Begriff und Zweck der Feststellungsklage
Die Feststellungsklage ist eine besondere Klageart im deutschen Zivilprozessrecht, die gemäß § 256 Zivilprozessordnung (ZPO) darauf gerichtet ist, das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses gerichtlich feststellen zu lassen. Sie unterscheidet sich von der Leistungsklage und der Gestaltungsklage, da bei ihr nicht eine unmittelbare Leistung oder eine Änderung der Rechtslage begehrt wird, sondern die gerichtliche Klärung eines konkreten Rechtsverhältnisses im Fokus steht.
Rechtsgrundlage der Feststellungsklage
§ 256 ZPO
Die maßgebliche gesetzliche Grundlage der Feststellungsklage findet sich in § 256 ZPO. Hiernach ist ein Kläger berechtigt, so lange eine Feststellungsklage zu erheben, wie er ein rechtliches Interesse an der Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Echtheit oder Unechtheit einer Urkunde geltend machen kann.
Zulässigkeit der Feststellungsklage
Voraussetzungen
1. Rechtsverhältnis
Voraussetzung für eine erfolgreiche Feststellungsklage ist das Vorliegen eines Rechtsverhältnisses. Ein Rechtsverhältnis ist die durch die Rechtsordnung geordnete Beziehung einer Person zu einer anderen Person oder zu einer Sache. Umstritten ist dabei insbesondere, welche konkreten Anspruchs- oder Rechtsstellungskonstellationen als feststellungsfähig gelten.
2. Feststellungsinteresse
Der Kläger muss ein sogenanntes „rechtliches Interesse“ an der begehrten Feststellung haben. Ein bloßes materielles oder tatsächliches Interesse reicht grundsätzlich nicht aus. Die Klärung muss zur Beseitigung gegenwärtiger Unsicherheit über das Rechtsverhältnis geeignet sein. Das Feststellungsinteresse fehlt beispielsweise, wenn der Kläger sein Ziel auch über eine Leistungsklage erreichen könnte (Subsidiarität der Feststellungsklage).
3. Gegenwärtigkeit des Rechtsverhältnisses
Das festzustellende Rechtsverhältnis muss bereits bestehen oder zumindest soweit konkretisiert sein, dass ein sofortiges Feststellungsbedürfnis vorliegt. Zukünftige oder lediglich hypothetische Rechtsverhältnisse können nicht Gegenstand der Feststellungsklage sein.
4. Keine anderweitige Rechtshängigkeit oder Rechtskraft
Eine Feststellungsklage ist unzulässig, wenn über denselben Gegenstand bereits eine anderweitige Klage rechtskräftig entschieden wurde oder ein anderweitiges Verfahren anhängig ist.
Arten der Feststellungsklage
1. Positive Feststellungsklage
Mit der positiven Feststellungsklage wird das Bestehen eines bestimmten Rechtsverhältnisses begehrt. Beispiel: Die Feststellung, dass ein Mietverhältnis zwischen den Parteien besteht.
2. Negative Feststellungsklage
Die negative Feststellungsklage verfolgt das Ziel, das Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses feststellen zu lassen. Typische Konstellation ist, dass der Kläger seine Nichtschuld festgestellt wissen will, beispielsweise dass ein behaupteter Anspruch des Gegners nicht besteht.
Abgrenzung zu weiteren Klagearten
Unterschied zur Leistungsklage
Bei der Leistungsklage wird auf die Erfüllung eines bestimmten Anspruchs (z.B. Zahlung, Herausgabe) geklagt, während die Feststellungsklage lediglich die rechtliche Beziehung klärt. Die Feststellungsklage ist grundsätzlich subsidiär gegenüber der Leistungsklage, das heißt, sie ist nur zulässig, wenn keine Leistungsklage möglich oder zumutbar ist.
Unterschied zur Gestaltungsklage
Eine Gestaltungsklage zielt darauf ab, ein Rechtsverhältnis durch das Urteil unmittelbar zu begründen, zu verändern oder aufzuheben (z.B. Ehescheidung, Anfechtung einer Willenserklärung). Die Feststellungsklage hingegen wirkt ausschließlich deklaratorisch.
Gegenstand der Feststellungsklage
Feststellung eines Rechtsverhältnisses
Ein Rechtsverhältnis umfasst individuelle rechtliche Verbindungen, wie Verträge, Schuldverhältnisse, Eigentumsverhältnisse oder Verwandtschaftsbeziehungen. Es können auch einzelne Rechte und Pflichten innerhalb eines Rechtsverhältnisses feststellungsfähig sein.
Feststellung der Echtheit oder Unechtheit einer Urkunde
Nach § 256 Abs. 1 ZPO kann auch die Feststellung der Echtheit oder Unechtheit einer Urkunde verfolgt werden.
Besonderheiten der Feststellungsklage
Feststellungsklage auf zukünftige oder bedingte Rechtsverhältnisse
Laut Rechtsprechung ist eine Feststellungsklage auch dann möglich, wenn das Rechtsverhältnis zumindest schon konkretisiert ist und mit hinreichender Wahrscheinlichkeit eintreten wird.
Zwischenfeststellungsklage
Eine besondere Ausprägung stellt die Zwischenfeststellungsklage nach § 256 Abs. 2 ZPO dar. Sie ist im Rahmen eines anhängigen Rechtsstreits zulässig, wenn die Feststellung eines Rechtsverhältnisses für die Entscheidung von Bedeutung ist.
Bindungswirkung und Reichweite des Feststellungsurteils
Ein rechtskräftiges Feststellungsurteil bindet die Parteien und entfaltet – wie jedes rechtskräftige Urteil – eine materielle Rechtskraft (res iudicata). Die im Urteil getroffene Feststellung ist daher auch für zukünftige Verfahren zwischen denselben Parteien grundsätzlich verbindlich.
Feststellungsklage in anderen Verfahrensordnungen
Die Feststellungsklage existiert nicht ausschließlich im Zivilprozessrecht. Entsprechende Regelungen finden sich auch in der Verwaltungsgerichtsordnung (§ 43 VwGO) sowie im Sozialgerichtsgesetz (§ 55 SGG) und in der Finanzgerichtsordnung (§ 41 FGO).
Praxisrelevante Beispiele für die Feststellungsklage
- Streit über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Miet-, Arbeits- oder Versicherungsverhältnisses
- Klärung von Schuldverhältnissen, z. B. ob eine Forderung besteht
- Geltendmachung der Unwirksamkeit von Kündigungen (insbesondere bei Arbeitsverhältnissen)
- Streit über Erbrechte oder Gesellschaftsverhältnisse
Fazit
Die Feststellungsklage ist ein zentrales Instrument zur Klärung rechtlicher Beziehungen. Sie dient dem Bedürfnis nach Rechtssicherheit, wenn die Parteien Unsicherheiten hinsichtlich des Vorliegens oder Nichtvorliegens eines Rechtsverhältnisses haben. Durch ihre subsidiäre Stellung und die strengen Anforderungen an das Feststellungsinteresse stellt sie sicher, dass Gerichte nur dort tätig werden, wo ein echtes Bedürfnis an gerichtlicher Entscheidung besteht. Die Feststellungsklage trägt so erheblich zur Rechtsklarheit und zur Vermeidung weiterführender Streitigkeiten zwischen den Parteien bei.
Häufig gestellte Fragen
Wann ist eine Feststellungsklage gemäß § 256 ZPO zulässig?
Eine Feststellungsklage ist gemäß § 256 ZPO (Zivilprozessordnung) zulässig, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass ein Rechtsverhältnis durch richterliches Urteil festgestellt wird. Dieses Interesse muss darauf gerichtet sein, Unsicherheiten über die rechtlichen Beziehungen zwischen den Parteien zu beseitigen, um künftigen Streitigkeiten vorzubeugen oder bestehende Unklarheiten zu klären. Das Feststellungsinteresse fehlt jedoch, wenn der Kläger seinen Anspruch unmittelbar mit einer Leistungs- oder Gestaltungsklage hätte verfolgen können oder die Feststellung offenkundig bedeutungslos wäre. Die Klage muss sich zudem auf ein konkretes Rechtsverhältnis beziehen; bloße Tatsachenfragen oder abstrakte Rechtsfragen genügen nicht. Darüber hinaus darf keine entgegenstehende spezialgesetzliche Regelung vorliegen, die eine andere Klageart (z.B. Leistungsklage) zwingend vorschreibt. Die Sachentscheidung setzt stets voraus, dass das Feststellungsinteresse zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung noch besteht.
Welche Arten von Feststellungsinteresse werden unterschieden?
Das Feststellungsinteresse lässt sich in verschiedene Fallgruppen einteilen: Erstens das vorsorgliche Feststellungsinteresse, das besteht, wenn eine Unsicherheit über die Rechtslage zwischen den Parteien zur Zeit der Klageerhebung besteht und diese Unsicherheit für den Kläger eine aktuelle Belastung darstellt oder eine künftige Auseinandersetzung abwendet. Zweitens das nachträgliche Feststellungsinteresse, insbesondere im Fall erledigter Leistungsbegehren, wenn z. B. nach Erledigung des Rechtsstreits kraft prozessualer Überholung (etwa nach Erfüllung) ein rechtliches Interesse an der Feststellung der ursprünglichen Rechtmäßigkeit beziehungsweise Rechtswidrigkeit verbleibt, insbesondere im Hinblick auf etwaige Folgeansprüche wie Schadensersatz-, Rückzahlungs- oder Honoraransprüche. Drittens das sogenannte negative Feststellungsinteresse, bei dem der Kläger die Nichtverpflichtung oder das Nichtbestehen eines vom Beklagten behaupteten Rechtsverhältnisses festgestellt haben möchte.
Können mit der Feststellungsklage auch künftige Rechtsverhältnisse festgestellt werden?
Grundsätzlich beschränkt sich die Feststellungsklage auf gegenwärtige Rechtsverhältnisse, d. h. sie muss eine bereits bestehende rechtliche Beziehung betreffen. Ausnahmsweise ist die Feststellung künftiger Rechtsverhältnisse zulässig, wenn aus bestimmten Umständen bereits jetzt feststeht, dass das begehrte Rechtsverhältnis zu einem späteren Zeitpunkt entstehen wird, beispielsweise bei einer vertraglich terminierten Leistungspflicht. Allerdings ist das rechtliche Interesse an der Feststellung eines künftigen Rechtsverhältnisses besonders streng zu prüfen, um Missbrauch der Feststellungsklage zu verhindern. Entscheidend ist, dass eine gegenwärtige Unsicherheit bezüglich des zukünftigen Eintritts des Rechtsverhältnisses besteht und diese Unsicherheit für den Kläger unzumutbar ist.
Gegen wen muss die Feststellungsklage gerichtet werden?
Die Feststellungsklage muss gegen diejenige(n) Person(en) gerichtet werden, die im potenziellen oder tatsächlichen Rechtsverhältnis zum Kläger stehen. Partei der Klage ist also derjenige, gegen den sich die Feststellung des Rechtsverhältnisses richten soll (z. B. der mutmaßliche Gläubiger oder Schuldner). Sind mehrere Personen an dem Rechtsverhältnis beteiligt oder berührt das Rechtsverhältnis objektiv die Rechte Dritter, so kann die Klage grundsätzlich gegen alle potenziell Beteiligten zu richten sein. Die korrekte Bestimmung der passiven Partei ist notwendig, um die Rechtskraft des Feststellungsurteils sicherzustellen und spätere Folgeprozesse zu vermeiden.
Wie verhält sich die Feststellungsklage zur Leistungsklage?
Die Feststellungsklage und die Leistungsklage stehen grundsätzlich in einem Exklusivitätsverhältnis zueinander: Ist eine Leistungsklage möglich und zumutbar, so ist eine Feststellungsklage regelmäßig unzulässig, da der Kläger sein Rechtsschutzziel durch die weitergehende Leistungsklage erreichen kann. Die Feststellungsklage ist nur dann statthaft, wenn der Kläger schlüssig darlegen kann, dass momentan (noch) keine Leistungspflicht besteht oder das Interesse an der bloßen Feststellung überwiegt (etwa bei zukünftigen, unsicheren Ansprüchen oder zum Zwecke der Unterbrechung der Verjährung). Eine Feststellungsklage wird zudem in besonderen Konstellationen akzeptiert, wenn etwa die Verurteilung zur Leistung praktisch unmöglich oder unzumutbar ist.
Ist die Bindungswirkung des Feststellungsurteils auf spätere Prozesse beschränkt?
Das Feststellungsurteil entfaltet Rechtskraftwirkung hinsichtlich der festgestellten Rechtsbeziehung in einem später zwischen den Parteien geführten Prozess. Dies bedeutet, dass die bindende Wirkung nach § 322 ZPO grundsätzlich auf das festgestellte Rechtsverhältnis beschränkt bleibt, soweit über dessen Bestand oder Nichtbestand im Urteil entschieden wurde. Die Rechtskraft des Feststellungsurteils erstreckt sich jedoch nicht automatisch auf weitere, eng damit verbundene Rechtsfolgen oder Rechtsverhältnisse, es sei denn, diese wurden ausdrücklich zum Gegenstand der Feststellung gemacht. Das Gericht im späteren Verfahren ist daher gehalten, das rechtskräftige Feststellungsurteil seinem Urteil zugrunde zu legen, soweit der Streitgegenstand identisch ist.
Sind Zwischenfeststellungsklagen gemäß § 256 Abs. 2 ZPO möglich und wann werden sie angewandt?
Die Zwischenfeststellungsklage nach § 256 Abs. 2 ZPO ermöglicht es, im laufenden Rechtsstreit auf Antrag eine verbindliche Feststellung eines für das Verfahren entscheidungserheblichen Rechtsverhältnisses – unabhängig vom Hauptanspruch – zu treffen. Dies ist insbesondere angezeigt, wenn das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses für das zu treffende Endurteil vorgreiflich ist und ein rechtliches Interesse daran besteht, hierüber unabhängig zu entscheiden, um Bindungswirkung für ein etwaiges Rückforderungs- oder Folgeprozess herzustellen. Die Zwischenfeststellungsklage ist jedoch subsidiär zur abschließenden Sachentscheidung im Hauptprozess und wird abgelehnt, wenn das betreffende Rechtsverhältnis bereits notwendigerweise durch die Entscheidung im Hauptprozess geklärt wird. Voraussetzung ist ein Fortbestand der Unklarheit nach Abschluss des Hauptverfahrens sowie das Fortbestehen des Feststellungsinteresses.