Legal Lexikon

Wiki»Europäische Krankenversicherungskarte

Europäische Krankenversicherungskarte


Begriff und rechtliche Einordnung der Europäischen Krankenversicherungskarte (EHIC)

Die Europäische Krankenversicherungskarte (EHIC) ist ein amtlicher Nachweis über den Anspruch auf medizinisch notwendige Behandlungen im Rahmen eines vorübergehenden Aufenthalts in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) sowie in bestimmten weiteren Staaten. Die EHIC ist integraler Bestandteil der europäischen Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit und garantiert Versicherten einen angemessenen Zugang zu medizinischen Leistungen während eines temporären Aufenthalts im Ausland.

Rechtsgrundlagen der Europäischen Krankenversicherungskarte

1. EU-Rechtliche Grundlagen

Die gesetzlichen Grundlagen der Europäischen Krankenversicherungskarte finden sich in folgenden Rechtsakten der Europäischen Union:

a) Verordnung (EG) Nr. 883/2004

Diese „Verordnung über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit“ regelt detailliert die Ansprüche und Pflichten von Personen, die sich innerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) oder der Schweiz bewegen und im Bereich der sozialen Sicherheit Leistungen in Anspruch nehmen.

b) Verordnung (EG) Nr. 987/2009

Die Durchführungsverordnung zu Nr. 883/2004 konkretisiert die Regeln in Bezug auf praktische Handhabung und behördliche Zusammenarbeit, unter anderem zur Ausstellung und Nutzung der EHIC.

c) Weitere relevante Staaten

Die Regelungen zur EHIC gelten neben den EU-Mitgliedstaaten auch im EWR (Island, Liechtenstein, Norwegen) sowie in der Schweiz gemäß bilateralen Abkommen.

2. Nationale Rechtsvorschriften

In Deutschland werden die Regelungen zur EHIC im SGB V und durch entsprechende Verwaltungsvorschriften der gesetzlichen Krankenversicherungsträger umgesetzt. Die Karte ist in der Regel Bestandteil der elektronischen Gesundheitskarte (eGK) oder wird als separates Dokument ausgegeben.

Anspruchsberechtigung und Geltungsbereich

1. Anspruchsberechtigte Personen

Anspruch auf Ausstellung und Nutzung der Europäischen Krankenversicherungskarte haben grundsätzlich alle nach nationalem Recht krankenversicherte Personen, einschließlich Familienangehöriger, sofern ein legaler Versicherungsschutz im Heimatstaat besteht.

2. Territorialer Geltungsbereich

Die EHIC gilt in allen EU-Mitgliedstaaten, den EWR-Staaten sowie der Schweiz. In bestimmten weiteren Ländern können abweichende Regelungen bestehen, die individuelle Prüfung erfordern.

3. Zeitlicher Geltungsbereich und Geltungsdauer

Die EHIC ist während eines vorübergehenden Aufenthalts (zum Beispiel Urlaubs- oder Geschäftsreise) und für die Dauer ihrer Gültigkeit (abhängig vom ausstellenden Land) einsetzbar.

Leistungsanspruch und Umfang

1. Medizinisch notwendige Leistungen

Die EHIC ermöglicht Versicherten die Inanspruchnahme aller medizinisch notwendigen Sachleistungen, die während des Aufenthalts aus medizinischen Gründen nicht bis zur geplanten Rückkehr in das Heimatland aufgeschoben werden können. Der Umfang der Leistungen richtet sich nach dem Recht des Aufenthaltsstaates.

a) Begrenzung auf Notwendigkeit

Ein darüber hinausgehender geplanter medizinischer Aufenthalt (z. B. gezielte Auslandsbehandlung) ist nicht abgedeckt. In diesen Fällen sind andere Verfahren (z. B. Genehmigung nach Art. 20 VO (EG) 883/2004) zu prüfen.

b) Gleichstellung mit Einheimischen

Versicherte haben Anspruch auf dieselben Leistungen und unter denselben Bedingungen und Kosten wie die Versicherten des bereisten Staates. Es können Eigenbeteiligungen anfallen, die auch für Einheimische gelten.

2. Abrechnung und Kostenerstattung

Die direkte Abrechnung erfolgt in der Regel zwischen den Dienstleistern (zum Beispiel Krankenhaus, Arzt) und der zuständigen Krankenversicherung im Aufenthaltsstaat. In Ausnahmefällen kann nach Rückkehr eine Erstattung beantragt werden, wobei der Leistungsumfang auf die im Aufenthaltsstaat üblichen Leistungen begrenzt ist.

Ausstellung, Gestaltung und Verwaltung

1. Antrag und Ausstellung

Die EHIC wird in Deutschland von der gesetzlichen oder privaten Krankenversicherung auf Antrag oder automatisch (z. B. auf der Rückseite der eGK) ausgestellt. Die Gültigkeitsdauer und Neuerteilung richtet sich nach den Regelungen des jeweiligen Versicherungsträgers.

2. Aufbau der Karte

Die EHIC ist europaweit vereinheitlicht und enthält folgende Pflichtangaben:

  • Name und Vorname des Inhabers
  • Persönliche Identifikationsnummer
  • individuelle Versicherungsnummer
  • Abkürzung und Kennnummer der ausstellenden Versicherung
  • Ablaufdatum

3. Umgang mit Verlust oder Diebstahl

Bei Verlust, Diebstahl oder Ablauf der Gültigkeit ist eine Neuausstellung bei der jeweiligen Krankenversicherung zu beantragen. Im Notfall kann ein provisorischer Ersatz-Auslandskrankenschein (PEB) ausgestellt werden.

Grenzen und Haftungsausschlüsse

1. Kein Ersatz für Auslandskrankenversicherung

Die EHIC deckt ausschließlich Leistungen im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften des Aufenthaltslandes ab und erstreckt sich nicht auf private oder darüber hinausgehende Serviceleistungen (z. B. Rücktransport ins Heimatland).

2. Ausschlüsse und Sonderregelungen

Spezifische Leistungen, wie geplante Behandlungen, private Versorgung oder Rücktransporte, sind nicht vom Versicherungsumfang der EHIC umfasst und müssen gesondert abgesichert werden.

Datenschutz und Datenverarbeitung

Der Umgang mit personenbezogenen Daten erfolgt im Rahmen der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) sowie der jeweiligen nationalen Datenschutzbestimmungen. Die auf der EHIC enthaltenen Daten sind ausschließlich zum Zwecke der Leistungsgewährung im Ausland und der Abrechnung bestimmt.

Aktuelle Entwicklungen und Ausblick

Die EHIC ist ein zentraler Bestandteil der europäischen Koordination im Gesundheitswesen und entwickelt sich entsprechend der Anpassungen der EU-Verordnungen sowie technologischer Innovationen im Bereich der elektronischen Gesundheitsnachweise fort.


Zusammenfassung:
Die Europäische Krankenversicherungskarte stellt einen verbindlichen Nachweis über den Leistungsanspruch bei vorübergehendem Aufenthalt innerhalb der Europäischen Union, des EWR und der Schweiz dar. Sie basiert auf den einschlägigen europäischen Sozialversicherungs-Verordnungen und gewährleistet so einen umfassenden, jedoch auf medizinisch notwendige Leistungen beschränkten Zugang zur Gesundheitsversorgung im Aufenthaltsstaat. Die EHIC vereinfacht sowohl die Inanspruchnahme als auch die Abrechnung von Leistungen und trägt zur Mobilität der Versicherten innerhalb Europas bei.

Häufig gestellte Fragen

Wird die Europäische Krankenversicherungskarte (EHIC) von allen EU-Mitgliedstaaten verpflichtend anerkannt?

Die Europäische Krankenversicherungskarte (EHIC) muss gemäß den EU-Verordnungen Nr. 883/2004 und Nr. 987/2009 in allen Staaten des Europäischen Wirtschaftsraumes (EWR) sowie der Schweiz als Nachweis für den Anspruch auf Sachleistungen im Rahmen kurzfristiger Aufenthalte anerkannt werden. Eine Voraussetzung ist, dass es sich beim Versicherten um einen rechtmäßig in einem Mitgliedstaat versicherten Bürger handelt und der Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat temporär und aus privaten Gründen erfolgt (z. B. Urlaub, Geschäftsreise, Studium). Rechtlich verpflichtend sind alle öffentlichen medizinischen Einrichtungen der jeweiligen Staaten an die Akzeptanz gebunden, nicht jedoch alle privaten Leistungserbringer. Sollten Leistungsträger die Karte unrechtmäßig ablehnen oder Kosten fälschlicherweise vorstrecken lassen, bestehen Rechtsansprüche auf Kostenerstattung und gegebenenfalls eine nachträgliche Prüfung durch die zuständigen nationalen Verbindungsstellen. Die Anerkennungspflicht orientiert sich am Grundsatz der Gleichbehandlung und Mobilität innerhalb der EU; dies ist vorrangig im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) sowie in spezifischen Durchführungsbestimmungen geregelt.

Welche rechtlichen Ansprüche hat ein EHIC-Inhaber im Schadensfall gegenüber dem Leistungsträger?

Mit Vorlage der EHIC erlangt der Karteninhaber grundsätzlich das Recht, Leistungen wie ein im Aufenthaltsstaat gesetzlich versicherter Bürger in Anspruch zu nehmen. Gemäß Art. 19, 20 VO (EG) Nr. 883/2004 besteht der Anspruch auf alle medizinisch notwendigen Sachleistungen, die während des vorübergehenden Aufenthaltes aus medizinischer Sicht nicht bis zur geplanten Rückkehr aufgeschoben werden können. Die Leistungen werden nach den Rechtsvorschriften und zu den Bedingungen des Aufnahmelandes gewährt. Im Falle einer schuldhaften Leistungsverweigerung oder eines Schadens durch Falschbehandlung gelten die zivilrechtlichen Haftungsnormen des Aufenthaltsstaates; zudem sind im Streitfall administrative Beschwerdemechanismen bis hin zur europäischen Ebene vorgesehen. Der Anspruch auf Erstattung besteht immer in Höhe der gesetzlichen Regelsätze des Aufenthaltsstaates; weitergehende Differenzen sind landesspezifisch auszugleichen.

Gibt es eine gesetzlich festgelegte Leistungsgrenze hinsichtlich Umfang und Dauer der Behandlung mit EHIC?

Die EHIC berechtigt ausschließlich zur Inanspruchnahme aller „medizinisch notwendigen Sachleistungen“, die nach ärztlichem Urteil während des beabsichtigten Aufenthalts im jeweiligen Land nicht bis zur geplanten Rückkehr aufgeschoben werden können. Medizinisch notwendig ist, was nach Art und Umfang im Rahmen des öffentlichen Gesundheitswesens des Aufenthaltsstaates für Versicherte vorgesehen ist. Die Dauer des Leistungsanspruchs ist grundsätzlich auf die Dauer des Aufenthalts beschränkt, wobei keine absolute zeitliche Begrenzung besteht; entscheidet der behandelnde Arzt, dass die Behandlung notwendig ist, ist dies aus Sicht des EU-Rechts bindend. Eine Ausdehnung auf gezielte Auslandsbehandlungen oder sogenannte geplante Behandlungen ist jedoch rechtlich explizit ausgeschlossen; in diesen Fällen greift ausschließlich das vorherige Genehmigungs- und Kostenerstattungsverfahren gemäß Art. 20 VO 883/2004.

Wie ist die rechtliche Situation bei Verlust oder Diebstahl der EHIC im Ausland?

Beim Verlust oder Diebstahl der EHIC im europäischen Ausland können Versicherte auf Grundlage von Art. 19 VO 883/2004 und Art. 25, 26 VO 987/2009 von ihrem gesetzlichen Krankenversicherungsträger eine sogenannte Ersatzbescheinigung anfordern, welche die gleichen Rechtswirkungen entfaltet wie die physische EHIC. Rechtlich sind Gesundheitsdienstleister verpflichtet, diese vorübergehende Ersatzbescheinigung ebenso zu akzeptieren. Im Fall einer unmittelbaren Notfallbehandlung und fehlender Nachweise vor Ort kann versicherungsrechtlich nachträglich der Kostenerstattungsanspruch geltend gemacht werden, sofern die Versicherung im Nachgang das EHIC-Recht bestätigt.

Welche Folgen hat eine missbräuchliche Verwendung der EHIC und gibt es dafür rechtliche Sanktionen?

Der Missbrauch der EHIC, etwa die Verwendung durch unberechtigte Personen oder zu nicht zugelassenen Zwecken wie gezielten Auslandsbehandlungen, stellt eine Ordnungswidrigkeit und in vielen Fällen auch einen Straftatbestand dar, der nationale wie EU-rechtliche Sanktionen nach sich ziehen kann. Versicherte riskieren Rückforderungen, Bußgelder oder sogar strafrechtliche Verfolgung nach den entsprechenden Bestimmungen des für die Versicherung oder Behandlung zuständigen Mitgliedstaates. Parallel besteht die Möglichkeit des Entzuges der Karte sowie der dauerhaften Eintragung ins Register irregulärer Versicherter. Auch das Leistungserbringersystem (Kliniken, Ärzte) haftet zivil- oder strafrechtlich bei verwaltungsrechtlicher Mittäterschaft.

Wird die EHIC auch bei geplanten Behandlungen im EU-Ausland akzeptiert?

Für geplante medizinische Behandlungen im EU-Ausland ist die EHIC rechtlich ausgenommen. Hier greift ausschließlich das sogenannte Vorabgenehmigungsverfahren nach Art. 20 VO 883/2004. Das bedeutet, dass Versicherte vorab eine schriftliche Genehmigung durch ihre heimische Krankenkasse einholen müssen. Ohne diese Genehmigung dürfen Gesundheitseinrichtungen die Behandlung verweigern oder nur nach privatrechtlicher Vereinbarung abrechnen. Die EHIC gilt explizit nicht als Kostenträger für im Voraus organisierten oder eigens aus medizinischen Gründen initiierten Auslandsklinikaufenthalte.

Müssen sich Leistungserbringer über die Gültigkeit und Identität des EHIC-Inhabers informieren?

Leistungserbringer im EU-Ausland sind verpflichtet, die EHIC sowie die Identität des Patienten zu überprüfen und sich von der Zulässigkeit der Inanspruchnahme im Rahmen der lokalen gesetzlichen Regelungen zu überzeugen. Die rechtlichen Grundlagen hierzu finden sich insbesondere im nationalen Sozialversicherungsrecht sowie ergänzend in den europäischen Verordnungen. Ein Abgleich mit Ausweisdokumenten ist in vielen EU-Staaten vorgeschrieben, und bei Verdachtsmomenten auf Rechtsmissbrauch muss eine Meldung an die lokalen Krankenversicherungsträger erfolgen, um Betrug und Missbrauch vorzubeugen. Bei Unsicherheiten hinsichtlich der Versicherungsberechtigung können und müssen medizinische Einrichtungen eine nachträgliche Bestätigung durch den ausstellenden Versicherer einholen.