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Europäische Krankenversicherungskarte


Begriff und Rechtsgrundlagen der Europäischen Krankenversicherungskarte

Die Europäische Krankenversicherungskarte (kurz: EHIC von „European Health Insurance Card“) ist ein standardisiertes amtliches Dokument, das Versicherten in den Mitgliedstaaten des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) sowie der Schweiz den Zugang zu medizinisch notwendigen Leistungen während eines vorübergehenden Aufenthalts im europäischen Ausland ermöglicht. Sie stellt keine eigenständige Versicherung dar, sondern dient als Nachweis eines bestehenden Krankenversicherungsschutzes nach den Rechtsvorschriften des zuständigen Mitgliedstaats.

Rechtsrahmen und Anwendungsbereich

Die rechtlichen Grundlagen der Europäischen Krankenversicherungskarte ergeben sich insbesondere aus folgenden unionsrechtlichen Regelungen:

  • Verordnungen (EG) Nr. 883/2004 und 987/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit
  • Entsprechende Vorschriften zu deren Durchführung in den nationalen Sozialsystemen der beteiligten Staaten

Die EHIC gilt in allen Staaten der Europäischen Union, dem Europäischen Wirtschaftsraum (Norwegen, Island, Liechtenstein) sowie der Schweiz. Zahlreiche weitere Länder erkennen die Karte im Rahmen bilateraler Abkommen an, jedoch ist der Umfang des Versicherungsschutzes auf die vorgenannten Staaten beschränkt.

Ausstellung und Verwendung

Anspruchsberechtigung

Anspruch auf eine Europäische Krankenversicherungskarte haben grundsätzlich alle Personen, die in einem Mitgliedstaat gesetzlich krankenversichert sind. Die Ausstellung erfolgt kostenlos durch die jeweilige Kranken- oder Ersatzkasse im Wohnsitzstaat. Für privat Versicherte gelten Sonderregelungen; der Zugang zur EHIC kann hier durch vertragliche Vereinbarungen mit der Versicherung ermöglicht werden.

Funktionsweise und Leistungsumfang

Die Karte dient dem Nachweis, dass der Inhaber im Herkunftsland sozialversicherungsrechtlich abgesichert ist. Sie gewährleistet während eines vorübergehenden Aufenthalts im EU/EWR-Ausland oder der Schweiz ausdrücklich Zugang zu medizinisch notwendigen, nicht aber geplanten Leistungen (z. B. einer gezielten medizinischen Reise zur Behandlung).

Der Umfang der Leistungen richtet sich nach den Rechtsvorschriften und dem Leistungsumfang des Aufenthaltsstaates (Teritorialitätsprinzip). Dies umfasst in der Regel alle Behandlungen, die während des Auslandsaufenthaltes medizinisch notwendig und nicht bis zur Rückkehr aufschiebbar sind. Dauerhafte Verlegungen ins Ausland, gezielte Behandlungen oder Reha-Maßnahmen sind nicht abgedeckt.

Rechtliche Grenzen und Ausschlüsse

Keine eigenständige Versicherung

Die Europäische Krankenversicherungskarte gewährt keinen eigenständigen Versicherungsschutz, sondern verweist stets auf den bestehenden Krankenversicherungsschutz im Wohnsitzstaat. Für Leistungen, die über die gesetzlich abgesicherte Grundversorgung des Aufenthaltsstaates hinausgehen, besteht kein Anspruch.

Ausschlüsse und Besonderheiten

  • Geplante Behandlungen im Ausland, sogenannte Auslandsbehandlungen mit gezieltem Charakter, sind nicht über die EHIC abgedeckt. Hierfür ist das vorherige Einholen einer Kostenübernahmeerklärung („S2-Formular“, früher E112) erforderlich.
  • Nichtmitgliedstaaten: In Drittländern gilt die EHIC nicht.
  • Private Leistungen: Leistungen, die im Aufenthaltsstaat mit Zuzahlung oder als rein private Leistungen erbracht werden, sind nicht zwangsläufig erstattungsfähig. Ausnahmen regeln die jeweiligen nationalen Rechtsordnungen. Nach Rückkehr kann in vielen Fällen eine (teilweise) Kostenerstattung beim Heimatversicherungsträger beantragt werden (§ 13 SGB V für Deutschland).

Missbrauch und Fälschungsschutz

Die Europäische Krankenversicherungskarte enthält spezifische Sicherungsmerkmale (z. B. Sicherheitsdruck, spezifischer Aufbau, Kontrollnummer). Ein Missbrauch, etwa durch Verwendung einer fremden oder manipulierten Karte, stellt eine Straftat dar und kann sowohl straf-, als auch sozialversicherungsrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen.

Datenschutz und Informationsaustausch

Übermittelte Daten

Die auf der Karte gespeicherten und aufgedruckten personenbezogenen Daten (Name, Vorname, Geburtsdatum, persönliche Kennnummer, Karten- und Institutionsnummer, Gültigkeitsdauer) unterliegen den Datenschutzvorgaben der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO/EU-VO 2016/679) sowie ergänzenden nationalen Datenschutzgesetzen. Ein Abruf zusätzlicher, elektronisch gespeicherter medizinischer Informationen durch Leistungserbringer ist – Stand 2024 – mit der EHIC selbst nicht möglich.

Datenübermittlung und grenzüberschreitende Zusammenarbeit

Die Abrechnung der im Ausland in Anspruch genommenen Leistungen erfolgt auf Verwaltungsebene. Hierzu werden die erforderlichen Daten grenzüberschreitend zwischen den Krankenversicherungsträgern unter Einhaltung der Datenschutzbestimmungen ausgetauscht.

Praktische Bedeutung und Rechtsprechung

Die EHIC stellt aus unionsrechtlicher Sicht ein wichtiges Instrument zur Förderung des europäischen Binnenmarktes und der Mobilität dar. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat mehrfach die Rechte der Versicherten im Rahmen der Verordnungen zur sozialen Sicherung gestärkt und die praktische Anwendbarkeit der EHIC bestätigt (vgl. u. a. EuGH, Urteil v. 16.05.2006, C-372/04 „Ygeia“).

Gültigkeitsdauer und Verlängerung

Die Gültigkeit der EHIC ist zeitlich befristet und richtet sich nach den nationalen Vorschriften im Ausstellungsstaat, in Deutschland typischerweise zwei bis fünf Jahre. Bei Ablauf ist eine neue Beantragung erforderlich; der Versicherungsschutz im Ausland besteht jedoch fort, sofern eine erneute EHIC ausgestellt wird.

Zusammenfassung und Ausblick

Die Europäische Krankenversicherungskarte ist ein unionsrechtlich normiertes, personalisiertes Dokument und Nachweis des Anspruchs auf medizinisch notwendige Leistungen in anderen Mitgliedstaaten während eines vorübergehenden Aufenthalts. Sie erleichtert den Zugang zur Gesundheitsversorgung im europäischen Ausland erheblich, ist jedoch keinesfalls als Ersatz für eine private Auslandsreise-Krankenversicherung zu betrachten und unterliegt spezifischen rechtlichen Begrenzungen. Zukünftige Diskussionen im Rahmen der Sozialgesetzgebung zielen auf eine europaweite Modernisierung der Informationstechnik sowie eine Harmonisierung der Leistungsansprüche.

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtlichen Ansprüche habe ich als Inhaber einer Europäischen Krankenversicherungskarte (EHIC) im Ausland?

Als Inhaber einer Europäischen Krankenversicherungskarte (EHIC) haben Sie Anspruch auf medizinisch notwendige Leistungen im Rahmen eines vorübergehenden Aufenthalts in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union sowie in Liechtenstein, Norwegen, Island und der Schweiz. Der Anspruch gründet sich auf Art. 19 und 20 VO (EG) Nr. 883/2004 sowie Art. 25-27 VO (EG) Nr. 987/2009. Die medizinische Versorgung umfasst alle Leistungen, die aus medizinischer Sicht nicht bis zu Ihrer Rückkehr in Ihr Heimatland aufgeschoben werden können, darunter auch Behandlungen bei chronischen oder bereits bestehenden Krankheiten. Die EHIC garantiert dabei gleiche Behandlung wie für in dem Aufenthaltsstaat gesetzlich Versicherte, unterliegt jedoch den nationalen Rechtsvorschriften und Kostenregelungen des besuchten Staates. Ihre Krankenversicherung übernimmt die Kosten entweder direkt (Sachleistungsprinzip) oder erstattet sie später (Kostenerstattungsprinzip), abhängig vom jeweiligen nationalen Recht und der konkreten Vertragslage zwischen den Staaten.

Gibt es Beschränkungen für den Leistungsumfang der EHIC aus rechtlicher Sicht?

Die EHIC gewährt keinen uneingeschränkten Zugang zu allen medizinischen Leistungen im Ausland. Nach Art. 19 VO (EG) Nr. 883/2004 beschränkt sich der Leistungsanspruch auf „medizinisch notwendige Leistungen“, was durch die jeweiligen Gesundheitseinrichtungen vor Ort unter Anwendung der lokalen Gesetzgebung beurteilt wird. Nicht umfasst sind beispielsweise gezielte Auslandsaufenthalte zur Behandlung (sog. geplante Behandlungen), kosmetische Eingriffe ohne medizinische Notwendigkeit oder private Zusatzleistungen, die nicht vom öffentlichen Gesundheitssystem angeboten werden. Sind Zuzahlungen oder Eigenbeteiligungen nach lokalen Rechtsnormen vorgesehen, müssen diese grundsätzlich selbst getragen werden. Darüber hinaus kann der Leistungsumfang durch nationale Ausnahmeregelungen eingeschränkt sein, soweit diese mit dem EU-Recht vereinbar sind.

Was ist bei der Inanspruchnahme von Leistungen mit der EHIC im Ausland rechtlich zu beachten?

Rechtlich ist zu beachten, dass Sie sich bei Bedarf vorzugsweise an Vertragseinrichtungen und zugelassene Leistungserbringer des öffentlichen Gesundheitssystems wenden müssen, da Leistungen bei rein privatärztlicher Behandlung in der Regel nicht über die EHIC abgerechnet werden können (Art. 18-21 VO (EG) Nr. 987/2009). Sie sind verpflichtet, die EHIC und gegebenenfalls einen Identitätsnachweis vorzulegen. Sofern eine direkte Abrechnung nicht möglich ist, müssen Sie i.d.R. zunächst in Vorleistung treten und können später eine Kostenerstattung bei Ihrer heimischen gesetzlichen Krankenversicherung beantragen, wobei die Erstattung auf das Niveau begrenzt ist, das bei einer Behandlung in Deutschland bzw. im Ursprungsland zu tragen wäre.

Wie ist die EHIC rechtlich von einer zusätzlichen privaten Reisekrankenversicherung abzugrenzen?

Nach geltendem Recht ersetzt die EHIC keine private Auslandskrankenversicherung. Die Karte gewährleistet lediglich den Zugang zu den offiziellen Leistungen des öffentlichen Gesundheitssektors der Aufenthaltsländer auf Basis des dort geltenden Rechts. Nicht übernommen werden Kosten für private Behandlungen, Rücktransporte ins Heimatland oder eventuell anfallende Eigenbeteiligungen/Zuzahlungen. Die Inanspruchnahme zusätzlicher privater Versicherungen ist rechtlich nicht vorgeschrieben, wird aber empfohlen, um die finanzielle Eigenverantwortung für im Ausland entstehende Zusatzkosten zu minimieren. Dies wird auch in den Auslegungshinweisen zu den EU-Verordnungen durch die Europäische Kommission betont.

Welche rechtlichen Konsequenzen ergeben sich bei missbräuchlicher Nutzung der EHIC?

Die missbräuchliche Nutzung der EHIC, beispielsweise durch die Weitergabe an nicht berechtigte Personen, die Verwendung einer gefälschten Karte oder für nicht gedeckte Behandlungszwecke, stellt einen Verstoß gegen europäisches und nationales Recht dar. Gemäß Art. 84 VO (EG) Nr. 883/2004 und den entsprechenden nationalen Bestimmungen kann dies zivilrechtliche Rückforderungsansprüche der Versicherungsträger sowie strafrechtliche Sanktionen nach sich ziehen. Die Ausstellende Krankenkasse ist berechtigt, eine missbräuchlich genutzte Karte für ungültig zu erklären und Ersatzansprüche gegen den Inhaber geltend zu machen. In schwerwiegenden Fällen kann dies auch zum Verlust des Versicherungsschutzes führen.

Unterliegt die Gültigkeit der EHIC bestimmten rechtlichen Vorgaben?

Die Ausstellung, der Zeitraum der Gültigkeit und der Entzug der EHIC richten sich nach den Vorschriften des jeweiligen Heimatlandes, müssen jedoch den Vorgaben aus der VO (EG) Nr. 883/2004 und der VO (EG) Nr. 987/2009 entsprechen. Die Karte darf nur für Personen ausgegeben werden, die tatsächlich im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung eines EU/EWR-Mitgliedstaates bzw. der Schweiz versichert sind. Die Gültigkeit ist zeitlich befristet und endet mit Ablauf der Versicherungspflicht im Heimatland oder bei Überschreiten des angegebenen Befristungszeitraumes. Bei Verlust des Versicherungsschutzes ist die EHIC unverzüglich zurückzugeben bzw. zu vernichten. Das Fehlen einer gültigen EHIC kann dazu führen, dass die Kosten für medizinische Behandlungen im Ausland selbst getragen werden müssen.