Eventualklage

Eventualklage: Bedeutung und Grundprinzip

Die Eventualklage bezeichnet eine prozessuale Gestaltung, bei der eine Partei mehrere Klagebegehren in eine feste Reihenfolge bringt: Zuerst wird ein Hauptantrag gestellt; nur für den Fall, dass dieser keinen Erfolg hat, wird über einen nachrangigen Hilfsantrag entschieden. Dieses Vorgehen dient dazu, Unsicherheiten in Sachverhalt und Rechtslage aufzufangen, ohne mehrere getrennte Prozesse führen zu müssen.

Haupt- und Hilfsantrag (Eventualantrag)

Der Hauptantrag ist das primäre Ziel der Klage. Der Hilfsantrag wird unter eine Bedingung gestellt, die prozessual verstanden wird: Er wird erst relevant, wenn der Hauptantrag ganz oder teilweise scheitert. Diese Antragsreihenfolge wird häufig als Eventualität bezeichnet, der Hilfsantrag als Eventualantrag oder Eventualbegehren.

Abgrenzung: Eventualklagehäufung vs. kumulative Klagehäufung

Bei der Eventualklagehäufung werden mehrere Begehren hilfsweise nebeneinander gestellt, jedoch entscheidet das Gericht nur über das nachrangige Begehren, wenn das vorrangige keinen Erfolg hat. Demgegenüber verlangt die kumulative Klagehäufung, dass über alle geltend gemachten Ansprüche unabhängig voneinander entschieden wird. In der Eventualklagehäufung besteht verkürzt gesagt ein Entweder-oder in der Reihenfolge, in der kumulativen Häufung ein Sowohl-als-auch.

Zweck und praktische Bedeutung

Prozessökonomie und Risikoabsicherung

Die Eventualklage bündelt rechtliche Alternativen in einem Verfahren. Das schont Ressourcen von Gericht und Parteien und mindert das Risiko widersprüchlicher Entscheidungen. Gleichzeitig erhöht sich die Flexibilität: Fällt der Hauptantrag aus, bleibt die Klage nicht ohne Ergebnis, weil das Gericht den Hilfsantrag prüft.

Typische Konstellationen

Häufig geht es um gestufte Ansprüche, etwa: vorrangig Erfüllung (Leistung), hilfsweise Minderung oder Schadensersatz; vorrangig Feststellung, hilfsweise Leistung; vorrangig Herausgabe, hilfsweise Wertersatz. Auch unterschiedliche rechtliche Begründungen für ein wirtschaftlich ähnliches Ziel werden in Eventualität geordnet.

Rechtliche Einordnung im deutschsprachigen Raum

Deutschland

Eventualantrag und Hilfsantrag

In der Praxis ist der Eventualantrag etabliert. Er ist eine zulässige Art, Anträge zu strukturieren. Die Bedingung bezieht sich darauf, dass der Hauptantrag keinen Erfolg hat. Andere, frei ausgesuchte Bedingungen ohne Bezug zum Prozessausgang sind regelmäßig problematisch.

Eventualklagehäufung

Mehrere Ansprüche können objektiv gehäuft werden, auch in Eventualität. Das Gericht hält sich an die vorgegebene Reihenfolge: Erst der Hauptantrag, danach – nur falls erforderlich – der Hilfsantrag.

Österreich

Das Eventualbegehren ist anerkannt. Eine Partei darf Begehren in eine klare Rangfolge bringen. Das Gericht entscheidet in der vorgegebenen Reihenfolge und trifft nur dann eine Entscheidung über das Eventualbegehren, wenn der Hauptantrag nicht durchdringt.

Schweiz

Eventualbegehren sind verbreitet. Die Klägerseite kann ein Hauptbegehren und ein nachgeordnetes Begehren formulieren. Die Entscheidungslogik folgt der gleichen Grundstruktur: Zuerst Prüfung des Hauptbegehrens, erst bei dessen Misserfolg Prüfung des Eventualbegehrens.

Formelle Anforderungen und Aufbau

Reihenfolge und Bedingung

Die Anträge müssen klar geordnet sein. Üblich ist eine eindeutige Formulierung, aus der hervorgeht, dass das Gericht den Hilfsantrag nur für den Fall des (vollständigen oder teilweisen) Misserfolgs des Hauptantrags prüfen soll. Unklare oder mehrdeutige Bedingungen können zur Unzulässigkeit führen oder erschweren die gerichtliche Entscheidungsfindung.

Bestimmtheit und Schlüssigkeit

Jeder Antrag muss für sich genommen bestimmt und nachvollziehbar begründet sein. Das gilt sowohl für den Haupt- als auch für den Hilfsantrag. Inhalt, Umfang und Ziel jedes Begehrens müssen so gefasst sein, dass das Gericht im Erfolgsfall einen vollstreckungsfähigen Tenor bilden kann.

Zuständigkeit und Streitwert

Das Gericht muss für die geltend gemachten Begehren zuständig sein. Der Streitwert richtet sich bei alternativen Begehren regelmäßig nach dem jeweils höchsten wirtschaftlichen Interesse; je nach Verfahrensordnung können Besonderheiten für Gebühren und Werte gelten.

Verfahrensablauf und Entscheidung

Prüfungsreihenfolge des Gerichts

Das Gericht prüft vorrangig den Hauptantrag. Nur wenn dieser ganz oder teilweise keinen Erfolg hat, wendet es sich dem Hilfsantrag zu. Entspricht das Gericht dem Hauptantrag, ist der Hilfsantrag gegenstandslos und bleibt ohne Entscheidung.

Bindungswirkung und Rechtskraft

Rechtskraft tritt nur für die Anträge ein, über die entschieden wurde. Wird ausschließlich der Hauptantrag zugesprochen, erwächst der Hilfsantrag nicht in Rechtskraft, da er nicht beschieden wurde. Wird der Hauptantrag abgewiesen und der Hilfsantrag zugesprochen, entfaltet die Entscheidung zu beiden Anträgen Bindungswirkung entsprechend ihrem Inhalt.

Rechtsmittel

Rechtsmittel können sich gegen die Behandlung der Anträge und deren Ergebnis richten. In der höheren Instanz bleibt die Reihenfolge der Anträge maßgeblich. Das Rechtsmittelgericht prüft den Hauptantrag zuerst und gelangt nur im Falle seines Misserfolgs zum Hilfsantrag.

Besonderheiten und Grenzen

Unzulässige oder ungeeignete Bedingungen

Nicht jede Bedingung ist geeignet. Die Bedingung soll an das prozessuale Schicksal des Hauptantrags anknüpfen. Bedingungen, die an ein außerhalb des Prozesses liegendes, ungewisses Ereignis anknüpfen, können unzulässig sein.

Verhältnis zu Widerklage, Zwischenantrag und Aufrechnung

Auch die beklagte Partei kann Eventualität nutzen, etwa durch eine hilfsweise Aufrechnung oder eine Widerklage für den Fall, dass die Klage dem Grunde nach Erfolg hat. Daneben existieren weitere prozessuale Instrumente, die je nach Verfahrenslage an die Stelle eines hilfsweisen Vorgehens treten oder dieses ergänzen können.

Kostenaspekte

Bei alternativen Begehren orientiert sich die Gebühren- und Wertberechnung regelmäßig am wirtschaftlich höchsten Antrag. Je nach Ausgang des Verfahrens und Umfang der Anträge können sich weitere kostenrechtliche Konsequenzen ergeben, beispielsweise durch die Verteilung nach Obsiegen und Unterliegen.

Anschauliche Beispiele

Beispiel 1: Kaufrecht

Eine Partei verlangt vorrangig Lieferung einer mangelfreien Sache (Hauptantrag). Für den Fall, dass die Lieferung nicht zugesprochen wird, verlangt sie hilfsweise Minderung des Kaufpreises oder Schadensersatz (Hilfsantrag). Das Gericht prüft zunächst die Lieferung; nur wenn diese scheitert, prüft es die Alternativen.

Beispiel 2: Mietrecht

Ein Anspruch auf Rückzahlung von Beträgen kann vorrangig als Leistungsbegehren geltend gemacht werden. Hilfsweise wird die Feststellung begehrt, dass die Zahlungspflicht nicht besteht. Dies ermöglicht, je nach Bewertung des Sachverhalts, zumindest eine klärende Entscheidung herbeizuführen.

Häufig gestellte Fragen

Worin besteht der Unterschied zwischen Eventualklage und kumulativer Klagehäufung?

Bei der Eventualklage werden Begehren in eine Reihenfolge gebracht, sodass das Gericht den Hilfsantrag nur prüft, wenn der Hauptantrag keinen Erfolg hat. Bei der kumulativen Klagehäufung entscheidet das Gericht über alle Ansprüche unabhängig voneinander.

Ist eine Eventualklage im deutschsprachigen Raum zulässig?

Ja. In Deutschland, Österreich und der Schweiz ist die hilfsweise Antragstellung anerkannt. Sie folgt jeweils dem Grundsatz, dass der Hilfsantrag an das Scheitern des Hauptantrags anknüpft.

Muss das Gericht über den Hilfsantrag entscheiden?

Nur wenn der Hauptantrag keinen Erfolg hat. Wird dem Hauptantrag entsprochen, ist der Hilfsantrag gegenstandslos und bleibt ohne Entscheidung.

Entfaltet ein unbehandelter Hilfsantrag Rechtskraft?

Nein. Rechtskraft tritt nur für den Teil der Entscheidung ein, über den das Gericht tatsächlich entschieden hat. Ein nicht beschiedener Hilfsantrag entfaltet keine Bindungswirkung.

Kann ein Eventualantrag unzulässig sein?

Ja. Unklar formulierte oder an ungeeignete Bedingungen geknüpfte Anträge können unzulässig sein. Erforderlich ist insbesondere eine eindeutige Rangfolge und Bestimmtheit der Begehren.

Dürfen auch Beklagte Eventualität nutzen?

Ja. Beklagte können Verteidigungsmittel hilfsweise geltend machen, etwa eine hilfsweise Aufrechnung oder eine Widerklage für den Fall des Erfolgs der Klage.

Wie wirkt sich die Eventualität auf Kosten und Streitwert aus?

Grundsätzlich wird bei alternativen Begehren häufig der höhere wirtschaftliche Wert zugrunde gelegt. Die konkrete Kostenverteilung richtet sich nach dem Verfahrensausgang und kann je nach Rechtsordnung Besonderheiten aufweisen.