Legal Lexikon

Fahrwasser


Begriff und rechtliche Einordnung des Fahrwassers

Das Fahrwasser ist ein zentraler Begriff im deutschen Wasserstraßen- und Hafenrecht und bezeichnet einen Teil eines Gewässers, der als Hauptverkehrsweg für die Schifffahrt genutzt und besonders gekennzeichnet ist. Der rechtliche Status des Fahrwassers ist im Wasserstraßenrecht, insbesondere in der See- und Binnenschifffahrtsstraßen-Ordnung sowie im internationalen Seerecht, wesentlich geregelt. Die genaue Definition, die rechtliche Bedeutung und die Konsequenzen, die mit einem Fahrwasser verbunden sind, stehen im Mittelpunkt zahlreicher Vorschriften zur Gewährleistung der Sicherheit und Ordnung des Schiffsverkehrs.

Definition des Fahrwassers

Rechtliche Definition

Gemäß § 1.01 Nummer 11 der Binnenschifffahrtsstraßen-Ordnung (BinSchStrO) ist das Fahrwasser „der Teil der Wasserstraße, der vom Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt für die durchgehende Schifffahrt bestimmt und unterhalten wird“. Nach internationalem Seerecht beschreibt das Fahrwasser den durch das natürliche oder künstliche Bett eines Gewässers vorgegebenen Hauptfahrweg und ist durch Wassertiefen und Breiten sowie durch Verkehrszeichen und Betonnung gekennzeichnet.

Abgrenzung zu anderen Gewässerteilen

Das Fahrwasser ist strikt abzugrenzen von sogenannten Randbereichen, Uferzonen oder Nebenfahrwassern, die entweder nicht beziehungsweise nur eingeschränkt der Schifffahrt vorbehalten sind oder anderen Nutzungsformen dienen. Die Abgrenzung ist nicht nur hydrographisch, sondern vor allem rechtlich bedeutsam, da im Fahrwasser andere Verkehrsregeln und Einwirkungen von Behörden bestehen als im angrenzenden Gewässerbereich.

Rechtliche Grundlagen und Vorschriften

Nationale Regelungen

Binnenschifffahrt

Zentrale Vorschriften für das Fahrwasser im Binnenschifffahrtsrecht finden sich in der Binnenschifffahrtsstraßen-Ordnung (BinSchStrO). Wesentliche Regelungsbereiche betreffen hierbei:

  • Festlegung des Fahrwassers: Die Ausweisung und Unterhaltung erfolgt durch die zuständigen Wasserstraßen- und Schifffahrtsämter.
  • Schifffahrtsregeln: Innerhalb des Fahrwassers gelten spezifische Regelungen über die Begegnung, das Überholen und die Vorfahrt von Fahrzeugen (§§ 6.03 ff. BinSchStrO).
  • Verkehrslenkung: Die Kennzeichnung (z. B. durch Tonnen, Baken und Tafeln) markiert das Fahrwasser eindeutig, wobei die Wasserstraßenverwaltung für die Instandhaltung und die Anzeige von Veränderungen zuständig ist.

Seeschifffahrt

Im Bereich der Seeschifffahrt wird das Fahrwasser in der Seeschifffahrtsstraßen-Ordnung (SeeSchStrO) definiert und geregelt. Marine Navigationszeichen und die nationale Umsetzung internationaler Regelwerke (z. B. Kollisionsverhütungsregeln, COLREG) normieren weiterführende Anforderungen.

Internationales Seerecht

Im internationalen Kontext ist das Fahrwasser vor allem für die Freiheit der Durchfahrt von Bedeutung. Die Vereinten Nationen regeln unter der UN-Seerechtskonvention (UNCLOS) die Rechte und Pflichten der Schifffahrt beim Transit durch internationale Schiffahrtswege, sogenannte „straits used for international navigation“. Auch hier entscheidet die Festlegung des Fahrwassers über Verkehrsrechte und Sicherheitsauflagen.

Bedeutung des Fahrwassers im Schifffahrtsrecht

Verkehrssicherungspflicht und Unterhaltung

Die Behörden trifft im Fahrwasser eine umfassende Verkehrssicherungspflicht. Dies bezieht sich sowohl auf die Beseitigung möglicher Gefahrenquellen im Fahrwasser (z. B. Hindernisse, Untiefen) als auch auf die Pflicht zur Unterhaltung und Markierung. Schäden durch mangelhafte Unterhaltung können zu Amtshaftungsansprüchen führen.

Nutzungsvorrang und Verkehrsordnung

Dem Fahrwasser kommt ein Nutzungsvorrang vor anderen Wasserbereichsnutzungen zu. Andere Tätigkeiten wie das Ankern, Baden, Fischen oder das Ausbringen von Bojen dürfen den Schiffsverkehr im Fahrwasser nicht behindern. Verstöße gegen diese Regeln sind bußgeldbewehrt.

Haftungs- und Versicherungsfragen

Im Falle von Unfällen im Fahrwasser gelten besondere Beweisvermutungen und Haftungsregelungen. Wer das Fahrwasser unbeachtet oder ordnungswidrig nutzt, trägt in der Regel eine höhere Haftungsquote. Versicherungsrechtlich ist das Befahren von Fahrwassern mit besonderen Auflagen verbunden, insbesondere bezüglich der nautischen Sorgfaltspflichten.

Kennzeichnung und Vermessung des Fahrwassers

Verkehrstechnische Markierungen

Fahrwasser sind durch spezifische Seezeichen und Schifffahrtszeichen, wie Tonnen, Pricken, Baken oder Lateralzeichen, kenntlich gemacht. Die von der Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung eingesetzten Zeichen definieren den Verlauf, die Breite und die Lage des Fahrwassers. International gelten hierbei die Systematik und Farben nach der International Association of Marine Aids to Navigation and Lighthouse Authorities (IALA).

Vermessung und Veröffentlichung

Die Ausdehnung und Vermessung eines Fahrwassers obliegen regelmäßig den zuständigen Behörden. Änderungen, Verlagerungen oder Gefahrenstellen werden in amtlichen Bekanntmachungen und in den Navigationskarten publiziert. Die Verantwortung für die Kenntnis und Beachtung liegt grundsätzlich beim Fahrzeugführer.

Besondere Regelungen für bestimmte Fahrwasserarten

Haupt- und Nebenfahrwasser

In großen Wasserstraßenabschnitten wird zwischen Hauptfahrwassern (für die Großschifffahrt) und Nebenfahrwassern (für Spezial- oder Sportschifffahrt) unterschieden. Hiermit korrespondieren differenzierte Nutzungsbeschränkungen und -vorgaben, etwa die erlaubte Geschwindigkeit, Ankerverbote oder das Zulassen von Schubverbänden.

Fahrwasser in Hafenanlagen

Innerhalb von Häfen gelten die Hafenordnungen. Diese sehen oft eigene Definitionen und Regelwerke zu den Fahrwassern vor, etwa in Bezug auf Vorfahrt, Ankerverbote und ausschließliche Benutzungsrechte für Berufsschifffahrt oder Lotsungsregeln.

Rechtliche Folgen der Fahrwasserfestlegung

Auswirkungen auf Eigentum und Anliegerrechte

Die Festlegung als Fahrwasser beeinflusst wasserrechtliche Genehmigungen, Baugenehmigungen und das Gemeingebrauchsrecht erheblich. Bauwerke und Anlagen dürfen den Verlauf nicht beeinträchtigen, und eventuell bestehende Sondernutzungsrechte werden durch die Festlegung beschränkt.

Sanktionen und Durchsetzung

Zuwiderhandlungen gegen die Vorschriften zur Nutzung, Unterhaltung und Freihaltung des Fahrwassers werden als Ordnungswidrigkeiten oder Verwaltungsdelikte verfolgt. Die Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung verfügt über weitreichende Befugnisse zur Durchsetzung ihrer Anordnungen, einschließlich Seezeichenanpassung, Zwangsgeldern und gegebenenfalls Eingriffen in fremde Anlagen.

Literaturhinweise und weiterführende Regelungen

Aktuelle Regelungen und Durchführungsanweisungen finden sich insbesondere in:

  • Wasserhaushaltsgesetz (WHG)
  • Binnenschifffahrtsstraßen-Ordnung (BinSchStrO)
  • Seeschifffahrtsstraßen-Ordnung (SeeSchStrO)
  • Hafenordnungen der Bundesländer
  • Veröffentlichungen der Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes (WSV)
  • UN-Seerechtsübereinkommen (UNCLOS)

Zusammenfassung:
Das Fahrwasser ist ein wesentliches Element in der Organisation und Sicherheit des Schiffsverkehrs und steht im Zentrum zahlreicher wasser- und schifffahrtsrechtlicher Regelungen. Die rechtliche Zuordnung und Verwaltung des Fahrwassers hat erhebliche Auswirkungen auf Schifffahrt, Nutzungskonflikte, Haftung und den Schutz benachbarter Rechtsgüter. Alle Beteiligten an der Schifffahrt sind verpflichtet, diese Rechtssituation zu beachten und aktuelle Informationen zu berücksichtigen.

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtlichen Vorschriften gelten im Fahrwasser bezüglich der Vorfahrt zwischen den unterschiedlichen Fahrzeugarten?

Im rechtlichen Kontext regeln sowohl das SeeSchStrO (SeeSchifffahrtsstraßen-Ordnung) als auch internationale Übereinkommen wie die KVR (Kollisionsverhütungsregeln) den Vorrang im Fahrwasser. Grundsätzlich gilt, dass Fahrzeuge, die einem Fahrwasserverlauf folgen, Vorrang vor solchen haben, die ein- oder auslaufen oder das Fahrwasser kreuzen möchten (§ 6.04 BinSchStrO für Binnenschifffahrtsstraßen). Zusätzlich ist zu beachten, dass Kurshaltepflicht für Fahrzeuge im Fahrwasser besteht. Große Fahrzeuge („Fahrzeuge mit tiefem Tiefgang nach Regel 9 KVR“) genießen aufgrund ihrer Manövrierunfähigkeit oder -beschränkung weiteren Vorrang. Kleinfahrzeuge, Sportboote oder Segelschiffe haben nur dann Vorrang, wenn dies ausdrücklich geregelt ist, beispielsweise in bestimmten Schutzzonen. Andernfalls sind sie stets wartepflichtig. Diese Regelungen werden durch lokale Verkehrszeichen oder besondere Anordnungen der Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung ergänzt. Verstöße gegen die Vorfahrtregeln im Fahrwasser werden regelmäßig ordnungswidrig geahndet und können mit Bußgeldern oder gar strafrechtlichen Konsequenzen einhergehen.

Welche besonderen Pflichten bestehen für Schiffsführer im Fahrwasser bei einer Begegnung oder Überholung?

Rechtlich betrachtet sind Schiffsführer verpflichtet, das Fahrwasser so zu nutzen, dass Gefahren für die Schifffahrt ausgeschlossen und Behinderungen vermieden werden (§ 1.06 BinSchStrO). Bei einer Begegnung ist das Ausweichen nach rechts – also in Fließrichtung gesehen – der Regelfall. Überholende Fahrzeuge müssen das zu überholende Fahrzeug in sicheren Abstand und mit sicherer Geschwindigkeit passieren; dabei ist das Überholen nur erlaubt, wenn ausreichend Raum vorhanden ist und kein anderes Fahrzeug behindert wird. Überholmanöver dürfen ausschließlich auf der Backbordseite des zu überholenden Fahrzeugs stattfinden, wenn nicht anders vereinbart und angezeigt. Während der Annäherung und Überholung sind Schallsignale und, falls vorgeschrieben, Tag- und Nachtzeichen vorschriftsgemäß zu setzen. Auch die Pflicht zur Kommunikation per Funk (Betriebsfunkpflicht) bei größeren Fahrzeugen oder speziellen Schifffahrtsstraßen kann einschlägig sein.

Welche rechtlichen Anforderungen bestehen bei der Kennzeichnung und Begrenzung eines Fahrwassers?

Die rechtliche Verantwortung für die Kennzeichnung der Fahrwasser trägt die jeweilige Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung. Die Kennzeichnung erfolgt durch Tonnen, Barken, Schilder oder Leuchtfeuer, deren Bedeutung und Aussehen in den jeweiligen Anlagenteilen der BinSchStrO und SeeSchStrO normiert sind. Das Fahrwasser ist regelmäßig durch grüne und rote Tonnen begrenzt, wobei die Betonnung auf den jeweiligen Verkehrsweg (rechter und linker Uferseite entsprechend der Fahrtrichtung) ausgelegt ist. Diese Kennzeichen sind für alle Verkehrsteilnehmer verbindlich; das eigenständige Verlegen, Entfernen oder gar Beeinträchtigen solcher Einrichtungen ist unzulässig und strafbar. Die Einhaltung der Fahrwasserbegrenzung ist zwingend vorgeschrieben und Abweichungen hiervon bedürfen einer Genehmigung oder ausdrücklichen Ausnahme.

Welche Regelungen bestehen für das Ankern im oder am Fahrwasser?

Das Ankern oder Festmachen im Fahrwasser ist rechtlich grundsätzlich untersagt, sofern nicht ein Notfall oder eine behördliche Genehmigung vorliegt (§ 6.07 BinSchStrO). Diese Maßnahme dient der Gefahrenabwehr und der Aufrechterhaltung des reibungslosen Verkehrsflusses. Ein Fahrzeug, das – etwa infolge eines Maschinenschadens – aus zwingenden Gründen im Fahrwasser ankern muss, hat dies unverzüglich der zuständigen Verkehrsleitstelle zu melden und alle notwendigen Signalzeichen zu setzen. Bei Erkrankung, Havarie oder in sonstigen Ausnahmesituationen ist das Festmachen an zulässigen Stellen, etwa ausgewiesenen Warteplätzen oder Ankerfeldern, gestattet. Im Regelfall ist jedoch jede Behinderung des Fahrwassers durch festgemachte oder vor Anker liegende Fahrzeuge ordnungswidrig und wird entsprechend geahndet.

Welche Melde- und Anzeigepflichten bestehen für Unfälle oder Gefahrenlagen im Fahrwasser?

Unfälle, Schadensereignisse oder sonstige erhebliche Störungen, die das Fahrwasser betreffen, müssen unverzüglich an die zuständige Behörde gemeldet werden. Hierzu zählen Grundberührungen, Kollisionen, das Verlieren von gefährlichen Ladungen oder die Feststellung von Hindernissen im Fahrwasser. Die Meldepflicht ergibt sich aus § 2.08 BinSchStrO sowie entsprechenden Bestimmungen der SeeSchStrO und internationalen Vorgaben. Die Meldung hat auf dem vorgeschriebenen Weg (in der Regel via Funk oder Telefon) zu erfolgen. Bei Unterlassen oder verspäteter Anzeige drohen empfindliche Bußgelder und im Schadensfall möglicherweise auch zivil- oder strafrechtliche Konsequenzen für Schiffsführer und gegebenenfalls deren Eigner.

Welche rechtlichen Konsequenzen drohen bei Zuwiderhandlungen gegen die Fahrwasserregeln?

Zuwiderhandlungen gegen fahrwasserspezifische Regelungen stellen Ordnungswidrigkeiten dar und werden mit Verwarnungsgeldern oder Bußgeldern belegt (§ 13 BinSchStrO i.V.m. § 58 SeeSchStrO). Bei erheblicher Gefährdung des Verkehrs oder bei grober Fahrlässigkeit kann auch der Tatbestand der Gefährdung des Schiffsverkehrs nach § 315 StGB erfüllt sein, was zu einer strafrechtlichen Verfolgung führen kann. Darüber hinaus ist nicht auszuschließen, dass bei schuldhaft verursachten Unfällen Regressforderungen durch Dritte oder die Wasserstraßenverwaltung entstehen. Auch der Entzug von Schiffsführerpatenten oder temporäre Fahrverbote sind als behördliche Maßnahmen möglich. Wiederholte oder besonders schwerwiegende Verstöße führen zur Einleitung eines Ordnungswidrigkeitenverfahrens und können zudem Auswirkungen auf Versicherungsleistungen haben.