Legal Lexikon

Finanzunternehmen


Begriff und rechtliche Einordnung von Finanzunternehmen

Ein Finanzunternehmen ist ein Begriff des deutschen und europäischen Finanzmarkt- sowie Aufsichtsrechts. Die Bezeichnung umfasst eine Vielzahl unterschiedlicher Rechtsformen und Tätigkeitsbereiche, die alle das Erbringen von Finanzdienstleistungen im weitesten Sinne gemein haben. Der vorliegende Artikel beleuchtet die rechtliche Definition, Abgrenzung, die einschlägigen gesetzlichen Grundlagen, Typen und die regulatorischen Anforderungen an Finanzunternehmen unter Berücksichtigung maßgeblicher Rechtsquellen.


Definition im Sinne des deutschen und europäischen Rechts

Allgemeine Definition

Nach § 1 Abs. 3 Gesetz über das Kreditwesen (Kreditwesengesetz – KWG) wird unter dem Begriff „Finanzunternehmen“ ein Unternehmen verstanden, das keine Kredit- oder Finanzdienstleistungsinstitution im engeren Sinne ist, aber hauptsächlich Beteiligungen hält oder sonstige Finanzdienstleistungen nach dem Annex I der Richtlinie 2013/36/EU (Capital Requirements Directive IV – CRD IV) erbringt.

Abgrenzung: Finanzunternehmen vs. Kreditinstitute und Finanzdienstleistungsinstitute

Das Kreditwesengesetz differenziert zwischen Finanzunternehmen, Kreditinstituten (§ 1 Abs. 1 KWG) und Finanzdienstleistungsinstituten (§ 1 Abs. 1a KWG). Während Kreditinstitute beispielsweise die Annahme von Einlagen und das Betreiben von Kreditgeschäften umfassen und Finanzdienstleistungsinstitute spezielle Finanzdienstleistungen (z. B. Anlagevermittlung, Abschlussvermittlung) anbieten, sind Finanzunternehmen insbesondere durch das Halten von Beteiligungen oder die Durchführung anderer bestimmter Aktivitäten charakterisiert.


Gesetzliche Grundlagen und aufsichtsrechtlicher Rahmen

Nationale Rechtsgrundlagen

Kreditwesengesetz (KWG)

Das KWG bildet die zentrale Rechtsgrundlage für Finanzunternehmen in Deutschland. Wesentliche Definitionen finden sich in § 1 Abs. 3 KWG sowie in ergänzenden Vorschriften zu Eigenmitteln (§ 10 KWG) und Meldepflichten.

Weitere einschlägige Gesetze

Insbesondere das Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz (ZAG), das Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB) und das Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) setzen spezifische Anforderungen für bestimmte Tätigkeitsfelder, die von Finanzunternehmen übernommen werden können.

Europäische Rechtsquellen

Richtlinie 2013/36/EU (CRD IV)

Die CRD IV definiert Finanzunternehmen in Anhang I und steuert im Zusammenspiel mit der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 (CRR) die Eigenmittelanforderungen und Aufsichtsvorgaben für Finanzunternehmen auf europäischer Ebene.

Sonstige EU-Vorschriften

Für bestimmte Finanzunternehmen gelten zusätzliche Regelungen durch MiFID II (Richtlinie 2014/65/EU) und die Zahlungsdiensterichtlinie (PSD2).


Arten und Tätigkeitsbereiche von Finanzunternehmen

Beteiligungsgesellschaften

Finanzunternehmen können als Beteiligungsgesellschaften, insbesondere als Finanzholdings, agieren, deren Hauptzweck das Halten und Verwalten von Beteiligungen an anderen Unternehmen des Finanzsektors ist. Diese Holdingfunktionen unterliegen spezifischen konsolidierten aufsichtsrechtlichen Vorgaben.

Spezialfinanzunternehmen

Unter die Definition fallen auch Unternehmen, deren Haupttätigkeit die Anlage von Eigenmitteln, der Erwerb und das Halten von Wertpapieren, Immobilien oder anderen Finanzinstrumenten ist, sofern sie die Schwellenwerte des § 1 Abs. 3 KWG erreichen und keine anderweitigen bankaufsichtsrechtlichen Tätigkeiten betreiben.

Zahlungsinstitute und E-Geld-Institute

Unterkategorien des Finanzunternehmens sind Zahlungsinstitute und E-Geld-Institute, die jeweils unter das ZAG fallen. Ihre Tätigkeiten sind allerdings eng durch das KWG, ZAG sowie einschlägige EU-Rechtsakte geregelt.


Regulatorische Anforderungen und Aufsicht

Erlaubnispflicht und Anzeige

Grundsätzlich benötigen Finanzunternehmen in Deutschland keine gesonderte Erlaubnis nach KWG, sofern sie nicht im Sinne anderer institutsbezogener Definitionen (z. B. als Kredit- oder Finanzdienstleistungsinstitut) tätig werden. Dennoch bestehen umfangreiche Melde- und Anzeigepflichten gegenüber der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) gemäß KWG und CRR.

Eigenmittel- und Liquiditätsanforderungen

Spezielle Eigenkapitalanforderungen gemäß CRR gelten für bestimmte Unternehmensgruppen, insbesondere dann, wenn sie in den Konsolidierungskreis eines beaufsichtigten Instituts fallen. Wesentliche Zielsetzung ist die Sicherstellung der Risikotragfähigkeit und Stabilität des Finanzunternehmens.

Gruppenaufsicht und Konsolidierung

Finanzholdings und gemischte Finanzholdinggesellschaften unterliegen der sogenannten Gruppenaufsicht, insbesondere wenn sie Obergesellschaften in einem aufsichtsrechtlichen Konsolidierungskreis sind. Die Gruppenaufsicht umfasst aufsichtsrechtliche Anzeige-, Melde- und Prüfpflichten, deren Einhaltung durch die Konsolidierung der Eigenmittel und die risikogewichteten Aktiva überwacht wird.


Abgrenzungsmerkmale und Sonderfälle

Nicht einbezogene Gesellschaften

Nicht jedes Unternehmen, das Tätigkeiten im Finanzsektor entfaltet, ist automatisch ein Finanzunternehmen im Sinne des KWG. Ausdrücklich ausgenommen werden beispielsweise Unternehmen, deren Haupttätigkeit in der gewerblichen Tätigkeit außerhalb des klassischen Finanzbereichs liegt, sowie bestimmte Unternehmen mit erweiterter Zweckbestimmung.

Mischunternehmen

Mischunternehmen nach § 1 Abs. 9 KWG sind Unternehmen, die gleichzeitig neben dem Finanzbereich auch in anderen Wirtschaftsbereichen tätig sind. Sie werden gesondert betrachtet und unterliegen abweichenden regulatorischen Vorgaben.


Bedeutung im Finanzaufsichtssystem

Finanzunternehmen sind ein zentraler Bestandteil des deutschen und europäischen Finanzaufsichtssystems. Ihre regulatorische Erfassung ist wesentlich, um konzernübergreifende Risiken, insbesondere Konzentrations-, Ansteckungs- und Systemrisiken, frühzeitig zu erkennen und zu steuern. Bereits im Zuge der Bankenunion auf EU-Ebene wurde die übergeordnete Bedeutung konsolidierter Aufsicht und einheitlicher regulatorischer Anforderungen verstärkt.


Literatur und weiterführende Normen

  • Kreditwesengesetz (KWG)
  • Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz (ZAG)
  • Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB)
  • Wertpapierhandelsgesetz (WpHG)
  • Verordnung (EU) Nr. 575/2013 (CRR)
  • Richtlinie 2013/36/EU (CRD IV)
  • Richtlinie 2014/65/EU (MiFID II)
  • Zahlungsdiensterichtlinie (PSD2)

Fazit

Finanzunternehmen nehmen im Finanzmarkt eine bedeutende Rolle ein und sind komplexen gesetzlichen sowie aufsichtsrechtlichen Rahmenbedingungen unterworfen. Mit der präzisen und rechtlich fundierten Definition und den differenzierten Anforderungen aus KWG, CRD IV und weiteren Normen wird sichergestellt, dass Risiken bewertet und gesteuert werden können. Die fortlaufende Entwicklung der Europäischen und nationalen Rechtsvorschriften bleibt dabei von hoher Relevanz für die Regulierungspraxis von Finanzunternehmen.

Häufig gestellte Fragen

Welche gesetzlichen Anforderungen müssen Finanzunternehmen zur Geldwäscheprävention erfüllen?

Finanzunternehmen unterliegen in Deutschland strengen gesetzlichen Vorschriften zur Geldwäscheprävention. Grundlage hierfür ist insbesondere das Geldwäschegesetz (GwG), das sämtliche Verpflichtete dazu anhält, angemessene interne Sicherungsmaßnahmen zu ergreifen. Dazu zählen die Identifizierung und Legitimationsprüfung von Kunden nach den Grundsätzen „Kenne deinen Kunden“ (KYC), die Einrichtung eines Risikomanagement-Systems zur Bewertung und Steuerung von Geldwäscherisiken, die Durchführung interner Schulungen, die Benennung eines Geldwäschebeauftragten und das Erstellen von Verdachtsmeldungen an die zuständigen Ermittlungsbehörden im Falle auffälliger Transaktionen. Die Einhaltung dieser Anforderungen wird durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) oder andere zuständige Aufsichtsbehörden kontrolliert. Verstöße gegen die Vorgaben des GwG können empfindliche Bußgelder und aufsichtsrechtliche Maßnahmen nach sich ziehen.

Welche aufsichtsrechtliche Lizenz benötigen Finanzunternehmen für ihre Geschäftstätigkeit?

Finanzunternehmen, die Bankgeschäfte oder Finanzdienstleistungen im Sinne des Kreditwesengesetzes (KWG) erbringen wollen, benötigen grundsätzlich eine Erlaubnis der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin). Die Erlaubnispflicht umfasst insbesondere das Einlagengeschäft, das Kreditgeschäft, das Depotgeschäft sowie bestimmte Wertpapier- und Zahlungsdienste. Im Erlaubnisverfahren wird die Zuverlässigkeit, fachliche Eignung der Geschäftsleiter, eine ordnungsgemäße Geschäftsorganisation sowie eine ausreichende Kapitalausstattung geprüft. Zudem sind genaue Angaben zur geplanten Geschäftstätigkeit, den Gesellschaftern und der Mittelherkunft erforderlich. Die Erteilung der Lizenz ist zwingende Voraussetzung für die Aufnahme der entsprechenden Geschäftstätigkeit; ein Tätigwerden ohne Zulassung stellt eine Straftat dar.

Welche Meldepflichten gegenüber Aufsichtsbehörden bestehen für Finanzunternehmen?

Finanzunternehmen müssen eine Vielzahl an Melde- und Anzeigevorschriften beachten, um eine effektive Überwachung durch Aufsichtsbehörden zu gewährleisten. Zu den wichtigsten Meldepflichten zählen regelmäßige und anlassbezogene Meldungen bezüglich ihrer finanziellen Verhältnisse (wie Gewinn- und Verlustrechnung, Bilanzdaten, Eigenmittelausstattung), Meldungen über bedeutende Beteiligungsveränderungen sowie unverzügliche Anzeigen bei Inkrafttreten struktureller, personeller oder organisatorischer Veränderungen, etwa die Bestellung oder das Ausscheiden von Geschäftsleitern. Darüber hinaus bestehen Meldepflichten nach dem Geldwäschegesetz für verdächtige Aktivitäten. Die Einzelheiten hierzu ergeben sich aus spezialgesetzlichen Regelungen, insbesondere dem KWG, dem Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz (ZAG) und der Verordnung über die Anzeigen und die Vorlage von Unterlagen nach dem KWG (AnzV).

Welche Datenschutzvorgaben müssen Finanzunternehmen bei der Verarbeitung von Kundendaten beachten?

Finanzunternehmen sind bei der Verarbeitung personenbezogener Daten an die Vorgaben der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) sowie das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) gebunden. Im Rahmen ihrer Tätigkeit sammeln und verarbeiten sie eine Vielzahl sensibler Informationen, insbesondere zu Identität, finanziellen Verhältnissen und Transaktionshistorien ihrer Kunden. Die Verarbeitung solcher Daten ist nur im Rahmen gesetzlicher Erlaubnistatbestände zulässig und muss auf das notwendige Maß beschränkt werden (Datenminimierung). Es sind angemessene technische und organisatorische Maßnahmen zum Schutz der Daten vor unbefugtem Zugriff, Verlust oder Missbrauch zu treffen. Bei Datenschutzverstößen drohen Bußgelder sowie aufsichtsrechtliche Sanktionen. Außerdem haben betroffene Kunden umfassende Auskunfts-, Berichtigungs- und Löschungsansprüche.

Welche Verantwortlichkeiten tragen Geschäftsleiter von Finanzunternehmen?

Geschäftsleiter von Finanzunternehmen sind gesetzlich verpflichtet, sämtliche Geschäfte in eigener Verantwortung nach den Grundsätzen ordnungsgemäßer Geschäftsführung zu führen. Dies beinhaltet die Überwachung der Einhaltung sämtlicher gesetzlicher Vorgaben, die Sicherstellung eines funktionierenden Compliancesystems, eine ordnungsgemäße Geschäftsorganisation sowie ausreichende Kontrollmechanismen. Die Geschäftsleiter haften sowohl gegenüber dem Unternehmen als auch gegenüber der Aufsichtsbehörde für Verstöße gegen diese Pflichten. Bei gravierenden Pflichtverletzungen drohen nicht nur persönliche Haftungsrisiken, sondern auch die Entziehung der Zulassung als Geschäftsleiter. Die Anforderungen und Überwachung ergeben sich vor allem aus dem KWG, dem Aktiengesetz (AktG) sowie speziellen aufsichtsrechtlichen Vorschriften.

In welchem Umfang unterliegen Finanzunternehmen der europäischen Regulierung?

Finanzunternehmen mit Sitz in Deutschland sind neben den nationalen Gesetzen auch an europäische Vorgaben gebunden. Wesentliche Regulierungsbereiche, wie das Bankenaufsichtsrecht, den Zahlungsverkehr oder den Wertpapierhandel, werden auf europäischer Ebene durch Verordnungen und Richtlinien normiert, beispielsweise durch die Markets in Financial Instruments Directive II (MiFID II), die Eigenkapitalverordnung (CRR) oder die Zahlungsdiensterichtlinie (PSD2). Diese Vorschriften werden entweder unmittelbar anwendbar oder müssen in nationales Recht umgesetzt werden. Überdies unterstehen größere Institute einer direkten Aufsicht der Europäischen Zentralbank (EZB) im Rahmen des Einheitlichen Aufsichtsmechanismus (SSM), während kleinere Institute weiterhin vorrangig durch die BaFin beaufsichtigt werden.