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Filiale

Begriff und rechtliche Einordnung der Filiale

Eine Filiale ist eine organisatorisch abgegrenzte, dauerhaft angelegte Einheit eines Unternehmens, die an einem anderen Ort als der Hauptsitz tätig wird. Sie tritt nach außen im Namen des Unternehmens auf, bedient einen eigenen regionalen oder sachlichen Kundenkreis und ist in die Gesamtorganisation eingebunden. Die Filiale ist kein eigenständiges Rechtssubjekt; Rechtsträger bleibt stets das dahinterstehende Unternehmen.

Abgrenzung: Filiale, Zweigniederlassung und unselbständige Betriebsstätte

Im allgemeinen Sprachgebrauch wird „Filiale“ oft weit verstanden. Rechtlich bedeutsam ist die Abgrenzung zu zwei Erscheinungsformen:

  • Zweigniederlassung: Ein organisatorisch verselbständigter Standort mit eigener Leitung vor Ort, auf Dauer angelegt, mit eigenem Geschäftsbetrieb und Außenauftritt. Sie hat regelmäßig eigenständige Geschäftsabläufe und kann eigenverantwortlich Geschäfte anbahnen und abwickeln. Für Zweigniederlassungen bestehen häufig besondere Anzeige- oder Registerpflichten.
  • Unselbständige Betriebsstätte: Ein Standort ohne wesentliche organisatorische Selbständigkeit, typischerweise stärker zentral gesteuert. Außenauftritt und wesentliche Entscheidungen liegen überwiegend beim Hauptsitz. Die rechtlichen Folgen unterscheiden sich von denen einer Zweigniederlassung.

Ob eine Filiale als Zweigniederlassung oder als unselbständige Betriebsstätte einzuordnen ist, hängt von der Gesamtbetrachtung ab, unter anderem von Leitungsbefugnissen vor Ort, eigenständigen Geschäftsabläufen, Dauerhaftigkeit und Außenauftritt.

Abgrenzung zur Tochtergesellschaft

Eine Tochtergesellschaft ist ein rechtlich eigenständiges Unternehmen, das vom Mutterunternehmen beherrscht wird. Eine Filiale ist dagegen nur ein Teil des Unternehmens ohne eigene Rechtspersönlichkeit. Verträge der Filiale binden deshalb unmittelbar das Mutterunternehmen, während Verträge einer Tochtergesellschaft die Tochter verpflichten.

Rechtsfolgen und organisatorische Aspekte

Firmierung und Außenauftritt

Die Filiale verwendet die Firma des Unternehmens. Ergänzungen wie Ortszusätze sind üblich. Eine eigenständige Firma entsteht dadurch nicht. Im Geschäftsverkehr können Pflichtangaben über das Unternehmen verlangt sein, die einheitlich und zutreffend zu führen sind.

Register- und Anzeigeaspekte

Abhängig von Ausgestaltung und Branche können für Filialen Anzeige- oder Eintragungspflichten bestehen, insbesondere wenn es sich um eine Zweigniederlassung handelt oder wenn ausländische Unternehmen im Inland eine dauerhafte Einheit betreiben. Zusätzlich können gewerbe- oder branchenspezifische Meldungen gegenüber Behörden erforderlich sein.

Vertretung und Haftung

Rechtlich handelt die Filiale für das Unternehmen. Verpflichtungen, die im Filialbetrieb eingegangen werden, treffen den Rechtsträger. Die Vertretung erfolgt über bevollmächtigte Personen (z. B. Filialleitung). Der Umfang ihrer Befugnisse bestimmt sich nach den erteilten Vollmachten und dem erkennbaren Außenauftritt.

Gerichtsstand und Zustellung

Der Betrieb einer Filiale kann im Streitfall zu einer örtlichen Zuständigkeit von Gerichten am Filialort führen. Zustellungen und rechtserhebliche Erklärungen können unter Umständen wirksam an die Filiale gerichtet werden, wenn diese nach außen als Anlaufstelle des Unternehmens auftritt.

Arbeitsrechtliche Einordnung

Beschäftigte arbeiten rechtlich für das Unternehmen, nicht für eine eigenständige Filiale. Filialen können betriebsverfassungsrechtlich als eigener Betrieb oder als Betriebsteil eingeordnet sein, mit Folgen für Mitbestimmung, Wahlen und Zuständigkeiten von Interessenvertretungen. Die Zuordnung hängt von Organisation, Leitungsmacht und Entscheidungsstrukturen vor Ort ab.

Steuerliche Berührungspunkte

Filialen sind häufig Betriebsstätten mit Anknüpfungspunkten im Steuerrecht. Daraus können sich Fragen der Ertragsteuer-Zurechnung, der Zerlegung örtlicher Gewerbeerträge und der Lohnsteuerzuständigkeit ergeben. Bei grenzüberschreitenden Strukturen sind zusätzlich internationale Zuweisungsregeln relevant.

Branchenspezifische Zulassungen

In regulierten Bereichen können Filialen gesonderten Erlaubnissen, Anzeigen oder Aufsichtsanforderungen unterliegen (beispielsweise Gesundheitswesen, Finanzdienstleistungen, Handwerk). Umfang und Verfahren hängen von der jeweiligen Tätigkeit ab.

Datenschutz und Compliance

Verantwortlich für die Datenverarbeitung bleibt das Unternehmen. Filialen verarbeiten personenbezogene Daten im Rahmen der Unternehmensorganisation. Anforderungen an Transparenz, Datensicherheit, Videoüberwachung, Aufbewahrung und Auskunftserteilung gelten standortübergreifend und sind an allen Filialstandorten einzuhalten.

Filiale im internationalen Kontext

Inländische Filiale eines ausländischen Unternehmens

Betreibt ein ausländischer Rechtsträger im Inland eine Filiale, können besondere Melde- und Registerpflichten sowie Kennzeichnungserfordernisse bestehen. Haftung und Vertretung laufen über das ausländische Unternehmen; der Außenauftritt muss die Zuordnung erkennen lassen.

Ausländische Filiale eines inländischen Unternehmens

Für ausländische Filialen gelten die Vorgaben des Gaststaates. Zusätzlich sind inländische Anforderungen zu berücksichtigen, etwa bei Rechnungslegung, Berichterstattung und Steuern. Doppelbesteuerungsfragen und Zuständigkeitsfragen der Behörden können eine Rolle spielen.

Lebenszyklus einer Filiale

Gründung und Aufnahme des Betriebs

Die Aufnahme des Filialbetriebs setzt eine organisatorische Anbindung an das Unternehmen, geeignete Vertretungsregelungen und einen klaren Außenauftritt voraus. Je nach Ausgestaltung kommen Anzeigepflichten, Registrierungen oder branchenspezifische Erlaubnisse in Betracht.

Verlegung, Umbenennung und Schließung

Bei Verlegung oder Schließung einer Filiale können Informationspflichten gegenüber Behörden, Vertragspartnern und Beschäftigten bestehen. Miet- und Lieferverträge, Gewährleistungsfälle sowie Arbeitsverhältnisse sind entsprechend dem Lebenszyklus des Standorts rechtlich zugeordnet abzuwickeln.

Sonderformen und Abgrenzungen

Franchise und Shop-in-Shop

Franchisenehmer betreiben rechtlich eigenständige Unternehmen, auch wenn Marke und Erscheinungsbild einheitlich sind. Eine Filiale ist dagegen Teil des eigenen Unternehmens. Shop-in-Shop-Konzepte sind häufig unselbständige Betriebsteile innerhalb fremder Verkaufsflächen; die rechtliche Zuordnung folgt den vertraglichen Strukturen und dem Außenauftritt.

Pop-up-Store und mobile Verkaufsstellen

Vorübergehende oder mobile Verkaufsstellen sind regelmäßig nicht als Filiale im klassischen Sinn einzuordnen, wenn es an Dauerhaftigkeit und eigenständiger Organisation fehlt. Gleichwohl können gewerbe- oder ordnungsrechtliche Anforderungen gelten.

Virtuelle Filiale

Der Begriff wird teils für digitale Kundenkanäle verwendet. Rechtlich handelt es sich dabei nicht um eine Filiale mit eigener örtlicher Präsenz, sondern um einen Vertriebs- oder Servicekanal des Unternehmens. Informations- und Kennzeichnungspflichten im elektronischen Geschäftsverkehr bleiben unberührt.

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Was unterscheidet eine Filiale von einer Tochtergesellschaft?

Die Filiale ist organisatorischer Teil des Unternehmens ohne eigene Rechtspersönlichkeit. Eine Tochtergesellschaft ist ein rechtlich eigenständiges Unternehmen. Verpflichtungen aus Filialgeschäften treffen das Unternehmen unmittelbar, während bei der Tochtergesellschaft die Tochter selbst verpflichtet wird.

Wann wird eine Filiale rechtlich als Zweigniederlassung angesehen?

Maßgeblich sind Dauerhaftigkeit, eigener Geschäftsbetrieb, eine Leitung vor Ort, ein eigenständiger Außenauftritt und die Befugnis, Geschäfte anzubahnen und abzuwickeln. Je stärker diese Merkmale ausgeprägt sind, desto eher liegt eine Zweigniederlassung vor.

Muss eine Filiale eingetragen oder angezeigt werden?

Je nach Ausgestaltung, Branche und Herkunft des Unternehmens können Anzeigepflichten gegenüber Behörden und Eintragungen in Registern erforderlich sein, insbesondere bei Zweigniederlassungen oder in regulierten Tätigkeiten.

Wer haftet für Verpflichtungen einer Filiale?

Haftungsträger ist das Unternehmen, zu dem die Filiale gehört. Die Filiale selbst ist kein eigener Rechtsträger. Erklärungen und Handlungen der Filialleitung wirken innerhalb der erteilten Befugnisse für das Unternehmen.

Begründet der Filialort eine örtliche Zuständigkeit von Gerichten?

Der Betrieb einer Filiale kann zu einer zusätzlichen örtlichen Zuständigkeit am Filialstandort führen. Zudem kann die Filiale als Empfangsstelle für rechtliche Erklärungen und Zustellungen fungieren, wenn sie entsprechend auftritt.

Welche arbeitsrechtlichen Besonderheiten gelten in Filialen?

Filialen können als eigener Betrieb oder als Betriebsteil gelten. Diese Einordnung beeinflusst Mitbestimmung, Zuständigkeiten von Interessenvertretungen sowie betriebsbezogene Verfahren. Maßgeblich sind Leitungsmacht, Organisation und Entscheidungsstrukturen.

Gilt ein Online-Shop als Filiale?

Ein Online-Shop begründet keine Filiale im klassischen Sinn, da es an örtlicher Präsenz fehlt. Gleichwohl bestehen rechtliche Anforderungen an den elektronischen Geschäftsverkehr, die unabhängig vom Filialbegriff gelten.

Welche steuerlichen Bezüge hat eine Filiale?

Filialen sind häufig Betriebsstätten mit Folgen für die Zuordnung von Erträgen, gewerbesteuerliche Zerlegung und Zuständigkeiten bei der Lohnsteuer. Bei grenzüberschreitenden Strukturen kommen internationale Zuweisungsregeln hinzu.