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Familienleistungsausgleich (§ 31 EStG)


Begriff und Zweck des Familienleistungsausgleichs (§ 31 EStG)

Der Familienleistungsausgleich ist ein zentraler Bestandteil des deutschen Steuerrechts, insbesondere im Einkommensteuerrecht, mit dem Ziel, wirtschaftliche Belastungen von Familien abzumildern. Die gesetzliche Grundlage bildet § 31 Einkommensteuergesetz (EStG), welcher den familienbezogenen Ausgleich innerhalb der Einkommensteuer regelt. Der Begriff bezeichnet die Gesamtheit der Maßnahmen und Vergünstigungen, durch die der Staat sicherstellt, dass Familien bei der Existenzsicherung und Kindererziehung entlastet werden. Die Regelungen zielen auf eine gleichmäßige Besteuerung ab und bezwecken eine gleichberechtigte finanzielle Teilhabe von Eltern mit Kindern.


Gesetzliche Grundlagen

§ 31 EStG: Regelungsinhalt

§ 31 EStG begründet den Familienleistungsausgleich als einkommensteuerliche Entlastung für Eltern. Der Gesetzgeber sieht vor, dass für Kinder entweder das steuerliche Existenzminimum mittels des Kinderfreibetrags steuerfrei gestellt oder alternativ das Kindergeld als Direktzahlung gewährt wird. Im Rahmen einer sogenannten Günstigerprüfung wird für jeden Steuerpflichtigen festgestellt, welche Regelung vorteilhafter ist (Freibetrag oder Kindergeld).

Wortlaut auszugsweise (§ 31 EStG):

„Durch den Kinderfreibetrag und den Freibetrag für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf (Kinderfreibeträge) oder durch das Kindergeld […] soll das Existenzminimum eines Kindes steuerfrei gestellt werden.“

Historische Entwicklung

Der Gedanke des Familienleistungsausgleichs ist seit 1954 Teil des Einkommensteuerrechts. Ursprünglich wurden Familien über Steuerbefreiungen begünstigt; mit dem Steuerreformgesetz 1996 wurde die Gleichwertigkeit von Kindergeld und Kinderfreibetrag erstmals gesetzlich genau ausgestaltet. Kontinuierliche Anpassungen erfolgten durch Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts etwa zum steuerlichen Existenzminimum.


Ausgestaltung des Familienleistungsausgleichs

Kinderfreibetrag und Kindergeld

Der Familienleistungsausgleich erfolgt dadurch, dass Eltern entweder Kindergeld (§ 62 ff. EStG) oder Kinderfreibetrag (§ 32 Abs. 6 EStG) in Anspruch nehmen können.

  • Kinderfreibetrag: Steuerlicher Abzugsbetrag, das Existenzminimum des Kindes bleibt bei der Einkommensteuerberechnung unbesteuert.
  • Kindergeld: Monatliche staatliche Zahlung pro Kind unabhängig von der tatsächlichen Steuerlast.

Die steuerliche Günstigerprüfung (§ 31 Satz 4 EStG) vergleicht im Veranlagungsverfahren, ob das zu zahlende Kindergeld oder der Steuervorteil durch die Freibeträge für die Eltern finanziell günstiger ist. Ist das steuerliche Entlastungsvolumen durch die Freibeträge höher, wird die Differenz zwischen Kindergeld und Steuervorteil nachträglich ausgeglichen.

Anwendungsbereich – Begünstigte Steuerpflichtige

Begünstigt sind alle unbeschränkt einkommensteuerpflichtigen Personen, die Anspruch auf Kindergeld oder Kinderfreibetrag für ein Kind haben. Anspruchsberechtigt sind im Allgemeinen die Eltern und in Ausnahmefällen Pflegeeltern, Großeltern oder Adoptiveltern.


Rechtswirkungen und Bedeutung

Gleichmäßige Leistungsfähigkeit und Existenzminimum

Kernfunktion des Familienleistungsausgleichs ist die Sicherung des verfassungsrechtlich vorgeschriebenen steuerlichen Existenzminimums der Kinder. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) dürfen Kindern und Eltern durch die Einkommensteuer keine finanziellen Nachteile entstehen, wenn das Existenzminimum der Kinder nicht ausreichend berücksichtigt wird (BVerfG-Urteil vom 10.11.1998 – 2 BvL 42/93).

Wechselwirkung mit anderen Sozialleistungen

Das Kindergeld gilt – im Unterschied zum Kinderfreibetrag – häufig als Einkommen im sozialrechtlichen Sinne und wird auf bestimmte Sozialleistungen angerechnet (z. B. Wohngeld, Unterhaltsvorschuss, Arbeitslosengeld II). Der steuerliche Familienleistungsausgleich verfolgt jedoch primär steuerrechtliche Zielrichtungen.


Systematische Stellung im Steuerrecht

Verhältnis zu anderen Freibeträgen und Vergünstigungen

Neben dem Kinderfreibetrag sieht das Einkommensteuerrecht weitere familienbezogene Freibeträge und Entlastungsbeträge vor – etwa den Freibetrag für Alleinerziehende (§ 24b EStG) oder den Betreuungs-, Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf. Der Familienleistungsausgleich ist zusammen mit diesen Freibeträgen zentraler Teil der steuerlichen Familienförderung.

Umsetzung im Besteuerungsverfahren

Im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung prüft die Finanzverwaltung, ob das Kindergeld oder der Kinderfreibetrag die größere Entlastung bewirken. Der entsprechende Betrag wird im Steuerbescheid berücksichtigt – übersteigt der Steuervorteil aus Freibeträgen das gezahlte Kindergeld, wird die Differenz im Veranlagungszeitraum ausgezahlt.


Kritik und Reformdiskussion

Der Familienleistungsausgleich steht regelmäßig im Fokus steuerpolitischer Debatten. Kritisiert wird etwa, dass der Kinderfreibetrag meist Besserverdienende stärker entlastet, während das Kindergeld Geringverdienenden hilft. Auch die Wechselwirkungen mit dem Sozialrecht sowie die Höhe der Freibeträge und Kindergeldzahlungen sind Gegenstand fortlaufender Anpassungen und gerichtlicher Überprüfungen.


Literatur und Weblinks

  • Einkommensteuergesetz (EStG) – § 31 Familienleistungsausgleich
  • Bundeszentrale für politische Bildung: Überblick Familienförderung
  • BFH/NV 2017, 843 (Rechtsprechung)
  • Broschüren des Bundesministeriums der Finanzen zum Familienleistungsausgleich

Zusammenfassung

Der Familienleistungsausgleich nach § 31 EStG stellt das zentrale steuerliche Instrument zur Entlastung von Familien mit Kindern in Deutschland dar. Durch die Wahlmöglichkeit zwischen Kindergeld und Kinderfreibetrag gewährleistet das System eine individuelle Steuerentlastung unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Eltern, wobei die verfassungsrechtlichen Anforderungen an das steuerliche Existenzminimum im Mittelpunkt stehen. Die bestehenden Regelungen unterliegen ständiger Anpassung und Bewertung durch Gesetzgebung und Rechtsprechung.

Häufig gestellte Fragen

Wer ist zum Bezug von Leistungen im Rahmen des Familienleistungsausgleichs nach § 31 EStG berechtigt?

Der Kreis der Berechtigten für Leistungen im Rahmen des Familienleistungsausgleichs ergibt sich aus § 31 EStG in Verbindung mit weiteren Vorschriften des Einkommensteuergesetzes (insbesondere §§ 32, 62 ff. EStG). Anspruch auf den Familienleistungsausgleich haben in der Regel unbeschränkt einkommensteuerpflichtige Personen, die für ein Kind kindergeldberechtigt sind oder für das Kind einen Kinderfreibetrag erhalten. Hierzu zählen insbesondere Eltern, Pflegeeltern oder Großeltern, sofern das Kind in ihren Haushalt aufgenommen wurde, sowie Personen, bei denen das Kind gemeldet ist und das Kindergeld auch tatsächlich zufließt. Auch in Sonderfällen – etwa bei behinderten oder volljährigen Kindern – muss eine genaue Prüfung einschlägiger Voraussetzungen erfolgen. Die Anspruchsberechtigung ist eng an die Zugehörigkeit des Kindes zum Haushalt und an die Erfüllung bestimmter persönlicher Voraussetzungen geknüpft. Neben der Steuerlichen Identifikationsnummer des Kindes ist die Nachweispflicht über das Bestehen des Kindschaftsverhältnisses ein zentraler Aspekt im Rahmen des Anspruchsnachweises. Für nicht in Deutschland lebende, aber in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union wohnhafte Kinder gelten Sonderregelungen im Rahmen des zwischenstaatlichen Steuerrechts und Sozialrechts.

Wie erfolgt die steuerliche Berücksichtigung von Kindern im Rahmen des Familienleistungsausgleichs?

Die steuerliche Berücksichtigung erfolgt in zweierlei Weise: durch die Gewährung von Kindergeld oder durch die Berücksichtigung von Kinderfreibeträgen im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung. Das Finanzamt prüft im sogenannten Günstiger-Prüfung automatisch im Veranlagungsverfahren, welche Variante für die Eltern vorteilhafter ist (§ 31 Satz 4 EStG). Grundsätzlich wird das Kindergeld als monatliche Sozialleistung von der Familienkasse ausgezahlt. Übersteigt jedoch die Steuerersparnis durch den Kinderfreibetrag das erhaltene Kindergeld, werden diese Freibeträge bei der Steuerfestsetzung abgezogen und das zu viel gezahlte Kindergeld im Rahmen der Steuerberechnung angerechnet. Im Ergebnis erhalten Eltern immer den für sie wirtschaftlich günstigeren Betrag. Diese Regelung gewährleistet eine gleichmäßige steuerliche Entlastung von Familien und verhindert eine Doppelbegünstigung.

Wird der Familienleistungsausgleich auf beide Elternteile aufgeteilt?

Die Aufteilung des Familienleistungsausgleichs richtet sich nach den Anspruchsvoraussetzungen und den tatsächlichen Lebensverhältnissen der Eltern. Bei zusammenlebenden Elternteilen steht der Familienleistungsausgleich grundsätzlich beiden Eltern gemeinsam zu. Im Steuerrecht erfolgt die Berücksichtigung der Kinderfreibeträge grundsätzlich je zur Hälfte bei jedem Elternteil (§ 32 Abs. 6 EStG). Lebt das Kind jedoch nur bei einem Elternteil oder erhält nur ein Elternteil das Kindergeld, kann auch eine vollständige Übertragung des Freibetrags erfolgen. Bei getrennt lebenden, aber gemeinsam sorgeberechtigten Eltern richtet sich der Anspruch nach dem sogenannten Bezugsberechtigtenprinzip beim Kindergeld; das heißt, derjenige Elternteil, der das Kindergeld tatsächlich erhält, profitiert im Zweifel vom Familienleistungsausgleich, sofern keine andere Regelung (z.B. über Unterhaltsleistungen) getroffen wurde. Eine Übertragung der Freibeträge ist zudem auf Antrag möglich, etwa wenn der andere Elternteil seiner Unterhaltspflicht nicht nachkommt.

Wie beeinflussen Einkünfte und Bezüge des Kindes den Familienleistungsausgleich?

Einkünfte und Bezüge von Kindern sind nur noch in bestimmten Ausnahmefällen für die Gewährung des Familienleistungsausgleichs relevant. Für volljährige Kinder ohne eigene Erwerbstätigkeit spielt die Höhe der eigenen Einkünfte grundsätzlich keine Rolle mehr – diese Regelung bestand vor 2012. Für volljährige Kinder, die wegen einer Behinderung außerstande sind, sich selbst zu unterhalten (§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG), sowie für Kinder in Ausbildung, darf das Einkommen bestimmte Höchstgrenzen nicht überschreiten, sofern die Ausbildung und deren Unterhalt nachgewiesen werden. Im Zusammenhang mit bestimmten Sozialleistungen (z.B. Waisenrente, BAföG) oder steuerfreien Einnahmen kann es Einfluss auf die Berücksichtigungsfähigkeit geben. Besonderheiten ergeben sich insbesondere für Kinder nach Vollendung des 18. Lebensjahres, wobei der Vorrang von Ausbildung, Freiwilligendienst oder Behinderung als anspruchsbegründende Merkmale im Vordergrund stehen.

Inwiefern bestehen wechselseitige Anrechnungstatbestände zwischen Kindergeld und Kinderfreibetrag?

Der Grundsatz des Familienleistungsausgleichs ist auf das Vermeiden einer Doppelbegünstigung ausgelegt. Das bedeutet, wenn der Steuerpflichtige das Kindergeld bereits erhalten hat, wird dieses im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung auf die sich rechnerisch ergebende Steuerersparnis durch die Kinderfreibeträge angerechnet (§ 31 Satz 4 EStG). Die Anrechnung erfolgt im Rahmen des sogenannten Günstigervergleichs: Übersteigt die steuerliche Entlastung durch Freibeträge das gezahlte Kindergeld, wird die Differenz im Einkommensteuerbescheid zugunsten des Steuerpflichtigen berücksichtigt. Ist die Steuerentlastung jedoch niedriger als das gezahlte Kindergeld, erfolgt keine weitere Entlastung neben der Kindergeldzahlung. Diese Systematik gewährleistet, dass Familien stets die für sie vorteilhafteste Leistung erhalten, ohne dass ein doppelter Vorteil entsteht.

Welche rechtlichen Pflichten bestehen bei der Beantragung und Nachweisführung des Familienleistungsausgleichs?

Die Beantragung von Kindergeld erfolgt in der Regel schriftlich bei der zuständigen Familienkasse unter Angabe und Nachweis sämtlicher relevanter Daten (Kopie der Geburtsurkunde, Steuerliche Identifikationsnummer von Antragsteller und Kind, Nachweise über Schul- oder Berufsbildung etc.). Änderungen in den Verhältnissen, die den Anspruch beeinflussen, sind unverzüglich mitzuteilen (§ 68 Abs. 1 EStG). Für die Gewährung der Kinderfreibeträge ist keine gesonderte Beantragung erforderlich, da diese im Rahmen der Steuerveranlagung automatisch berücksichtigt werden. Soweit Kinder außerhalb Deutschlands leben, ist der rechtmäßige Aufenthalt nachzuweisen, ggf. ergänzt durch Nachweise über die Haushaltszugehörigkeit. Verstöße gegen Mitteilungspflichten können zur Rückforderung zu Unrecht bezogener Leistungen oder zur Einleitung von Ordnungswidrigkeitenverfahren führen. Die Nachweispflicht umfasst grundsätzlich alle Anspruchsvoraussetzungen.

Gibt es Besonderheiten beim Familienleistungsausgleich in Patchwork-Familien oder bei Adoption?

Im Falle von Patchwork-Familien oder bei Adoption gelten besondere Regelungen hinsichtlich der Anspruchsberechtigung. Der rechtliche Status des Kindes (z.B. Stiefkind, Pflegekind, adoptiertes Kind) ist entscheidend für das Bestehen eines Anspruchs. Für Stiefkinder und Pflegekinder wird ein Anspruch angenommen, sofern sie in den Haushalt des Steuerpflichtigen aufgenommen wurden oder eine entsprechende Unterhaltsverpflichtung vorliegt (§ 32 Abs. 1 Nr. 2 und 3 EStG). Bei Adoption ist mit Abschluss des Adoptionsverfahrens das Kind dem leiblichen Kind steuerlich gleichgestellt. In Patchwork-Konstellationen ist stets zu prüfen, bei wem das Kind lebt und wer das Kindergeld beansprucht; hier kann auch die Übertragung von Freibeträgen in Betracht kommen. Bei mehreren Kindern aus verschiedenen Partnerschaften gelten je nach Sorgerechtsverhältnissen und Lebensgemeinschaft unterschiedliche Anspruchskonstellationen, die nach dem individuellen Sachverhalt und unter Berücksichtigung der jeweiligen Familien- und Haushaltszugehörigkeit aufzulösen sind.