EuRAG

Begriff und Zweck des EuRAG

Das EuRAG ist das deutsche Gesetz, das die berufliche Tätigkeit von in anderen europäischen Staaten zugelassenen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten in Deutschland regelt. Es setzt unionsrechtliche Vorgaben zur Niederlassungsfreiheit und zum freien Dienstleistungsverkehr um und schafft verlässliche Rahmenbedingungen für grenzüberschreitende Rechtsberatung. Ziel ist ein Ausgleich zwischen Mobilität innerhalb Europas, funktionsfähiger Rechtspflege und Mandantenschutz.

Kerninhalte in Kürze

  • Zulässigkeit vorübergehender Dienstleistungen in Deutschland unter dem Heimattitel
  • Möglichkeit der dauerhaften Niederlassung in Deutschland mit Registrierung unter dem Heimattitel
  • Integration in die deutsche Anwaltschaft nach definierter Berufspraxis oder über eine Eignungsprüfung
  • Geltung zentraler berufsrechtlicher Pflichten, einschließlich Verschwiegenheit, Unabhängigkeit, Konfliktvermeidung und angemessener Absicherung
  • Koordinierung der Aufsicht zwischen Herkunftsstaat und Deutschland

Persönlicher und sachlicher Anwendungsbereich

Wer ist erfasst?

Erfasst sind Personen, die in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder des Europäischen Wirtschaftsraums zur Ausübung des Anwaltsberufs berechtigt sind und dort eine geschützte Berufsbezeichnung führen. Für die Schweiz gelten aufgrund bilateraler Regelungen besondere Bestimmungen, die in der Praxis vielfach an die Grundsätze des EuRAG anknüpfen.

Welche Tätigkeiten werden geregelt?

Geregelt sind sowohl die vorübergehende, grenzüberschreitende Rechtsberatung in Deutschland als auch die dauerhafte Berufsausübung mit beruflicher Niederlassung im Bundesgebiet. Nicht erfasst sind Tätigkeiten von Angehörigen aus Drittstaaten außerhalb dieser Struktur; hierfür gelten gesonderte Vorschriften.

Tätigkeitsformen nach dem EuRAG

Vorübergehende Dienstleistungen

Bei zeitlich begrenzter Tätigkeit in Deutschland wird die Berufsbezeichnung des Herkunftsstaats geführt. Die Person bleibt primär dem Recht und der Aufsicht des Herkunftsstaats unterstellt, muss jedoch für die konkrete Tätigkeit in Deutschland wesentliche hiesige Berufsregeln beachten. Auf Verlangen ist die Qualifikation nachzuweisen.

Dauerhafte Niederlassung unter Heimattitel

Für eine ständige Berufsausübung in Deutschland sieht das EuRAG eine Registrierung bei der zuständigen berufsständischen Stelle vor. Nach Eintragung wird die Tätigkeit dauerhaft unter der Berufsbezeichnung des Herkunftsstaats ausgeübt. Damit sind Rechte zur Mandatsbearbeitung in Deutschland verbunden; gleichzeitig gelten die hiesigen Kernpflichten der Anwaltschaft.

Integration in die deutsche Anwaltschaft

Nach mehrjähriger, effektiver und regelmäßiger Berufsausübung in Deutschland, die sich in nennenswertem Umfang auf deutsches Recht erstreckt, besteht die Möglichkeit, in die deutsche Anwaltschaft aufgenommen zu werden. Alternativ kann eine Integration auch über eine Eignungsprüfung erfolgen, die die Befähigung zur Praxis nach deutschem Recht feststellt.

Berufsrechtliche Einbindung

Doppelte Berufsbindung

Europäische Anwältinnen und Anwälte unterliegen bei Tätigkeit in Deutschland sowohl dem Berufsrecht ihres Herkunftsstaats als auch den maßgeblichen hiesigen Berufsregeln. Soweit es um die Ausübung im Bundesgebiet geht, haben die zwingenden deutschen Anforderungen Vorrang, insbesondere zu Unabhängigkeit, Verschwiegenheit, Interessenkollisionen, Umgang mit Fremdgeldern und Werbung.

Berufshaftpflicht und Mandantenschutz

Zum Schutz der Mandantschaft ist eine angemessene berufliche Haftpflichtabsicherung erforderlich. Eine im Herkunftsstaat bestehende Absicherung kann ausreichen, sofern Umfang und Deckung den hiesigen Anforderungen entsprechen. Maßgeblich ist, dass Risiken aus der Tätigkeit in Deutschland wirksam abgedeckt sind.

Auftreten vor Gerichten und Behörden

Die Vertretung vor deutschen Gerichten ist im Grundsatz möglich. Für bestimmte Gerichte mit besonderen Zulassungsanforderungen gelten zusätzliche Voraussetzungen. In einzelnen Verfahrensarten kann eine Zusammenarbeit mit einer in Deutschland zugelassenen Prozessvertretung erforderlich sein. Die einschlägigen Verfahrensordnungen und berufsrechtlichen Vorgaben sind zu beachten.

Berufsbezeichnung und Außendarstellung

Die Berufsbezeichnung ist in der Sprache des Herkunftsstaats zu führen. Ergänzend sind Herkunftsstaat und dortige Zulassungsinstanz kenntlich zu machen. Eine Führung der deutschen Berufsbezeichnung ist erst nach Integration in die deutsche Anwaltschaft zulässig. Angaben nach außen müssen klar und nicht irreführend sein.

Kooperationen, Sozietäten und Anstellungsverhältnisse

Europäische Anwältinnen und Anwälte können sich mit in Deutschland tätigen Berufsträgern verbinden, etwa in gemeinschaftlichen Berufsausübungsformen oder im Angestelltenverhältnis. Dabei gelten die in Deutschland vorgesehenen Struktur- und Transparenzanforderungen, insbesondere zur Unabhängigkeit, Verschwiegenheit und zum Umgang mit Interessenkonflikten. Multidisziplinäre Zusammenschlüsse sind nur im Rahmen der zulässigen berufsrechtlichen Vorgaben möglich.

Aufsicht und Zusammenarbeit der Stellen

Die Aufsicht über die in Deutschland tätige Person erfolgt in koordinierter Weise durch die zuständigen Stellen im Herkunftsstaat und im Bundesgebiet. Diese arbeiten bei Anfragen, Auskünften und Maßnahmen zusammen. Bei Verstößen kommen abgestufte berufsrechtliche Reaktionen in Betracht. Ziel ist eine kohärente Anwendung der Regeln und ein effektiver Schutz der Rechtsuchenden.

Verhältnis zum Unionsrecht

Das EuRAG setzt unionsrechtliche Vorgaben zur Freizügigkeit der Berufsausübung um. Es verbindet die Möglichkeit, unter Heimattitel tätig zu werden, mit der Option einer späteren vollständigen Integration. Zugleich wird gewährleistet, dass die in Deutschland geltenden Anforderungen an eine ordnungsgemäße Rechtsberatung eingehalten werden.

Abgrenzungen

Gegenüber dem allgemeinen Berufsrecht

Das EuRAG ergänzt das allgemeine Berufsrecht der Anwaltschaft in Deutschland um spezielle Regeln für europäische Herkunft. Nach einer Integration gelten ausschließlich die Vorschriften des allgemeinen Berufsrechts.

Gegenüber Drittstaaten

Angehörige von Staaten außerhalb von EU und EWR fallen nicht unter das EuRAG. Deren Tätigkeiten richten sich nach gesonderten nationalen Bestimmungen und gegebenenfalls völkerrechtlichen Vereinbarungen.

Bedeutung in der Praxis

Das EuRAG erleichtert grenzüberschreitende Rechtsberatung, indem es Verfahren, Rechte und Pflichten klar strukturiert. Für Mandantinnen und Mandanten schafft es Transparenz über Qualifikation, Titelführung und Verantwortlichkeiten. Für die berufliche Mobilität innerhalb Europas ist es ein zentrales Regelwerk.

Häufig gestellte Fragen (FAQ) zum EuRAG

Was ist der grundlegende Zweck des EuRAG?

Es ermöglicht europäischen Anwältinnen und Anwälten, in Deutschland rechtlich abgesichert tätig zu sein, und verbindet Freizügigkeit mit verbindlichen Schutzstandards für Rechtsuchende und Verfahren.

Wer fällt unter den persönlichen Anwendungsbereich?

Erfasst sind Personen mit Zulassung zum Anwaltsberuf in einem Staat der EU oder des EWR. Für die Schweiz bestehen Sonderregelungen mit inhaltlicher Nähe zu den EuRAG-Grundsätzen.

Dürfen europäische Anwältinnen und Anwälte in Deutschland vorübergehend beraten?

Ja, eine zeitweilige grenzüberschreitende Tätigkeit ist vorgesehen. Sie erfolgt unter der Berufsbezeichnung des Herkunftsstaats und unter Beachtung der maßgeblichen hiesigen Berufsregeln.

Wie funktioniert die dauerhafte Niederlassung?

Sie setzt eine Registrierung bei der zuständigen berufsständischen Stelle in Deutschland voraus. Anschließend wird dauerhaft unter dem Heimattitel gearbeitet; Rechte und Pflichten entsprechen den hiesigen Vorgaben für die Berufsausübung.

Wann ist die Führung der deutschen Berufsbezeichnung zulässig?

Erst nach Integration in die deutsche Anwaltschaft. Diese kann nach mehrjähriger einschlägiger Praxis in Deutschland oder über eine Eignungsprüfung erfolgen.

Welche Regeln gelten für den Auftritt vor Gerichten?

Die Vertretung ist möglich; in bestimmten Instanzen mit besonderen Zulassungserfordernissen gelten zusätzliche Voraussetzungen. Verfahrensrechtliche Vorgaben sind maßgeblich.

Welche Berufsregeln sind zu beachten?

Es gilt eine doppelte Bindung: das Berufsrecht des Herkunftsstaats und die zwingenden deutschen Kernpflichten, insbesondere zu Unabhängigkeit, Verschwiegenheit, Konflikten, Werbung und Absicherung.

Wie ist die Aufsicht organisiert?

Die zuständigen Stellen in Deutschland und im Herkunftsstaat kooperieren. Sie tauschen Informationen aus und koordinieren Maßnahmen bei Verstößen, um Mandantenschutz und geordnete Berufsausübung zu gewährleisten.