Legal Lexikon

EuRAG


Europäisches Rechtsanwaltsgesetz (EuRAG)

Das Europäische Rechtsanwaltsgesetz (kurz: EuRAG) bildet in Deutschland das zentrale Gesetz zur Umsetzung und Regelung der Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit von Angehörigen der rechtsberatenden Berufe aus Mitgliedstaaten der Europäischen Union und des Europäischen Wirtschaftsraums. Das Gesetz regelt die Bedingungen, unter denen Rechtsdienstleistungen von Personen aus diesen Staaten in Deutschland erbracht werden dürfen und sorgt damit für die Integration des europäischen Binnenmarkts im Bereich des Anwaltsberufs.


Historischer Hintergrund und Rechtsgrundlagen

Das EuRAG trat am 1. August 2000 in Kraft. Hintergrund war die Umsetzung mehrerer europäischer Richtlinien, insbesondere der Richtlinie 77/249/EWG vom 22. März 1977 zur Erleichterung der effektiven Ausübung des freien Dienstleistungsverkehrs für Rechtsanwälte sowie der Richtlinie 98/5/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 1998 zur Erleichterung der dauerhaften Ausübung des Berufs des Rechtsanwalts in einem anderen Mitgliedstaat.

Das EuRAG schafft einen rechtlichen Rahmen für den grenzüberschreitenden Rechtsdienstleistungsverkehr, der angesichts der wirtschaftlichen Verflechtung und zunehmenden internationalen Zusammenarbeit innerhalb Europas unabdingbar ist.


Anwendungsbereich und Zweck des EuRAG

Das EuRAG regelt zwei Hauptbereiche:

  1. Vorübergehende Tätigkeit in Deutschland: Rechtsanwälte aus Staaten der EU oder des EWR dürfen vorübergehend in Deutschland unter ihrer Herkunftsbezeichnung Dienstleistungen erbringen.
  1. Dauerhafte Niederlassung in Deutschland: Angehörige der europäischen Rechtsanwaltschaft können sich dauerhaft in Deutschland niederlassen und auch die deutsche Bezeichnung „Rechtsanwalt“ führen, sofern die gesetzlichen Anforderungen erfüllt sind.

Voraussetzungen für die Tätigkeit nach EuRAG

Vorübergehende Tätigkeit (§§ 25 bis 33 EuRAG)

Rechtsanwälte aus EU-/EWR-Staaten dürfen grenzüberschreitende Dienstleistungen in Deutschland erbringen, unter den folgenden Bedingungen:

  • Heimatstaatbezogene Anwaltszulassung: Die Person muss in ihrem Herkunftsstaat befugt sein, unter dortiger Bezeichnung den Beruf auszuüben.
  • Tätigkeit nach deutschem Recht: Leistungen erfordern grundsätzlich Kenntnisse des deutschen Rechts. Beratungen und Vertretungen in gerichtlichen Verfahren sind teils beschränkt.
  • Anzeige- und Nachweispflichten: Vor erstmaliger Tätigkeit in Deutschland ist die Anzeige bei der zuständigen Stelle unter Vorlage bestimmter Nachweise erforderlich (z. B. EU-Heimatzulassung).

Dauerhafte Niederlassung (§§ 4 bis 24 EuRAG)

Für eine dauerhafte Niederlassung in Deutschland gelten unter anderem folgende Anforderungen:

  • Heimatstaatliche Berufsqualifikation: Es muss eine Zulassung als Rechtsanwalt im Herkunftsstaat vorliegen.
  • Eintragung in Verzeichnisse: Die Person wird in ein besonderes Verzeichnis aufgenommen.
  • Berufsbezeichnung: Die Tätigkeit erfolgt zunächst unter der im Herkunftsstaat geführten Berufsbezeichnung; nach Erfüllung bestimmter Voraussetzungen kann eine Zulassung nach § 11 EuRAG erfolgen, wodurch die deutsche Berufsbezeichnung „Rechtsanwalt“ geführt werden darf.
  • Anerkennung von Abschlüssen: Der Nachweis der fachlichen Eignung kann unter bestimmten Voraussetzungen durch eine mindestens dreijährige tatsächliche und regelmäßige Tätigkeit im deutschen Recht ersetzt werden.

Rechte und Pflichten nach EuRAG

Das EuRAG statuiert für die begünstigten Personen weitreichende Rechte, verpflichtet diese jedoch auch zur Einhaltung der Grundsätze des deutschen Rechts.

Rechte

  • Freier Zugang zum deutschen Markt: EU-/EWR-Anwälte dürfen in Deutschland dauerhaft oder vorübergehend tätig werden.
  • Gleiche Berufsausübungsrechte: Nach vollständiger Integration durch Zulassung als „Rechtsanwalt“ bestehen im Wesentlichen die gleichen Rechte wie für Angehörige der Anwaltschaft mit deutscher Ausbildung.

Pflichten

  • Einhaltung berufsrechtlicher Vorschriften: Die Rechtsanwendung erfolgt unter Beachtung der in Deutschland geltenden Berufspflichten.
  • Berufshaftpflichtversicherung: Es besteht grundsätzlich Versicherungspflicht, um den Schutz der Mandanten zu gewährleisten.
  • Aufsichtsmechanismen: Die Einhaltung der rechtlichen Anforderungen unterliegt der Kontrolle der zuständigen Behörden.

Anerkennungsverfahren und Prüfungen

Ein zentrales Element des EuRAG ist die Möglichkeit, durch eine Eignungsprüfung oder dreijährige Berufsausübung im deutschen Recht die gleichwertige Befähigung zur Rechtsanwaltschaft nachzuweisen.

  • Eignungsprüfung: Alternativ zur dreijährigen Tätigkeit kann eine Eignungsprüfung über die Kenntnisse im deutschen Recht abgelegt werden.
  • Nachweis der Tätigkeit: Der Nachweis über die tatsächliche Ausübung juristischer Tätigkeiten im deutschen Recht ist detailliert geregelt und erfolgt regelmäßig durch Arbeitsproben, Referenzen und Dokumentationen.

Bedeutung des EuRAG für die Europäische Integration

Das EuRAG nimmt eine Schlüsselrolle für die Europäisierung der Rechtsberatung ein. Es gewährleistet, dass Dienstleistungen von Vertretern anderer Mitgliedstaaten auch in Deutschland zugelassen werden können, stärkt den grenzüberschreitenden Rechtsverkehr und fördert die gegenseitige Anerkennung von Qualifikationen im europäischen Binnenmarkt.


Häufige Anwendungsfälle und praktische Bedeutung

Das Gesetz hat besondere Bedeutung bei

  • Unternehmensfusionen mit internationalen Bezügen,
  • grenzüberschreitenden Investments,
  • Unternehmenskäufen und -verkäufen mit Sitz in mehreren EU-/EWR-Staaten,
  • der Beratung von Privatpersonen mit mehrfachem Wohnsitz oder Aktivitäten in verschiedenen EU-/EWR-Ländern.

Gerade vor dem Hintergrund der europäischen Mobilität leistet das EuRAG einen bedeutenden Beitrag zur rechtlichen Absicherung und Ermöglichung internationaler Aktivitäten im Rechtswesen.


Literatur und weiterführende Rechtsquellen

  • Text des Europäischen Rechtsanwaltsgesetzes (EuRAG)
  • Richtlinie 98/5/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 1998
  • Richtlinie 77/249/EWG des Rates vom 22. März 1977

Zusammenfassung

Das EuRAG ermöglicht Rechtsdienstleistern aus EU- und EWR-Staaten einen strukturierten Zugang zum deutschen Markt und regelt ausführlich deren Rechte und Pflichten beim Einsatz ihrer Qualifikationen in Deutschland. Es ist ein zentraler Bestandteil der rechtlichen Rahmenbedingungen für die Umsetzung der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs im europäischen Raum. Die praktische und rechtliche Bedeutung des EuRAG erstreckt sich auf viele Lebens- und Wirtschaftsbereiche mit internationalen Verflechtungen und leistet dadurch einen maßgeblichen Beitrag zur Funktionsfähigkeit des europäischen Binnenmarkts im Bereich der rechtsberatenden Berufe.

Häufig gestellte Fragen

In welchen Fällen ist das EuRAG für ausländische Rechtsanwälte anwendbar?

Das Gesetz über die Tätigkeit europäischer Rechtsanwälte in Deutschland (EuRAG) ist immer dann relevant, wenn in Deutschland niedergelassene Rechtsanwälte aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Union (EU), eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) oder der Schweiz eine anwaltliche Tätigkeit in Deutschland ausüben möchten. Im rechtlichen Kontext findet das EuRAG Anwendung, wenn diese Personen eine Zulassung oder temporäre Dienstleistung im Inland anstreben. Die Vorschriften des EuRAG umfassen insbesondere die Voraussetzungen für die Niederlassung als europäischer Rechtsanwalt nach § 3 ff. EuRAG, die Anerkennung der ausländischen Berufsqualifikation sowie die Registrierung bei den örtlichen Rechtsanwaltskammern. Es regelt den Umfang der Tätigkeitsrechte, insbesondere ob Prozessvertretung oder Beratungsleistungen erbracht werden dürfen, und schreibt bestimmte Nachweispflichten sowie Verhaltensregeln entsprechend der deutschen Berufsordnung vor. Darüber hinaus behandelt das EuRAG Fälle der dauerhaften Niederlassung ebenso wie die kurzzeitige grenzüberschreitende Dienstleistung, wobei für jeden Fall spezifische Vorgaben bezüglich Anmeldung, Kooperation mit deutschen Rechtsanwälten und berufsrechtlicher Überwachung bestehen.

Welche Nachweispflichten treffen europäische Rechtsanwälte nach dem EuRAG?

Europäische Rechtsanwälte müssen gemäß EuRAG umfassende Nachweispflichten erfüllen, um im Bundesgebiet tätig werden zu dürfen. Dazu gehört insbesondere der Nachweis der Berechtigung zur Führung der Berufsbezeichnung in ihrem Herkunftsstaat, regelmäßig durch Vorlage eines aktuellen Berufsausweises oder einer offiziellen Bescheinigung der zuständigen Anwaltskammer ihres Herkunftsstaates. Zudem ist bei der Registrierung bei einer deutschen Rechtsanwaltskammer ein Nachweis über eine bestehende Berufshaftpflichtversicherung erforderlich, welche den Anforderungen gemäß § 51 Bundesrechtsanwaltsordnung entspricht. Bei temporären Dienstleistungen ist daneben die Anmeldung der Tätigkeit und gegebenenfalls Nachweis über die Qualifikation für spezifische Tätigkeiten (wie etwa gerichtliche Vertretung) erforderlich. Die Einhaltung dieser Nachweispflichten wird durch die örtlichen Rechtsanwaltskammern überwacht und ihr Fehlen kann zur Ablehnung der Registrierung beziehungsweise zur Untersagung der Berufsausübung führen.

Welche Tätigkeiten dürfen europäische Rechtsanwälte nach dem EuRAG im deutschen Rechtssystem ausüben?

Das EuRAG differenziert zwischen der dauerhaften Niederlassung und der vorübergehenden Dienstleistungserbringung. Bei dauerhafter Niederlassung gewährt das EuRAG nach Registrierung bei der zuständigen Rechtsanwaltskammer das Recht, im selben Umfang wie deutsche Rechtsanwälte in allen Rechtsgebieten tätig zu werden, wobei im gerichtlichen Bereich – insbesondere bei einer Vertretung vor den Bundesgerichten – spezielle Zulassungsvoraussetzungen und Kollaborationspflichten gelten können (Artikel 5 Abs. 3 EuRAG und § 206 BRAO). Vorübergehend tätige ausländische Rechtsanwälte können grenzüberschreitende Dienstleistungen auf deutschem Gebiet anbieten, allerdings besteht hierbei eine Beschränkung hinsichtlich der Verfahrensvertretung vor bestimmten Gerichten und eine Pflicht zur Zusammenarbeit mit einer inländischen Anwaltskanzlei, insbesondere bei strafrechtlichen Verfahren. Das Beratungsspektrum selbst ist grundsätzlich weit gefasst und umfasst sowohl nationales als auch internationales Recht, soweit keine prozessrechtlichen Einschränkungen entgegenstehen.

Welche berufsrechtlichen Pflichten und Aufsichtsfunktionen sind nach dem EuRAG maßgeblich?

Mit der Tätigkeit in Deutschland unterliegen europäische Rechtsanwälte den berufsrechtlichen Pflichten gemäß den deutschen Vorschriften, insbesondere denen der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO), der Berufsordnung für Rechtsanwälte (BORA) und der Fachanwaltsordnung (FAO), soweit diese anwendbar sind. Es besteht eine Pflicht zur Mandatswahrung, Verschwiegenheitspflicht, zum Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen und zur Einhaltung der standesrechtlichen Verpflichtungen. Die Rechtsanwaltskammern vor Ort übernehmen dabei die berufsaufsichtliche Kontrolle und sind befugt, Disziplinarmaßnahmen bei Verstößen zu verhängen. Verstöße können zur Sanktionierung nach deutschem Recht, gegebenenfalls auch zur Anrufung der Standesaufsicht des Herkunftsstaates führen. Zugleich sind europäische Rechtsanwälte weiterhin der Aufsicht ihrer Heimatkammer unterstellt, sodass eine doppelte berufsrechtliche Kontrolle im Rahmen der Berufsausübung erfolgt.

Wie erfolgt die Anerkennung der Berufsqualifikation nach dem EuRAG bei Integration in die deutsche Anwaltschaft?

Das EuRAG sieht für europäische Rechtsanwälte, die dauerhaft in Deutschland tätig werden und später als deutschter Rechtsanwalt zugelassen werden möchten, die Möglichkeit des sogenannten „Eignungsprüfungsverfahrens“ (§ 11 EuRAG) vor. Zu diesem Zweck kann der Antragsteller einen Antrag auf Aufnahme in die Rechtsanwaltschaft nach § 4 EuRAG stellen, sofern er die Voraussetzungen von § 5 EuRAG erfüllt, also insbesondere eine mehrjährige Tätigkeit als niedergelassener europäischer Rechtsanwalt in Deutschland oder eine erfolgreiche Eignungsprüfung nach § 11 EuRAG nachweisen kann. Die Eignungsprüfung prüft, ob der Antragsteller über die für die Ausübung des Berufs in Deutschland notwendigen Kenntnisse des deutschen Rechts verfügt, wobei insbesondere Schwerpunkte wie Zivilrecht, Strafrecht, Verfahrensrecht und Berufsrecht abgefragt werden. Die Durchführung und Bewertung obliegt den Justizprüfungsämtern der Länder. Eine positive Bewertung führt zur vollen Anerkennung und Zulassung als deutscher Rechtsanwalt nach § 4a BRAO.

Welche Einschränkungen bestehen bei der Mandatsübernahme für europäische Rechtsanwälte nach dem EuRAG?

Europäische Rechtsanwälte unterliegen bezüglich der Mandatsübernahme spezifischen Restriktionen. So dürfen sie beispielsweise in Straf- und bestimmten Zivilsachen, insbesondere vor höheren deutschen Gerichten, Mandate nur dann übernehmen, wenn sie mit einem zugelassenen deutschen Rechtsanwalt zusammenarbeiten (§ 28 EuRAG), um die Einhaltung prozessualer Vorschriften und gerade für Verfahrensbeteiligte die ordnungsgemäße Vertretung nach deutschem Recht sicherzustellen. Auch für gerichtliche Vertretungen vor dem Bundesgerichtshof gilt eine Beschränkung, da hier unabhängig von der Herkunft des Rechtsanwalts eine spezielle und persönliche Zulassung erforderlich ist. Unzulässig ist zudem die Mandatsübernahme, wenn der europäische Rechtsanwalt nicht die nach EuRAG erforderlichen Nachweise der Berufsqualifikation oder die Registrierung bei der zuständigen Rechtsanwaltskammer vorweisen kann.

Wie wird das Zusammenwirken mit deutschen Rechtsanwälten im Rahmen des EuRAG geregelt?

Das EuRAG sieht ausdrücklich Regelungen zum kooperativen Zusammenwirken mit deutschen Rechtsanwälten vor, insbesondere bei der Prozessvertretung und in Verfahren, in denen die nationalen Gesetze eine spezifische anwaltliche Qualifikation oder Zulassung voraussetzen. Hierbei ist die Form der Zusammenarbeit nicht zwingend als Gesellschaft oder Partnerschaft vorgeschrieben, sondern kann auch in ad hoc-Kooperationen erfolgen. Ziel ist es, die rechtliche Qualität und die Wohlverhaltensregeln gegenüber dem Mandanten und dem Gericht zu gewährleisten. Der kooperierende deutsche Rechtsanwalt übernimmt in diesen Fällen eine beratende und kontrollierende Funktion zur Sicherstellung der ordnungsgemäßen Anwendung deutschen Rechts und zur Einhaltung der einschlägigen berufs- und standesrechtlichen Anforderungen, gemäß Artikel 5 Abs. 3 EuRAG und § 206 BRAO.

Können das EuRAG betreffende berufsrechtliche Verstöße sanktioniert werden und wie ist das Verfahren gestaltet?

Berufsrechtliche Verstöße europäischer Rechtsanwälte gegen das EuRAG oder einschlägige einschlägige deutsche berufsrechtliche Bestimmungen werden durch die jeweils zuständige deutsche Rechtsanwaltskammer verfolgt. Das Verfahren entspricht weitgehend demjenigen für inländische Rechtsanwälte, das heißt Verstöße können zu Rügen, Geldbußen oder letztlich zum Ausschluss von der anwaltlichen Tätigkeit in Deutschland führen. Daneben ist in bestimmten Fällen auch eine Information oder sogar ein Disziplinarverfahren durch die Heimatkammer im Herkunftsstaat möglich. Die Sanktionierung erfolgt unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und der Rechte des betroffenen Rechtsanwalts, einschließlich Anhörung und Möglichkeit der gerichtlichen Überprüfung. Je nach Schwere der Pflichtverletzung reicht das Sanktionsspektrum von einfachen Verwarnungen bis zum Entzug des Rechts zur Berufsausübung im Bundesgebiet.