Begriff und Definition der Firmenbestattung
Der Begriff Firmenbestattung bezeichnet die bewusste und gezielte Abwicklung und Liquidation einer Kapitalgesellschaft (meist GmbH oder UG), um deren Existenz formell zu beenden, ohne dass hierfür die gesetzlichen Abwicklungs- und Löschungsprozesse ordnungsgemäß durchgeführt werden. Umgangssprachlich wird die Firmenbestattung auch als „Firmenbeerdigung“ oder „Firmenfriedhof“ bezeichnet. Im engeren Sinn ist darunter die illegale oder zumindest rechtsumgehende Praxis zu verstehen, Gesellschaften, die oftmals wirtschaftlich erfolglos oder überschuldet sind, „loszuwerden“, ohne reguläre Insolvenzverfahren zu durchlaufen.
Der Begriff ist vor allem im deutschen und österreichischen Recht bekannt, findet jedoch auch in anderen Rechtssystemen Resonanz. Die Firmenbestattung hat sowohl gesellschaftsrechtliche als auch insolvenz- und strafrechtliche Relevanz.
Rechtliche Rahmenbedingungen der Firmenbestattung
Gesellschaftsrechtliche Grundlagen
Die rechtmäßige Beendigung einer Kapitalgesellschaft unterliegt in Deutschland den Vorschriften des Handelsgesetzbuchs (HGB), des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) und insbesondere des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG). Die gesellschaftsrechtlich korrekte Liquidation umfasst verschiedene Schritte:
- Beschluss zur Auflösung der Gesellschaft durch die Gesellschafter,
- Bestellung der Liquidatoren,
- Durchführung der Liquidation, insbesondere die Befriedigung der Gläubiger und Verteilung des Restvermögens,
- Eintragung der Auflösung und Löschung im Handelsregister gemäß §§ 60, 65 ff. GmbHG.
Eine Firmenbestattung umgeht absichtlich diese Prozesse. Es wird versucht, die Gesellschaft ohne formelle Liquidation oder Insolvenz verschwinden zu lassen, etwa durch Sitzverlegung ins Ausland, fingierte Übertragungen oder die Einschaltung von sogenannten „Firmenbestattern“.
Insolvenzrechtliche Bedeutung
Nach § 15a Insolvenzordnung (InsO) besteht für die Geschäftsleitung einer zahlungsunfähigen oder überschuldeten Kapitalgesellschaft die Pflicht, ohne schuldhaftes Zögern, spätestens aber binnen drei Wochen, Insolvenzantrag zu stellen. Die Firmenbestattung ist regelmäßig ein Versuch, dieser Antragspflicht zu entgehen und das Insolvenzverfahren zu vermeiden.
Gelingt dies, sind häufig Gläubigerinteressen gefährdet, da ihre Ansprüche nicht im Insolvenzverfahren angemeldet werden können. Zudem wird durch das Verschwindenlassen der Gesellschaft auch eine Vermögensverschleppung begünstigt.
Registerrechtliche Auswirkungen
Im deutschen Handelsregisterrecht ist die Existenz einer Gesellschaft solange erfasst, bis deren Löschung ordnungsgemäß erfolgt ist. Für die Löschung nach Liquidation sind die Nachweise der Beendigung und der Gläubigerbefriedigung notwendig (§ 74 GmbHG, § 394 FamFG). Bei Firmenbestattungen steht die Gesellschaft oft als „Leiche“ im Handelsregister, was für Behörden, Gläubiger und Vertragspartner zu erheblichen Rechtsunsicherheiten führt.
Steuerrechtliche Konsequenzen
Steuerrechtlich sind bei der Abwicklung einer Gesellschaft Abschlussbilanzen und Steuererklärungen zu erstellen. Verantwortlich hierfür bleiben die gesetzlichen Vertreter beziehungsweise die Liquidatoren. Eine Firmenbestattung entzieht sich der Erfüllung steuerlicher Pflichten, weshalb erhebliche steuerrechtliche Sanktionen, insbesondere auf Ebene der Geschäftsführer/Liquidatoren drohen (beispielsweise Haftung gemäß § 69 AO und § 34 AO für steuerliche Fehlverhalten).
Formen und Methoden der Firmenbestattung
Verlagerung in das Ausland
Eine häufige Methode ist die Verlagerung des Gesellschaftssitzes ins Ausland. Die Gesellschaft wird dabei häufig in Länder mit weniger strengen Register- und Publizitätspflichten transferiert. In vielen Fällen erfolgt nach Sitzverlegung keine weitere Führung der Geschäfte, was zur faktischen „Beerdigung“ der Gesellschaft führt. Dies ist jedoch oftmals nicht mit den Löschungsvorschriften nach deutschem Recht vereinbar.
Firmenbestatter als Intermediäre
Firmenbestatter bieten inoffiziell Dienstleistungen an, die Liquidation, Sitzverlegung oder Übertragung von Geschäftsanteilen an „Strohpersonen“ umfassen. Ziel ist es, die Verantwortlichen „aus der Schusslinie“ zu bringen und Rechtsverfolgung zu erschweren. Die so abgewickelten Firmen werden jedoch meist nicht aus den Registern gelöscht, sondern bleiben als „verwaiste Gesellschaften“ bestehen.
Scheingeschäfte und Scheintransaktionen
Weitere Techniken umfassen fingierte Verkaufsgeschäfte von Gesellschaften an nicht auffindbare oder zahlungsunfähige Personen, die Erstellung falscher Dokumente sowie das Verschweigen von Vermögenswerten.
Strafrechtliche und zivilrechtliche Konsequenzen
Strafrechtliche Tatbestände
Die Firmenbestattung kann verschiedene Straftatbestände erfüllen, insbesondere:
- Insolvenzverschleppung (§ 15a InsO)
- Bankrott (§ 283 StGB)
- Gläubigerbegünstigung (§ 283c StGB)
- Verletzung der Buchführungspflicht (§ 283b StGB)
- Steuerstraftaten (Abgabenordnung § 370 ff.)
Sofern die Firmenbestattung mit Täuschung oder Irreführung von Behörden, Gläubigern oder Vertragspartnern erfolgt, können weitergehende Straftatbestände, wie Betrug oder Urkundenfälschung, verwirklicht werden.
Haftungsrisiken
Zivilrechtlich haften die für die Firmenbestattung verantwortlichen Organmitglieder für entstandene Schäden und unerfüllte Verbindlichkeiten. Insbesondere kann eine Durchgriffshaftung nach Grundsätzen der sogenannten „Existenzvernichtungshaftung“ oder – im Fall der Nichtabführung von Sozialabgaben und Steuern – eine persönliche Haftung in Betracht kommen.
Maßnahmen zur Verhinderung und Rechtsfolgen für Betroffene
Präventive Maßnahmen
Behörden und Registergerichte prüfen Gesellschaftsauflösungen und -verlagerungen verstärkt und verlangen Nachweise über die tatsächliche Durchführung der Liquidation. Die Veröffentlichung im Handelsregister und die Einbindung der Steuerverwaltung dienen als Kontrollmechanismen.
Rechtsverfolgung
Geschädigte Gläubiger können Ansprüche gegen die ehemaligen Geschäftsführer, Gesellschafter oder Käufer geltend machen. Strafverfolgungsbehörden leiten regelmäßig Ermittlungsverfahren ein, sobald Anhaltspunkte für eine Firmenbestattung bestehen. Die Durchsetzung von Ansprüchen kann in der Praxis jedoch erschwert sein, da Verantwortliche oft anonym oder nur schwer auffindbar sind.
Literatur, Quellen und Weiterführendes
- Handelsgesetzbuch (HGB)
- Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG)
- Insolvenzordnung (InsO)
- Abgabenordnung (AO)
- Strafgesetzbuch (StGB)
- FamFG (Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit)
- Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz: Informationen zur Löschung von Gesellschaften
Firmenbestattung stellt eine erhebliche rechtliche Problematik im Bereich der Gesellschaftsliquidation dar und ist mit vielfältigen rechtlichen, insbesondere haftungs- und strafrechtlichen Risiken für alle Beteiligten verbunden. Das Vorgehen widerspricht den Grundprinzipien eines geordneten Wirtschaftsverkehrs und wird daher zunehmend von Gesetzgeber und Verfolgungsbehörden bekämpft.
Häufig gestellte Fragen
Was passiert rechtlich mit bestehenden Verträgen einer Firma nach deren Auflösung?
Im rechtlichen Kontext führt die Auflösung einer Firma nicht unmittelbar zur Beendigung aller bestehenden Verträge. Vielmehr geht die Gesellschaft mit der Auflösung – etwa durch Gesellschafterbeschluss, Zeitablauf oder Gerichtsurteil – in das sogenannte Abwicklungsstadium (Liquidation) über. Während dieser Zeit bleiben die rechtlichen Verbindlichkeiten und Vertragsverhältnisse bestehen, die nicht automatisch durch die Auflösung erlöschen (§ 145 HGB, § 157 HGB für die OHG und KG; §§ 66 ff. GmbHG für die GmbH). Die Liquidatoren nehmen die Aufgabe wahr, laufende Geschäfte zu beenden, neue Geschäfte nur zur Abwicklung vorzunehmen sowie das Vermögen der Gesellschaft in Geld umzusetzen, um Gläubiger zu befriedigen und einen Überschuss an die Gesellschafter zu verteilen. Erst mit Vollbeendigung der Gesellschaft, also nach Abschluss der Liquidation und Löschung im Handelsregister, erlöschen die noch offenen Verträge, soweit sie nicht infolge der besonderen gesetzlichen Regelung (z. B. durch Tod bei Einzelunternehmen) bereits erloschen sind oder im Rahmen der Liquidation abwickelt wurden. Sonderregelungen gelten bei bestehenden Dauerschuldverhältnissen, die von den Liquidatoren ordentlich oder außerordentlich gekündigt werden können. Zudem sind etwaige Vertragsklauseln zur Vertragsbeendigung bei Gesellschaftsauflösung rechtlich zu prüfen.
Welche Pflichten treffen die ehemaligen Geschäftsführer oder Liquidatoren bei einer Firmenbeendigung?
Nach rechtlicher Maßgabe haben vormalige Geschäftsführer oder bestellte Liquidatoren während der Abwicklung umfangreiche Pflichten. Sie müssen insbesondere die Abwicklung der laufenden Geschäfte vornehmen, das Gesellschaftsvermögen realisieren, Gläubiger befriedigen und einen eventuell verbleibenden Überschuss an die Gesellschafter verteilen (§ 73 GmbHG; § 149 HGB). Weitere rechtliche Pflichten umfassen die ordnungsgemäße Buchführung und Bilanzerstellung, Erstellung und Hinterlegung des Schlussberichts sowie die Erfüllung steuerlicher Pflichten (z. B. Anfertigung und Abgabe von Steuererklärungen, Beachtung der steuerlichen Aufbewahrungsfristen nach § 147 AO). Die Liquidatoren sind verpflichtet, öffentlich zur Anmeldung von Ansprüchen der Gläubiger aufzufordern und die gesetzlich vorgeschriebene Sperrfrist (bei GmbHs mindestens ein Jahr gemäß § 73 Abs. 1 GmbHG) einzuhalten. Sie haften zudem persönlich für schuldhafte Pflichtverletzungen gegenüber Gläubigern und Gesellschaftern, falls sie ihre Obliegenheiten nicht ordnungsgemäß erfüllen.
Wie erfolgt die rechtliche Löschung einer Firma aus dem Handelsregister?
Die Anmeldung zur Löschung einer Gesellschaft im Handelsregister ist der letzte Schritt nach Abschluss sämtlicher Abwicklungsmaßnahmen. Die Liquidatoren beziehungsweise die zur Vertretung berufenen Personen haben dazu einzureichen: die handelsregisterliche Abmeldung (notariell beglaubigt), einen Liquidationsschlussbericht sowie die Nachweise über die Erfüllung aller gesetzlichen Pflichten (wie Ablauf des Sperrjahres, Gläubigerbefriedigung und Verteilung des Restvermögens). Die Löschung der Gesellschaft erfolgt sodann durch das Registergericht (§ 74 GmbHG; § 157 HGB), welches insbesondere prüft, ob Gründe für eine Löschung bestehen und alle gesellschaftsrechtlichen und insolvenzrechtlichen Belange beachtet wurden. Es besteht eine Nachhaftung der Gesellschafter und Liquidatoren für etwaige unbekannte oder noch entstehende Verpflichtungen, begrenzt auf fünf Jahre (§ 73 Abs. 3 GmbHG).
Wer haftet nach der Beendigung einer Firma für noch offene Verbindlichkeiten?
Mit der abgeschlossenen Löschung der Gesellschaft im Handelsregister ist grundsätzlich das haftende Rechtssubjekt erloschen. Gläubiger gehen nach der Löschung regelmäßig leer aus, sofern das Gesellschaftsvermögen erschöpft und keine individuelle Haftung über § 73 Abs. 3 GmbHG oder § 160 HGB (Nachhaftung bei Personengesellschaften) mehr geltend gemacht werden kann. Eine persönliche Nachhaftung trifft die Liquidatoren und Gesellschafter nur, wenn diese schuldhaft gegen gesetzliche Pflichten verstoßen (z. B. Gläubigerbenachteiligung, Insolvenzverschleppung). Im Fall von Personengesellschaften (insbesondere OHG, KG) haften die ehemaligen Gesellschafter für während ihrer Zugehörigkeit begründete Verbindlichkeiten noch fünf Jahre nach der Löschung. Als Ausnahme möglich ist die „Wiederauflebenshaftung“, falls nach Löschung noch Vermögen vorhanden ist oder Ansprüche gegen die Gesellschaft später zutage treten (§ 73 Abs. 3 GmbHG; § 159 HGB).
Welche steuerlichen Folgen sind mit der Beendigung einer Firma verbunden?
Rechtlich ist die Beendigung eines Unternehmens stets mit einer Schlussbesteuerung verbunden. Zunächst ist eine sogenannte Schlussbilanz auf den Zeitpunkt der Beendigungsmaßnahme zu erstellen. Die Liquidatoren sind verpflichtet, alle steuerlich relevanten Vorgänge (einschließlich der Veräußerung von Betriebsvermögen oder Übertragung auf Gesellschafter) zu deklarieren (§ 16 EStG, §§ 11, 17, 22 UmwStG bei Umwandlungen). Es sind Umsatzsteuer (z. B. auf die Veräußerung von Wirtschaftsgütern), Körperschaftsteuer (bei Kapitalgesellschaften) und ggf. Gewerbesteuer zu zahlen. Eine Betriebsaufgabe beziehungsweise Liquidationsbesteuerung kann zu einer Aufdeckung und Versteuerung stiller Reserven führen (§ 16 Abs. 3 EStG). Steuerliche Pflichten bestehen über die handelsrechtliche Liquidation hinaus: Auch nach der Löschung kann das Finanzamt unter Umständen Steuerbescheide an die ehemalige Gesellschaft adressieren, wenn eine Abwicklung nicht sauber durchgeführt wurde (vgl. BFH, Urteil vom 26.6.2007 – VII R 60/05).
Welche Aufbewahrungsfristen gelten für Unterlagen nach der Firmenbeendigung?
Auch nach der rechtlichen Beendigung einer Firma müssen die ehemaligen gesetzlichen Vertreter (Geschäftsführer, Liquidatoren) kaufmännische und steuerrelevante Unterlagen für einen gesetzlich vorgegebenen Zeitraum aufbewahren. Nach § 257 HGB sowie § 147 AO sind insbesondere Handelsbücher, Inventare, Jahresabschlüsse, Buchungsbelege, Rechnungen sowie geschäftliche Korrespondenz mindestens zehn Jahre, sonstige Geschäftsunterlagen sechs Jahre aufzubewahren. Diese Pflicht geht bei GmbHs und Aktiengesellschaften auf die ehemaligen Geschäftsführer/Liquidatoren als sogenannte Aufbewahrungspflichtige über. Ein Verstoß kann zu Sanktionen führen. Gläubigern und dem Fiskus müssen auf Verlangen Einsicht in diese Unterlagen gewährt werden. Die Frist beginnt mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Eintragung der Löschung im Handelsregister erfolgt ist.
Wie ist der Ablauf eines Insolvenzverfahrens im Rahmen der Firmenbestattung rechtlich geregelt?
Führt die Beendigung der Firmenexistenz zur Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung, sind die Geschäftsführer oder Liquidatoren zwingend verpflichtet, unverzüglich – spätestens binnen drei Wochen – einen Insolvenzantrag beim zuständigen Insolvenzgericht zu stellen (§ 15a InsO). Nach Beantragung und Eröffnung des Insolvenzverfahrens befindet sich das Unternehmen unter der Aufsicht des Insolvenzverwalters, der die Position der Liquidatoren ersetzt. Die Abwicklung erfolgt sodann ausschließlich nach insolvenzrechtlichen Grundsätzen; die Befriedigung der Insolvenzgläubiger steht im Vordergrund. Nach der vollständigen Beendigung des Insolvenzverfahrens nimmt das Registergericht die Löschung der Firma vor. Dabei sind die Insolvenzanmeldung und das vorläufige Insolvenzverfahren (ggf. Eigenverwaltung) streng rechtlich geregelt, und Verzögerungen können strafbewährt sein (Insolvenzverschleppung, § 15a Abs. 4 InsO). Die Beendigung der Firma durch Insolvenz ist somit ein Sonderfall der Firmenbestattung und unterliegt umfassenden gesetzlichen Vorgaben.