Begriff und Bedeutung der Feststellung von Besteuerungsgrundlagen
Die Feststellung von Besteuerungsgrundlagen bezeichnet im deutschen Steuerrecht einen eigenständigen Verwaltungsakt, durch den bestimmte steuerlich erhebliche Tatsachen oder Werte festgestellt werden, die für die Festsetzung und Erhebung von Steuern maßgeblich sind. Die Feststellung dient der rechtsverbindlichen Vorentscheidung über Tatsachen, Beträge oder rechtliche Verhältnisse, die bei der späteren Steuerfestsetzung zugrunde gelegt werden sollen. Die gesetzlichen Regelungen hierzu finden sich insbesondere in den §§ 179 bis 182 der Abgabenordnung (AO).
Abgrenzung zur Steuerfestsetzung
Im Unterschied zur Steuerfestsetzung, bei der die konkrete Steuerschuld eines Einzelnen für einen bestimmten Zeitraum festgelegt wird, behandelt die Feststellung von Besteuerungsgrundlagen regelmäßig Vorfragen, deren Klärung auch für mehrere Steuerpflichtige oder mehrere Steuerarten von Bedeutung sein kann. Feststellungsbescheide werden häufig im Zusammenhang mit Gemeinschaftsverhältnissen, wie Personengesellschaften oder Erbengemeinschaften, erstellt.
Rechtsgrundlagen der Feststellung von Besteuerungsgrundlagen
Allgemeine Vorschriften (§§ 179-182 AO)
Die Abgabenordnung regelt im dritten Abschnitt des ersten Teils mit den §§ 179-182 AO die Feststellung von Besteuerungsgrundlagen. § 179 AO bestimmt, in welchen Fällen Feststellungen durch einen eigenen Feststellungsbescheid zu treffen sind. Die Vorschriften §§ 180 und 181 AO definieren, welche Grundlagen gesondert und gegebenenfalls einheitlich festzustellen sind und wie das Verwaltungsverfahren hierzu auszugestalten ist.
Gesonderte und einheitliche Feststellung (§ 180 AO)
Nach § 180 AO sind insbesondere solche Besteuerungsgrundlagen gesondert und einheitlich festzustellen, die für die Besteuerung mehrerer Personen von Bedeutung sind (z. B. bei Gemeinschaften wie Personengesellschaften, Erbengemeinschaften oder atypisch stillen Gesellschaften). Hierdurch wird sichergestellt, dass die den späteren Steuerbescheiden zugrundeliegenden Tatsachen und Wertansätze bei allen betroffenen Steuerpflichtigen einheitlich und verbindlich berücksichtigt werden.
Bindungswirkung der Feststellungsbescheide (§ 182 AO)
Feststellungsbescheide binden gem. § 182 Abs. 1 AO die Finanzbehörden sowie die Gerichte hinsichtlich der im Bescheid getroffenen Feststellungen. Diese Bindungswirkung erstreckt sich auch auf nachgelagerte Besteuerungsverfahren, sodass die im Feststellungsbescheid geprüften Grundlagen im anschließenden Steuerbescheid nicht mehr eigenständig überprüft werden.
Anwendungsbereiche der Feststellung von Besteuerungsgrundlagen
Personengesellschaften und Mitunternehmerschaften
Ein klassisches Beispiel für die Feststellung von Besteuerungsgrundlagen ist die Gewinnverteilung bei Personengesellschaften. Der gesamte Gewinn oder Verlust einer Mitunternehmerschaft wird auf ihre Gesellschafter verteilt und im Rahmen eines gesonderten und einheitlichen Feststellungsbescheides festgestellt.
Gemeinschaftliche Rechtsverhältnisse
Auch bei Erbengemeinschaften und anderen Gemeinschaften ohne eigene Rechtspersönlichkeit ist die Feststellung der den Beteiligten jeweils zuzurechnenden Besteuerungsgrundlagen mittels verbindlichem Bescheid notwendig.
Atypisch stille Gesellschaften und Treuhandverhältnisse
Bei atypisch stillen Gesellschaften und bestimmten Treuhandverhältnissen erfolgt ebenfalls eine gesonderte und einheitliche Feststellung, um die steuerlich relevanten Anteile der Beteiligten exakt zu quantifizieren.
Weitere Fälle der gesonderten Feststellung
Darüber hinaus sind auch andere Sachverhalte von der Feststellungspflicht erfasst, beispielsweise im Bereich der Einkünfte aus gemeinsamen Anlagen oder bei Grundstücksgemeinschaften.
Verfahren der Feststellung von Besteuerungsgrundlagen
Beteiligte und Bekanntgabe des Feststellungsbescheides
Der Feststellungsbescheid wird an alle Personen, deren steuerliche Interessen berührt werden, bekanntgegeben. Im Fall einer Personengesellschaft ist dies z. B. jeder einzelne Gesellschafter. Die Bekanntgabe erfolgt nach Maßgabe der §§ 122 ff. AO.
Einspruchsverfahren und Rechtsmittel
Gegen einen Feststellungsbescheid ist das Einspruchsverfahren gemäß §§ 347 ff. AO eröffnet. Auch Dritte, deren steuerliche Interessen durch den Feststellungsbescheid betroffen sind, haben das Recht, Einspruch einzulegen. Entscheidungen aus dem Feststellungsverfahren können somit in einem eigenständigen außergerichtlichen und, ggf., gerichtlichen Verfahren angefochten werden.
Rechtsfolgen und Bedeutung im Besteuerungsverfahren
Vorwirkung für Steuerbescheide
Die im Feststellungsbescheid enthaltenen Feststellungen sind für die späteren Steuerfestsetzungen gegenüber den betroffenen Steuerpflichtigen verbindlich. Die Finanzbehörde ist grundsätzlich gehindert, von den im Feststellungsbescheid getroffenen Aussagen abzuweichen.
Verjährung und Änderungsmöglichkeiten
Für die Feststellung von Besteuerungsgrundlagen gelten eigene Verjährungs- und Änderungsfristen (§§ 169 ff. AO). Änderungen des Feststellungsbescheides (z. B. aufgrund neuer Tatsachen oder bei offenbarer Unrichtigkeit) erfolgen analog zu den Vorschriften über die Änderung von Steuerbescheiden.
Besonderheiten bei Zusammenveranlagung
Bei zusammenveranlagten Ehegatten kann es der Fall sein, dass gesondert festgestellte Besteuerungsgrundlagen auf beide Ehepartner zu verteilen sind. Die entsprechende Abgrenzung erfolgt innerhalb des Einkommensteuerbescheides unter Berücksichtigung des Feststellungsbescheides.
Zusammenfassung
Die Feststellung von Besteuerungsgrundlagen ist ein zentrales Element des Steuerverfahrensrechts in Deutschland. Sie gewährleistet die einheitliche und gerechte Zuordnung steuerlich relevanter Sachverhalte, insbesondere wenn mehrere Personen oder mehrere Steuerarten betroffen sind. Die gesetzlichen Vorschriften der Abgabenordnung schaffen dabei klare Verfahrensregeln, deren korrekte Anwendung für die Rechtssicherheit der Besteuerung unerlässlich ist. Das Feststellungsverfahren hebt sich dadurch von der eigentlichen Steuerfestsetzung ab, bindet jedoch die nachfolgenden Besteuerungsverfahren unmittelbar.
Literaturhinweise
- Tipke/Kruse, Abgabenordnung – Finanzgerichtsordnung, Kommentar
- Klein, Abgabenordnung, Kommentar
- Schenke, Besteuerungsverfahren, Praktikerkommentar
Weiterführende Links
- Gesetzestext Abgabenordnung (AO), §§ 179-182 – gesetze-im-internet.de
- Bundeszentralamt für Steuern – Informationen zu Feststellungsbescheiden
Dieser Artikel wurde mit dem Ziel einer möglichst umfassenden Darstellung unter Berücksichtigung sämtlicher rechtlicher Aspekte erstellt. Er richtet sich an Personen, die eine fundierte Information zur Feststellung von Besteuerungsgrundlagen im deutschen Steuerrecht suchen.
Häufig gestellte Fragen
Wer ist für die Feststellung der Besteuerungsgrundlagen zuständig?
Für die Feststellung der Besteuerungsgrundlagen sind grundsätzlich die Finanzbehörden (insbesondere das zuständige Finanzamt) nach den Bestimmungen der Abgabenordnung (AO) verantwortlich. In Fällen, in denen mehrere Personen an wirtschaftlichen Tätigkeiten beteiligt sind (beispielsweise bei Personengesellschaften oder Gemeinschaften), wird dies häufig im Rahmen eines gesonderten und gegebenenfalls einheitlichen Feststellungsverfahrens (§§ 179 ff. AO) durchgeführt. Die zuständige Behörde erlässt daraufhin einen Feststellungsbescheid, der für weitere Steuerfestsetzungen bindend ist. Dadurch soll eine einheitliche Besteuerungsgrundlage geschaffen und eine doppelte oder mehrfache Berücksichtigung derselben Sachverhalte vermieden werden.
Warum erfolgt eine gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen?
Die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen dient dazu, steuerlich erhebliche Sachverhalte, an denen mehrere Personen beteiligt sind, zentral und verbindlich zu ermitteln und festzulegen. Dies betrifft insbesondere Gewinne und Verluste bei Mitunternehmerschaften, Gemeinschaften, Bruchteilsgemeinschaften und Erbengemeinschaften. Die einheitliche Feststellung stellt sicher, dass die steuerlichen Grundlagen von allen Beteiligten einheitlich verwendet werden und somit keine widersprüchlichen Besteuerungen entstehen. Außerdem werden dadurch Verfahrenseffizienz und Rechtsklarheit geschaffen, da eventuelle Streitigkeiten über die steuerliche Zurechnung oder die Feststellungsmerkmale nicht in mehreren Einzelverfahren geführt werden müssen.
Welche Rechtsfolgen hat der Feststellungsbescheid?
Ein Feststellungsbescheid gemäß §§ 179, 180 AO entfaltet Bindungswirkung hinsichtlich der darin getroffenen Feststellungen. Diese Bindungswirkung bedeutet, dass das für die eigentliche Steuerfestsetzung zuständige Finanzamt an die im Feststellungsbescheid festgestellten Besteuerungsgrundlagen gebunden ist. Soweit im Rahmen einer Steuerveranlagung dieselben Besteuerungsgrundlagen herangezogen werden, dürfen diese nicht mehr eigenständig überprüft oder abweichend festgestellt werden. Der Feststellungsbescheid ist selbstständig mit Rechtsbehelfen (Einspruch, Klage) anfechtbar, unabhängig vom späteren Steuerbescheid.
Wann ist die Feststellungspflicht von Besteuerungsgrundlagen gesetzlich vorgesehen?
Die Feststellungspflicht ergibt sich insbesondere aus den §§ 179 und 180 AO. Gemäß § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2a AO ist eine gesonderte und einheitliche Feststellung erforderlich, wenn Einkünfte erzielt werden, an denen mehrere Personen beteiligt sind und die diesen steuerlich zugerechnet werden müssen. Darüber hinaus gibt es weitere gesetzliche Feststellungspflichten, etwa für Besteuerungsgrundlagen, die für die Anwendung besonderer Steuerermäßigungen, Freibeträge oder für die Berechnung des Gewerbesteuermessbetrags relevant sind. Die Feststellungspflicht ergibt sich somit aus dem Zweck, eine einheitliche Grundlage für die Besteuerung zu schaffen, sofern dies zur Gewährleistung eines geordneten Besteuerungsverfahrens erforderlich ist.
Welche Beteiligungsformen unterliegen typischerweise einem Feststellungsverfahren?
Zu den Beteiligungsformen, bei denen regelmäßig ein Feststellungsverfahren durchzuführen ist, zählen insbesondere Personengesellschaften (wie die OHG, KG, GbR), atypisch stille Gesellschaften, Erbengemeinschaften, Grundstücksgemeinschaften und Bruchteilsgemeinschaften. Darüber hinaus können in bestimmten Fällen auch Gemeinschaften anderer Art (z. B. bei Erbgang oder bei gemeinschaftlichem Immobilienbesitz) der Feststellungspflicht unterliegen. Maßgeblich ist stets, ob mehrere steuerrechtlich relevante Personen gemeinschaftlich an denselben Einkünften oder Anteilen beteiligt sind und eine einheitliche Zuordnung erfolgen muss.
Wie ist das Verfahren zur Feststellung von Besteuerungsgrundlagen geregelt?
Das Verfahren richtet sich nach den Bestimmungen der Abgabenordnung (§§ 179 ff. AO) und ist weitgehend eigenständig ausgestaltet. Die Erklärung über die Besteuerungsgrundlagen muss von den Beteiligten gemeinschaftlich oder durch einen Bevollmächtigten abgegeben werden. Die Finanzbehörde prüft die Erklärung, führt ggf. weitere Ermittlungen durch und erlässt anschließend den Bescheid. Vor Erlass des Bescheids sind die Beteiligten in der Regel zu hören, und ihnen ist rechtliches Gehör zu gewähren. Der Feststellungsbescheid wird allen Beteiligten bekanntgegeben. Gegen den Feststellungsbescheid stehen die üblichen Rechtsbehelfe (Einspruch, später ggf. Klage) offen. Besondere Beachtung verdient die Beteiligtenstellung: Auch Dritte, deren steuerliche Interessen betroffen sind, können unter bestimmten Voraussetzungen am Verfahren beteiligt werden.
Wie wirkt sich ein Vorbehalt der Nachprüfung oder eine Änderung des Feststellungsbescheids auf die Steuerfestsetzung aus?
Ein unter dem Vorbehalt der Nachprüfung erlassener Feststellungsbescheid (§ 164 AO) kann solange geändert werden, wie die Feststellung unter diesem Vorbehalt steht. Änderungen, die sich aus einer tatsächlichen oder rechtlichen Neubewertung ergeben, sind im anschließenden Steuerbescheid zwingend zu übernehmen. Wird der Feststellungsbescheid aufgehoben oder geändert, muss das für die Festsetzung der Steuer zuständige Finanzamt die entsprechende Steuerfestsetzung anpassen (sog. Grundlagenbescheid-Funktion, § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO). Die Steuerfestsetzung ist insoweit verpflichtend zu ändern, ohne dass erneute Ermittlungen zu den Grundlagen erforderlich sind. Einschränkungen können sich durch Eintritt der Festsetzungsverjährung oder durch besondere Verfahrensvorschriften ergeben.