Fachkräfteeinwanderungsgesetz: Begriff, Ziel und Einordnung
Das Fachkräfteeinwanderungsgesetz ist ein Gesetzespaket, das die Einreise und den Aufenthalt von qualifizierten Arbeitskräften aus Staaten außerhalb der Europäischen Union regelt und erleichtert. Es bündelt und erweitert bestehende Regelungen im Aufenthalts- und Arbeitsmigrationsrecht, um dem Arbeitskräftebedarf in Deutschland zu begegnen, Verfahren zu vereinfachen und planbare Wege in Beschäftigung zu eröffnen. Das Gesetz verfolgt drei Grundlinien: qualifikationsbasierte Zuwanderung, erfahrungsbasierte Zuwanderung sowie eine potenzialbasierte Komponente über ein Punktesystem.
Anwendungsbereich und Zielgruppen
Wer gilt als Fachkraft?
Als Fachkraft gilt, wer eine in Deutschland anerkannte berufliche Qualifikation (zum Beispiel eine geregelte Berufsausbildung) oder einen Hochschulabschluss besitzt. Ergänzend können Personen mit mehrjähriger einschlägiger Berufserfahrung und einem staatlich anerkannten Abschluss aus dem Herkunftsstaat über eine erfahrungsbasierte Regelung einreisen. Für bestimmte Berufsgruppen mit besonderem Bedarf (etwa IT-Fachkräfte) bestehen eigenständige Zugangswege.
Arbeitgeber und Branchen
Das Gesetz steht allen Branchen offen. In Bereichen mit besonderem Bedarf gelten teils zusätzliche Erleichterungen, etwa bei Gehaltsgrenzen, Sprachvorgaben oder Anerkennungsverfahren. Unabhängig vom Sektor werden Beschäftigungsbedingungen darauf geprüft, ob sie den inländischen Standards entsprechen.
Zentrale Einwanderungswege
EU Blue Card
Die EU Blue Card richtet sich an akademisch qualifizierte Personen mit einem der Qualifikation angemessenen Arbeitsvertrag. Es gelten Gehaltsuntergrenzen, die regelmäßig angepasst werden, und erleichterte Bedingungen für nachgefragte Berufsgruppen. Die Blue Card gewährt aufenthalts- und arbeitsrechtliche Privilegien, einschließlich einer erleichterten Familiennachführung und Perspektiven auf eine dauerhafte Niederlassung.
Aufenthaltserlaubnis für Fachkräfte mit Berufsausbildung oder Hochschulabschluss
Fachkräfte mit anerkannter Berufsausbildung oder Hochschulabschluss können eine Aufenthaltserlaubnis zur qualifikationsadäquaten Beschäftigung erhalten. Ein wesentliches Element ist die Feststellung der Gleichwertigkeit der Qualifikation und die Prüfung der Arbeitsbedingungen. Für beruflich Qualifizierte sind Sprachkenntnisse je nach Beruf und Anerkennungsweg von Bedeutung.
Erfahrungsbasierte Zuwanderung (Erfahrungssäule)
Für Personen mit mehrjähriger einschlägiger Berufserfahrung und einem staatlich anerkannten Abschluss aus dem Herkunftsstaat ermöglicht die erfahrungsbasierte Säule den Zugang zum Arbeitsmarkt auch dann, wenn die formale Anerkennung in Deutschland noch nicht vollständig abgeschlossen ist. Voraussetzungen sind insbesondere ein der Qualifikation entsprechender Arbeitsplatz, angemessene Arbeitsbedingungen und der gesicherte Lebensunterhalt.
Chancenkarte (Punktesystem)
Die Chancenkarte eröffnet einen befristeten Aufenthalt zur Arbeitsplatzsuche und zur Probebeschäftigung. Sie basiert auf einem Punktesystem, in dem unter anderem Qualifikation, Berufserfahrung, Sprachkenntnisse, Alter und Deutschlandbezug bewertet werden. Während des Aufenthalts sind begrenzte Erwerbstätigkeiten möglich, um den Einstieg in reguläre Beschäftigung zu erleichtern.
Besondere Regelungen
Für IT-Fachkräfte besteht ein Zugang ohne formalen Abschluss, wenn langjährige einschlägige Berufserfahrung und weitere Voraussetzungen nachgewiesen werden. Zusätzlich existiert eine quotierte Möglichkeit für Staatsangehörige bestimmter Staaten des westlichen Balkans, die den Zugang in breite Berufsgruppen eröffnet; die Quote wird politisch festgelegt und regelmäßig fortgeschrieben.
Betriebliche Ausbildung, Studium und Arbeitsplatzsuche
Das Gesetz enthält eigenständige Titel für betriebliche Ausbildung, Studium, Sprachkurse, Anerkennungsmaßnahmen und die qualifikationsnahe Arbeitsplatzsuche. Auch Übergänge zwischen diesen Zwecken sind in festgelegten Grenzen möglich.
Voraussetzungen und Prüfungen
Anerkennung ausländischer Qualifikationen
Die Bewertung ausländischer Bildungsabschlüsse erfolgt durch zuständige Stellen in Deutschland. Für akademische Abschlüsse ist eine zentrale Stelle für ausländische Bildungsnachweise zuständig; für berufliche Abschlüsse übernehmen dies je nach Beruf spezifische Kammern oder Landesbehörden. Neben der vollständigen Gleichwertigkeit sind auch teilweise Anerkennungen und Anpassungsqualifizierungen vorgesehen.
Arbeitsbedingungen und Zustimmung der Arbeitsverwaltung
Die Bundesagentur für Arbeit prüft regelmäßig, ob Lohn, Arbeitszeit und sonstige Bedingungen dem inländischen Standard entsprechen und ob die Tätigkeit zur Qualifikation passt. Eine generelle Vorrangprüfung ist für anerkannte Fachkräfte weitgehend entfallen, kann aber in einzelnen Zugangswegen weiterhin eine Rolle spielen.
Sprachkenntnisse und Lebensunterhalt
Sprachkenntnisse können je nach Aufenthaltszweck, Beruf und Anerkennungsweg erforderlich sein. Grundsätzlich muss der Lebensunterhalt einschließlich Krankenversicherung gesichert sein. Im Familiennachzug und in besonderen Programmen gelten jeweils eigene Anforderungen.
Beschleunigtes Fachkräfteverfahren
Arbeitgeber können bei der zuständigen Ausländerbehörde ein beschleunigtes Verfahren initiieren. Dieses bündelt die Beteiligung aller Stellen, legt Verfahrensfristen fest und kann die Terminvergabe in Auslandsvertretungen erleichtern. Es setzt eine Vollmacht und die Übernahme von Gebühren voraus.
Rechte und Pflichten während des Aufenthalts
Beschäftigungsumfang und Arbeitgeberwechsel
Der jeweilige Aufenthaltstitel bestimmt, in welchem Umfang Beschäftigung erlaubt ist. Ein Arbeitgeberwechsel ist je nach Titel anzeigepflichtig oder zustimmungsbedürftig und in den ersten Monaten teils eingeschränkt. Nebentätigkeiten sind nur im Rahmen der erteilten Erlaubnis zulässig. Selbstständige Tätigkeiten bedürfen in der Regel einer gesonderten Gestattung.
Familiennachzug
Fachkräfte können unter bestimmten Voraussetzungen Ehegatten, eingetragene Partner und minderjährige Kinder nachziehen. Der Nachzug ist vereinfacht, wenn die Fachkraft einen qualifikationsbezogenen Aufenthaltstitel besitzt. Integrationsangebote, insbesondere Sprachförderung, stehen Familienangehörigen offen.
Dauer, Verlängerung und Zweckwechsel
Aufenthaltstitel für Fachkräfte werden befristet erteilt und sind verlängerbar, sofern die Voraussetzungen fortbestehen. Ein Wechsel in andere Aufenthaltszwecke, etwa in selbstständige Tätigkeit oder in Weiterbildung, ist in festgelegten Grenzen möglich. Bei Wegfall der Voraussetzungen kommen Ausreisefristen und gegebenenfalls Übergangsregelungen in Betracht.
Niederlassung und langfristige Perspektiven
Nach einer bestimmten Zeit der qualifizierten Beschäftigung und bei Erfüllung weiterer Kriterien kann eine unbefristete Niederlassung erlangt werden. Für Inhaberinnen und Inhaber der EU Blue Card sind die Fristen und Bedingungen erleichtert.
Mobilität innerhalb der EU
Mit der EU Blue Card bestehen besondere Mobilitätsrechte innerhalb der Europäischen Union. Diese erleichtern vorübergehende Tätigkeiten, Entsendungen oder einen Wohnsitzwechsel in andere Mitgliedstaaten, wobei jeweils nationale Melde- oder Genehmigungsanforderungen der Zielländer zu beachten sind.
Behördenzuständigkeiten und Verfahren
Auslandsvertretungen
Deutsche Botschaften und Konsulate sind für die Visumerteilung zuständig. Sie prüfen Unterlagen, holen Zustimmungen ein und koordinieren die Einreiseformalitäten.
Ausländerbehörden
Die örtlichen Ausländerbehörden erteilen, verlängern und ändern Aufenthaltstitel, führen Nebenbestimmungen und Auflagen und begleiten das beschleunigte Verfahren.
Bundesagentur für Arbeit
Die Arbeitsverwaltung stimmt Beschäftigungen zu, prüft Arbeitsbedingungen und wirkt bei der Bewertung arbeitsmarktrelevanter Aspekte mit.
Anerkennungsstellen
Für die Gleichwertigkeitsprüfung ausländischer Qualifikationen sind je nach Beruf und Abschluss unterschiedliche Stellen zuständig. Sie entscheiden über Teil- oder Vollanerkennungen und über erforderliche Anpassungsmaßnahmen.
Sanktionen, Widerruf und Beendigung des Aufenthalts
Bei falschen Angaben, Missbrauch, Nichterfüllung der Voraussetzungen oder schweren Verstößen gegen Auflagen kann ein Aufenthaltstitel widerrufen, zurückgenommen oder nicht verlängert werden. Beschäftigungsverbote, Nebenbestimmungen und Ausreisepflichten sind mögliche Folgen. Betroffene können in gesetzlich vorgesehenen Verfahren Rechtsbehelfe nutzen.
Zeitliche Entwicklung und Reformschritte
Das Gesetz ist seit 2020 wirksam und wurde in mehreren Stufen erweitert. In den Jahren 2023 und 2024 traten zentrale Neuerungen in Kraft, darunter die Weiterentwicklung der EU Blue Card, die erfahrungsbasierte Säule und die Chancenkarte. Quotierte Zugänge wurden fortgeschrieben und ausgeweitet. Anpassungen erfolgen fortlaufend, um arbeitsmarktliche und integrationspolitische Ziele zu unterstützen.
Abgrenzung zu anderen Rechtsbereichen
Das Fachkräfteeinwanderungsgesetz unterscheidet sich vom Freizügigkeitsrecht für Unionsbürgerinnen und -bürger, vom Asyl- und Flüchtlingsschutz sowie von kurzfristigen Erwerbsmigrationen wie Saison- oder Werkvertragsarbeit. Für Studierende, Auszubildende und Forschende gelten eigene aufenthaltsrechtliche Titel mit spezifischen Voraussetzungen und Rechten.
Häufig gestellte Fragen
Was ist der Kernzweck des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes?
Der Kernzweck besteht darin, qualifizierten Arbeitskräften aus Staaten außerhalb der EU transparente, rechtssichere und planbare Wege in Beschäftigung zu eröffnen und zugleich die Verfahren zu vereinfachen. Es schafft hierfür Qualifikations-, Erfahrungs- und Potenzialpfade.
Worin unterscheidet sich die EU Blue Card von anderen Aufenthaltstiteln für Fachkräfte?
Die EU Blue Card richtet sich an akademisch qualifizierte Beschäftigte mit einem der Qualifikation angemessenen Arbeitsvertrag und bietet erleichterte Bedingungen, etwa bei Familiennachzug und Daueraufenthalt. Andere Titel decken insbesondere beruflich Qualifizierte oder erfahrungsbasierte Zugänge ab.
Welche Bedeutung hat die Anerkennung ausländischer Qualifikationen?
Die Anerkennung belegt, dass ein ausländischer Abschluss einem deutschen Referenzabschluss entspricht oder teilweise gleichwertig ist. Sie ist häufig die zentrale Voraussetzung für den Aufenthaltstitel, kann aber je nach Einwanderungsweg durch erfahrungsbasierte oder potenzialbasierte Regelungen ergänzt werden.
Erlaubt die Chancenkarte eine Erwerbstätigkeit?
Die Chancenkarte ermöglicht befristet die Suche nach qualifizierter Beschäftigung und gestattet in einem festgelegten Umfang Probebeschäftigungen und Nebentätigkeiten. Ziel ist die Aufnahme eines anschließenden regulären Beschäftigungsverhältnisses mit passendem Aufenthaltstitel.
Ist ein Arbeitgeberwechsel während des Aufenthalts möglich?
Ein Arbeitgeberwechsel ist grundsätzlich möglich, unterliegt aber bei vielen Titeln in den ersten Monaten Einschränkungen oder einer Zustimmungspflicht. Maßgeblich ist, dass die neue Tätigkeit weiterhin die Voraussetzungen des jeweiligen Titels erfüllt.
Welche Rechte haben Familienangehörige von Fachkräften?
Familienangehörige können unter erleichterten Bedingungen nachziehen. Sie erhalten in der Regel einen eigenen Aufenthaltstitel mit Zugang zu Integrationsangeboten und je nach Titel Zugang zum Arbeitsmarkt, soweit der Nachzug bewilligt wurde.
Kann ein Aufenthaltstitel widerrufen oder nicht verlängert werden?
Ja. Wenn Voraussetzungen wegfallen, Auflagen verletzt werden oder falsche Angaben vorlagen, kann ein Titel widerrufen, zurückgenommen oder nicht verlängert werden. Dabei gelten verfahrensrechtliche Garantien und Rechtsbehelfsmöglichkeiten.
Gilt eine Vorrangprüfung durch die Arbeitsverwaltung?
Für anerkannte Fachkräfte ist eine allgemeine Vorrangprüfung weitgehend entfallen. Gleichwohl werden Arbeitsbedingungen und Tätigkeitsangemessenheit geprüft, und in bestimmten Programmen können weitergehende Prüfungen vorgesehen sein.