Begriff und Bedeutung der Festsetzung von Besteuerungsgrundlagen
Die Festsetzung von Besteuerungsgrundlagen ist ein zentraler Begriff im deutschen Steuerrecht und bezeichnet das rechtliche Verfahren, in dem die Grundlagen für die Berechnung einer Steuer von den Finanzbehörden ermittelt und verbindlich festgestellt werden. Dabei werden sämtliche steuerlich relevanten Tatsachen und rechnerischen Werte festgestellt, die zur Bestimmung der steuerlichen Bemessungsgrundlage und damit letztlich zur Steuerfestsetzung erforderlich sind.
Abgrenzung zur Steuerfestsetzung
Die Festsetzung von Besteuerungsgrundlagen ist von der eigentlichen Steuerfestsetzung zu unterscheiden. Während die Steuerfestsetzung den steuerlichen Veranlagungsakt, d.h. die Festlegung der konkreten Steuerschuld, bezweckt, geht es bei der Festsetzung von Besteuerungsgrundlagen um die vorgelagerte Ermittlung und verbindliche Bestimmung einzelner für die Steuerberechnung maßgeblicher Faktoren (z.B. Einkünfte, Umsatz, Gewinn, Einheitswert).
Rechtsgrundlagen und gesetzliche Regelungen
Allgemeine Vorschriften
Die Festsetzung von Besteuerungsgrundlagen ist vor allem in der Abgabenordnung (AO) geregelt. Wesentliche Vorschriften hierzu sind:
- § 179 AO (Festsetzung von Besteuerungsgrundlagen)
- § 180 AO (Feststellung von Besteuerungsgrundlagen)
- § 181 AO (Verfahren der gesonderten und einheitlichen Feststellung)
Auch in Einzelsteuergesetzen wie dem Einkommensteuergesetz (EStG), Körperschaftsteuergesetz (KStG), Gewerbesteuergesetz (GewStG) sowie im Bewertungsgesetz (BewG) finden sich Regelungen zur Feststellung und Festsetzung von Besteuerungsgrundlagen. Darüber hinaus enthalten die jeweiligen steuerlichen Durchführungsverordnungen nähere Bestimmungen.
Gesonderte und einheitliche Feststellung
In bestimmten Fällen verlangt das Gesetz die gesonderte und/oder einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen, beispielsweise bei Gemeinschaften von Personen (z.B. Personengesellschaften, Erbengemeinschaften) oder bei besonderen Steuergegenständen (z.B. Grundstücksbewertungen). Ziel ist es insbesondere, die einzelnen Steuerpflichtigen oder mehrere an einer steuerlichen Beziehung Beteiligte zu erfassen und eine mehrfache oder widersprüchliche Festsetzung zu vermeiden.
Verfahren der Festsetzung
Einleitung des Festsetzungsverfahrens
Die Festsetzung erfolgt regelmäßig auf Grundlage einer Steuererklärung. Steuerpflichtige sind durch verschiedene Steuergesetze und die Abgabenordnung verpflichtet, für bestimmte Besteuerungsgrundlagen erforderliche Angaben zu machen und Nachweise einzureichen. In der Regel wird die Feststellung und Festsetzung schriftlich durch einen Bescheid bekannt gegeben.
Mitwirkungs- und Vorlagepflichten
Im Rahmen des Festsetzungsverfahrens trifft den Steuerpflichtigen eine Mitwirkungspflicht (§§ 90-93 AO). Hierzu gehört insbesondere die Pflicht zur wahrheitsgemäßen und vollständigen Angabe steuerlich erheblicher Tatsachen. Die Finanzbehörde kann ggf. die Vorlage von Beweismitteln verlangen und eigene Ermittlungen anstellen.
Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen durch die Finanzbehörde
Die Finanzbehörde hat nach § 88 AO den maßgeblichen Sachverhalt zu erforschen. Sie kann hierfür Auskünfte einholen, Ermittlungen durchführen (z.B. Außenprüfung), Dritte befragen und Unterlagen anfordern. Ergibt sich eine Ungewissheit über bestimmte Besteuerungsgrundlagen trotz aller Ermittlungen, kann die Besteuerungsgrundlage geschätzt werden (§ 162 AO).
Bekanntgabe und Rechtswirkung
Die festgesetzten bzw. festgestellten Besteuerungsgrundlagen werden durch einen Feststellungsbescheid oder einen Steuerbescheid bekanntgegeben. Dieser entfaltet Bindungswirkung sowohl für die Finanzbehörde als auch für die beteiligten Steuerpflichtigen und ggf. weitere Finanzämter. Eine Korrektur ist nur unter den Voraussetzungen der §§ 172 ff. AO zulässig.
Arten der Festsetzung von Besteuerungsgrundlagen
Gesonderte Feststellung
Bei der gesonderten Feststellung werden Besteuerungsgrundlagen, die für die Besteuerung mehrerer Personen oder mehrerer Steuern bedeutsam sind, selbständig und unabhängig von der Steuerfestsetzung festgestellt (z.B. Gewinn einer Personengesellschaft).
Einheitliche Feststellung
Die einheitliche Feststellung betrifft Fälle, in denen sich mehrere Personen gemeinschaftlich an einer steuerlichen Einkunftsquelle beteiligen, zum Beispiel bei einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) oder einer Kommanditgesellschaft (KG). Die festgestellten Ergebnisse werden anschließend den einzelnen Beteiligten zugerechnet und in deren Steuerfestsetzungen berücksichtigt.
Gesonderte und einheitliche Feststellung
Oftmals erfolgt eine gesonderte und einheitliche Feststellung nach § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2a AO, wenn sowohl eine Mehrzahl von Personen beteiligt als auch mehrere Besteuerungsgrundlagen (z.B. Gewinn und Sonderbetriebsausgaben) maßgeblich sind.
Bindungswirkung und Bedeutung für die Steuerfestsetzung
Festgestellte Besteuerungsgrundlagen sind für das jeweilige Hauptsteuerverfahren bindend. Das bedeutet, das Finanzamt, das die Steuerfestsetzung vornimmt, ist an den Feststellungsbescheid gebunden und hat dessen Ergebnisse der Steuerberechnung ohne erneute Prüfung zugrundezulegen (§ 182 AO). Der Schutz der Beteiligten vor widersprüchlichen Entscheidungen sowie die Wahrung der Rechtssicherheit stehen im Vordergrund.
Rechtsschutz und Anfechtbarkeit
Feststellungsbescheide sind mit dem Einspruch anfechtbar (§ 347 AO). Rechtsbehelfe gegen die gesonderte oder einheitliche Feststellung müssen innerhalb der gesetzlichen Frist eingelegt werden, da diese grundsätzlich selbständig mit Rechtsmitteln angegriffen werden können und nicht im Rahmen des späteren Steuerbescheids überprüfbar sind.
Bedeutung in der steuerlichen Praxis
Die Festsetzung von Besteuerungsgrundlagen stellt sicher, dass die steuerliche Belastung nach den tatsächlichen wirtschaftlichen Verhältnissen erfolgt. Sie dient dazu, Mehrfach- oder Nichtbesteuerungen zu verhindern, widersprüchliche Steuerbescheide auszuschließen und die transparente Erfassung von Gemeinschaften und Beteiligungsverhältnissen zu gewährleisten. Besonders bei Unternehmensbeteiligungen, Erbengemeinschaften und anderen Gemeinschaftsformen kommt ihr eine erhebliche praktische Relevanz zu.
Zusammenfassung
Die Festsetzung von Besteuerungsgrundlagen bildet eine unverzichtbare Voraussetzung für eine rechtsstaatliche, sachgerechte und nachvollziehbare Besteuerung in Deutschland. Sie ist durch spezifische Verfahrensregeln, umfangreiche Mitwirkungs- und Ermittlungsrechte der Finanzbehörden und durch rechtliche Schutzmechanismen für die Beteiligten gekennzeichnet. Die klare Trennung von Feststellung der Besteuerungsgrundlagen und Steuerfestsetzung trägt zur Rechtssicherheit, Transparenz und Gleichmäßigkeit der Besteuerung bei.
Häufig gestellte Fragen
Was ist der Unterschied zwischen einer Schätzung und einer Festsetzung von Besteuerungsgrundlagen?
Die Festsetzung von Besteuerungsgrundlagen erfolgt grundsätzlich auf Basis der vom Steuerpflichtigen abgegebenen und durch die Finanzbehörde geprüften Steuererklärung. Eine Schätzung hingegen ist ein vom Gesetzgeber vorgesehenes Instrument (§ 162 AO), das zur Anwendung kommt, wenn der Steuerpflichtige seine Mitwirkungspflichten verletzt, etwa weil er keine oder unvollständige Angaben macht oder erforderliche Unterlagen nicht vorlegt. Bei der Festsetzung werden die Besteuerungsgrundlagen anhand der tatsächlichen und bekannten Verhältnisse ermittelt, während bei der Schätzung die Finanzbehörde die Grundlagen unter Berücksichtigung aller bekannten Tatsachen nach pflichtgemäßem Ermessen bestimmt. Das Ziel der Schätzung ist es, die wahrscheinlichen Verhältnisse möglichst wirklichkeitsnah abzubilden. Beide Maßnahmen unterliegen später der steuerlichen Korrektur, falls sich nachträglich die tatsächlichen Verhältnisse anders darstellen.
Wann wird ein Grundlagenbescheid für die Festsetzung von Besteuerungsgrundlagen benötigt?
Ein Grundlagenbescheid ist gemäß §§ 171, 175 AO immer dann notwendig, wenn bestimmte Besteuerungsgrundlagen von einer anderen Finanzbehörde oder einer anderen Verwaltungsstelle gesondert festgestellt werden müssen, etwa bei der gesonderten Feststellung von Einkünften einer Personengesellschaft oder bei der Feststellung von Einheitswerten. Dieser Bescheid entfaltet gegenüber der Festsetzung des Steuerbescheids Bindungswirkung, das heißt, das zuständige Finanzamt hat die im Grundlagenbescheid getroffenen Feststellungen der Besteuerungsgrundlagen im Folgebescheid zwingend zu übernehmen. Ziel ist die Vermeidung von widersprüchlichen Entscheidungen und die Sicherstellung einer einheitlichen Rechtsanwendung.
Welche Rechtsbehelfe stehen dem Steuerpflichtigen gegen die Festsetzung von Besteuerungsgrundlagen zur Verfügung?
Der Steuerpflichtige kann gegen die Festsetzung von Besteuerungsgrundlagen im Steuerbescheid innerhalb der einmonatigen Frist Einspruch gemäß § 347 AO einlegen. Ein Rechtsbehelf ist immer dann zulässig, wenn der Steuerpflichtige der Ansicht ist, dass die Finanzbehörde die Besteuerungsgrundlagen fehlerhaft oder unvollständig festgestellt hat, also etwa Betriebsausgaben oder Werbungskosten nicht anerkannt oder falsche Beträge übernommen wurden. Auch gegen gesonderte Feststellungsbescheide kann separat Einspruch eingelegt werden. In beiden Fällen prüft die Finanzbehörde im Einspruchsverfahren sämtliche relevanten Tatsachen erneut und kann den Bescheid im Sinne des Steuerpflichtigen abändern. Hilft die Finanzbehörde dem Einspruch nicht ab, besteht die Möglichkeit einer Klage vor dem Finanzgericht.
Welche rechtlichen Anforderungen stellt die Abgabenordnung an die Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen?
Die Abgabenordnung verpflichtet die Finanzbehörden nach § 88 AO zu einer möglichst umfassenden und vollständigen Ermittlung des Sachverhalts von Amts wegen (Untersuchungsgrundsatz). Dies umfasst insbesondere die Prüfung, ob alle für die Besteuerung wesentlichen Tatsachen ordnungsgemäß und vollständig festgestellt werden. Die Finanzbehörde ist hierbei jedoch gehalten, wirtschaftliche Gesichtspunkte ebenso zu berücksichtigen wie rechtliche und die Angaben des Steuerpflichtigen auf Plausibilität zu überprüfen. Gleichzeitig werden an den Umfang der Ermittlungen Anforderungen der Verhältnismäßigkeit und Zumutbarkeit gestellt, das heißt, der Aufwand der Ermittlungen darf nicht außer Verhältnis zur steuerlichen Bedeutung der Feststellungen stehen.
Wie wirken sich Fehler bei der Festsetzung von Besteuerungsgrundlagen auf die Festsetzungsfrist aus?
Werden nachträglich erhebliche Fehler in der Festsetzung von Besteuerungsgrundlagen bekannt, etwa durch neue Tatsachen oder Beweismittel (§ 173 AO), kann die Festsetzungsfrist verlängert werden. Insbesondere bei Steuerhinterziehung, leichtfertiger Steuerverkürzung oder groben Fehlern zu Ungunsten des Fiskus verlängert sich die Frist zur Änderung des Steuerbescheids gemäß § 169 ff. AO (beispielsweise auf zehn Jahre bei Hinterziehung). Entdeckt der Steuerpflichtige oder das Finanzamt innerhalb der regulären Festsetzungsfrist einen Fehler, kann dieser durch Änderungsbescheide (§ 172 ff. AO) korrigiert werden. Voraussetzung ist immer, dass die Tatsachen für die Steuerfestsetzung neu sind und bei der ursprünglichen Festsetzung unberücksichtigt blieben.
Welche Pflichten treffen den Steuerpflichtigen bei der Mitwirkung zur Feststellung der Besteuerungsgrundlagen?
Der Steuerpflichtige ist nach §§ 90-92 AO verpflichtet, die zur Feststellung der Besteuerungsgrundlagen notwendigen Unterlagen und Beweismittel vorzulegen sowie wahrheitsgemäße und vollständige Angaben zu machen. Hierzu gehört insbesondere das Führen von Verzeichnissen, Aufzeichnungen und Unterstützen der Behörde durch Erläuterungen. Verletzt der Steuerpflichtige diese Mitwirkungspflichten, kann dies nicht nur zu einer Schätzung der Besteuerungsgrundlagen führen, sondern auch zu Zwangsmaßnahmen (§ 328 AO) oder Sanktionen wie Verspätungszuschlägen (§ 152 AO) und gegebenenfalls Straf- oder Bußgeldverfahren bei vorsätzlichem oder grob fahrlässigem Verhalten. Die Mitwirkungspflichten sind besonders weit gefasst und ihre Verletzung kann erhebliche rechtliche Konsequenzen haben.