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Fahrtschreiber


Begriff und rechtliche Einordnung des Fahrtschreibers

Ein Fahrtschreiber ist ein Gerät, das zur Aufzeichnung von Fahr- und Ruhezeiten, Geschwindigkeiten sowie weiterer relevanter Daten in Kraftfahrzeugen verwendet wird. Der Fahrtschreiber ist ein zentrales Instrument der Arbeitszeiterfassung im gewerblichen Straßenverkehr und dient vorrangig der Überwachung sowie der Einhaltung arbeitszeitrechtlicher und verkehrsrechtlicher Bestimmungen. In der Bundesrepublik Deutschland und in der gesamten Europäischen Union ist die Verwendung und der Umgang mit Fahrtschreibern umfassend geregelt und unterliegt strengen rechtlichen Vorgaben.


Rechtlicher Rahmen

Europäische Regelungen

Verordnung (EU) Nr. 165/2014

Die wichtigste Rechtsgrundlage auf europäischer Ebene bildet die Verordnung (EU) Nr. 165/2014 über Fahrtenschreiber im Straßenverkehr. Die Verordnung legt die Anforderungen an den Einbau, die Verwendung, die Kontrolle und die Datenhaltung des digitalen Fahrtschreibers fest. Sie verfolgt das Ziel, Manipulationen zu verhindern, die Verkehrssicherheit zu erhöhen und faire Wettbewerbsbedingungen im gewerblichen Güter- und Personenverkehr zu gewährleisten.

Richtlinie 2002/15/EG und Verordnung (EG) Nr. 561/2006

Ergänzend regeln die Richtlinie 2002/15/EG über die Arbeitszeitgestaltung und die Verordnung (EG) Nr. 561/2006 über Lenkzeiten, Fahrtunterbrechungen und Ruhezeiten die Pflichten der Fahrer und Unternehmen im Hinblick auf die tägliche und wöchentliche Arbeits-, Lenk- und Ruhezeit. Die Einhaltung dieser Vorschriften wird durch die Fahrtschreiberdaten nachgewiesen und behördlich kontrolliert.

Nationale Regelungen in Deutschland

Fahrpersonalgesetz (FPersG)

Das Fahrpersonalgesetz (FPersG) regelt die nationalen Anforderungen für das Fahrpersonal im Straßenverkehr. Es verweist auf die unionsrechtlichen Vorschriften, stellt darüber hinausgehende Anforderungen und schafft die Grundlage für das nationale Kontrollregime.

Fahrpersonalverordnung (FPersV)

Die Fahrpersonalverordnung (FPersV) konkretisiert die Vorgaben des FPersG und legt weitergehende Regelungen zur Verwendung, Kontrolle, Datenauswertung und Sanktionierung bei Verstößen fest.


Anwendungsbereich und Ausnahmen

Verpflichtung zur Nutzung

Die Nutzung eines Fahrtschreibers ist grundsätzlich vorgeschrieben für:

  • Kraftfahrzeuge zur Güterbeförderung über 3,5 Tonnen zulässiges Gesamtgewicht
  • Fahrzeuge zur Personenbeförderung mit mehr als acht Fahrgastplätzen

Je nach Einsatzart, Baujahr und Fahrzeugspezifikation können Ausnahmeregelungen greifen. Ausgenommen sind u. a. Einsatzfahrzeuge von Polizei, Feuerwehr und Rettungsdiensten sowie Fahrzeuge, deren erlaubte Höchstgeschwindigkeit 40 km/h nicht überschreitet.

Analoge und digitale Fahrtschreiber

Seit dem 1. Mai 2006 ist bei neu zugelassenen Fahrzeugen die Ausrüstung mit einem digitalen Fahrtschreiber obligatorisch. Für ältere Fahrzeuge gilt weiterhin die Zulässigkeit des analogen Fahrtschreibers, sofern das Fahrzeug vor diesem Stichtag zugelassen wurde. Digitale Fahrtschreiber bieten durch ihre verschlüsselte Datenspeicherung und Authentifizierung höheren Schutz gegen Manipulation und ermöglichen eine bessere Nachverfolgbarkeit der Daten.


Pflichten im Zusammenhang mit Fahrtschreibern

Einbau und Wartung

Kraftfahrzeuge, die unter die Anwendungsbereiche der Verordnung fallen, müssen mit zertifizierten Fahrtschreibern ausgerüstet sein. Der Einbau und die regelmäßige Überprüfung, Kalibrierung und Wartung erfolgen ausschließlich durch anerkannte Werkstätten. Die Intervalle für die Überprüfung sind gesetzlich festgelegt, um Manipulationen zu verhindern und die Funktionsfähigkeit zu gewährleisten.

Bedienung durch das Fahrpersonal

Das Fahrpersonal ist verpflichtet, den Fahrtschreiber ordnungsgemäß zu bedienen, insbesondere:

  • Die Fahrerkarte (bei digitalen Fahrtschreibern) einzulegen
  • Aktivitäten (Fahren, Arbeitszeit, Bereitschaftszeit, Ruhezeit) korrekt zu dokumentieren
  • Ausdrucke anzufertigen und auf Verlangen der Kontrollbehörden auszuhändigen

Eigenmächtige Eingriffe oder Manipulationen, beispielsweise in Form von Magnetschaltern oder anderen technischen Hilfsmitteln, sind untersagt und strafbewehrt.

Pflichten der Unternehmen

Transportunternehmen müssen die Daten der Fahrtschreiber und Fahrerkarten fristgerecht und regelmäßig auslesen sowie archivieren. Die jeweiligen Aufbewahrungsfristen und verlangten Sicherungsmaßnahmen (etwa gegen Löschung oder unbefugten Zugriff) sind rechtlich vorgeschrieben. Darüber hinaus müssen Unternehmen ihre Angestellten im sachgemäßen Umgang mit den Geräten unterweisen und bei Verstößen entsprechend nachhalten.


Kontrolle und Sanktionen

Kontrollmechanismen

Kontrollen erfolgen im Rahmen von Straßenverkehrskontrollen durch die Polizei und das Bundesamt für Logistik und Mobilität (BALM) sowie stichprobenartig in den Betriebsstätten. Kontrollbeamte prüfen dabei insbesondere:

  • Die Plausibilität und Integrität der Aufzeichnungen
  • Die Einhaltung der Lenk-, Arbeits- und Ruhezeiten
  • Den Zustand und die Funktionsfähigkeit der Fahrtschreiber

Sanktionen bei Verstößen

Verstöße gegen die Verwendungspflichten, Manipulationen an Fahrtschreibern, Nichteinhaltung der Archivierungspflichten oder Vorlagepflichten werden als Ordnungswidrigkeiten (teilweise auch Straftaten) geahndet. Die Bußgeldkataloge sehen gestaffelte Bußgelder und in schweren Fällen auch Fahrverbote oder Gewerbeuntersagungen vor. Unternehmen und Fahrpersonal können dabei gesamtschuldnerisch belangt werden.


Datenschutz und Datenverarbeitung

Die beim Fahrtschreiber erfassten personenbezogenen Daten unterliegen dem Datenschutzrecht, insbesondere der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO). Zulässigkeit, Zweckbindung und Aufbewahrung der erhobenen Daten sind streng geregelt. Die Übermittlung der Daten an Aufsichtsbehörden ist im gesetzlichen Rahmen zulässig. Unternehmen müssen geeignete technische und organisatorische Maßnahmen treffen, um die Sicherheit und Vertraulichkeit der Daten zu gewährleisten.


Weiterentwicklungen im Recht: Der intelligente Fahrtschreiber

Mit der am 15.06.2019 in Kraft getretenen zweiten Generation des digitalen Fahrtschreibers, dem sogenannten intelligenten Fahrtschreiber (Smart Tachograph), wurden weitere Anforderungen umgesetzt. Diese Geräte sind mit zusätzlichen Telematikfunktionen (GPS-Ortung, drahtlose Fernkommunikation) ausgestattet, um mobile Kontrollen effizienter zu gestalten und die Einhaltung der Sozialvorschriften zu verbessern. Die rechtlichen Vorgaben dazu ergeben sich aus der Änderungsverordnung (EU) 2016/799 sowie Anpassungen der nationalen Vorschriften in der FPersV.


Zusammenfassung

Der Fahrtschreiber ist ein zentrales Kontrollinstrument zur Sicherung der Einhaltung von Lenk- und Ruhezeiten im gewerblichen Straßen- und Personenverkehr. Seine rechtliche Ausgestaltung ergibt sich aus umfangreichen europäischen und nationalen Regelwerken. Die Vorschriften reichen von Einbau-, Bedienungs- und Archivierungspflichten bis hin zu Sanktionsregelungen bei Verstößen und Datenschutzbestimmungen. Jüngere Entwicklungen gehen mit der Digitalisierung und weiteren technischen Integration noch intensiver auf Manipulations- und Kontrollschutz ein. Die Einhaltung aller Vorschriften rund um den Fahrtschreiber ist für Unternehmen und Fahrpersonal unerlässlich, um Sanktionen und Haftungsrisiken zu vermeiden.

Häufig gestellte Fragen

Welche gesetzlichen Verpflichtungen bestehen zur Nutzung und Kontrolle von Fahrtschreibern?

Gemäß der Europäischen Verordnung (EG) Nr. 561/2006 sowie der Verordnung (EU) Nr. 165/2014 sind Unternehmen und Fahrer verpflichtet, Fahrtschreiber (auch Tachographen genannt) ordnungsgemäß zu verwenden, sofern sie Fahrzeuge führen, die für den gewerblichen Güter- oder Personentransport über 3,5 Tonnen bzw. mit mehr als 9 Sitzplätzen eingesetzt werden. Die Nutzungspflicht erstreckt sich dabei auf das Erfassen und Dokumentieren von Lenkzeiten, Ruhezeiten, Arbeitszeiten sowie anderer fahrbezogener Tätigkeiten. Unternehmen müssen sicherstellen, dass keine Manipulation stattfindet und die Geräte regelmäßig kalibriert und fachgerecht gewartet werden. Fahrer müssen die Fahrtschreiberkarte korrekt einsetzen, sowie bei Kontrollen durch Behörden alle erforderlichen Nachweise vorlegen können. Verstöße gegen diese Pflichten können sowohl für den Fahrer als auch das Unternehmen zu empfindlichen Geldbußen und gegebenenfalls zu Fahrverboten führen.

Wie lange müssen die Daten aus dem Fahrtschreiber aufbewahrt werden?

Nach Art. 33 der Verordnung (EU) Nr. 165/2014 und § 1 Fahrpersonalgesetz (FPersG) i.V.m. § 2 Fahrpersonalverordnung (FPersV) sind Unternehmen verpflichtet, die von Fahrtschreibern aufgezeichneten Daten mindestens ein Jahr lang zu speichern und aufzubewahren. Gleiches gilt für die Ausdrucke, die in Ausnahmefällen angefertigt werden. Für Fahrer gilt zudem, das Fahrtennachweise der laufenden sowie der vorausgehenden 28 Kalendertage mitgeführt werden müssen, darunter gehören auch Schaublätter (bei analogen Geräten) oder Fahrerkartendaten (bei digitalen Geräten). Unternehmen müssen Behörden auf Nachfrage jederzeit Einsicht in die Daten und Ausdrucke gewähren; eine fehlerhafte oder unzureichende Archivierung erfüllt den Tatbestand eines Ordnungswidrigkeitenverstoßes.

Wer ist für die Einhaltung der Fahrtschreiber-Vorschriften im Unternehmen verantwortlich?

Rechtlich trägt sowohl das Unternehmen als auch der jeweilige Fahrer Verantwortung für die ordnungsgemäße Nutzung, Bedienung und Aufbewahrung der Fahrtschreiberdaten. Das Unternehmen hat eine Fürsorgepflicht, die die Schulung der Fahrer, die Bereitstellung funktionsfähiger Geräte und die regelmäßige Kontrolle der Aufzeichnungen umfasst. Nach § 21a FPersG sowie Art. 10, 32 der VO (EU) Nr. 165/2014 müssen Unternehmer organisatorisch und technisch sicherstellen, dass keine Verstöße begangen werden, und belegen können, dass sie alle zumutbaren Maßnahmen unternommen haben, um Regelkonformität zu gewährleisten. Der Fahrer ist persönlich für das ordnungsgemäße Einlegen und Bedienen der Fahrerkarten oder Schaublätter verantwortlich. Im Falle von Verstößen können sowohl der Halter als auch der Fahrer haftbar gemacht werden.

Welche rechtlichen Konsequenzen drohen bei Manipulation oder Missbrauch des Fahrtschreibers?

Das Manipulieren von Fahrtschreibern – sei es durch technische Eingriffe, die Nutzung von Magneten oder unerlaubte Software – stellt eine schwerwiegende Ordnungswidrigkeit gemäß § 23 FPersG und Art. 32 VO (EU) Nr. 165/2014 dar, die in Deutschland mit Bußgeldern bis zu mehreren tausend Euro für Fahrer und Unternehmen sowie Punkten im Fahreignungsregister geahndet werden kann. In besonders schweren Fällen oder bei wiederholten Verstößen kann die Manipulation auch als Straftat (z.B. Urkundenfälschung oder Betrug) gemäß deutschem Strafgesetzbuch verfolgt werden. Die Behörden können Fahrverbote anordnen und im Einzelfall bis zur Entziehung der Konzession für das Transportunternehmen gehen.

Gibt es Ausnahmen von der Pflicht zur Nutzung eines Fahrtschreibers?

Ja, die Verordnungen sehen in bestimmten Fällen Ausnahmen von der Fahrtschreiberpflicht vor. Beispielsweise müssen Fahrzeuge mit einer zulässigen Höchstgeschwindigkeit von nicht mehr als 40 km/h, Feuerwehr-, Polizei- oder Notarztfahrzeuge, handwerklich genutzte Fahrzeuge unter bestimmten Voraussetzungen oder Fahrzeuge, die zur Beförderung von Material, Ausrüstung oder Maschinen für den Fahrer im Umkreis von 100 km genutzt werden (sofern Fahren nicht Haupttätigkeit ist), keinen Fahrtschreiber verwenden (§ 18 FPersV, Art. 3 VO (EG) Nr. 561/2006). Die konkreten Ausnahmen sind jedoch detailliert geregelt und sollten stets sorgfältig geprüft werden.

Welche Anforderungen an die Kalibrierung und Wartung gibt es?

Die rechtlichen Vorgaben verlangen, dass Fahrtschreiber spätestens alle zwei Jahre, sowie nach Reparaturen oder Änderungen am Wegstreckenzähler, durch eine zugelassene Werkstatt überprüft und kalibriert werden (Art. 23 VO (EU) Nr. 165/2014). Nach der Kalibrierung muss eine Prüfplakette am Gerät angebracht werden; ein Prüfbericht ist aufzubewahren und bei Kontrollen vorzulegen. Unternehmen sind außerdem verpflichtet, nur korrekt kalibrierte Fahrtschreiber einzusetzen und die Einhaltung der Wartungsintervalle zu dokumentieren. Bei Unterlassung drohen Bußgelder und gegebenenfalls Betriebsuntersagungen für das Fahrzeug.