Begriff und rechtliche Grundlagen der Familiensachen
Familiensachen bezeichnen einen zentralen rechtlichen Themenbereich des Zivilrechts, der die gerichtlichen Angelegenheiten innerhalb familiärer Beziehungen umfasst. Der Begriff ist in Deutschland in § 111 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) legaldefiniert. Zu den Familiensachen gehören insbesondere Verfahren in Bezug auf Ehe, Lebenspartnerschaft, Abstammung, elterliche Sorge, Adoption, Unterhalt, Zugewinnausgleich sowie gewaltschutzrechtliche Streitigkeiten im familiären Kontext.
Abgrenzung zu anderen Rechtsbereichen
Familiensachen sind abzugrenzen von Erbsachen, Kindschaftsangelegenheiten oder reinen Vermögensstreitigkeiten, insbesondere wenn Familienmitglieder als Parteien auftreten, die Streitigkeit jedoch keinen familienrechtlichen Bezug aufweist. Die gesetzlichen Zuständigkeiten, Verfahrensarten und Rechtsfolgen unterscheiden sich teils erheblich von denen in anderen zivilrechtlichen Streitigkeiten.
Einteilung und Kategorisierung der Familiensachen
Das FamFG unterteilt Familiensachen in verschiedene Verfahren und Teilbereiche. Die wichtigsten Kategorien werden im Folgenden vorgestellt.
1. Ehe- und Lebenspartnerschaftssachen
Scheidung und Aufhebung der Ehe
Ein bedeutender Teilbereich bilden Verfahren zur Scheidung oder Aufhebung einer Ehe (§ 121 FamFG), einschließlich damit verbundener Folgesachen wie Versorgungsausgleich, Ehegattenunterhalt und Hausratsverteilung. Auch das sogenannte Trennungsjahr und dessen Bedeutung im Scheidungsrecht sind in familenrechtlichen Verfahren zu berücksichtigen.
Aufhebung von Lebenspartnerschaften
Für die Aufhebung eingetragener Lebenspartnerschaften gelten weitgehend analoge Regelungen wie für Ehen (§ 122 FamFG). Hierzu zählen auch die Folgesachen, die aus der Aufhebung resultieren.
2. Kindschaftssachen
Kindschaftssachen im Sinne des § 151 FamFG umfassen Verfahren, die das Eltern-Kind-Verhältnis betreffen. Hierzu gehören insbesondere:
- Elterliche Sorge und Umgangsrecht: Verfahren zur Übertragung, Entziehung oder Regelung der elterlichen Sorge sowie Streitigkeiten über das Umgangsrecht (§§ 1626 ff. BGB).
- Abstammung: Feststellung und Anfechtung der Vaterschaft sowie damit verbundene unterhaltsrechtliche Fragen (§ 1600 BGB).
- Herausgabe des Kindes: Verfahren auf Herausgabe eines Kindes an eine Person mit Sorgerecht oder zur Regelung des Aufenthalts.
Adoptionssachen
Bei einer Adoption und deren Folgen handelt es sich um spezielle Kindschaftssachen (§ 186 FamFG). Hierunter fallen sowohl Verfahren zur Annahme eines Kindes als auch zum Widerruf einer Annahme.
3. Unterhaltssachen
Unterhaltssachen gemäß § 231 FamFG beschäftigen sich mit Ansprüchen auf Unterhalt zwischen verwandten sowie verschwägerten Personen. Zentrale Unterhaltsarten sind:
- Ehegattenunterhalt: Anspruch eines Ehegatten gegen den anderen im Zusammenhang mit Trennung und nach Scheidung (§ 1361, § 1569 ff. BGB).
- Kindesunterhalt: Anspruch minderjähriger oder bedürftiger volljähriger Kinder gegen ihre Eltern (§ 1601 BGB).
- Elternunterhalt: Ansprüche der Eltern gegen ihre Kinder auf Unterhalt im Alter oder bei Bedürftigkeit.
4. Güterrechtssachen
Güterrechtliche Familiensachen (§ 266 FamFG) betreffen die Vermögensauseinandersetzung zwischen Ehegatten und Lebenspartnern bei Beendigung der Ehe oder Partnerschaft, insbesondere Fragen zum Zugewinnausgleich (§§ 1373 ff. BGB) und zur Aufteilung des Vermögens.
5. Gewaltschutzsachen
Familiensachen umfassen auch Verfahren nach dem Gewaltschutzgesetz (GewSchG), sofern die Parteien in einer häuslichen Gemeinschaft leben oder lebten (§ 266 Abs. 1 Nr. 6 FamFG). Schutzanordnungen können dabei insbesondere Näherungsverbote, Kontaktverbote oder Wohnungszuweisungen zum Inhalt haben.
Verfahrensrechtliche Besonderheiten bei Familiensachen
Zuständigkeit der Gerichte
Das Amtsgericht – Familiengericht – ist ausschließlich für Familiensachen zuständig (§ 23b GVG). Die örtliche Zuständigkeit richtet sich nach dem gewöhnlichen Aufenthalt der minderjährigen Kinder oder der Ehegatten beziehungsweise Lebenspartner.
Verfahrensführung und Beteiligtenstellung
Familiensachen unterliegen dem sogenannten Amtsermittlungsgrundsatz (§ 26 FamFG). Das Gericht ist verpflichtet, den Sachverhalt von Amts wegen aufzuklären, insbesondere bei Angelegenheiten, in denen das Wohl minderjähriger Kinder betroffen ist. Die Beteiligtenstellung in Familenverfahren ist streng geregelt und umfasst regelmäßig die Ehegatten, Eltern, Kinder und weitere Verwandte, teilweise auch Behörden wie das Jugendamt.
Rechtsmittel und Beschleunigung
Gegen Entscheidungen des Familiengerichts sind Beschwerde zum Oberlandesgericht (§ 58 FamFG) und in besonderen Fällen auch weitere Rechtsmittel möglich. Familiensachen werden im Interesse der Betroffenen, insbesondere zum Schutz von Kindern, vorrangig und beschleunigt behandelt.
Kosten im familiengerichtlichen Verfahren
Das Kostenrecht in Familiensachen folgt den Prinzipien des FamFG und erfolgt meist nach den Bestimmungen des Gerichtskostengesetzes (GKG) und des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG). Abweichend vom Zivilprozessrecht kann das Gericht in bestimmten Verfahren anordnen, dass die Beteiligten ihre Kosten selbst tragen (§ 81 FamFG).
Internationale Bezüge bei Familiensachen
Gerade im Rahmen von Ehen und Familien mit Auslandsbezug, beispielsweise bei binationalen Partnerschaften, kann internationales Familienrecht einschlägig sein. Wichtige Regelungswerke sind unter anderem die Brüssel IIb-Verordnung und das Haager Kindesentführungsübereinkommen, die Zuständigkeit und Anerkennung von Entscheidungen sowie das anwendbare Recht europaweit und international regeln.
Zusammenfassung
Familiensachen nehmen im deutschen Recht einen eigenständigen und sehr weit gefassten Bereich ein, der eine Vielzahl zwischenmenschlicher und familiärer Rechtsverhältnisse abdeckt. Die differenzierte gesetzliche Regelung soll den besonderen Schutz- und Unterstützungsbedürfnissen der Familie, insbesondere minderjähriger Kinder, Rechnung tragen. Familiensachen sind gekennzeichnet durch besondere verfahrensrechtliche Bestimmungen und haben in fast allen Bereichen Berührungspunkte zu weiteren zivil-, kosten- oder sogar strafrechtlichen Vorgängen. Das Verständnis ihrer rechtlichen Grundlagen bildet eine unverzichtbare Basis für die Einordnung und Lösung familiärer Rechtsstreitigkeiten.
Häufig gestellte Fragen
Wer ist in familienrechtlichen Angelegenheiten zuständig – das Amtsgericht oder das Familiengericht?
In Deutschland werden Familiensachen grundsätzlich vor dem Familiengericht verhandelt, einer speziellen Abteilung am Amtsgericht. Laut § 23b Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) sind Familiengerichte zuständig für Verfahren, die sämtliche familienrechtliche Fragestellungen umfassen, beispielsweise Scheidung, elterliche Sorge, Unterhalt oder Zugewinnausgleich. Das Familiengericht ist dabei nicht an das Wohnsitzgericht gebunden, sondern zuständig ist das Gericht, in dessen Amtsgerichtsbezirk ein Ehegatte mit gemeinsamen minderjährigen Kindern wohnt, andernfalls der gewöhnliche Aufenthaltsort des Antragsgegners. In Eil- und Streitfällen (z.B. Gewaltschutz) kann jedoch auch ein anderes Familiengericht angerufen werden, gegebenenfalls das nächstgelegene. Für Verfahren außerhalb des Familienrechts, beispielsweise in allgemeinem Zivilrecht, bleibt weiterhin das normale Amtsgericht zuständig.
Wie läuft ein Scheidungsverfahren rechtlich ab?
Ein Scheidungsverfahren beginnt mit der Einreichung des Scheidungsantrags durch einen anwaltlich vertretenen Ehepartner beim zuständigen Familiengericht. Es besteht Anwaltszwang, das heißt eine eigenständige Antragstellung ist nicht möglich. Der andere Ehepartner erhält dann Gelegenheit zur Stellungnahme und kann im Rahmen einer sogenannten „Folgesache“ eigene Anträge (z.B. zu Sorgerecht, Unterhaltsregelungen) stellen. Anschließend erfolgt die Durchführung des Versorgungsausgleichs, bei dem rentenrechtliche Ansprüche der Ehegatten ausgeglichen werden. In der Regel findet ein mündlicher Scheidungstermin statt, bei dem beide Ehegatten persönlich erscheinen müssen. Das Gericht stellt fest, ob die Ehe zerrüttet ist und alle notwendigen Formalitäten geklärt wurden. Ist dies der Fall, wird die Scheidung ausgesprochen. Das Urteil ist mit Ablauf der Rechtsmittelfrist rechtskräftig, sofern keine Rechtsmittel eingelegt werden. Erst dann gilt die Ehe rechtlich als aufgelöst.
Welche Unterhaltsansprüche bestehen innerhalb der Familie?
Im Rahmen des Familienrechts bestehen verschiedene Unterhaltsansprüche, die rechtlich voneinander abzugrenzen sind. Zunächst gibt es den Kindesunterhalt nach § 1601 BGB, der grundsätzlich von beiden Elternteilen abhängig von deren Leistungsfähigkeit geschuldet wird – der barunterhaltspflichtige Elternteil entrichtet Zahlungen, der betreuende leistet Naturalunterhalt durch Pflege und Erziehung. Für den Kindesunterhalt ist die sogenannte Düsseldorfer Tabelle relevante Orientierungshilfe. Zusätzlich besteht Anspruch auf Trennungsunterhalt zwischen Ehegatten nach § 1361 BGB ab dem Zeitpunkt der Trennung bis zur Rechtskraft der Scheidung. Nach der Scheidung kann Ehegattenunterhalt nach § 1569 BGB zustehen, beispielsweise wegen Betreuung gemeinsamer Kinder, Alter oder Krankheit. Darüber hinaus besteht ein besonderer Anspruch auf Elternunterhalt gegenüber erwachsenen Kindern, wenn pflegebedürftige Eltern wirtschaftlich hilfebedürftig werden und das Sozialamt auf deren Kinder zurückgreift (§ 1601 BGB). Die Höhe des jeweiligen Unterhaltsanspruchs ist abhängig von mehreren Faktoren, darunter die Bedürftigkeit des Anspruchstellers, die Leistungsfähigkeit des Unterhaltsverpflichteten und bestehende Unterhaltsverpflichtungen gegenüber Dritten.
Wie werden Sorgerecht und Umgangsrecht juristisch unterschieden?
Das Sorgerecht und das Umgangsrecht sind zentrale Begriffe im Familienrecht, die unterschiedlich geregelt sind. Das Sorgerecht umfasst gemäß §§ 1626 ff. BGB die elterliche Sorge für das Kind, unterteilt in die Personensorge (Pflege, Erziehung, medizinische Entscheidungen usw.) sowie die Vermögenssorge (Verwaltung des Vermögens des Kindes). Grundsätzlich üben verheiratete Eltern das Sorgerecht gemeinsam aus, bei nicht verheirateten Eltern verbleibt es zunächst bei der Mutter, bis auf Antrag eine gemeinsame Sorge erklärt wird. Im Fall der Trennung bleibt das gemeinsame Sorgerecht in der Regel bestehen, Änderungen können auf Antrag eines Elternteils und nach gerichtlicher Prüfung erfolgen. Das Umgangsrecht (§ 1684 BGB) gibt dem nicht betreuenden Elternteil das Recht und die Pflicht, regelmäßigen Kontakt zum Kind zu pflegen. Auch Großeltern oder andere Bezugspersonen können ein Umgangsrecht geltend machen, wenn dies dem Kindeswohl dient. Die genaue Ausgestaltung erfolgt im Streitfall durch gerichtliche Entscheidung, wobei stets das Wohl des Kindes im Vordergrund steht.
Was ist beim Versorgungsausgleich im Scheidungsverfahren zu beachten?
Der Versorgungsausgleich gehört zum Pflichtprogramm jedes Scheidungsverfahrens (§§ 1587 ff. BGB). Hierbei werden während der Ehe erworbene Anwartschaften auf Altersvorsorge oder Erwerbsminderungsrenten (gesetzliche Rentenversicherung, betriebliche Altersvorsorge, private Rentenversicherung) zwischen den Ehegatten ausgeglichen, um einen Ausgleich zukünftiger Versorgungsnachteile zu schaffen. Das Familiengericht ermittelt dazu die Höhe der während der Ehezeit erworbenen Ansprüche beider Parteien, wobei der Beginn mit dem Ersten des Monats der Eheschließung und das Ende mit dem Ende des Monats der Zustellung des Scheidungsantrags festgelegt wird. Beide Parteien werden zur Auskunft verpflichtet, Sozialversicherungsträger werden automatisch beteiligt. Ausnahmen vom Versorgungsausgleich bestehen bei sehr kurzer Ehedauer (unter drei Jahren, sofern kein Antrag gestellt wird) oder wenn die Durchführung grob unbillig wäre (§ 27 VersAusglG). Über den Ausgleich entscheidet das Familiengericht zusammen mit dem Scheidungsurteil.
Wie kann das Umgangsrecht durchgesetzt oder eingeschränkt werden?
Wird das Umgangsrecht einem Elternteil, Großeltern oder anderen Bezugspersonen verweigert, kann dieses Recht mit Hilfe des Familiengerichts geltend gemacht werden. Eine schriftliche Antragstellung ist erforderlich, worüber das Gericht in einem familienrechtlichen Verfahren entscheidet (§ 1696 BGB). Das Gericht kann auch eine Umgangsregelung anordnen, zum Beispiel hinsichtlich Häufigkeit, Ort und Dauer der Besuche. Nach § 1666 BGB kann jedoch das Umgangs- oder Sorgerecht eingeschränkt oder ganz entzogen werden, sofern das Wohl des Kindes gefährdet ist (z.B. durch Misshandlungs-, Missbrauchs- oder Vernachlässigungsgefahr). Solche Maßnahmen sind jedoch das letzte Mittel („ultima ratio“) und nur dann zulässig, wenn mildere Mittel nicht mehr ausreichen. Die Durchsetzung erfolgt gegebenenfalls mit Zwangsmitteln, wie Zwangsgeld oder Zwangshaft, sollte eine verbindliche gerichtliche Umgangsregelung missachtet werden. Die Beteiligung des Jugendamtes ist regelmäßig vorgesehen, insbesondere zur Anhörung und Unterstützung des Kindes.
Welche Besonderheiten gelten bei internationalen Familiensachen?
Internationale Familiensachen unterliegen speziellen Vorschriften, insbesondere im Hinblick auf internationale Zuständigkeit und anzuwendendes Recht. Für viele familienrechtliche Streitigkeiten gilt die Brüssel IIb-Verordnung (Verordnung (EU) 2019/1111), die die internationale Zuständigkeit und Anerkennung von Entscheidungen bei Ehesachen und elterlicher Verantwortung in der EU regelt. Ist ein Ehepartner beispielsweise Ausländer oder lebt im Ausland, ist regelmäßig maßgeblich, ob einer der Eheleute seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat. Das deutsche Familiengericht prüft, welches Recht nach den einschlägigen Vorschriften (z.B. Rom III-VO, Haager Übereinkommen) anzuwenden ist. Insbesondere bei Fragen des Sorgerechts, der Kindesherausgabe und Kindesentführung kommen internationale Übereinkommen zur Anwendung, um die Rechte des Kindes zu schützen. Die Anerkennung ausländischer Eheschließungen und Scheidungen erfolgt nach speziellen deutschen und internationalen Regelungen, teils muss das Oberlandesgericht (OLG) eingeschaltet werden. Die rechtliche Beratung durch darauf spezialisierte Fachanwälte ist in diesen Fällen dringend anzuraten.