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Fahrgastrechte (Kraftomnibusverkehr)


Fahrgastrechte im Kraftomnibusverkehr

Begriff und Geltungsbereich

Die Fahrgastrechte im Kraftomnibusverkehr bezeichnen den umfassenden Schutz der Rechte von Reisenden im Linien- und Gelegenheitsverkehr mit Bussen und Kraftomnibussen. Sie regeln auf europäischer und nationaler Ebene die Ansprüche, Pflichten und Zuständigkeiten von Fahrgästen und Verkehrsunternehmen. Ziel ist es, einheitliche Mindeststandards für die Mobilität, Sicherheit, Information sowie Entschädigung der Reisenden zu gewährleisten.

Rechtsgrundlagen

Die zentralen Rechtsgrundlagen der Fahrgastrechte im Kraftomnibusverkehr bilden insbesondere:

  • Verordnung (EU) Nr. 181/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 2011 über die Rechte von Fahrgästen im Kraftomnibusverkehr;
  • Personenbeförderungsgesetz (PBefG) als nationales Umsetzungsgesetz in Deutschland;
  • Weitere relevante Verordnungen, Allgemeine Beförderungsbedingungen sowie Landesregelungen.

Diese Vorschriften regeln europaweit die Mindestanforderungen für Fahrgastrechte im Kraftomnibusverkehr und stellen sicher, dass Fahrgäste grenzüberschreitend gleichwertigen Schutz genießen.

Anwendungsbereich

Sachlicher und räumlicher Geltungsbereich

Die Fahrgastrechte gelten grundsätzlich für alle Linienverkehre unter Verwendung von Kraftomnibussen, welche eine planmäßige Beförderung auf festgelegten Strecken und nach festen Fahrplänen vorsehen. Entscheidend ist, dass die planmäßige Streckenlänge 250 Kilometer oder mehr beträgt. Für kürzere Strecken gelten bestimmte Rechte in reduziertem Umfang.

Der geografische Geltungsbereich umfasst sämtliche Fahrten innerhalb der Europäischen Union sowie im grenzüberschreitenden Kraftomnibusverkehr, sofern entweder der Abfahrts- oder der Zielort in einem EU-Mitgliedstaat liegt.

Ausnahmen

Einige Ausnahmen existieren, beispielsweise für bestimmte Stadt-, Vorort- und Regionalverkehre, private Transportdienste sowie Gelegenheitsverkehre, sofern diese nicht dem Linienverkehr gleichgestellt sind. Ebenso können Mitgliedstaaten Übergangsregelungen für innerstaatliche Linienverkehre mit Strecken von über 250 km anwenden.

Informationsrechte der Fahrgäste

Fahrgäste haben Anspruch auf umfassende und zugängliche Informationen vor und während der Fahrt. Zu den wesentlichen Informationsrechten zählen:

  • Klar verständliche Hinweise zu Rechten, Fahrplänen und Beförderungsbedingungen;
  • Informationen zum Abfahrts- und Ankunftsort, zu möglichen Anschlussverbindungen sowie zu entstehenden Verspätungen und Ausfällen;
  • Besonderer Zugang zu Informationen für reisende Personen mit eingeschränkter Mobilität.

Verkehrsunternehmen sind verpflichtet, relevante Informationen in geeigneter Weise bereitzustellen, sodass sie für jedermann, insbesondere für Menschen mit Behinderung, leicht zugänglich sind.

Rechte bei Verspätungen, Ausfällen und Anschlussverlust

Verspätungen am Abfahrtsort

Kommt es bei Abfahrten von Buslinien mit über 250 km Streckenlänge zu Verspätungen von mehr als 120 Minuten, kann der Fahrgast zwischen der Fortsetzung der Reise bzw. einer Ersatzbeförderung und einer vollständigen Rückerstattung des Fahrpreises wählen.

Ausfälle und Reiseabbrüche

Bei Ausfällen der geplanten Fahrt muss das Verkehrsunternehmen entweder die Fortsetzung oder Weiterbeförderung zum Zielort möglichst rasch durchführen oder den Fahrpreis zurückerstatten. Zusätzlich können Fahrgäste Anspruch auf Unterstützungsleistungen wie Erfrischungen, Mahlzeiten und gegebenenfalls Unterbringung (höchstens 80 Euro für maximal zwei Nächte) geltend machen.

Anspruch auf Entschädigung

Zwar sieht die europäische Regelung keine automatische finanzielle Entschädigung für Verspätungen oder Ausfälle vor, jedoch besteht Anspruch auf Erstattung des Fahrpreises bei erheblichen Zeitabweichungen oder bei Verzicht auf die Fortsetzung der Reise.

Anschlussverlust

Wird ein Anschlussbus infolge einer Verspätung verpasst, muss das Verkehrsunternehmen dem Fahrgast eine alternative Reisemöglichkeit anbieten oder die Rückkehr an den Ausgangsort ermöglichen.

Rechte von Menschen mit Behinderung und eingeschränkter Mobilität

Menschen mit Behinderung oder eingeschränkter Mobilität erhalten im Kraftomnibusverkehr besondere Unterstützung:

  • Anspruch auf Hilfeleistung beim Ein- und Aussteigen sowie während der Fahrt, ohne zusätzliche Kosten;
  • Recht auf Reservierung bestimmter Sitzplätze und kostenlose Mitnahme von Mobilitätshilfen (etwa Rollstühle), sofern ausreichend Platz vorhanden ist;
  • Informationspflicht, dass Hilfsleistungen mindestens 36 Stunden vor Abfahrt angemeldet werden müssen.

Im Falle einer Ablehnung der Beförderung (z.B. aus Sicherheitsgründen oder baulichen Einschränkungen) besteht das Recht auf Rückerstattung oder auf eine alternative Beförderung.

Haftung und Schadensersatzansprüche

Personenschäden

Bei Tod oder Körperverletzung infolge eines Unfalls haftet das Verkehrsunternehmen verschuldensunabhängig bis zu einer bestimmten Haftungshöchstsumme, sofern der Unfall während der Beförderung mit dem Omnibus eingetreten ist.

Gepäckschäden

Fahrgäste haben Anspruch auf Ersatz bei Verlust oder Beschädigung ihres Gepäcks, vorausgesetzt dies befand sich im Obhut des Verkehrsunternehmens.

Haftungsbeschränkung

Die Haftung kann gesetzlich und vertraglich begrenzt sein, etwa durch eine Höchstentschädigungssumme oder durch Nachweispflichten des Fahrgastes.

Beschwerdeverfahren und Durchsetzung der Fahrgastrechte

Fahrgastrechte können durch ein standardisiertes Beschwerdeverfahren geltend gemacht werden:

  1. Beschwerde beim Verkehrsunternehmen: Zunächst ist die Beschwerde direkt an das ausführende Verkehrsunternehmen zu richten. Dieses muss binnen eines Monats antworten.
  2. Nationale Durchsetzungsstellen: Bleibt die Reaktion aus oder erfolgt keine zufriedenstellende Lösung, kann der Fahrgast sich an die jeweils zuständige nationale Durchsetzungsstelle wenden (in Deutschland: Eisenbahn-Bundesamt, Bereich Kraftomnibusverkehr).
  3. Gerichtliche Durchsetzung: Der Rechtsweg zu Gerichten bleibt unberührt.

Pflichten der Verkehrsunternehmen

Verkehrsunternehmen sind verpflichtet, in ihrem Einflussbereich für die Einhaltung der Fahrgastrechte Sorge zu tragen. Dies beinhaltet insbesondere:

  • Schulung des Personals in Bezug auf Fahrgastrechte;
  • Bereitstellung von Informationen über Rechte und Beschwerdemöglichkeiten;
  • Dokumentation und Bearbeitung von Beschwerden;
  • Kooperation mit nationalen Durchsetzungsstellen.

Sanktionen und Aufsicht

Die Überwachung und Durchsetzung der Fahrgastrechte obliegt den nationalen Behörden. Verstöße gegen die Pflichten können mit Sanktionen, Bußgeldern und Auflagen geahndet werden.

Weitere Informationsquellen und Entwicklung

Mit dem Inkrafttreten weiterer Regelungen auf europäischer und nationaler Ebene ist die Weiterentwicklung der Fahrgastrechte im Kraftomnibusverkehr ein kontinuierlicher Prozess, insbesondere im Hinblick auf die Förderung von nachhaltiger, barrierefreier und kundenorientierter Mobilität.

Fazit

Die Fahrgastrechte im Kraftomnibusverkehr stellen eine zentrale Säule des Verbraucherschutzes im öffentlichen Personenverkehr dar. Sie bieten Fahrgästen ein umfassendes und detailliert geregeltes Schutzsystem im Hinblick auf Information, Mobilität und finanzielle Ausgleichsansprüche und sichern damit ein hohes Maß an Verlässlichkeit und Transparenz für Reisende im In- und Ausland.

Häufig gestellte Fragen

Welche Entschädigungsansprüche haben Fahrgäste bei Verspätungen im Kraftomnibusverkehr?

Fahrgäste im Kraftomnibusverkehr haben bei Verspätungen Anspruch auf Entschädigung nach der Verordnung (EU) Nr. 181/2011 sowie den einschlägigen nationalen Bestimmungen wie dem Personenbeförderungsgesetz (PBefG). Verspätet sich die planmäßige Abfahrt eines fahrplanmäßigen Fernbusses von der Abfahrtsstelle um mehr als 120 Minuten oder wird eine Fahrt ganz abgesagt, kann der Fahrgast zwischen der vollständigen Erstattung des Fahrpreises und einer Ersatzbeförderung zum Endziel wählen. Erfolgt keine angemessene Lösung, kann neben der Fahrpreiserstattung zusätzlich Schadensersatz zustehen. In diesen Fällen muss der Unternehmer ohne zusätzliche Kosten entweder eine anderweitige Weiterfahrt anbieten oder eine Rückerstattung leisten. Bei Verspätungen von über 90 Minuten bei einer planmäßigen Fahrtdauer von über drei Stunden haben Fahrgäste zusätzlich Anspruch auf Unterstützung in Form von Gutscheinen für Mahlzeiten oder Erfrischungen sowie – falls erforderlich – auf eine Hotelübernachtung, sofern dies mit der Durchführung der Ersatzbeförderung vereinbar ist. Die Haftung für Verspätungsschäden ist im Rahmen des § 23 PBefG begrenzt, besteht aber zum Teil auch neben den EU-rechtlichen Vorgaben.

Welche Informationspflichten haben Busunternehmen bei Fahrplanabweichungen?

Busunternehmen sind nach der Verordnung (EU) Nr. 181/2011 zu umfangreichen Informationspflichten verpflichtet. Im Falle einer Annullierung oder einer Verzögerung der Abfahrt sind Fahrgäste spätestens 30 Minuten nach der planmäßigen Abfahrtszeit über die Situation sowie die voraussichtliche Abfahrts- und Ankunftszeit zu unterrichten. Diese Informationen müssen auf leicht zugängliche Weise und, falls möglich, elektronisch oder mittels Durchsagen am Busbahnhof zur Verfügung gestellt werden. Bei Änderung von Haltestellen, Ersatzverkehren oder anderen wesentlichen Umständen ist eine unverzügliche, transparente und vollständige Information vorgeschrieben. Besondere Informationspflichten bestehen gegenüber mobilitätseingeschränkten Fahrgästen.

Welche Rechte haben mobilitätseingeschränkte Personen im Kraftomnibusverkehr?

Gemäß Art. 10 ff. der Verordnung (EU) Nr. 181/2011 haben Fahrgäste mit eingeschränkter Mobilität Anspruch auf kostenlose Unterstützung beim Ein- und Ausstieg sowie während der Fahrt. Busunternehmen und Betreiber von Busbahnhöfen müssen sicherstellen, dass Fahrgästen mit Behinderung oder eingeschränkter Mobilität Assistenz und Zugang zu Informationen ohne zusätzliche Kosten gewährt wird. Bereits bei der Buchung muss die Möglichkeit bestehen, Unterstützung anzumelden. Die Ablehnung der Beförderung darf nur erfolgen, wenn Sicherheitsauflagen oder technische Gründe (z.B. fehlende Eignung des Fahrzeugs) dies zwingend erforderlich machen. Im Ablehnungsfall besteht Anspruch auf unverzügliche Information sowie auf Erstattung oder Ersatzbeförderung.

Unter welchen Bedingungen besteht Anspruch auf Erstattung oder Ersatzbeförderung?

Der Anspruch auf Erstattung oder Ersatzbeförderung ergibt sich insbesondere aus Artikel 19 der VO (EU) Nr. 181/2011. Wird eine Buchung storniert oder verzögert sich die Abfahrt um mehr als 120 Minuten, kann der Fahrgast wählen zwischen der vollständigen Fahrpreiserstattung oder der Fortsetzung der Reise auf einer alternativen Strecke zum frühestmöglichen Zeitpunkt ohne zusätzliche Kosten. Die Wahl steht dem Fahrgast zu. Im Falle einer Unterbrechung der Verbindung ist die Weiterbeförderung mit anderen Verkehrsmitteln (z. B. andere Busunternehmen, Bahn) binnen angemessener Zeit zu organisieren. Wird die Reise abgebrochen, besteht auch Anspruch auf kostenlose Rückfahrt zum ersten Abfahrtsort, sofern dies sinnvoll ist.

Welche Rechte haben Fahrgäste bei Gepäckverlust oder -beschädigung?

Die Haftung des Busunternehmens für Gepäckverlust oder -beschädigung richtet sich nach § 23 PBefG sowie Art. 7 der VO (EU) Nr. 181/2011. Bei nachgewiesenem Verschulden haftet das Unternehmen für Schäden bis zu einem gesetzlich festgelegten Höchstbetrag (Stand: 2024 bis zu 1.200 Euro pro Stück Reisegepäck). Voraussetzung ist, dass das Gepäck ordnungsgemäß zur Beförderung übergeben wurde; für nicht übergebenes bzw. herrenloses Gepäck besteht regelmäßig keine Haftung. Schadensersatzansprüche müssen grundsätzlich beim Unternehmen geltend gemacht werden; die Geltendmachung sollte zeitnah unter Angabe geeigneter Nachweise erfolgen.

Wie ist das Verfahren bei Beschwerden über Verstöße gegen Fahrgastrechte?

Fahrgäste können sich bei Problemen zunächst direkt an das jeweilige Busunternehmen wenden. Das Unternehmen ist verpflichtet, binnen eines Monats zu antworten oder zumindest eine Zwischenmitteilung zu geben. Führt dies nicht zur Lösung, können Betroffene sich an die nationale Durchsetzungsstelle gemäß § 57a PBefG wenden – in Deutschland ist dies das Eisenbahn-Bundesamt (EBA). Die Durchsetzungsstelle prüft die Beschwerde und kann das Unternehmen bei festgestellten Verstößen zur Nachbesserung oder Entschädigung auffordern. Die Beschwerde ist schriftlich einzureichen und sollte sämtliche relevanten Belege enthalten.

Welche Ausschlussfristen gelten für die Geltendmachung von Fahrgastrechten?

Für Ansprüche nach der VO (EU) Nr. 181/2011 und nach nationalen Bestimmungen gelten zwingend einzuhaltende Fristen. Nach Artikel 27 der Verordnung muss eine Beschwerde spätestens drei Monate nach dem Ereignis beim Busunternehmen eingereicht werden. Nach Ablauf dieser Frist sind Ansprüche regelmäßig ausgeschlossen. Die darauf folgende Bearbeitungsfrist beträgt maximal drei Monate. Etwaige weitergehende zivilrechtliche Ansprüche (z. B. auf Schadensersatz) unterliegen zusätzlich nationalen Verjährungsfristen, die in Deutschland regelmäßig drei Jahre betragen (§ 195 BGB).