Europäisches Patent
Begriff und Bedeutung des Europäischen Patents
Das Europäische Patent ist ein durch die Europäische Patentorganisation (EPO – European Patent Organisation) gemäß dem Europäischen Patentübereinkommen (EPÜ) erteiltes Schutzrecht für technische Erfindungen. Es bietet einen einheitlichen Anmelde- und Prüfungsprozess für mehrere europäische Staaten und ermöglicht den Schutz von Erfindungen in bis zu 39 Mitgliedstaaten des EPÜ sowie zwei weiteren Erstreckungsstaaten. Ein Europäisches Patent ist rechtlich betrachtet kein für ganz Europa geltendes Patent, sondern vielmehr ein Bündel nationaler Patente.
Rechtsgrundlagen
Europäisches Patentübereinkommen (EPÜ)
Die rechtliche Grundlage für das Europäische Patent bildet das 1973 unterzeichnete und zuletzt 2000 revidierte Europäische Patentübereinkommen (EPÜ). Das EPÜ definiert die Voraussetzungen, das Verfahren und die Wirkungen des Europäischen Patents. Nach Artikel 52 Absatz 1 EPÜ können europäische Patente für Erfindungen auf allen Gebieten der Technik erteilt werden, sofern sie neu sind, auf erfinderischer Tätigkeit beruhen und gewerblich anwendbar sind.
Beziehung zu nationalen Patentrechten
Mit der Erteilung entfaltet das Europäische Patent in jedem benannten Vertragsstaat die gleichen Wirkungen wie ein in diesem Staat nach nationalem Recht erteiltes Patent (Art. 2 Abs. 2, Art. 64 EPÜ). Rechtsfragen, die nach der Erteilung eintreten – wie beispielsweise Verletzungsklagen oder Lizenzierung – unterliegen daher dem jeweiligen nationalen Patentrecht.
Verfahren zur Erlangung eines Europäischen Patents
Anmeldung
Die Anmeldung eines Europäischen Patents erfolgt durch Einreichung einer Patentanmeldung beim Europäischen Patentamt (EPA). Die Anmeldung kann in einer der Amtssprachen des EPA (Deutsch, Englisch oder Französisch) eingereicht werden. Die Anmeldung muss eine Beschreibung der Erfindung, mindestens einen Patentanspruch, ggf. Zeichnungen und eine Zusammenfassung enthalten.
Prüfungsverfahren
Das EPA prüft in einem mehrstufigen Verfahren die formalen und materiellen Voraussetzungen der Patentanmeldung. Nach der Veröffentlichung der europäischen Patentanmeldung wird der Stand der Technik ermittelt (Recherchebericht) und ein Prüfungsverfahren eingeleitet. Die Kriterien Neuheit, erfinderische Tätigkeit und gewerbliche Anwendbarkeit werden eingehend untersucht.
Erteilung und Veröffentlichung
Wird den Bedingungen entsprochen, wird das Europäische Patent erteilt und veröffentlicht. Die Veröffentlichung leitet die nationale Phase in den benannten Staaten ein. Die jeweiligen Staaten können die Vorlage einer Übersetzung der Patentansprüche oder der vollständigen Patentschrift verlangen (Art. 65 EPÜ).
Opposition und Beschwerde
Innerhalb von neun Monaten nach Bekanntmachung der Patenterteilung kann jeder Dritte beim EPA Einspruch einlegen (Art. 99 EPÜ). Hierbei werden Einwände, beispielsweise mangelnde Patentfähigkeit, geprüft. Gegen Entscheidungen des EPA in Einspruchs- und Prüfungsverfahren kann Beschwerde eingelegt werden.
Wirkungen und Rechtsstellung des Europäischen Patents
Umfang des Schutzes
Das Europäische Patent verleiht seinem Inhaber in jedem benannten Staat das ausschließliche Recht zur Nutzung der geschützten Erfindung. Dritte sind ohne Zustimmung des Patentinhabers nicht berechtigt, die patentierte Erfindung gewerbsmäßig herzustellen, zu verwenden, anzubieten oder in Verkehr zu bringen (Art. 64 EPÜ).
Dauer und Aufrechterhaltung
Ein Europäisches Patent hat eine maximale Laufzeit von 20 Jahren ab dem Anmeldetag. Die Aufrechterhaltung des Schutzes erfordert die Zahlung jährlicher Gebühren in den jeweiligen nationalen Patentämtern, da das Europäische Patent nach der Erteilung in ein Bündel nationaler Rechte zerfällt.
Beschränkung und Widerruf
Der Inhaber kann das Patent ganz oder teilweise beschränken oder aufgeben. Zudem können Dritte die Nichtigerklärung des Patents vor den jeweiligen nationalen Gerichten beantragen, wenn die Erfindung nicht den Patentierungsanforderungen entspricht.
Unterschied zwischen Europäischem Patent und Einheitspatent
Mit dem Inkrafttreten des Einheitspatentsystems (Unitary Patent, EU-Verordnung Nr. 1257/2012 und Nr. 1260/2012) besteht eine weitere Option für den Patentschutz in der Europäischen Union. Das Einheitspatent ist ein auf einem erteilten Europäischen Patent basierendes Schutzrecht, das einheitlichen Schutz in den teilnehmenden EU-Staaten bietet. Während das klassische Europäische Patent nach der Erteilung in nationale Rechte aufgespalten wird, verbleibt das Einheitspatent als einheitliches Recht für die teilnehmenden Staaten.
Bedeutung im internationalen Kontext
Das Europäische Patent vereinfacht das Verfahren zum Schutz technischer Erfindungen europaweit erheblich. Es steht neben nationalen und internationalen Patentanmeldeverfahren nach dem Patentzusammenarbeitsvertrag (PCT), mit dem eine internationale Anmeldung auch beim EPA möglich ist.
Zusammenfassung
Das Europäische Patent ist ein durch das EPA nach Maßgabe des EPÜ geprüftes und erteiltes Schutzrecht, das Erfindern kosteneffizienten, koordinierten Schutz in einem Großteil Europas ermöglicht. Es unterliegt dabei einem umfassend geregelten Prüf-, Erteilungs- und Einspruchsverfahren und entfaltet seine rechtliche Wirkung als Bündel nationaler Patente, deren Durchsetzung jeweils den nationalen Rechtsordnungen unterliegt. Die Einführung des Einheitspatents erweitert dieses Schutzsystem in Richtung einer stärkeren Harmonisierung der Patentrechte in Europa.
Häufig gestellte Fragen
Welche rechtlichen Voraussetzungen müssen für die Erteilung eines Europäischen Patents erfüllt sein?
Für die Erteilung eines Europäischen Patents müssen gemäß Europäischem Patentübereinkommen (EPÜ) mehrere rechtliche Voraussetzungen erfüllt sein. Zunächst muss die Erfindung neu sein, das heißt, sie darf nicht zum Stand der Technik gehören (Art. 54 EPÜ). Darüber hinaus muss die Erfindung auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen und für den Fachmann nicht naheliegend sein (Art. 56 EPÜ). Die Erfindung muss außerdem gewerblich anwendbar sein (Art. 57 EPÜ). Es gibt jedoch gesetzliche Ausschlussgründe: Nach Art. 52 EPÜ sind insbesondere Entdeckungen, wissenschaftliche Theorien, mathematische Methoden, ästhetische Formschöpfungen, Pläne, Regeln und Verfahren für gedankliche Tätigkeiten, Spiele oder geschäftliche Tätigkeiten sowie Programme für Datenverarbeitungsanlagen und die Wiedergabe von Informationen als solche vom Patentschutz ausgeschlossen. Nicht patentierbar sind ferner Erfindungen, deren Veröffentlichung oder Verwertung gegen die öffentliche Ordnung oder die guten Sitten verstoßen würde (Art. 53a EPÜ), sowie bestimmte medizinische und biologische Verfahren (Art. 53b, c EPÜ).
Wie gestaltet sich der Ablauf des rechtlichen Prüfungsverfahrens beim Europäischen Patentamt?
Das Prüfungsverfahren beim Europäischen Patentamt (EPA) ist mehrstufig. Nach Einreichung der europäischen Patentanmeldung wird im ersten Schritt eine formale Prüfung durchgeführt, bei der kontrolliert wird, ob alle gesetzlichen Erfordernisse hinsichtlich Form und Inhalt eingehalten wurden (Art. 90 EPÜ). Darauf folgt die Sachprüfung, sofern der Anmelder diesen Antrag fristgerecht stellt und die entsprechende Gebühr entrichtet (Art. 94 EPÜ). Das EPA prüft dabei, ob die Erfindung die Patentierungsanforderungen erfüllt. Innerhalb der Prüfungsphase kann der Anmelder zur Beantwortung von Beanstandungen aufgefordert werden, beispielsweise zur Klarstellung von Ansprüchen oder zur Entfernung technischer Mängel. Nach positiver Prüfung wird das Patent erteilt und veröffentlicht (Art. 97 EPÜ). Im Anschluss besteht eine neunmonatige Einspruchsfrist, in der Dritte rechtlich gegen das erteilte Patent vorgehen können (Art. 99 EPÜ).
Welche Rechte und Pflichten ergeben sich für den Inhaber eines Europäischen Patents?
Der europäische Patentinhaber hat das ausschließliche Recht, Dritten die Herstellung, Verwendung, das Anbieten, das Inverkehrbringen oder das Lagern der patentierten Erfindung im Geltungsbereich des Patents zu verbieten (Art. 64 EPÜ). Der Schutz gilt zunächst in den Vertragsstaaten, in denen das Patent wirksam gemacht wurde (Validierung). Der Inhaber hat die Pflicht, Jahresgebühren für die Aufrechterhaltung des Patents in den einzelnen Vertragsstaaten zu entrichten, ansonsten kann das Patent für den jeweiligen Staat verfallen. Außerdem ist der Inhaber verpflichtet, Dritten unter bestimmten Voraussetzungen eine Zwangslizenz zu gewähren, etwa wenn das öffentliche Interesse dies erfordert (Art. 73, 100a EPÜ). Ferner ist der Patentschutz auf 20 Jahre ab Anmeldetag beschränkt, wobei nach Ablauf keine weiteren Rechte mehr aus dem Patent hergeleitet werden können.
Wie funktioniert die Durchsetzung der durch das Europäische Patent gewährten Rechte rechtlich in den einzelnen Staaten?
Obwohl ein Europäisches Patent zentral erteilt wird, entfaltet es nach der Erteilung in jedem benannten Vertragsstaat die Wirkung eines nationalen Patents (Art. 2 EPÜ). Die Durchsetzung der Rechte aus dem Patent erfolgt daher vor den national zuständigen Gerichten der jeweiligen Staaten. Im Falle einer Patentverletzung muss der Patentinhaber in jedem Staat, in dem das Patent gilt, individuell gegen den Verletzer vorgehen. Es gelten jeweils die nationalen Vorschriften über Patentverletzungsverfahren, einschließlich der Bestimmungen zu Schadensersatz, Unterlassung und anderen Rechtsbehelfen. Mit Inkrafttreten des Einheitlichen Patentgerichts (Unified Patent Court, UPC) ist seit 2023 für bestimmte europäische Patente allerdings ein einheitliches, grenzüberschreitendes Klageregime geschaffen worden, sofern das Patent als Einheitspatent (European Patent with Unitary Effect) registriert wurde.
Welche rechtlichen Mittel gibt es gegen die Erteilung eines Europäischen Patents?
Gegen die Erteilung eines Europäischen Patents kann jeder Dritte innerhalb von neun Monaten nach Veröffentlichung der Erteilung beim Europäischen Patentamt Einspruch einlegen (Art. 99 ff. EPÜ). Der Einspruch kann sich auf folgende gesetzliche Gründe stützen: die fehlende Patentfähigkeit der Erfindung (Neuheit, erfinderische Tätigkeit, gewerbliche Anwendbarkeit), eine unzulässige Erweiterung über den Offenbarungsgehalt der Anmeldung hinaus oder fehlende Offenbarung (Art. 100 EPÜ). Nach Ablauf der Einspruchsfrist kann das Patent nur noch durch Nichtigkeitsklagen vor den nationalen Gerichten der Einzelstaaten oder – im Falle des Einheitspatents – vor dem Einheitlichen Patentgericht angefochten werden. Neben dem Einspruch besteht für den Patentanmelder das Recht auf Beschwerde gegen Entscheidungen des EPA (Art. 106 ff. EPÜ).
Wie gestaltet sich die rechtliche Wirkung der Veröffentlichung und Übersetzung eines Europäischen Patents?
Mit der Veröffentlichung der Patenterteilung im Europäischen Patentblatt (Art. 97, 98 EPÜ) werden die Rechte des Patentinhabers gegenüber Dritten wirksam. Für bestimmte Vertragsstaaten ist zur Wirksamkeit bzw. Durchsetzung des Patents eine Übersetzung der Patentansprüche oder der vollständigen Patentschrift in die jeweilige Amtssprache erforderlich (Londoner Übereinkommen, Art. 65 EPÜ). Wird die Übersetzung nicht rechtzeitig eingereicht oder veröffentlicht, kann dies zum Rechtsverlust im jeweiligen Staat führen. Die Veröffentlichung bewirkt zudem, dass der Stand der Technik für spätere Patentanmeldungen fortgeschrieben wird und Dritte Einblick in die technischen Inhalte nehmen können.
Welche besonderen rechtlichen Bestimmungen gelten für den Schutz biotechnologischer Erfindungen unter dem Europäischen Patentrecht?
Im Hinblick auf biotechnologische Erfindungen sieht das EPÜ besondere gesetzliche Regelungen vor, insbesondere in Art. 53 EPÜ und der Biotechnologiepatentrichtlinie (98/44/EG). Patentiert werden können unter bestimmten Voraussetzungen mikrobielle oder gentechnische Verfahren, Zelllinien und biotechnologische Herstellungsverfahren sowie daraus gewonnene Erzeugnisse. Allerdings sind Patente auf Pflanzensorten, Tierrassen sowie auf im Wesentlichen biologische Verfahren zur Züchtung von Pflanzen oder Tieren ausgeschlossen. Auch Verfahren zur Klonierung menschlicher Lebewesen, zur Veränderung der Keimbahn sowie nicht auf Gewerblichkeit gerichtete oder ethisch bedenkliche biotechnologische Verfahren sind rechtlich ausgeschlossen.
Welche Möglichkeiten bestehen, ein Europäisches Patent nachträglich in ein nationales Patent umzuwandeln oder aufzugeben?
Nach der Erteilung entfaltet ein europäisches Patent die Wirkung eines nationalen Patents in jedem benannten Staat. Ein gesondertes Umwandlungsverfahren ist daher nicht erforderlich. Vielmehr kann der Patentinhaber durch Verzichtserklärung gegenüber den nationalen Patentämtern das Patent für den jeweiligen Staat aufgeben. Die Nichtzahlung der entsprechenden Jahresgebühren führt ebenfalls zum Ablauf des Schutzes in dem betreffenden Land. In bestimmten Fällen kann eine Umwandlung in eine nationale Anmeldung vor Abschluss des Prüfungsverfahrens erfolgen, etwa wenn die europäische Anmeldung aufgrund von Verfahrensmängeln zurückgewiesen oder fallengelassen wurde (Art. 135 ff. EPÜ).