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Fahrstuhl


Definition und rechtlicher Rahmen des Fahrstuhls

Ein Fahrstuhl – auch als Aufzug oder Lift bezeichnet – ist eine maschinelle Vorrichtung zur vertikalen Beförderung von Personen oder Gütern zwischen verschiedenen Ebenen innerhalb von Gebäuden oder anderen Bauwerken. Die rechtliche Einordnung des Begriffs Fahrstuhl ist mit zahlreichen Vorschriften des öffentlichen und privaten Rechts verknüpft und unterliegt strengen bau-, sicherheits- und haftungsrechtlichen Anforderungen. In Deutschland und der Europäischen Union bilden zahlreiche Gesetze, Verordnungen, Normen und Richtlinien das rechtliche Fundament für Bau, Betrieb, Instandhaltung und Prüfung von Fahrstühlen.


Rechtliche Grundlagen im öffentlichen Recht

Bauordnungsrechtliche Anforderungen

Im Bauordnungsrecht der Bundesländer gelten für Einbau und Betrieb von Fahrstühlen spezifische Vorgaben, die im Wesentlichen durch die Landesbauordnungen (LBO) geregelt werden. Fahrstühle zählen baurechtlich zu den so genannten „Aufzugsanlagen“. Sie sind bei genehmigungspflichtigen Bauvorhaben regelmäßig bereits in den Bauantragsunterlagen mit einzureichen und bedürfen einer Baumusterprüfung.

Barrierefreiheit

Nach den Vorgaben der Musterbauordnung (MBO) sowie gem. § 49 Bauordnung für das Land Nordrhein-Westfalen oder entsprechenden Vorschriften der übrigen Länder, müssen Fahrstühle in öffentlichen Gebäuden und Neubauten barrierefrei gestaltet werden. Die Details hierzu regelt die DIN 18040-1 (Barrierefreies Bauen – Öffentlich zugängliche Gebäude) sowie die DIN EN 81-70 (Sicherheitsregeln für die Konstruktion und den Einbau von Aufzügen).

Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV)

Die im europäischen Recht harmonisierte Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) regelt Planung, Errichtung, Betrieb und Überwachung von Fahrstühlen. Danach unterliegen Fahrstühle einer wiederkehrenden Überprüfung sowie besonderen Pflichten hinsichtlich Schlüsselmanagement, Instandhaltung und Wartung. Verantwortlich ist in der Regel der Betreiber der Aufzugsanlage.


Normierung und technische Standards

Europäische Aufzugsrichtlinie

Die wesentliche Grundlage für die technische Sicherheit stellt die Richtlinie 2014/33/EU (Aufzugsrichtlinie) dar. Diese verpflichtet Hersteller, Installateure und Betreiber zu umfangreichen Konformitätsbewertungen vor Inbetriebnahme eines Fahrstuhls. Die CE-Kennzeichnung dokumentiert die Einhaltung dieser Anforderungen.

DIN EN 81-Normenreihe

Die technische Gestaltung und Ausstattung von Fahrstühlen wird maßgeblich durch die DIN EN 81-Normenreihe, etwa DIN EN 81-20 und DIN EN 81-50, geregelt. Hier werden die technischen Mindestanforderungen an Konstruktion, Sicherheit, Zugänglichkeit und Prüfung definiert. Verstöße gegen diese Regelungen können straf- und ordnungsrechtliche Folgen haben.


Eigentumsrechtliche und mietrechtliche Aspekte

Verkehrssicherungspflichten

Eigentümer und Betreiber von Fahrstühlen unterliegen weitgehenden Verkehrssicherungspflichten. Diese umfassen insbesondere die Verpflichtung zur regelmäßigen Instandhaltung und Überprüfung der Anlage. Im Schadensfall können sich Haftungsansprüche Betroffener gegen Eigentümer und Betreiber ergeben, sofern nachweislich eine Pflichtverletzung vorliegt.

Fahrstühle im Mietrecht

Fahrstühle sind in Mietverhältnissen häufig Gegenstand von Vertragsverhältnissen und Streitigkeiten. Nach aktueller Rechtsprechung stellt das Vorhandensein und Funktionieren eines Fahrstuhls regelmäßig einen erheblichen Wohnwert dar. Bei Ausfall oder dauerhafter Störung kann dies zu Mietminderungen berechtigen. Die Kosten für Wartung, Prüfung und Betrieb des Fahrstuhls können als Betriebskosten im Sinne des § 2 Nr. 7 Betriebskostenverordnung (BetrKV) umlagefähig sein, sofern dies im Mietvertrag vereinbart wurde.


Haftungsrechtliche Regelungen

Schadensersatz- und Haftungsrisiken

Kommt es durch den Betrieb oder durch Mängel an Aufzugsanlagen zu Schäden an Personen oder Sachen, können Schadensersatzansprüche aus § 823 BGB (Schadensersatzpflicht) sowie nach Produkthaftungsgesetz (ProdHaftG) entstehen. Daneben greifen öffentlich-rechtliche und private Versicherungen, etwa Betriebshaftpflichtversicherungen für Gebäudeeigentümer.

Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht

Pflichtverletzungen im Zusammenhang mit Betrieb, Wartung und Überprüfung von Fahrstühlen können nach § 19 Abs. 5 BetrSichV und verwandten Vorschriften Ordnungswidrigkeiten oder sogar Straftatbestände (§ 319 StGB – Baugefährdung) darstellen, sofern Dritte gefährdet oder verletzt werden.


Prüf-, Wartungs- und Dokumentationspflichten

Wiederkehrende Prüfungen

Fahrstühle unterliegen einer regelmäßigen Überwachungspflicht durch „zugelassene Überwachungsstellen“ (ZÜS), die mindestens alle zwei Jahre eine Haupt- und eine Zwischenprüfung vornehmen. Verantwortlich ist der Betreiber, dokumentiert wird die Einhaltung im sogenannten Fahrstuhl-Buch.

Dokumentationspflicht

Nach geltendem Recht besteht eine umfassende Dokumentations- und Aufbewahrungspflicht hinsichtlich aller Wartungs-, Prüfungs- und Instandhaltungsmaßnahmen, um im Haftungsfall die ordnungsgemäße Erfüllung der Pflichten nachweisen zu können.


Datenschutz und Videoüberwachung in Fahrstühlen

Moderne Fahrstühle sind häufig mit Überwachungskameras und Notrufsystemen ausgestattet. Deren Betrieb unterliegt den Bestimmungen der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) und dem Bundesdatenschutzgesetz (BDSG). Videoüberwachungen in Fahrstühlen bedürfen einer strikten Abwägung zwischen Sicherheitsbedürfnissen und Persönlichkeitsrechten Betroffener.


Zusammenfassung

Der Fahrstuhl stellt aus rechtlicher Sicht ein hochreguliertes technisches System dar, dessen Planung, Bau, Betrieb und Instandhaltung zahlreichen gesetzlichen, technischen und sicherheitsrelevanten Anforderungen unterliegt. Dies sichert nicht nur den Schutz von Nutzern, sondern begründet vielfältige Verpflichtungen für Eigentümer und Betreiber. Die Einhaltung der einschlägigen Vorschriften ist Grundlage für einen sicheren und funktionsfähigen Fahrstuhlbetrieb und vermeidet zivilrechtliche, strafrechtliche und ordnungsrechtliche Konsequenzen.

Häufig gestellte Fragen

Wer ist für die regelmäßige Wartung und Prüfung von Fahrstühlen rechtlich verantwortlich?

In Deutschland regeln das Produktsicherheitsgesetz (ProdSG), die Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) sowie weitere spezifische Normen und Vorschriften die Pflichten rund um die Wartung und Prüfung von Fahrstühlen. Grundsätzlich ist der Betreiber der Aufzugsanlage – das kann zum Beispiel ein Vermieter, eine Wohnungseigentümergemeinschaft oder ein Unternehmen sein – für die ordnungsgemäße Wartung und regelmäßige Prüfung verantwortlich. Der Betreiber muss sicherstellen, dass der Fahrstuhl stets in einem betriebssicheren Zustand ist. Dazu gehören insbesondere die wiederkehrenden Prüfungen durch zugelassene Überwachungsstellen (wie TÜV oder DEKRA), die in regelmäßigen Abständen (meist alle zwei Jahre eine Hauptprüfung, dazwischen Zwischenprüfungen) erfolgen müssen. Zudem ist eine jährliche Wartung durch eine fachkundige Person gesetzlich vorgeschrieben. Verstöße gegen die gesetzlichen Prüf- und Wartungspflichten können sowohl ordnungsrechtliche als auch haftungsrechtliche Konsequenzen haben, etwa Bußgelder oder Schadensersatzforderungen im Schadensfall.

Welche rechtlichen Vorschriften gelten bei der Modernisierung oder dem Austausch eines Fahrstuhls?

Bei der Modernisierung oder dem Austausch einer Aufzugsanlage greifen verschiedene rechtliche Regelungen, insbesondere die BetrSichV, das Bauordnungsrecht der Länder sowie das Produktsicherheitsgesetz. Nach § 10 BetrSichV ist jede wesentliche Veränderung, insbesondere sicherheitstechnische Verbesserungen oder der komplette Austausch der Anlage, anzeige- und ggf. genehmigungsbedürftig. Häufig verlangt das Bauaufsichtsamt zusätzliche Unterlagen oder Sachverständigengutachten. Auch müssen neu verbaute Komponenten den aktuell geltenden Normen entsprechen, etwa den Vorschriften der EN 81-Reihe (insbesondere EN 81-20/50 für neue Aufzüge). Die Modernisierung darf ausschließlich von qualifiziertem Fachpersonal durchgeführt werden. Nach Abschluss der Arbeiten ist in der Regel eine erneute Abnahmeprüfung durch eine zugelassene Überwachungsstelle erforderlich, bevor der Aufzug wieder in Betrieb genommen werden darf.

Welche Haftungsrisiken bestehen für Betreiber bei einem Unfall mit einem Fahrstuhl?

Kommt es zu einem Unfall mit einem Fahrstuhl, haftet in erster Linie der Betreiber der Anlage, sofern ihm ein schuldhaftes Verhalten, beispielsweise in Form mangelhafter Wartung, unterstellt werden kann. Die Haftung kann sich dabei sowohl aus zivilrechtlichen (Schadensersatz, Schmerzensgeld nach BGB), aber auch aus strafrechtlichen Vorschriften (z.B. fahrlässige Körperverletzung oder Tötung) ergeben, falls infolge einer Pflichtverletzung Personen zu Schaden kommen. Die Betreiberhaftung ist eine sogenannte Verkehrssicherungspflicht: Der Betreiber muss alle zumutbaren Maßnahmen treffen, um den sicheren Betrieb des Fahrstuhls zu gewährleisten. Bei nachgewiesener Vernachlässigung der Prüfpflichten oder Wartungsvorgaben drohen neben Regressansprüchen durch Geschädigte auch Sanktionen seitens der zuständigen Aufsichtsbehörden.

Was müssen Gewerbeimmobilienbesitzer bezüglich Barrierefreiheit von Fahrstühlen rechtlich beachten?

Die Anforderungen an die Barrierefreiheit von Fahrstühlen in neuen und bestehenden Gewerbegebäuden ergeben sich aus dem Behindertengleichstellungsgesetz (BGG), der Musterbauordnung (MBO) und den technischen Baubestimmungen sowie einschlägigen DIN-Normen (insbesondere DIN EN 81-70). Je nach Bundesland und Gebäudenutzung kann die Pflicht zur Nach- oder Aufrüstung mit barrierefreien Fahrstühlen bestehen, etwa bei öffentlichen Gebäuden oder bei wesentlichen Umbaumaßnahmen. Zu den Mindestanforderungen zählen beispielsweise behindertengerechte Bedienelemente, ausreichend große Kabinen sowie akustische und optische Signalgebung. Bei Neubauten müssen diese Vorgaben zwingend eingehalten werden, während im Bestand oft Übergangsfristen oder Ausnahmen möglich sind, sofern eine Nachrüstung technisch oder wirtschaftlich unzumutbar ist. Verstöße gegen die Barrierefreiheitspflichten können Schadenersatzforderungen, Nutzungsuntersagungen oder ordnungsrechtliche Maßnahmen nach sich ziehen.

Welche Personen dürfen gesetzlich Aufzugsanlagen instand halten oder reparieren?

Nach § 14 der Betriebssicherheitsverordnung dürfen nur fachkundige Personen, also speziell ausgebildete und nachweislich qualifizierte Spezialisten, Wartungs- und Reparaturarbeiten an Aufzugsanlagen durchführen. Die Fachkunde muss durch eine entsprechende Berufsausbildung oder eine gleichwertige Qualifikation nachgewiesen werden; zudem ist eine regelmäßige Fortbildung vorgeschrieben. Tätigkeiten dürfen nicht von Laien oder ungeschultem Hausmeisterpersonal durchgeführt werden. Bei unsachgemäßer Instandhaltung drohen dem Betreiber rechtliche Konsequenzen, insbesondere wenn dadurch Personen gefährdet werden oder die Anlage Schaden nimmt. Viele Betreiber schließen Wartungsverträge mit zertifizierten Fachfirmen ab, um den gesetzlichen Anforderungen gerecht zu werden und sich gegen Haftungsrisiken abzusichern.

Welche rechtlichen Pflichten bestehen zur Dokumentation und zum Aushang von Informationen bei Fahrstühlen?

Der Betreiber eines Fahrstuhls ist verpflichtet, eine lückenlose Dokumentation über sämtliche Wartungen, Prüfungen, Reparaturen und Störungen der Anlage zu führen (§ 17 BetrSichV). Diese Aufzeichnungen müssen auf Verlangen den Behörden oder zur Prüfung befugten Personen vorgelegt werden können und sind mindestens zehn Jahre aufzubewahren. Darüber hinaus müssen in oder an jedem Fahrstuhl gut sichtbar bestimmte Informationen ausgehängt werden, darunter die Notrufnummer, das Baujahr, die maximal zulässige Tragfähigkeit, der Betreiberkontakt und ggf. Hinweise zur Nutzung. Diese Informationspflichten dienen neben dem sicheren Betrieb vor allem dem schnellen Handeln bei Störungen oder Notfällen. Werden diese Pflichten nicht erfüllt, drohen dem Betreiber ordnungsrechtliche Sanktionen.