Legal Lexikon

Fachanwalt


Definition und rechtliche Grundlage

Die Bezeichnung „Fachanwalt” ist ein rechtlich geschützter Titel, der Rechtsanwälten in Deutschland verliehen wird, sofern sie besondere Kenntnisse und praktische Erfahrungen in einem bestimmten Rechtsgebiet nachgewiesen haben. Die Führung dieses Titels ist an streng geregelte Voraussetzungen geknüpft, die dazu dienen, die Vertiefung von Fähigkeiten und Wissen innerhalb eines Rechtsgebiets klar und transparent zu dokumentieren.

Die maßgeblichen Bestimmungen finden sich in der Fachanwaltsordnung (FAO), einer Satzung der Bundesrechtsanwaltskammer. Diese gibt detailliert vor, welche Voraussetzungen für die Verleihung der jeweiligen Fachanwaltsbezeichnung zu erfüllen sind und wie der Erwerb, die Fortbildung sowie der Entzug geregelt werden.

Voraussetzungen zur Erlangung des Titels

Theoretische Kenntnisse

Um den Titel tragen zu dürfen, müssen Rechtsanwälte besondere theoretische Kenntnisse auf dem betreffenden Rechtsgebiet erwerben. Dies erfolgt in der Regel durch die Teilnahme an einem anerkannten Fachanwaltslehrgang, in dem die spezifischen Grundlagen und aktuellen Entwicklungen des jeweiligen Rechtsgebiets umfassend vermittelt werden. Der Umfang des Lehrgangs erstreckt sich in der Regel auf mindestens 120 Zeitstunden Unterricht. Abschließend sind mehrere schriftliche Leistungskontrollen zu absolvieren, die das erworbene Wissen abprüfen.

Praktische Erfahrungen

Neben dem Nachweis vertiefter theoretischer Kenntnisse verlangt die FAO auch den Nachweis umfangreicher praktischer Erfahrung. Konkret ist innerhalb der letzten drei Jahre vor Antragstellung eine bestimmte Mindestanzahl an bearbeiteten Fällen im einschlägigen Rechtsgebiet nachzuweisen. Die Anzahl variiert je nach Fachgebiet, liegt jedoch meist zwischen 80 und 120 Fällen. Dadurch soll gewährleistet werden, dass Antragsteller die praktische Relevanz und die Besonderheiten des jeweiligen Rechtsgebiets aus eigener anwaltlicher Tätigkeit kennen.

Antragstellung, Überprüfung und Verleihung

Nach der Erfüllung der vorgenannten Voraussetzungen ist ein schriftlicher Antrag an die zuständige regionale Kammer zu richten. Der Antragsteller hat sämtliche Nachweise beizubringen. Die zuständige Kammer prüft daraufhin, ob die Voraussetzungen gegeben sind. Bei positiver Entscheidung erfolgt die Verleihung des Titels für das beantragte Rechtsgebiet.

Fachgebiete

Die FAO nennt zahlreiche Rechtsgebiete, für die der Titel verliehen werden kann. Dazu zählen unter anderem Arbeitsrecht, Familienrecht, Insolvenzrecht, Medizinrecht, Steuerrecht oder auch Versicherungsrecht. Die Liste wird in regelmäßigen Abständen erweitert und an die Entwicklungen des Rechtsmarktes angepasst.

Erhalt und Fortbildungspflicht

Fortbildung

Mit dem Erwerb des Titels ist eine jährliche Fortbildungspflicht verbunden. Der Inhaber des Titels muss jährlich mindestens 15 Zeitstunden fortbilden, beispielsweise durch Teilnahme an Seminaren oder das Verfassen von Fachpublikationen. Die Einhaltung dieser Pflicht wird regelmäßig überwacht.

Entzug und Ruhen der Berechtigung

Wird die Fortbildungspflicht nicht eingehalten oder bestehen andere wesentliche Gründe, die die Führung des Titels nicht mehr rechtfertigen, kann die regionale Kammer die Berechtigung widerrufen oder vorübergehend das Ruhen anordnen.

Titelschutz und Irreführungsschutz

Die Bezeichnung „Fachanwalt” ist in Deutschland rechtlich geschützt. Unberechtigte Führung oder unzutreffende Angabe eines solchen Titels stellt eine Ordnungswidrigkeit oder gar einen Wettbewerbsverstoß dar und kann berufsrechtliche sowie zivilrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen.

Unterschied zu anderen Qualifikationsbezeichnungen

Der geschützte Titel ist von anderen Bezeichnungen abzugrenzen, die eine besondere Qualifikation in einem Rechtsgebiet suggerieren könnten, ohne den formalen Nachweis zu erfordern. Nur wer die strengen Anforderungen gemäß FAO erfüllt hat, darf den Titel führen. Die Verwendung von Bezeichnungen, die auf eine entsprechende Qualifikation schließen lassen, obwohl diese nicht vorliegt, kann eine unzulässige Irreführung von Mandanten darstellen.

Internationale Aspekte

Der Titel wird ausschließlich in Deutschland verliehen und ist an das deutsche Berufsrecht gebunden. In anderen Staaten gibt es vergleichbare Qualifikationen, jedoch sind deren Anforderungen und Befugnisse oftmals unterschiedlich ausgestaltet. Die Führung des deutschen Titels im Ausland ist daher nur in engen Grenzen zulässig, insbesondere wenn keine Verwechslungsgefahr mit dort bestehenden Qualifikationssystemen besteht.

Bedeutung im Mandantenverhältnis

Mandanten können bei der Suche nach einer anwaltlichen Vertretung anhand des Titels erkennen, dass die betreffende Person eine nachgewiesene vertiefte Kenntnis und Praxiserfahrung in dem jeweiligen Rechtsgebiet mitbringt. Die bundesweit einheitlichen Anforderungen sorgen für eine hohe Transparenz und schaffen Vertrauen bei der Suche nach rechtlicher Unterstützung.

Zusammenfassung

Der geschützte Titel dokumentiert nachweislich besondere theoretische Kenntnisse und umfangreiche praktische Erfahrung in einem abgegrenzten Rechtsgebiet. Die strengen Zulassungsvoraussetzungen, die verbindliche Fortbildungspflicht sowie der regelmäßige Nachweis der Qualifikation gewährleisten einen hohen Standard bei der rechtlichen Beratung und Unterstützung in spezifischen Rechtsgebieten. Die gesetzliche Regelung dient dabei sowohl dem Schutz der Mandanten als auch der Sicherung der Qualität im deutschen Rechtssystem.

Häufig gestellte Fragen

Was sind die Voraussetzungen für den Erwerb eines Fachanwaltstitels?

Um den Titel “Fachanwalt” in Deutschland führen zu dürfen, muss ein Rechtsanwalt eine Vielzahl strenger Voraussetzungen erfüllen, die in der Fachanwaltsordnung (FAO) geregelt sind. Zunächst ist ein regelmäßiger Nachweis besonderer theoretischer Kenntnisse sowie praktischer Erfahrungen im jeweiligen Rechtsgebiet erforderlich. Dies umfasst in der Regel die erfolgreiche Teilnahme an einem anerkannten Fachanwaltslehrgang mit mindestens 120 Zeitstunden und das Bestehen mehrerer theoretischer Prüfungen. Darüber hinaus müssen innerhalb der letzten drei Jahre vor Antragstellung eine bestimmte Zahl bearbeiteter Fälle aus dem relevanten Fachgebiet – meist zwischen 60 und 120 – belegt werden. Diese Fälle müssen in ihrer Art und Schwierigkeit den Nachweis besonderer praktischer Erfahrung ermöglichen. Der Antragsteller muss seine Kenntnisse und Erfahrungen gegenüber der Rechtsanwaltskammer nachweisen; diese prüft sodann sämtliche Unterlagen im Einzelfall. Überdies ist eine mindestens dreijährige Zulassung und Tätigkeit als Rechtsanwalt Voraussetzung.

Welche Fortbildungspflichten treffen einen Fachanwalt?

Fachanwaltschaft ist mit der fortlaufenden Pflicht zur jährlichen Fortbildung verbunden. Nach § 15 FAO hat jeder Fachanwalt jährlich mindestens 15 Zeitstunden an fachspezifischer Weiterbildung nachzuweisen. Dies kann durch aktive Teilnahme an anerkannten Fortbildungsveranstaltungen, Durchführung eigener wissenschaftlicher Veröffentlichungen oder eigenständige Vortragstätigkeit erfolgen. Die Erfüllung dieser Pflicht ist der Rechtsanwaltskammer unaufgefordert bis spätestens zum 31. Dezember des jeweiligen Kalenderjahres vorzulegen. Bei Nichterfüllung droht die Aberkennung der Berechtigung zum Führen des Fachanwaltstitels.

Kann der Fachanwaltstitel wieder entzogen werden?

Ja, der Fachanwaltstitel kann von der Rechtsanwaltskammer widerrufen werden, wenn die gesetzlichen oder satzungsrechtlichen Voraussetzungen nicht mehr vorliegen oder schwerwiegende Pflichtverletzungen begangen wurden. Gründe hierfür können insbesondere die Nichterfüllung der Fortbildungspflichten, die Angabe falscher Tatsachen im Bewerbungsverfahren oder das Fehlen der erforderlichen praktischen Erfahrung sein. Im Rahmen eines Widerrufsverfahrens wird dem betroffenen Anwalt die Möglichkeit zur Stellungnahme eingeräumt. Rechtsmittel gegen eine entsprechende Entscheidung der Rechtsanwaltskammer sind zulässig und führen in der Regel zur gerichtlichen Überprüfung des Entzugs.

In wie vielen Rechtsgebieten kann ein Anwalt gleichzeitig Fachanwalt sein?

Gemäß § 43c Abs. 1 BRAO in Verbindung mit § 10 FAO ist die Anzahl der Fachanwaltsbezeichnungen, die ein Anwalt gleichzeitig führen darf, auf drei Fachgebiete beschränkt. Die gleichzeitige Führung mehrerer Fachanwaltsbezeichnungen setzt voraus, dass für jedes einzelne Fachgebiet die besonderen theoretischen Kenntnisse und die besondere praktische Erfahrung im Sinne der FAO nachgewiesen wurden.

Welche Auswirkungen hat der Fachanwaltstitel im gerichtlichen Verfahren?

Der Fachanwaltstitel stellt einen Qualitätsnachweis dar, der im gerichtlichen Verfahren von Parteien als Indiz für besondere Sachkunde und Prozesserfahrung interpretiert werden kann. Prozessgegner und Gerichte sind jedoch rechtlich nicht verpflichtet, einem Fachanwalt einen höheren Glauben zu schenken als anderen Anwälten. Gleichwohl kann der Titel im Rahmen der Vergütungsfestsetzung (zum Beispiel bei der Auswahl eines besonders spezialisierten Anwalts als notwendig im Sinne des § 91 Abs. 2 ZPO) oder bei der Beurteilung der Eignung im Rahmen einer Pflichtverteidigung berücksichtigungsfähig sein.

Gibt es eine staatliche oder zentrale Prüfungsstelle für Fachanwälte?

Die Überprüfung und Verleihung des Fachanwaltstitels obliegt nicht einer staatlichen Stelle, sondern den regional zuständigen Rechtsanwaltskammern. Diese Kammern prüfen den Antrag im Rahmen eines eigenständigen Verwaltungsverfahrens; bei Streitigkeiten über die Verleihung oder den Entzug des Fachanwaltstitels ist der Rechtsweg zu den Anwalts- und Verwaltungsgerichten möglich.

Ist der Fachanwaltstitel zeitlich befristet?

Der Fachanwaltstitel ist grundsätzlich unbefristet, solange die Voraussetzungen fortbestehen. Die jährliche Fortbildungspflicht dient dazu, die Sachkunde auf aktuellem Stand zu halten. Bei dauerhafter Nichtausübung der jeweiligen anwaltlichen Tätigkeit oder wiederholter Verletzung der Fortbildungsvorgaben kann die Berechtigung zum Führen des Fachanwaltstitels zeitweise oder dauerhaft entzogen werden. Ein automatisches Erlöschen nach Ablauf eines bestimmten Zeitraums findet jedoch nicht statt.