Legal Lexikon

Eventualklage


Begriff und rechtliche Einordnung der Eventualklage

Die Eventualklage ist ein Begriff aus dem Zivilprozessrecht und beschreibt eine besondere Form der Klagehäufung, bei der mehrere Klagebegehren in der Weise miteinander verbunden werden, dass das nachrangige Begehren (Eventualbegehren) nur zur Entscheidung steht, wenn das vorrangige Begehren (Hauptbegehren) ganz oder teilweise erfolglos bleibt. Die Eventualklage wird auch als eventual kumulative Klagehäufung oder Hilfs-Klagehäufung bezeichnet und ist sowohl im deutschen als auch im österreichischen und schweizerischen Zivilprozess bekannt.

Rechtsgrundlagen und gesetzliche Regelungen

Die Eventualklage findet ihre gesetzliche Grundlage insbesondere in den §§ 260, 253 ff. der deutschen Zivilprozessordnung (ZPO), die allgemeine Vorschriften zur Klageerhebung und Klagehäufung enthalten. Spezifische Regelungen zur Eventualklage enthält das Gesetz jedoch nicht; ihre Zulässigkeit ergibt sich aus dem Bedürfnis, den Rechtsschutz effizient und prozessekonomisch zu gestalten.

Klagehäufung gemäß § 260 ZPO

Nach § 260 ZPO ist die Verbindung mehrerer Ansprüche in einer Klage zulässig, sofern eine sachliche Zuständigkeit und der gleiche Rechtsweg gegeben sind. Die Eventualklage stellt dabei einen besonderen Fall dar, in dem Ansprüche nicht nebeneinander, sondern in einem Alternativ- oder Hierarchieverhältnis gestellt werden.

Systematik und Arten der Eventualklage

Innerhalb des Prozessrechts wird zwischen verschiedenen Formen der Verbindung von mehreren Klagebegehren differenziert:

1. Einfache Klagehäufung

Hier werden mehrere Ansprüche kumulativ zur gemeinsamen Entscheidung gestellt. Die Entscheidung erfolgt unabhängig voneinander für jeden Anspruch.

2. Eventualklage (Hilfsklage)

Bei der Eventualklage macht der Kläger einen primären Anspruch und daneben einen weiteren, hilfsweise gestellten Anspruch geltend. Ein Hilfsbegehren wird nur dann geprüft, wenn das Hauptbegehren erfolglos bleibt (negative Bedingung). Typischerweise wird dies so formuliert: „Hilfsweise wird beantragt, …”

Unterschied zur objektiven Klagehäufung

Während bei der objektiven Klagehäufung alle Klagebegehren gleichrangig nebeneinander stehen, besteht bei der Eventualklage eine Bedingung: Sie wird erst relevant, wenn das Hauptbegehren zurückgewiesen wird oder eintritt.

3. Eventualklageverbund und Alternative Klagehäufung

Der Eventualklageverbund unterscheidet sich von der alternativen Klagehäufung, bei welcher nur einer von mehreren Ansprüchen geltend gemacht wird, das Gericht aber die Auswahl trifft, welchem stattzugeben ist. Die Eventualklage ist hiervon durch die klare Reihenfolge der Prüfung abgegrenzt.

Praktische Bedeutung und Anwendungsbereiche

Die Eventualklage hat in der gerichtlichen Praxis erhebliche Bedeutung, da sie es dem Kläger ermöglicht, für den Fall des Unterliegens mit seinem Hauptanspruch vorsorglich ein weiteres Klageziel zu verfolgen, ohne einen eigenen zweiten Rechtsstreit anstrengen zu müssen. Anwendungsfälle sind insbesondere:

  • Gestaltungsklagen: etwa Anfechtung einer Kündigung, hilfsweise Feststellung der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses.
  • Leistungsklagen: etwa Hauptforderung auf Kaufpreiszahlung, hilfsweise Schadensersatz.
  • Feststellungsklagen: z.B. Hauptantrag auf Leistung, hilfsweise auf Feststellung.

Über die Eventualklage kann daher im Prozess flexibler auf das Prozessgeschehen und die gerichtliche Rechtsauffassung reagiert werden.

Zulässigkeit und Voraussetzungen der Eventualklage

Die Zulässigkeit der Eventualklage setzt voraus, dass die allgemeinen Prozessvoraussetzungen für jedes einzelne Klagebegehren vorliegen, insbesondere:

  • Zuständigkeit: Das Gericht muss für beide Anträge zuständig sein.
  • Gleicher Rechtsweg: Beide Begehren müssen im selben gerichtlichen Verfahren geltend gemacht werden können.
  • Konnexität: Es muss ein Zusammenhang zwischen den Anträgen bestehen, wobei insoweit eine prozessökonomische Betrachtung genügt.

Der Kläger hat die Eventualklage so zu formulieren, dass für das Gericht klar erkennbar ist, welches Begehren Haupt- und welches Hilfsbegehren ist.

Bindungswirkung der Reihenfolge

Das Gericht ist an die Reihenfolge der gestellten Eventualklagen gebunden. Es hat vorrangig über das Hauptbegehren zu entscheiden und kommt erst dann zum Eventualbegehren, wenn das Hauptbegehren erfolglos bleibt.

Wirkungen und prozessuale Besonderheiten

Die Eventualklage hat folgende Wirkungen im Zivilprozess:

  • Keine Feststellungswirkung: Das Gericht entscheidet das Hilfsbegehren nur, soweit es über das Hauptbegehren nicht zugunsten des Klägers entscheidet.
  • Kostenrechtliche Behandlung: Soweit das Haupt- und das Hilfsbegehren nicht denselben Streitgegenstand betreffen, ist für die Festsetzung der Streitwertes der höhere oder der zusammenzurechnende Wert maßgebend.
  • Verhinderung von Rechtsverlusten: Die Eventualklage bietet einen effektiven Schutz vor Fristversäumnis und Verwirkung, da der Kläger alternativ sein Hilfsbegehren rechtzeitig in demselben Verfahren geltend machen kann.

Abgrenzung zu anderen prozessualen Gestaltungen

Alternative Klagehäufung

Bei der alternativen Klagehäufung steht dem Gericht die Auswahl zu, welchem Begehren stattzugeben ist, während bei der Eventualklage der Prüfungsmechanismus starr durch die Prozessanträge vorgegeben ist.

Parteiwechsel und Klageänderung

Die Eventualklage unterscheidet sich von der Klageänderung: Mit ihr werden schon zu Beginn des Prozesses aufschiebend bedingte Anträge formuliert, nicht erst nachträglich im Prozessverlauf.

Eventualklage im Vergleich zum Eventualwiderklage

Auch dem Beklagten steht die Möglichkeit einer Eventualwiderklage offen, die in vergleichbarer Weise unter bestimmten Bedingungen geltend gemacht werden kann. Die prozessualen Anforderungen gleichen im Regelfall jenen der Eventualklage.

Bedeutung im internationalen Prozessrecht

Die Eventualklage ist auch im österreichischen und schweizerischen Recht ein anerkannter Begriff, wenngleich die jeweiligen nationalen Rechtsordnungen unterschiedliche systematische Zuordnungen und begriffliche Fassungen kennen. Im internationalen Zivilprozessrecht sind die jeweiligen Regelungen des Kollisionsrechts sowie bilaterale oder multilaterale Übereinkommen zu beachten.

Literaturhinweise und weiterführende Links

  • Zivilprozessordnung (ZPO), § 260
  • Musielak/Voit, ZPO, Kommentierung zu § 260 ZPO
  • Thomas/Putzo, ZPO, aktuelle Auflage
  • Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, aktuelle Auflage

Durch die besondere prozessuale Ausgestaltung ermöglicht die Eventualklage eine flexible, effiziente Durchsetzung mehrerer Begehren und trägt erheblich zur materiellen und prozessökonomischen Gerechtigkeit bei. Die rechtlichen und taktischen Möglichkeiten der Eventualklage bieten für Parteivertreter im Zivilprozess wichtige Handlungsoptionen.

Häufig gestellte Fragen

Welche typischen Voraussetzungen müssen bei der Erhebung einer Eventualklage im deutschen Zivilprozessrecht erfüllt sein?

Die Eventualklage, im Sinne einer Eventualklagehäufung nach § 260 ZPO (Zivilprozessordnung), setzt voraus, dass mehrere Streitgegenstände im Wege der Klagehäufung miteinander verbunden werden, wobei der Kläger ausdrücklich einen Haupt- und einen Hilfsantrag stellt. Die Zulässigkeit richtet sich zunächst allgemein nach den Grundsätzen der Klagehäufung, insbesondere der Prozessführungsbefugnis, des Rechtsschutzinteresses und der Konnexität. Die Eventualklage ist immer dann statthaft, wenn zwischen Haupt- und Hilfsantrag ein echtes Eventualverhältnis besteht, d. h. der Hilfsantrag nur dann zur Entscheidung stehen soll, falls der Hauptantrag nicht durchdringt. Beide Ansprüche müssen selbstständig entscheidungsreif sein und dürfen sich inhaltlich nicht widersprechen. Der Kläger muss außerdem deutlich machen, dass der Hilfsantrag tatsächlich nur für den Fall des Misserfolges des Hauptantrags gestellt wird. Formelle Anforderungen bestehen im Hinblick auf die Klarheit der Antragsstellung; aus dem Klägervorbringen muss für das Gericht unmissverständlich hervorgehen, in welchem Eventualverhältnis die Anträge stehen.

Wie funktioniert die gerichtliche Entscheidung bei einer Eventualklage, und worauf muss das Gericht besonders achten?

Das Gericht entscheidet zunächst ausschließlich über den Hauptantrag. Nur wenn dieser erfolglos bleibt, prüft das Gericht den Hilfsantrag. Die Bewertung erfolgt also in einer festgelegten Prüfungsreihenfolge entsprechend dem erklärten Eventualverhältnis. Es darf den Hilfsantrag nicht prüfen oder gar im Urteil behandeln, solange über den Hauptantrag nicht abschließend negativ entschieden wurde. Dies dient der Verfahrensökonomie und stellt sicher, dass nur diejenige Entscheidung getroffen wird, die dem Begehren des Klägers auch tatsächlich entspricht. In Bezug auf die Prozessführung resultiert daraus eine besondere Sorgfaltspflicht des Gerichts hinsichtlich der Geltendmachung und Abgrenzung der Ansprüche. Das Gericht muss zudem achten, dass keine unzulässige alternative Klagehäufung vorliegt, bei der Ansprüche unabhängig voneinander stehen, was im Unterschied zur Eventualklage unzulässig sein kann, wenn die Anspruchskonkurrenz nicht eindeutig geregelt ist.

Welche Rolle spielt die Eventualklage im Zusammenhang mit der Verjährung von Ansprüchen?

Die Erhebung eines Hilfsantrags im Rahmen der Eventualklage wahrt grundsätzlich die Verjährung des geltend gemachten Anspruchs in dem Zeitpunkt, zu dem die Klageschrift bei Gericht eingereicht wird (§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB). Dies gilt auch dann, wenn der Hilfsantrag nur für den Fall gestellt wird, dass der Hauptantrag keinen Erfolg hat; die Rechtshängigkeit erfasst insoweit auch den hilfsweise verfolgten Anspruch. Allerdings muss der Hilfsantrag das jeweils notwendige Mindestmaß an Bestimmtheit im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO erfüllen. Andernfalls könnte das Ziel der Verjährungsunterbrechung verfehlt werden. Es empfiehlt sich insbesondere bei Einwendungen des Beklagten gegen die Zulässigkeit des Hilfsantrags, noch vor Prozessende für die Bestimmtheit und Geltendmachung des Anspruchs Sorge zu tragen.

Kann eine Eventualklage auch in anderen Verfahrensarten als im Zivilprozess erhoben werden?

Die Konstruktion der Eventualklage ist in ihrer ausdifferenzierten Form im deutschen Zivilprozessrecht beheimatet, insbesondere im Erkenntnisverfahren. Grundsätzlich ist die Eventualklagehäufung aber auch auf andere Verfahrensarten, wie das arbeitsgerichtliche Verfahren gemäß § 46 ArbGG, übertragbar, da insoweit die Vorschriften der ZPO Anwendung finden, soweit das Arbeitsgerichtsgesetz keine abweichenden Regelungen enthält. In verwaltungsgerichtlichen Verfahren (beispielsweise nach der VwGO) gibt es keine ausdrückliche Regelung zur Eventualklagehäufung, wohl aber vergleichbare Gestaltungsmöglichkeiten durch gestufte oder hilfsweise Klageanträge, sofern die jeweiligen Prozessordnungen dies nicht ausdrücklich ausschließen. Es empfiehlt sich, für jeden Einzelfall zu prüfen, ob eine analoge Anwendung zulässig und sachgerecht ist und wie die prozessualen Voraussetzungen im jeweiligen Verfahrensrecht konkret ausgestaltet sind.

Wie wird eine Eventualklage von der alternativen Klagehäufung und der objektiven Klagehäufung abgegrenzt?

Die Eventualklage unterscheidet sich von der alternativen Klagehäufung und der einfachen objektiven Klagehäufung durch das Verhältnis der geltend gemachten Ansprüche. Bei der objektiven Klagehäufung (§ 260 ZPO) werden mehrere Ansprüche kumulativ geltend gemacht, so dass das Gericht über alle Klagegegenstände entscheidet. Bei der alternativen Klagehäufung werden mehrere Ansprüche nebeneinander gestellt, jedoch mit der Maßgabe, dass nur einer gewährt werden soll, was jedoch grundsätzlich unzulässig ist, sofern keine Wahlschuld vorliegt. Die Eventualklage ist dadurch gekennzeichnet, dass der Hilfsantrag nur dann zur Entscheidung steht, wenn der Hauptantrag keinen Erfolg hat. Das Eventualverhältnis ist demnach ein echtes Bedingungsverhältnis: Der Hilfsantrag ist akzessorisch zum Hauptantrag. Diese Unterscheidung ist für die Zulässigkeit zentral, da unklare oder vermischte Verhältnisse zu einer Unzulässigkeit der Klagehäufung führen können.

Welche strategischen Überlegungen sprechen für den Einsatz einer Eventualklage im Zivilprozess?

Die Anwendung einer Eventualklage ist insbesondere dann sinnvoll, wenn für den Kläger ungewiss ist, welcher seiner Ansprüche tatsächlich Erfolg haben wird, da z.B. rechtlich strittige oder auslegungsbedürftige Anspruchsgrundlagen bestehen. Durch die Kombination von Haupt- und Hilfsantrag kann der Kläger eine nach Prioritäten gestaffelte Anspruchsdurchsetzung anstreben und verhindern, dass er wegen eines unsicheren Hauptanspruchs am Ende ganz ohne Urteil bleibt. Zudem wird die Gefahr minimiert, dass ein etwaiger Hilfsanspruch verjährt, während ursprünglich nur der Hauptanspruch verfolgt wurde. Nicht selten bezieht sich die Eventualklage auf verschiedene Anspruchsgrundlagen (z. B. Vertrag und Geschäftsführung ohne Auftrag), die im materiellen Recht nebeneinander stehen können, jedoch aus prozessökonomischen Gründen nicht gleichzeitig kumulativ verfolgt werden sollen.

Gibt es Nachteile oder Risiken bei der Verwendung der Eventualklage für Kläger oder Beklagte?

Zu den Nachteilen für den Kläger zählt insbesondere, dass die zusätzliche Komplexität des Verhältnisses zwischen Haupt- und Hilfsantrag ein erhöhtes Risiko prozessualer Fehler birgt, namentlich im Hinblick auf die richtige Antragsformulierung sowie dessen Bestimmtheit und Zulässigkeit. Ein weiterer Nachteil kann entstehen, wenn das Gericht die Eventualstruktur der Anträge übersieht oder fehlerhaft prüft, so dass gegebenenfalls ein unvollständiges Urteil ergeht. Für den Beklagten erhöht die Eventualklage die Unsicherheit hinsichtlich des Streitstoffes, da er sich auf mehrere Anspruchsalternativen verteidigen muss. Zudem kann es zu aufwendigerer Rechtsverteidigung kommen, was höhere Kosten verursacht. In prozessualer Hinsicht sind klare und strukturierte Anträge unabdingbar, um sowohl prozessuale als auch materielle Rechtsnachteile zu vermeiden.