselben Beteiligungs- und Abwägungsvorschriften wie für seine erstmalige Aufstellung. Bei fortschreitender Diskrepanz zwischen Realität und Planungsstand können sich rechtliche Risiken für die Gemeinde ergeben, z.B. im Rahmen der gerichtlichen Kontrolle von Bebauungsplänen, die auf veralteten FNP beruhen.
Welche rechtlichen Konsequenzen hat eine fehlerhafte Aufstellung des Flächennutzungsplans?
Formelle oder materielle Fehler bei der Aufstellung eines FNP, wie etwa Verstöße gegen Beteiligungsvorschriften (§§ 3, 4 BauGB), Abwägungsfehler (§ 1 Abs. 7 BauGB) oder unterlassene Umweltprüfungen (§ 2 Abs. 4 BauGB), können im Rahmen der gerichtlichen Inzidentkontrolle zur Fehlerhaftigkeit der Planungsentscheidungen führen, insbesondere dann, wenn sie sich auf die Abwägung maßgeblich ausgewirkt haben. Ein fehlerhafter FNP kann daraufhin für unwirksam erklärt werden – allerdings bleibt seine mangelnde Außenwirkung zu beachten. In der Praxis entfalten Fehler vor allem Auswirkungen auf darauf basierende Bebauungspläne oder Verwaltungsentscheidungen (Baugenehmigungen, Zurückstellungen), die dann ihrerseits angreifbar werden.
Welche Bedeutung hat der Flächennutzungsplan für die Rechtslage im Außenbereich?
Im sogenannten Außenbereich (§ 35 BauGB) ist der FNP ein zentrales Indiz bei der Bewertung, ob ein Vorhaben privilegiert zugelassen werden kann oder ob öffentliche Belange entgegenstehen. Während dort grundsätzlich nur privilegierte Vorhaben zulässig sind, kann der FNP bestimmte Flächen als für eine spätere bauliche Nutzung vorgesehen ausweisen („Bauflächenreserven“), was bei der Genehmigungsentscheidung als weiteres Abwägungsmerkmal dient. Allerdings schafft der FNP für sich genommen keine Rechtsansprüche auf Baugenehmigung – die rechtliche Wertung erfolgt stets einzelfallbezogen und unter Berücksichtigung der übrigen gesetzlichen Vorgaben.
Wer ist zur Aufstellung, Änderung und Fortschreibung eines Flächennutzungsplans rechtlich befugt?
Zur Aufstellung, Änderung und Fortschreibung eines Flächennutzungsplans ist nach § 2 BauGB ausschließlich die Gemeinde zuständig. Die Planungshoheit der Gemeinde ist verfassungsrechtlich in Art. 28 Abs. 2 GG (Selbstverwaltungsrecht) verankert. Die Gemeinde kann sich jedoch zur Planung Dritter bedienen, etwa Planungsbüros, muss aber das Verfahren unter ihrer Leitung führen und trägt die Entscheidungshoheit über die Inhalte. Landratsämter oder höhere Verwaltungsbehörden können nur im Rahmen der gesetzlichen Aufsicht und nach Maßgabe des einschlägigen Landesrechts in das Verfahren eingreifen (zum Beispiel Genehmigung des FNP durch höhere Verwaltungsbehörde nach § 6 BauGB).