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falsus procurator


Begriff und Grundlagen: Falsus Procurator

Der Begriff falsus procurator stammt aus dem Lateinischen und bedeutet wörtlich „falscher Vertreter“. Im rechtlichen Kontext bezeichnet der Begriff eine Person, die ohne Vertretungsmacht oder mit mangelnder Vertretungsmacht für eine andere Person (den angeblichen Vertretenen) Rechtsgeschäfte gegenüber Dritten vornimmt. Die Problematik des falsus procurator ist sowohl im deutschen Zivilrecht als auch in vielen anderen europäischen Rechtsordnungen von großer Bedeutung und regelt zentrale Fragen rund um die Wirksamkeit von Geschäften, die im Namen eines anderen abgeschlossen wurden, aber ohne ausreichende rechtsgeschäftliche Vertretungsbefugnis.


Wesensmerkmale des Falsus Procurator

Definition

Ein falsus procurator ist demnach eine Person, die im Namen eines (angeblichen) Vertretenen auftritt, ohne hierzu bevollmächtigt zu sein, oder deren Vollmacht nicht ausreicht. Er handelt also entweder

  • ohne Vertretungsmacht (sogenannter vollmachtloser Vertreter) oder
  • mit überschrittener Vertretungsmacht (Handeln außerhalb des Umfangs der Vollmacht).

Es kann sich um jede Person handeln, unabhängig davon, ob diese privat, geschäftlich oder behördlich tätig wird.

Abgrenzung

Abzugrenzen ist der falsus procurator vom Vertreter mit gesetzlicher Vertretungsmacht (z.B. Eltern für Kinder) und dem Vertreter mit gültiger rechtsgeschäftlicher Vollmacht. Der falsus procurator handelt bewusst oder versehentlich ohne die erforderliche Ermächtigung.


Rechtsfolgen nach deutschem Zivilrecht

Regelungen im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB)

Im deutschen Zivilrecht finden sich die wesentlichen Regelungen zum falsus procurator in den §§ 177 ff. BGB.

Schweben: Genehmigungserfordernis (§ 177 BGB)

Ein Rechtsgeschäft, das vom falsus procurator abgeschlossen wurde, ist zunächst „schwebend unwirksam“. Es entfaltet also noch keine verbindliche Rechtswirkung gegenüber dem Vertretenen. Das Rechtsgeschäft kann jedoch durch dessen Genehmigung nachträglich wirksam werden.

Möglichkeit der Genehmigung:
Der Vertretene hat die Wahl, das Geschäft zu genehmigen oder zu verweigern. Erfolgt eine Genehmigung, wirkt das Geschäft rückwirkend so, als habe der Vertretende von Anfang an mit gültiger Vollmacht gehandelt (§ 184 BGB).

Konsequenzen bei Verweigerung der Genehmigung (§ 179 BGB)

Lehnt der Vertretene die Genehmigung ab, bestehen Ansprüche des Dritten nach § 179 Abs. 1 BGB gegen den falsus procurator persönlich. Der Dritte kann nach seiner Wahl

  • die Erfüllung oder
  • Schadenersatz wegen Nichterfüllung

verlangen. Ausnahmen bestehen, wenn der Dritte wusste oder wissen musste, dass keine Vertretungsmacht vorliegt (§ 179 Abs. 3 BGB).

Sonderfälle

Einige Sonderfälle gelten z.B. bei Minderjährigen als Vertreter (§ 179 Abs. 2 BGB) sowie im Insolvenzverfahren.


Falsus Procurator im Handelsrecht

Im Handelsrecht unterliegt das Handeln als falsus procurator besonderen Vorschriften, insbesondere im Hinblick auf den Rechtsschein und das Vertrauen des Rechtsverkehrs. Hier kann eine Haftung auch unabhängig von einer tatsächlichen Vertretungsmacht entstehen, etwa bei der sog. Duldungs- oder Anscheinsvollmacht.


Falsus Procurator im internationalen Recht

Die Problematik des falsus procurator ist nicht auf das deutsche Recht beschränkt. Viele europäische Rechtsordnungen kennen vergleichbare Regelungen, häufig ebenfalls basierend auf dem Prinzip der nachträglichen Genehmigung und der Haftung des Vertreters ohne Vertretungsmacht. Die jeweilige Ausgestaltung kann im Detail variieren.


Relevanz und Anwendungsbeispiele

Beispiele aus der Praxis

  • Ein Mitarbeiter schließt ohne Ermächtigung einen Vertrag im Namen des Unternehmens ab.
  • Eine Privatperson verkauft im Namen einer anderen ohne deren Zustimmung deren Eigentum.

In beiden Fällen gilt: Wird das Rechtsgeschäft nicht genehmigt, haftet der Handelnde persönlich.

Bedeutung für den Rechtsverkehr

Das Institut des falsus procurator dient dem Schutz des gutgläubigen Geschäftsverkehrs sowie dem Schutz des Vertretenen vor unautorisierten Verpflichtungen. Es balanciert somit die Interessen aller Beteiligten.


Besonderheiten und Rechtsprechung

Haftungsumfang des falsus procurator

Die Haftung nach § 179 Abs. 1 BGB ist grundsätzlich auf das negative Interesse beschränkt (Vertrauensschaden), kann im Einzelfall aber darüber hinausgehen, z.B. wenn der falsus procurator den Mangel der Vertretungsmacht kannte oder hätte kennen müssen.

Ausschluss oder Beschränkung der Haftung

Keine Haftung trifft den falsus procurator, wenn der Dritte den Mangel der Vollmacht kannte oder ihm dieser bekannt sein musste (§ 179 Abs. 3 BGB).

Rechtsprechung

Die Rechtsprechung hat mehrfach betont, dass die Haftung des falsus procurator keine verschuldensunabhängige Garantiehaftung ist, sondern sich immer an den konkreten Umständen des Einzelfalls orientiert.


Zusammenfassung

Der falsus procurator ist eine Person, die im Namen eines anderen ohne ausreichende Vertretungsmacht wirksam auftritt. Das Gesetz gewährt dem Vertretenen ein Genehmigungsrecht und schützt den Geschäftsverkehr durch Haftungsregelungen zugunsten des Dritten. Die Vorschriften schaffen ein ausgewogenes Verhältnis zwischen den Interessen des Vertretenen, des Vertreters und des Dritten sowie Rechtssicherheit für den Geschäftsverkehr. Im Handels- wie im Zivilrecht ist der Umgang mit dem falsus procurator ein wesentliches Element zur Sicherstellung klarer Geschäftsbeziehungen und eindeutiger Vertragsverhältnisse.


Literatur und weiterführende Hinweise

  • Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) §§ 164 ff., 177 ff.
  • HGB zum kaufmännischen Vertreter
  • Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, aktuelle Auflage
  • Staudinger, Kommentar zum BGB
  • Münchener Kommentar zum BGB

Dieser Artikel wurde sorgfältig recherchiert und bietet umfassende Informationen rund um den Begriff falsus procurator sowie dessen Bedeutung und rechtliche Auswirkungen.

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtlichen Folgen entstehen für den Vertretenen, wenn ein falsus procurator ohne Vertretungsmacht handelt?

Handelt ein falsus procurator – also eine Person ohne ausreichende oder überhaupt bestehende Vertretungsmacht – im Namen eines angeblich Vertretenen, so wird der Vertretene durch diese Erklärung grundsätzlich nicht unmittelbar berechtigt oder verpflichtet (§ 177 BGB). Das bedeutet, dass zwischen dem angeblich Vertretenen und dem Geschäftsgegner zunächst kein wirksames Rechtsgeschäft zustande kommt. Der Vertretene hat jedoch die Möglichkeit, das ohne Vertretungsmacht geschlossene Geschäft nachträglich zu genehmigen. Wird die Genehmigung verweigert, bleibt der Vertrag unwirksam. Der Vertretene ist also vor ungewollten Rechtsfolgen geschützt, solange er nicht ausdrücklich oder konkludent die Handlung des Vertreters genehmigt.

Welche Ansprüche kann der Geschäftsgegner bei Handeln eines falsus procurator geltend machen?

Wird das Geschäft nicht genehmigt, steht dem Geschäftsgegner ein Anspruch aus § 179 BGB gegen den falsus procurator zu. Dieser Anspruch richtet sich auf das sogenannte Erfüllungsinteresse, also darauf, so gestellt zu werden, wie es bei einer wirksamen Vertragserfüllung der Fall wäre. Alternativ kann der Geschäftsgegner auch den Ersatz des Vertrauensschadens verlangen, das heißt den Schaden, den er gerade deshalb erlitten hat, weil er auf die Wirksamkeit des Geschäfts vertraute. Die Haftung nach § 179 BGB greift allerdings nur, wenn der Geschäftsgegner nicht wusste, dass Vertretungsmacht fehlte; war er im Kenntnis, entfällt eine Haftung.

Kann die Haftung des falsus procurator ausgeschlossen oder beschränkt werden?

In bestimmten Konstellationen kann die Haftung des falsus procurator gemäß § 179 Abs. 3 BGB ausgeschlossen sein. Das ist etwa dann der Fall, wenn der Geschäftsgegner die fehlende Vertretungsmacht kannte oder kennen musste. Auch Minderjährige, die als falsus procurator auftreten, haften – sofern keine ausdrückliche Einwilligung des gesetzlichen Vertreters vorliegt – nur nach den Vorschriften über die unerlaubte Handlung, das heißt, deren Haftung wird auf das Maß einer deliktischen Verantwortlichkeit reduziert.

Wie wirkt sich ein Schweigen des Vertretenen auf die Genehmigung des Geschäfts aus?

Das Schweigen des angeblich Vertretenen auf eine Aufforderung zur Genehmigung hat rechtlich erhebliche Konsequenzen. Gemäß § 177 Abs. 2 BGB kann der Geschäftsgegner den Vertretenen zur Erklärung über die Genehmigung auffordern. Verweigert der Vertretene die Genehmigung oder erklärt er sich innerhalb der gesetzten angemessenen Frist nicht, so gilt die Genehmigung als verweigert. In diesem Fall kommt es zu keiner wirksamen Bindung des Vertretenen, und der Geschäftsgegner kann seine Ansprüche ausschließlich gegen den falsus procurator nach § 179 BGB richten.

Welche gesetzlichen Sonderregelungen gibt es für gesellschaftsrechtliche Vertretungsverhältnisse beim Auftreten eines falsus procurator?

Im Gesellschaftsrecht, insbesondere bei der Vertretung von Handelsgesellschaften, gelten teils abweichende Regelungen. So ist bei der GmbH beispielsweise das Prinzip der formalen Vertretungsmacht maßgeblich (§ 35 GmbHG), das heißt, der Geschäftsgegner muss sich auf den im Handelsregister eingetragenen Umfang der Vertretungsmacht verlassen. Handelt hier dennoch ein falsus procurator außerhalb der eingeräumten oder der im Register einsehbaren Vertretungsmacht, gelten die allgemeinen zivilrechtlichen Vorschriften, jedoch kommen in bestimmten Fällen wie beim gutgläubigen Erwerb (z.B. § 56 HGB, Ladenvollmacht) Modifikationen zum Tragen. Auch das Recht der Prokura (§ 49 ff. HGB) kennt eigene Haftungsregeln für Überschreitungen der Vertretungsmacht.

Welche Bedeutung hat die sogenannte Rechtsscheinhaftung im Zusammenhang mit dem falsus procurator?

Die Rechtsscheinhaftung (§ 172 ff. BGB) stellt einen bedeutsamen Sonderfall dar. Wenn durch Urkunden (z.B. eine ausgestellte Vollmachtsurkunde) oder durch das Verhalten des Vertretenen beim Geschäftsgegner der berechtigte Eindruck entsteht, dass der falsus procurator tatsächlich bevollmächtigt war, kann der Vertretene aus diesem Rechtsschein verpflichtet werden, selbst wenn eine tatsächliche Bevollmächtigung nicht bestand. Diese Rechtsscheinhaftung schützt den guten Glauben des Geschäftsgegners, begrenzt aber auch die Exkulpationsmöglichkeiten des Vertretenen. Die Anforderungen an einen solchen gutgläubigen Erwerb sind hoch und setzen regelmäßig ein schutzwürdiges Interesse des Geschäftsgegners sowie einen zurechenbaren Rechtsschein voraus.

Wie ist das Verhältnis zwischen einem konkludent erteilten Auftrag und dem Handeln eines falsus procurator rechtlich zu bewerten?

Ein konkludenter Auftrag liegt immer dann vor, wenn jemand den Eindruck erweckt, für eine andere Person handeln zu dürfen, ohne dass ausdrücklich eine Bevollmächtigung gegeben worden ist. Wenn der falsus procurator tatsächlich im Willen des Vertretenen, aber ohne ausdrückliche Vollmacht handelt, kann möglicherweise ein konkludenter Auftrag unterstellt werden. Dies führt dazu, dass das Geschäft intern wirksam zwischen dem Vertreter und dem Vertretenen zustande kommt, gleichwohl bleibt das Außenverhältnis durch die fehlende Vertretungsmacht geprägt. Rechtlich relevant ist, dass selbst bei einem konkludenten Auftrag die Vertretungsmacht gegenüber dem Geschäftsgegner gesondert nachzuweisen ist; fehlt sie, greifen die Rechtsfolgen des Handelns als falsus procurator mit der beschriebenen Haftung nach § 179 BGB.