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Fahrgeschwindigkeit


Begriff und Bedeutung der Fahrgeschwindigkeit

Die Fahrgeschwindigkeit bezeichnet im deutschen Verkehrsrecht die Geschwindigkeit, mit der ein Fahrzeug auf öffentlichen Straßen geführt wird. Sie ist eine zentrale Größe für das Verhalten im Straßenverkehr und spielt in verschiedenen Rechtsgebieten, insbesondere im Verkehrsrecht, eine bedeutende Rolle. Die Fahrgeschwindigkeit unterliegt gesetzlichen Vorgaben und kann durch situative Umstände beeinflusst und eingeschränkt werden.

Gesetzliche Grundlagen der Fahrgeschwindigkeit

Straßenverkehrs-Ordnung (StVO)

Das maßgebliche Regelwerk für die Fahrgeschwindigkeit bildet die Straßenverkehrs-Ordnung (StVO). Die zentralen Normen dazu finden sich vor allem in § 3 StVO („Geschwindigkeit“), aber auch in weiteren Bestimmungen, die besondere Situationen regeln.

Grundsatz der angepassten Geschwindigkeit (§ 3 Abs. 1 StVO)

Gemäß § 3 Abs. 1 StVO darf die Fahrgeschwindigkeit stets nur so hoch sein, dass das Fahrzeug ständig beherrscht wird und auch in gefährlichen Situationen rechtzeitig angehalten werden kann. Das Vorschrift fordert eine Anpassung der Geschwindigkeit an die jeweiligen Straßen-, Verkehrs-, Sicht- und Wetterverhältnisse. Die Fahrgeschwindigkeit ist nicht allein durch die ausgeschilderte Höchstgeschwindigkeit begrenzt, sondern durch die Umstände des Einzelfalls (z. B. Nässe, Eisglätte, Nebel, Verkehrsaufkommen).

Regelungen zu Höchstgeschwindigkeiten (§ 3 Abs. 3 StVO)

Absatz 3 des § 3 StVO definiert spezifische zulässige Höchstgeschwindigkeiten für verschiedene Fahrzeugkategorien sowie für unterschiedliche Straßenarten:

  • Innerorts: Für Kraftfahrzeuge allgemein 50 km/h, für bestimmte Kraftfahrzeuge und Konstellationen (z. B. Kraftomnibussen, Lkw, Kfz mit Anhänger) niedrigere Werte.
  • Außerorts: Für Pkw und Motorräder grundsätzlich 100 km/h, für andere Kraftfahrzeuge geringere Werte.
  • Auf Autobahnen: Keine generelle Höchstgeschwindigkeit für Pkw und Motorräder, jedoch eine Richtgeschwindigkeit (vgl. § 1 Abs. 2 und § 3 Abs. 3 StVO).

Anhalteweg und Reaktionsweg

Die gesetzliche Verpflichtung, das Fahrzeug ständig beherrschen zu müssen, hat Einfluss auf den Anhalteweg, der sich aus Reaktionsweg und Bremsweg berechnet und regelmäßig unter den gegebenen Umständen zu bemessen ist. Insbesondere bei schlechten Sicht- und Straßenverhältnissen verkürzt sich die zulässige Fahrgeschwindigkeit entsprechend deutlich.

Besondere Situationen

Geschwindigkeitsbegrenzungen durch Verkehrszeichen

Neben den allgemeinen Vorschriften können Verkehrszeichen (§ 41 StVO) streckenbezogene Geschwindigkeitsbeschränkungen anordnen, die unmittelbar verbindlich sind.

Geschwindigkeit in besonderen Verkehrssituationen

Weitere Spezialfälle finden sich beispielsweise in:

  • § 3 Abs. 2a StVO für Autobahnauffahrten und das Verhalten bei stockendem Verkehr
  • § 20 StVO für den Bereich vor Bussen beim Ein- und Aussteigen von Fahrgästen
  • § 42 StVO in Verbindung mit Zeichen 274 (Höchstgeschwindigkeit) und Zeichen 325.1 (Verkehrsberuhigte Bereiche, Schrittgeschwindigkeit)

Schrittgeschwindigkeit

Die Schrittgeschwindigkeit ist kein exakt gesetzlich definierter Wert, wird jedoch von der Rechtsprechung und in Verwaltungsvorschriften mit etwa 4 bis 7 km/h angegeben. Sie ist in bestimmten Bereichen vorgeschrieben, etwa in verkehrsberuhigten Zonen, in Fußgängerbereichen für Lieferverkehr oder bei besonderen Lagen wie etwa beim Überholen haltender Linienbusse mit eingeschaltetem Warnblinklicht.

Rechtliche Konsequenzen bei Überschreitung der Fahrgeschwindigkeit

Ordnungswidrigkeitenrechtliche Folgen

Die Überschreitung der zulässigen Fahrgeschwindigkeit stellt eine Ordnungswidrigkeit gemäß § 49 StVO dar und wird nach dem Bußgeldkatalog sanktioniert. Art und Umfang der Sanktionen (Bußgeld, Punkte in Flensburg, Fahrverbot) richten sich nach Ausmaß der Überschreitung und dem Ort (innerorts/außerorts). Besonders gravierend werden wiederholte Geschwindigkeitsverstöße sowie Überschreitungen mit erheblicher Gefährdung anderer geahndet.

Strafrechtliche Konsequenzen

Fahrten mit überhöhter Geschwindigkeit können bei Gefährdung oder Schädigung anderer Beteiligter auch den Tatbestand von Straftaten erfüllen, insbesondere:

  • Gefährdung des Straßenverkehrs (§ 315c StGB)
  • Fahrlässige Körperverletzung (§ 229 StGB)
  • Fahrlässige Tötung (§ 222 StGB)

Fahrgeschwindigkeit im Zusammenhang mit Verkehrsunfällen

Haftungsrechtliche Bedeutung

Die Einhaltung oder Nicht-Einhaltung der angepassten Fahrgeschwindigkeit ist regelmäßig ein zentraler Prüfungsgegenstand im Haftungsrecht nach einem Verkehrsunfall. Kommt es aufgrund nicht angepasster Geschwindigkeit zu einem Unfall, kann eine Mithaftung (Mitverschulden) auch dann bestehen, wenn der Unfallgegner einen Fehler begangen hat.

Versicherungstechnische Aspekte

Im Bereich der Kfz-Haftpflicht- und Kaskoversicherung spielt die Fahrgeschwindigkeit ebenfalls eine Rolle. Fahren mit unangepasster oder überhöhter Geschwindigkeit kann zu einer Leistungsfreistellung oder -kürzung des Versicherers führen (Obliegenheitsverletzung).

Besonderheiten bei unterschiedlichen Fahrzeugarten

Nutzfahrzeuge und Omnibusse

Für Omnibusse, Lkw und Fahrzeuge mit Anhängern gelten häufig gesonderte, niedrigere Höchstgeschwindigkeiten. Diese Regelungen dienen insbesondere der Verkehrssicherheit und berücksichtigen das höhere Gefahrenpotenzial dieser Fahrzeuge.

Zweiräder und Fahrräder

Auch für Fahrräder gilt die Pflicht zur angepassten Geschwindigkeit (§ 3 Abs. 1 StVO – analog). Motorisierte Zweiräder unterliegen den Kraftfahrzeugregelungen.

Internationale Regelungen

In anderen europäischen und außereuropäischen Staaten variieren zulässige Höchst- und Richtgeschwindigkeiten erheblich. Bei grenzüberschreitendem Verkehr ist auf die jeweiligen nationalen Vorschriften zu achten.

Zusammenfassung

Die Fahrgeschwindigkeit ist eine der wichtigsten Kenngrößen für das sichere Verhalten im Straßenverkehr. Sie ist sowohl aus ordnungsrechtlicher, haftungsrechtlicher als auch strafrechtlicher Sicht von maßgeblicher Relevanz. Nationale und örtliche Vorschriften, situative Gegebenheiten, Verkehrszeichen und besondere Verkehrslagen beeinflussen die zulässige Geschwindigkeit erheblich. Die Pflicht zur ständigen Anpassung der Geschwindigkeit an die herrschenden Verhältnisse ist ein Grundpfeiler des deutschen Verkehrsrechts.


Quellen:

  • Straßenverkehrs-Ordnung (StVO)
  • Straßenverkehrsgesetz (StVG)
  • Strafgesetzbuch (StGB)
  • Bußgeldkatalog-Verordnung (BKatV)
  • Verwaltungsvorschriften zur StVO
  • Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) und Oberlandesgerichte (OLG)

Häufig gestellte Fragen

Was gilt als angemessene Fahrgeschwindigkeit nach deutschem Verkehrsrecht?

Die angemessene Fahrgeschwindigkeit ist im deutschen Verkehrsrecht insbesondere in § 3 Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) geregelt. Sie bezeichnet die Geschwindigkeit, die den Straßen-, Verkehrs-, Sicht- und Wetterverhältnissen sowie den persönlichen Fähigkeiten des Fahrers und dem Zustand des Fahrzeugs angepasst ist. Konkret bedeutet dies, dass auch dann, wenn die zulässige Höchstgeschwindigkeit beispielsweise 100 km/h beträgt, der Fahrer unter bestimmten Bedingungen – etwa bei Nebel, starkem Regen, Schnee, Glätte, bei schlechter Fahrbahn oder unübersichtlichem Straßenverlauf – deutlich langsamer fahren muss, als es die Höchstgeschwindigkeitsbegrenzung vorsieht. Grundlage für die Beurteilung, was als „angemessen“ gilt, ist stets das Übermaßverbot; im Falle eines Unfalls kann eine unangemessene Geschwindigkeit eine erhebliche Mitschuld begründen oder zu einer Mithaftung führen. Bereits die Überschreitung der angemessenen Geschwindigkeit – unabhängig von Beschilderungen – kann als Ordnungswidrigkeit oder im Extremfall als Straftat (z. B. Gefährdung des Straßenverkehrs) geahndet werden.

Wann ist die Überschreitung der innerorts geltenden Höchstgeschwindigkeit rechtlich zulässig?

Grundsätzlich ist die innerorts gesetzlich festgelegte Höchstgeschwindigkeit laut § 3 Abs. 3 StVO auf 50 km/h für alle Kraftfahrzeuge geregelt. Eine Überschreitung dieser Grenze ist nur in ausdrücklich geregelten Ausnahmefällen zulässig, etwa durch eine gut begründete Verkehrsfreigabe seitens der zuständigen Behörde (z. B. im Rahmen eines genehmigten Einsatzfahrts – Polizei, Feuerwehr, Rettungsdienste). Im Alltagsverkehr sind zeitlich oder situativ begrenzte Ausnahmen meist mittels entsprechender Verkehrszeichen ausgeschildert, etwa bei temporären Aufhebungen des Tempolimits. Ein eigenmächtiges Überschreiten bleibt ansonsten strikt verboten; ein sog. „Verkehrsfluss-Argument“ oder die Behauptung, man habe niemanden gefährdet, ist vor Gericht in der Regel nicht anerkannt. Bei Verstößen drohen Bußgelder, Punkte und gegebenenfalls Fahrverbote.

Welche Konsequenzen drohen bei Verstößen gegen die zulässige Höchstgeschwindigkeit außerorts?

Wer außerorts – also auf Landstraßen oder Autobahnen – die zulässige Höchstgeschwindigkeit überschreitet, muss mit verschiedenen rechtlichen Konsequenzen rechnen, die im Bußgeldkatalog festgelegt sind. Je nach Ausmaß der Überschreitung variiert das Strafmaß von einem Verwarnungsgeld bis hin zu empfindlichen Bußgeldern, Punkten im Fahreignungsregister (FAER, „Punkte in Flensburg“) und Fahrverboten. Die Sanktionen richten sich nach dem Grad der Überschreitung (meist gestaffelt ab 21 km/h über Limit) und können sich in Wiederholungsfällen verschärfen. Kommt es unter Geschwindigkeitsüberschreitung zu einem Unfall, kann dies auch strafrechtliche Folgen wie Anklagen wegen fahrlässiger Körperverletzung oder bei Todesfolge fahrlässiger Tötung nach sich ziehen, insbesondere, wenn grob verkehrswidriges Verhalten festgestellt wird.

Ist die Nutzung von Geschwindigkeitsmessgeräten zur Beweisführung rechtlich einwandfrei?

Geschwindigkeitsmessungen zur Kontrolle der Fahrgeschwindigkeit sind vom Gesetzgeber ausdrücklich vorgesehen. Allerdings ist die Rechtskonformität solcher Messungen an strenge technische und verfahrensrechtliche Vorgaben geknüpft. Die gültige Messung bedarf der Zulassung des verwendeten Messgeräts durch die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB), der ordnungsgemäßen Eichung sowie einer fehlerfreien Bedienung durch geschultes Personal. Nachweisbar fehlerhafte oder nicht ordnungsgemäß durchgeführte Messungen, etwa durch unsachgemäße Platzierung oder fehlende Eichung, können als Beweis ungeeignet sein und im Bußgeldverfahren zur Einstellung führen. Betroffene haben das Recht auf Akteneinsicht, um etwaige Messfehler oder Bedienmängel zu überprüfen.

Wann ist auf Autobahnen eine Höchstgeschwindigkeit rechtlich verpflichtend?

Auf deutschen Autobahnen besteht grundsätzlich keine generelle Höchstgeschwindigkeit für Pkw ohne Anhänger, sondern lediglich eine Richtgeschwindigkeit von 130 km/h (§ 1 Abs. 2 StVO i.V.m. den Empfehlungen der Verkehrsministerkonferenz). Eine rechtlich verpflichtende (und damit sanktionierbare) Höchstgeschwindigkeit gilt jedoch, sobald dies durch entsprechende Verkehrszeichen angeordnet ist, für bestimmte Fahrzeugarten (wie Lkw, Busse, Pkw mit Anhänger) oder bei spezifischen Gefahrenstellen (Baustellen, Kreuzungen, Tunneln). Verstöße gegen diese begrenzten Höchstgeschwindigkeiten werden nach dem Bußgeldkatalog geahndet. Zudem kann die Missachtung der Richtgeschwindigkeit im Falle eines Unfalls zu einer Mithaftung führen, wenn nachgewiesen wird, dass ein geringeres Tempo den Unfall verhindert hätte (sog. „Anscheinsbeweis“).

Welche besonderen Vorschriften gelten für Fahranfänger in Bezug auf Geschwindigkeitsbegrenzungen?

Für Fahranfänger in der Probezeit (nach § 2a StVG) gelten dieselben zulässigen Höchstgeschwindigkeiten wie für alle anderen Verkehrsteilnehmer. Allerdings werden Geschwindigkeitsüberschreitungen im Rahmen der sogenannten „A-Verstöße“ besonders streng behandelt: Bereits eine erstmalige erhebliche Geschwindigkeitsüberschreitung (ab 21 km/h zu viel) führt neben den üblichen Sanktionen zwingend zur Verlängerung der Probezeit um weitere zwei Jahre und zur verpflichtenden Teilnahme an einem Aufbauseminar. Wiederholte Verstöße können zu einer Verwarnung und letztlich zur Entziehung der Fahrerlaubnis führen. Die Regelungen dienen der Steigerung der Verkehrssicherheit und präventiven Einwirkung auf das Fahrverhalten in der sensiblen Anfangsphase des Führens von Kraftfahrzeugen.

Welche rechtlichen Unterschiede bestehen zwischen zulässiger und vorgeschriebener Fahrgeschwindigkeit?

Die zulässige Fahrgeschwindigkeit bezeichnet das maximal erlaubte Tempo, das nicht überschritten werden darf; sie ergibt sich aus allgemeinen gesetzlichen Regelungen (§ 3 StVO) oder ist durch Verkehrszeichen konkret vorgegeben. Im Gegensatz dazu steht die vorgeschriebene Fahrgeschwindigkeit, die nur in besonderen Fällen gilt, etwa „Mindestgeschwindigkeit“ auf ausgewiesenen Fahrspuren (z. B. 60 km/h auf Autobahnen gemäß § 18 Abs. 1 StVO oder durch entsprechende Verkehrszeichen angeordnet). Wer über längere Zeit wesentlich langsamer als die zulässige Mindestgeschwindigkeit fährt, verstößt gegen die Vorschriften und kann den nachfolgenden Verkehr stark behindern, was wiederum einen Ordnungswidrigkeitstatbestand darstellt. Generell hat jeder Fahrer seine Fahrgeschwindigkeit so zu wählen, dass er das Fahrzeug ständig beherrschen und innerhalb der überschaubaren Strecke anhalten kann (Anhaltewegprinzip).