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Fallpauschale


Definition und rechtliche Einordnung der Fallpauschale

Die Fallpauschale ist ein zentrales Abrechnungselement im Gesundheitswesen, insbesondere im Krankenhausbereich. Sie bezeichnet einen pauschalen Vergütungsbetrag, der für eine medizinische Behandlung oder einen Krankenhausaufenthalt innerhalb eines definierten Leistungsfalls festgelegt ist. Die Höhe der Fallpauschale richtet sich dabei nach der Diagnose, dem Behandlungsaufwand und weiteren klassifizierenden Kriterien. Im deutschen Rechtssystem ist die Fallpauschale vor allem durch das Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG), das Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) sowie die Diagnosenbezogenen Fallgruppen (Diagnosis Related Groups, DRG) verankert.

Gesetzliche Grundlagen der Fallpauschale

Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) und Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG)

Das Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) bildet die Grundlage der Krankenhausvergütung in Deutschland. Zusammen mit dem Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) regelt es die Einführung, Anwendung und Abrechnung von Fallpauschalen im stationären Bereich. Nach § 17b KHG wurde das Fallpauschalensystem als Regelleistungs- und Abrechnungsinstrument eingeführt. Das Ziel ist die leistungsgerechte, wirtschaftliche und transparente Finanzierung von Krankenhausleistungen.

Das KHEntgG konkretisiert die Berechnung und Abrechnung: Es bestimmt, dass stationäre Krankenhausleistungen nach Fallpauschalen (DRGs) vergütet werden. Ergänzt wird dies durch den Fallpauschalenkatalog, der jährlich angepasst wird.

Diagnosenbezogene Fallgruppen (G-DRG-System)

Die Fallpauschalen werden im Rahmen des German Diagnosis Related Groups-Systems (G-DRG) zugeordnet. Jedes Behandlungsergebnis wird klassifiziert und einer bestimmten Fallpauschale zugewiesen. Die aktuell geltenden Regeln und der Fallpauschalenkatalog werden jährlich vom Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK) in Zusammenarbeit mit Kostenträgern und Leistungserbringern aktualisiert.

Anwendungsbereich und Abrechnung von Fallpauschalen

Stationärer Krankenhausbereich

Fallpauschalen finden vorrangig Anwendung im stationären Bereich öffentlicher und privater Krankenhäuser. Sie sind der Standard zur Abrechnung mit gesetzlichen und privaten Krankenversicherungen. Die Fallpauschale deckt den gesamten Behandlungszeitraum sowie die mit der Behandlung in Zusammenhang stehenden, medizinisch notwendigen Leistungen inklusive Nachsorge ab. Nicht umfasst sind Leistungen, die außerhalb des definierten Zeitraums oder Falldefinition erfolgen.

Katalogisierung und Zuordnung

Die Einteilung der Fälle erfolgt anhand des DRG-Katalogs, der auf den Internationalen Klassifikationen von Krankheiten (ICD) und Prozeduren (OPS) basiert. Ein Krankenhaus ordnet jeden stationären Behandlungsfall einer DRG zu und erhält eine festgelegte Vergütung pro Fall.

Zusatzentgelte und Abschläge

Neben Fallpauschalen existieren Zusatzentgelte für aufwändige oder seltene Behandlungen sowie Abschläge bei beispielsweise vermeidbaren Wiederaufnahmen. Die rechtlichen Rahmenbedingungen für Zuschläge und Abschläge sind im KHEntgG konkret geregelt.

Rechtsfragen und Kontroversen im Zusammenhang mit Fallpauschalen

Wirtschaftlichkeitsgebot und Versorgungsauftrag

Die Anwendung von Fallpauschalen unterliegt dem Wirtschaftlichkeitsgebot nach § 12 SGB V. Krankenhäuser sind verpflichtet, Leistungen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich zu erbringen. Die Definition medizinisch notwendiger Fälle und die Einhaltung des Versorgungsauftrags sind häufig Gegenstand rechtlicher Auseinandersetzungen.

Rechtsprechung zur Abrechnung und Prüfung

Die sozialgerichtliche Rechtsprechung hat Klarstellungen vorgenommen, wann eine korrekt zugeordnete Fallpauschale vorliegt und wie mit Prüfungen durch den Medizinischen Dienst (MD) umzugehen ist. Fehlerhafte DRG-Zuordnungen oder unzutreffende Kodierung können Rückforderungen von Krankenkassen nach sich ziehen. Die aktuelle Rechtslage sieht dazu Fristen und Prüfmodalitäten vor, beispielsweise nach § 275 SGB V und dem MDK-Reformgesetz.

Datenschutz und Dokumentationspflicht

Eine ordnungsgemäße Dokumentation sämtlicher Leistungen ist gesetzlich vorgeschrieben (§ 295 SGB V). Sie ist Voraussetzung für die Abrechnungsfähigkeit und unterliegt strengen Datenschutzauflagen nach DSGVO und BDSG. Krankenhäuser müssen sicherstellen, dass personenbezogene Daten ausschließlich zu Abrechnungszwecken erhoben, verarbeitet und gespeichert werden.

Reformen und aktuelle Entwicklungen

G-DRG-Weiterentwicklungen

Seit der Einführung der Fallpauschalen im Jahr 2003 wurde das G-DRG-System kontinuierlich modifiziert. Gesetzgebung und Rechtsprechung reagieren regelmäßig auf Herausforderungen wie Mengenausweitungen, Sektorengrenzen oder Fehlanreize durch das Pauschalprinzip. Es finden fortlaufend Reformen statt, etwa im Rahmen der Krankenhausreform 2023/2024, bei denen unter anderem leistungsunabhängige Vorhaltepauschalen sowie Hybrid-DRGs diskutiert werden.

Auswirkungen auf die Versorgungslandschaft

Kritiker bemängeln, dass das System der Fallpauschalen Fehlanreize setzen könne, behandlungsintensive Fälle zu priorisieren oder Liegezeiten unnötig zu verkürzen. Die Gesetzgeber bemühen sich um einen Ausgleich zwischen Wirtschaftlichkeit, Qualitätssicherung und bedarfsgerechter Versorgung.

Fazit

Die Fallpauschale ist ein elementarer Begriff der Krankenhausfinanzierung, dessen rechtliche Grundlagen im KHG und KHEntgG geregelt sind. Die ordnungsgemäße Anwendung, Abrechnung und Überprüfung von Fallpauschalen unterliegen detaillierten gesetzlichen Vorgaben und werden durch fortlaufende Reformbestrebungen regelmäßig an aktuelle Herausforderungen angepasst. Angesichts ihrer zentralen Bedeutung für die Krankenhausfinanzierung bleibt der Begriff Fallpauschale kontinuierlich Gegenstand fachlicher und politischer Diskussionen sowie weitergehender rechtlicher Differenzierungen.

Häufig gestellte Fragen

Wann besteht aus rechtlicher Sicht ein Anspruch auf Korrektur oder Anpassung einer abgerechneten Fallpauschale?

Ein Anspruch auf Korrektur oder Anpassung einer abgerechneten Fallpauschale besteht grundsätzlich nur unter bestimmten gesetzlichen Voraussetzungen. Nach § 301 Abs. 4 SGB V ist die Abrechnung einer Fallpauschale für eine Krankenhausbehandlung grundsätzlich abschließend, sobald die abrechnungsrelevanten Daten an die Krankenkasse übermittelt wurden. Ausnahmen hiervon sind zulässig, wenn offensichtliche Abrechnungsfehler vorliegen oder nachweislich neue, bisher unbekannte Tatsachen auftauchen, die zu einer anderen Abrechnungsgrundlage führen würden (bspw. eine nachträglich erkannte, abrechnungsrelevante Diagnose). Rechtlich ist zu beachten, dass solche Korrekturen insbesondere zeitlich begrenzt sind. Die Krankenkassen dürfen Rückforderungen in der Regel nur innerhalb von zehn Monaten nach Rechnungszugang geltend machen. Für Krankenhäuser ist eine Korrektur nach Abschluss des jeweiligen Geschäftsjahres nur eingeschränkt möglich, es sei denn, sie können nachweisen, dass sie keine Kenntnis von dem Fehler hatten und dieser nachträglich entdeckt wurde. Eine Korrektur ist ferner ausgeschlossen, wenn der Krankenhausträger mit der Abrechnung gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) verstoßen hat. Die Möglichkeit der Korrektur hängt maßgeblich von den jeweiligen Prüfvereinbarungen und den einschlägigen Bestimmungen im Sozialgesetzbuch sowie der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ab.

Unter welchen rechtlichen Voraussetzungen dürfen Krankenkassen die Abrechnung einer Fallpauschale durch das Krankenhaus prüfen?

Krankenkassen sind gemäß § 275 Abs. 1c SGB V berechtigt, die sachlich-rechnerische Richtigkeit und medizinische Notwendigkeit sowie die Dauer der Krankenhausbehandlung zu prüfen. Diese Prüfung erfolgt regelmäßig in Form einer sogenannten MD-Prüfung (durch den Medizinischen Dienst). Die Einleitung einer solchen Prüfung ist jedoch an strenge gesetzliche Voraussetzungen gebunden. Vor Einleitung einer Prüfung muss die Krankenkasse zunächst einen begründeten Anlass haben (bspw. Auffälligkeiten in der Abrechnung oder entsprechende Hinweise). Zudem ist die Prüfung nach § 275 Abs. 1c SGB V nur innerhalb bestimmter Fristen zulässig, in der Regel innerhalb von sechs Monaten nach Rechnungszugang. Während der Prüfung darf die Zahlung der Fallpauschale grundsätzlich nicht verweigert werden, es sei denn, es bestehen besonders gravierende Zweifel an der Abrechnungsberechtigung. Auch die datenschutzrechtlichen Vorgaben des SGB X müssen Beachtung finden, vor allem hinsichtlich der Übermittlung sensibler Patientendaten an den Medizinischen Dienst. Werden diese Vorschriften nicht beachtet, kann die Prüfung rechtswidrig sein, und entsprechende Nachforderungen sind angreifbar.

Wie ist die rechtliche Beziehung zwischen Krankenhaus und Krankenkasse bei Streitigkeiten um die Fallpauschale geregelt?

Im Fall von Streitigkeiten über die Abrechnung einer Fallpauschale ist das zivilprozessuale und sozialrechtliche Verfahren relevant. Zunächst sind Krankenhaus und Krankenkasse durch einen öffentlich-rechtlichen Vertrag verbunden, dessen Grundlage die Vorschriften des SGB V sowie die zwischen den Krankenhäusern und den Landesverbänden der Krankenkassen verhandelten Verträge (insb. Landesvertrag gemäß § 112 SGB V) bilden. Bei Meinungsverschiedenheiten über die Abrechnung ist – nach Durchführung eventueller Prüfverfahren – der sogenannte Schiedsstellenweg zu beschreiten (§ 18a KHG). Dies gilt insbesondere für Meinungsverschiedenheiten über Regelungen zur Vergütung von Krankenhausleistungen oder zur Auslegung von Fallpauschalen. Besteht nach Anrufung der Schiedsstelle weiter Uneinigkeit, steht der Rechtsweg zu den Sozialgerichten offen. Die Verjährung sogenannter Erstattungsansprüche ist ebenfalls gesetzlich geregelt und beträgt grundsätzlich vier Jahre (§ 45 SGB I). Die Krankenhäuser haben jedoch auch nach Ablauf dieser Fristen Rechtsschutzmöglichkeiten, falls es zu unrechtmäßigen Zahlungsverweigerungen kommt.

Welche rechtlichen Herausforderungen ergeben sich bei der Kalkulation von Fallpauschalen?

Bei der Kalkulation von Fallpauschalen sind Krankenhäuser und die zuständigen Institute, wie das Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK), an gesetzliche Vorgaben gebunden (§ 17b KHG). Das Kalkulationsverfahren muss transparent, nachvollziehbar und diskriminierungsfrei sein, um den rechtlichen Anforderungen des Gleichbehandlungsgrundsatzes gerecht zu werden. Eine besondere Herausforderung ist die Gefahr der „Upcoding“-Problematik, bei der Leistungen oder Diagnosen systematisch zu hoch abgerechnet werden, was rechtlich einen Betrug darstellen kann (§ 263 StGB). Im Rahmen der Kalkulation müssen zudem Datenschutzbestimmungen und Mitwirkungspflichten der einzelnen Krankenhäuser beachtet werden. Streitigkeiten über die Angemessenheit der Kalkulation können zu Verfahren vor den Schiedsstellen oder Sozialgerichten führen, bei denen insbesondere die Einhaltung der Verfahrensregeln sowie die ordnungsgemäße Datenbasis gerichtlich überprüft wird. Fehler bei der Kalkulation können zu Rückforderungen der Krankenkassen oder zu Sanktionen führen.

Inwieweit sind Fallpauschalen nach europäischem Recht zulässig?

Die Zulässigkeit von Fallpauschalen ist auch nach europäischem Recht relevant, insbesondere im Hinblick auf das Diskriminierungsverbot und die Dienstleistungsfreiheit nach Art. 56 AEUV. Fallpauschalensysteme, wie sie in Deutschland existieren, sind grundsätzlich mit dem europäischen Recht vereinbar, solange sie keine unzulässigen Marktzugangshindernisse für Anbieter aus anderen EU-Mitgliedstaaten darstellen und auch nicht zu einer Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit führen. Europäische Vorgaben haben insbesondere Einfluss auf die Ausgestaltung der Zugangsbedingungen für Krankenhäuser zum Fallpauschalensystem (z. B. Mindestmerkmale, Versorgungsaufträge) und auf besondere Regelungen bei der grenzüberschreitenden Inanspruchnahme von Krankenhausleistungen (Patientenmobilitätsrichtlinie 2011/24/EU). Darüber hinaus ist die beihilfenrechtliche Kontrolle nach Art. 107 ff. AEUV zu beachten, falls staatliche Ausgleichszahlungen im Rahmen der Fallpauschalen gezahlt werden, um sicherzustellen, dass keine unzulässigen Wettbewerbsverzerrungen entstehen.

Gibt es rechtliche Besonderheiten bei der Abrechnung von Fallpauschalen für Privatversicherte?

Die Abrechnung von Fallpauschalen für Privatversicherte unterliegt gesonderten Regelungen, da hier das Versicherungsvertragsgesetz (VVG), die Musterbedingungen für die Krankheitskosten- und Krankenhaustagegeldversicherung (MB/KK), sowie zivilrechtliche Normen maßgeblich sind. Anders als im GKV-Bereich gilt das Fallpauschalensystem (DRG) nicht zwingend; gleichwohl kann eine Orientierung an den DRG-Vergütungen im zivilrechtlichen Streitfall maßgeblich herangezogen werden. Die Fallpauschalen dienen bei Privatversicherten in der Praxis häufig als Berechnungsgrundlage, sofern keine abweichenden vertraglichen Regelungen zwischen Krankenhaus und Patient/Versicherer bestehen. Streitigkeiten über die Angemessenheit der abgerechneten Pauschalen werden vor den ordentlichen Gerichten ausgetragen und orientieren sich am Wirtschaftlichkeitsgebot (§ 12 SGB V entsprechend) sowie an den Grundsätzen der Honorarordnung für Ärzte (GOÄ) und der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ). Besondere rechtliche Relevanz hat die Frage der Transparenz und Nachprüfbarkeit der abgerechneten Leistungen.