Begriff und Bedeutung der Filiale
Die Filiale ist im Wirtschafts- und Rechtsleben ein zentraler Begriff und bezeichnet eine rechtlich unselbstständige organisatorische Einheit eines Unternehmens, die räumlich von der Hauptniederlassung getrennt ist. Filialen dienen der Erweiterung der Geschäftstätigkeit eines Unternehmens an weiteren Standorten und sind insbesondere im Handelsrecht, Gesellschaftsrecht, Steuerrecht sowie im Arbeitsrecht von erheblicher Relevanz. Sie sind ein charakteristisches Organisationsmerkmal von Unternehmen in verschiedensten Branchen, insbesondere im Einzelhandel, Bankwesen und bei Dienstleistungsunternehmen.
Rechtlicher Status der Filiale
1. Abgrenzung: Filiale, Zweigniederlassung und Betriebsstätte
1.1 Filiale vs. Zweigniederlassung
Im rechtlichen Sprachgebrauch wird zwischen Filiale und Zweigniederlassung differenziert. Die Zweigniederlassung nach § 13 HGB ist, im Gegensatz zur reinen Filiale, organisatorisch und geschäftlich selbstständiger und trifft eigenständige Entscheidungen im Rahmen des Unternehmenszwecks. Eine Filiale hingegen ist regelmäßig stärker an die Weisungen der Hauptniederlassung gebunden und handelt weniger eigenverantwortlich.
1.2 Filiale und Betriebsstätte
Nach steuerrechtlicher Definition (§ 12 AO) kann eine Filiale regelmäßig als Betriebsstätte betrachtet werden, da sie eine feste Geschäftseinrichtung darstellt, durch die der Geschäftsbetrieb ganz oder teilweise ausgeübt wird. Diese Zuordnung ist besonders für steuerliche Zwecke von Bedeutung, etwa bei der Frage der Gewinnzurechnung oder der Gewerbesteuerpflicht.
Gründungs-, Organisations- und Meldepflichten
2.1 Handelsregistereintrag
Während Zweigniederlassungen gemäß §§ 13, 106 HGB in das Handelsregister (Abteilung B, bei Kapitalgesellschaften) einzutragen sind, besteht für Filialen keine eigenständige Eintragungspflicht. Sie können aber – zum Beispiel aus Gründen der Rechtssicherheit oder auf Wunsch des Unternehmens – freiwillig im Handelsregister angegeben werden.
2.2 Gewerbeanmeldung
Nach § 14 GewO sind alle Betriebsstätten einschließlich Filialen bei der zuständigen Gewerbebehörde anzumelden. Es bedarf bei der Aufnahme des Geschäftsbetriebs regelmäßig einer gesonderten Anzeige gegenüber dem Gewerbeamt.
Vertretung und Handlungsbevollmächtigung der Filiale
3.1 Geschäftsführung und Vertretung
Filialen sind nicht rechtsfähig und können somit keine eigenen Rechte und Pflichten begründen. Die Handlungen der Filialleitung oder der dort beschäftigten Mitarbeiter werden dem Hauptunternehmen zugerechnet. Für die Filialleitung bestellt das Unternehmen in der Regel Handlungsbevollmächtigte (§ 54 HGB), welche die gewöhnlichen Geschäfte der Filiale wirksam für das Unternehmen abwickeln können.
3.2 Prokura in der Filiale
Eine Prokura kann ausdrücklich auf eine Filiale beschränkt werden (§ 48 HGB). Diese sog. „Filialprokura“ berechtigt zur Vornahme von Rechtsgeschäften nur im Rahmen des jeweiligen Zweigs beziehungsweise der bestimmten Filiale und wird gesondert ins Handelsregister eingetragen.
Arbeitsrechtliche Betrachtung
4.1 Weisungsstruktur
Die Filiale ist organisatorisch meist eng an die Hauptniederlassung angebunden. Die Arbeitsbedingungen werden zentral vorgegeben, weshalb die Mitarbeiter der Filiale der einheitlichen Unternehmensleitung unterstellt sind.
4.2 Betriebsverfassungsrechtliche Aspekte
Betriebsverfassungsrechtlich kann eine Filiale ein eigenständiger Betrieb im Sinne des § 1 BetrVG sein, sofern sie eine organisatorische Einheit mit eigener Leitung darstellt und die für die Betriebsratswahl notwendige Arbeitnehmeranzahl aufweist. Andernfalls ist sie Teil des Gesamtbetriebs.
Steuerrechtliche Einordnung
5.1 Gewinnermittlung und Besteuerung
Filialen werden im Rahmen der Gesamtgewinnermittlung des Unternehmens berücksichtigt. Die Erträge und Aufwendungen, die in einer Filiale anfallen, sind Teil des wirtschaftlichen Ergebnisses des ganzen Unternehmens. Für die Gewerbesteuer ist zu beachten, dass die Zerlegung des Gewerbesteuermessbetrags auf mehrere Betriebsstätten gesetzlich vorgeschrieben sein kann (§ 28 GewStG).
5.2 Umsatzsteuerrechtliche Folgen
Umsätze, die von einer Filiale ausgehen, sind dem Unternehmen als Steuerschuldner zuzuschreiben. Die Filiale kann als Ort der Leistungserbringung steuerlich relevant sein.
Insolvenzrechtliche Aspekte
Filialen sind im Insolvenzfall Teil des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Muttergesellschaft. Insolvenzverfahren werden nicht für einzelne Filialen eingeleitet, sondern immer für das gesamte, rechtlich einheitliche Unternehmen.
Publizitätsverpflichtungen und Außenauftritt
7.1 Kennzeichnungspflichten
Die Rechtsverhältnisse einer Filiale müssen im Geschäftsverkehr durch entsprechende Angaben (Geschäftsbezeichnung, Sitz der Hauptniederlassung, Firmenname) kenntlich gemacht werden (§ 37a HGB). Dies dient dem Schutz des Rechtsverkehrs, der jederzeit erkennen können muss, mit wem ein Rechtsgeschäft abgeschlossen wird.
7.2 Außenauftritt und Firmierung
Die Filiale tritt in der Regel unter derselben Firma auf wie das Stammhaus oder kann eine nähere Bezeichnung (zum Beispiel Filiale XY) enthalten, die auf den jeweiligen Standort hinweist.
Internationale Aspekte
Unternehmen mit Sitz im Ausland können in Deutschland Filialen errichten. Diese unterliegen deutschem Recht bezüglich Anmeldung, Steuern und Arbeitsrecht, jedoch ist auch die grenzüberschreitende Regelung in europarechtlicher Hinsicht zu beachten, insbesondere die Niederlassungsfreiheit nach Art. 49 AEUV, welche die Gründung und den Betrieb von Filialen unionsweit gewährleistet.
Fazit
Die Filiale stellt eine rechtlich unselbstständige Außenstelle eines Unternehmens dar und ist ein zentrales Organisationsinstrument, dessen rechtliche Ausgestaltung vielfältige Bereiche des Wirtschaftsrechts berührt. Von der organisatorischen Einbindung, über Melde- und Anzeigepflichten bis hin zu steuerlichen und arbeitsrechtlichen Fragestellungen ist die rechtliche Behandlung der Filiale vielschichtig und verlangt die Beachtung zahlreicher Vorschriften aus unterschiedlichen Rechtsgebieten.
Häufig gestellte Fragen
Welche rechtlichen Voraussetzungen müssen für die Errichtung einer Filiale erfüllt sein?
Für die Errichtung einer Filiale sind verschiedene rechtliche Voraussetzungen zu beachten, die sich insbesondere aus dem Handels-, Gesellschafts-, Gewerbe- sowie teilweise dem Steuerrecht ergeben. Zunächst muss geklärt werden, ob es sich bei der geplanten Filiale um eine rechtlich unselbständige oder selbständige Zweigniederlassung handelt, da hiervon viele rechtliche Anforderungen abhängen. Die Errichtung einer Filiale ist beim zuständigen Gewerbeamt anzumelden. Falls es sich um eine im Handelsregister eingetragene Firma handelt, muss die Filiale zusätzlich gemäß § 13 HGB ebenfalls ins Handelsregister eingetragen werden. Weiterhin sind die jeweiligen baurechtlichen Vorschriften am vorgesehenen Standort zu beachten, insbesondere bei baulichen Veränderungen. Je nach Branche können zudem spezielle Genehmigungen (z.B. § 34c GewO für Makler, erlaubnispflichtige Gewerbe nach § 33 GewO) erforderlich sein. Nicht zuletzt sind arbeitsrechtliche und ggf. mitbestimmungsrechtliche Vorgaben zu berücksichtigen, da mit der Errichtung einer Filiale in der Regel auch neue Arbeitsplätze entstehen. Aus steuerrechtlicher Sicht muss die Filiale ggf. eine eigene Steuernummer beantragen und ist ggfs. umsatzsteuerlich getrennt zu betrachten.
Welche Pflichten ergeben sich für das Unternehmen durch die Eröffnung einer Filiale hinsichtlich der Transparenz und Meldepflichten?
Mit der Eröffnung einer Filiale treffen das Unternehmen zahlreiche Pflichten in Bezug auf Transparenz und Meldepflichten. Dazu gehört vor allem die Meldepflicht beim Gewerbeamt (§ 14 GewO) sowie bei bestimmter Unternehmensform die Eintragung in das Handelsregister (§ 13 HGB), welche Name und Sitz der Hauptniederlassung, Zweck und Lage der Filiale umfassen muss. Änderungen, etwa Schließung der Filiale oder Adressänderungen, sind ebenfalls unverzüglich zu melden. Zudem besteht eine Kennzeichnungspflicht nach § 15 HGB, sodass die Filiale den Namen der Hauptniederlassung und gegebenenfalls deren Rechtsform führen muss, ergänzt durch den Zusatz, dass es sich um eine Filiale handelt. Im Rahmen der steuerlichen Transparenz müssen Umsatz- und Ertragswerte der Filiale dokumentiert und an das Finanzamt mitgeteilt werden. Vorgenommene Einstellungen oder Entlassungen von Mitarbeitern sind der Sozialversicherung sowie ggf. der Arbeitsagentur zu melden.
Welche arbeitsrechtlichen Besonderheiten sind bei Filialen zu beachten?
Arbeitsrechtliche Aspekte einer Filiale unterscheiden sich nur teilweise von denen der Hauptniederlassung, da grundsätzlich das BetrVG (Betriebsverfassungsgesetz) und das allgemeine Arbeitsrecht Anwendung finden. Mit mehreren Filialen kann sich – abhängig von der Arbeitnehmeranzahl – die Notwendigkeit ergeben, einen eigenen Betriebsrat zu gründen (§ 1 BetrVG) oder eine Vertretung in den Gesamtbetriebsrat zu entsenden. Außerdem gilt bei bestimmten Schwellenwerten das Kündigungsschutzgesetz, Mitbestimmungsrechte (z.B. Arbeitszeiten, Urlaubsregelungen, Arbeitsschutz) müssen beachtet werden. Mitarbeiter sind bei der jeweiligen Filialleitung anzumelden und es besteht die Pflicht, den gesetzlichen Mindestlohn sowie weitere arbeitsrechtliche Standards einzuhalten. Sofern im Tarifvertrag regionale Besonderheiten geregelt sind, sind diese auf die Filiale anzuwenden.
Welche steuerlichen Besonderheiten können bei Filialen entstehen?
Steuerlich ist zu unterscheiden, ob die Filiale rechtlich selbständig oder unselbständig betrieben wird. Unselbständige Filialen sind Teil der Hauptniederlassung und versteuern ihre Gewinne zentral mit dieser. Dennoch kann das Finanzamt verlangen, die Umsätze und Erträge der Filiale getrennt auszuweisen, insbesondere für Zwecke der Gewerbesteuer, falls die Betriebsstätte in einer anderen Gemeinde liegt (§ 29 GewStG). Selbständige Filialen („Zweigniederlassungen“) können teilweise als eigenständiges Steuersubjekt behandelt werden und benötigen ggf. eine eigene Steuernummer. Im Bereich der Umsatzsteuer sind Filialen bei bestimmten Schwellenwerten eigenständig zu erfassen. Zudem sind lohnsteuerliche Pflichten für Mitarbeiter der Filiale zu beachten, entsprechende Meldungen und Abführungen müssen ebenfalls getrennt erfolgen.
Welche Haftungsfragen können sich im Zusammenhang mit Filialen ergeben?
Rechtlich unselbständige Filialen werden im Haftungsfall wie die Hauptniederlassung behandelt, d.h. das Unternehmen haftet für alle aus der Filiale resultierenden Verpflichtungen gesamtschuldnerisch. Verträge, die von der Filialleitung abgeschlossen werden, wirken unmittelbar für und gegen die Muttergesellschaft. Bei selbständigen Zweigniederlassungen kann es je nach gesellschaftsrechtlicher Ausgestaltung zu einer partiellen Haftung der eigenständigen Filiale bzw. deren Geschäftsführung kommen, insbesondere im Falle von eigenständiger Rechtsträgerstellung. In Fällen des Insolvenzverfahrens umfasst dieses in der Regel jedoch immer das gesamte Unternehmen, einschließlich aller Filialen.
Welche Anforderungen bestehen hinsichtlich der Vertretungsbefugnis für Filialleiter?
Filialleiter können durch das Unternehmen mit einer Generalvollmacht (Handlungsvollmacht nach § 54 HGB oder Prokura nach § 48 HGB) ausgestattet werden. Die Art und der Umfang der Vertretungsbefugnis müssen klar geregelt und im Handelsregister eingetragen sein, sofern eine Prokura erteilt wird. Der Umfang der Handlungsvollmacht ist auf diejenigen Geschäfte beschränkt, die mit dem typischen Betrieb der Filiale zusammenhängen. Bestimmte Geschäfte, wie Grundstücksgeschäfte oder die Aufnahme von Krediten, bedürfen gegebenenfalls einer gesonderten Erlaubnis. Nach außen muss jeder Geschäftspartner die Möglichkeit haben, sich über den Umfang der Vertretungsbefugnis zu informieren, wozu ggf. korrekte Eintragungen und deren regelmäßige Prüfung notwendig sind.
Gibt es besondere Vorschriften zum Datenschutz im Kontext von Filialen?
Filialen müssen sämtliche rechtlichen Vorgaben der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) und des BDSG einhalten, insbesondere beim Umgang mit Kundendaten, Beschäftigtendaten und sonstigen personenbezogenen Daten. Das bedeutet, dass für Filialen ggf. eigene Datenschutzbeauftragte zu bestellen sind, sofern sie eigenständig über Zwecke und Mittel der Verarbeitung entscheiden oder mehr als 20 Personen regelmäßig mit der automatisierten Verarbeitung beschäftigen (§ 38 BDSG). Zudem müssen technische und organisatorische Maßnahmen (TOM) zur Sicherung der Datenverarbeitung filialbezogen dokumentiert und implementiert werden. Die Betroffenenrechte (z.B. Auskunft oder Löschung) sind unabhängig vom Standort der Datenverarbeitung zu gewährleisten. Besondere Aufmerksamkeit ist auch dem Datentransfer zwischen Filiale und Hauptniederlassung zu widmen, um Risiken wie Datenverluste oder unbefugten Zugriff zu minimieren.