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EU-Führerschein


Definition und rechtlicher Rahmen des EU-Führerscheins

Der Begriff EU-Führerschein bezeichnet einen Führerschein, der auf Grundlage der Richtlinien der Europäischen Union ausgestellt wird und dessen Inhaber berechtigt, innerhalb aller Mitgliedstaaten der EU Kraftfahrzeuge der darin eingetragenen Klassen zu führen. Ziel der unionsrechtlichen Regelungen ist die gegenseitige Anerkennung der Führerscheine der Mitgliedstaaten, um die Mobilität innerhalb der Europäischen Union zu erleichtern und einheitliche Standards bei der Fahrausbildung sowie den Prüfungsanforderungen zu gewährleisten.

Entwicklung und Harmonisierung des EU-Führerscheinrechts

Entstehungsgeschichte und EU-Rechtsgrundlagen

Die Entwicklung einer einheitlichen Regelung zum Führerschein innerhalb der EU begann mit der Erste Führerscheinrichtlinie 80/1263/EWG vom 4. Dezember 1980, welche erstmals die gegenseitige Anerkennung von Führerscheinen im Binnenmarkt regelte. Wesentliche Vorschriften wurden mit der Richtlinie 91/439/EWG eingeführt, insbesondere im Hinblick auf Mindestanforderungen an das Erteilen von Fahrerlaubnissen. Die entscheidende Weiterentwicklung erfolgte mit der Richtlinie 2006/126/EG (Dritte EU-Führerscheinrichtlinie), die ab dem 19. Januar 2013 ein vereinheitlichtes EU-Führerscheindokument sowie neue Regelungen zu den Fahrerlaubnisklassen und Prüfungsverfahren festschrieb.

Rechtsgrundlagen im Überblick

  • Richtlinie 80/1263/EWG: Grundlegende Vorgaben zur gegenseitigen Anerkennung.
  • Richtlinie 91/439/EWG: Definition von Fahrerlaubnisklassen, Mindeststandards Fahrausbildung.
  • Richtlinie 2006/126/EG: Einführung des einheitlichen EU-Kartenführerscheins, Erweiterung der Klassen und Harmonisierung der Gültigkeitsdauer.

Umsetzung in nationales Recht

Die EU-Mitgliedstaaten sind verpflichtet, die Vorgaben der jeweiligen EU-Führerscheinrichtlinien in das innerstaatliche Recht zu implementieren. In Deutschland erfolgt dies insbesondere durch das Straßenverkehrsgesetz (StVG) und die Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV).

Merkmale des EU-Führerscheins

Vereinheitlichung des Führerscheindokuments

Der EU-Führerschein wird als Scheckkartenformat ausgegeben und enthält ein einheitliches Design mit europaweit harmonisierten Sicherheitsmerkmalen. Jeder EU-Führerschein ist mit einem Foto, den persönlichen Daten des Inhabers, Angaben zu erteilten Fahrerlaubnisklassen sowie Ablaufdaten versehen. Die gegenseitige Anerkennung ist Grundsatz, sodass ein innerhalb eines EU-Mitgliedstaats erworbener Führerschein grundsätzlich in allen anderen Mitgliedstaaten gültig ist.

Fahrerlaubnisklassen

Die EU-Führerscheinrichtlinie definiert verschiedene Fahrerlaubnisklassen (A, B, C, D sowie deren Unterklassen und Anhängerklassen), wobei jedes Land verpflichtet ist, diese Klassenstruktur zu übernehmen. Die Übertragung der nationalen Führerscheinklassen in das EU-System erfolgt gemäß den jeweiligen gesetzlichen Übergangsregelungen.

Gültigkeitsdauer und Erneuerung

Seit 19. Januar 2013 ausgestellte EU-Führerscheine sind befristet, in der Regel auf 15 Jahre für Pkw- und Motorradklassen, sowie auf 5 Jahre für Lkw- und Busklassen. Nach Ablauf der Gültigkeitsdauer ist eine erneute Ausstellung erforderlich. Der Austausch betrifft lediglich das Dokument, nicht jedoch die zugrundeliegende Fahrerlaubnis, sofern keine Fahrerlaubnisentziehung erfolgt.

Anerkennung und Umschreibung von EU-Führerscheinen

Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung

Gemäß Artikel 2 der Richtlinie 2006/126/EG erkennen die Mitgliedstaaten alle von anderen Mitgliedstaaten ordnungsgemäß ausgestellten Führerscheine an. Dies ermöglicht es, dass Einwohner eines Mitgliedstaats mit einem in einem anderen EU-Land ausgestellten Führerschein Kraftfahrzeuge führen dürfen, sofern keine rechtlichen Einschränkungen bestehen.

Umschreibung und Ersatzausstellung

In besonderen Fällen (z. B. Verlust oder Diebstahl des Dokuments, Wohnsitznahme in einem anderen EU-Staat) kann eine Umschreibung oder Neuausstellung gemäß den Vorgaben des neuen Wohnsitzstaates beantragt werden. Dabei wird geprüft, ob die Führerscheindaten im Ausstellungsstaat weiterhin gültig sind.

Wohnsitzprinzip

Beim Erwerb eines EU-Führerscheins ist entscheidend, dass sich der Hauptwohnsitz („gewöhnlicher Aufenthalt“) zum Zeitpunkt der Ausstellung im Ausstellungsstaat befindet (sog. Wohnsitzprinzip, Art. 7 der Richtlinie 2006/126/EG). Dies soll einen „Führerscheintourismus“ verhindern. Der gewöhnliche Aufenthalt ist in der Regel dort, wo eine Person während mindestens 185 Tage im Jahr lebt.

EU-Führerschein und nationale Entziehung der Fahrerlaubnis

Sperrwirkung und Anerkennungsdurchbrechung

Die Mitgliedstaaten können einem Inhaber eines EU-Führerscheins das Recht aberkennen, auf ihrem Territorium Kraftfahrzeuge zu führen, wenn die Fahrerlaubnis durch nationale Gerichte entzogen wurde. Diese Einschränkung gilt jedoch nur innerhalb des jeweiligen Mitgliedstaats und berührt die Gültigkeit des Führerscheins in anderen EU-Ländern grundsätzlich nicht. Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) stellt klar, dass die Anerkennung nur verweigert werden kann, wenn nachweislich eine Führerscheinsperre aus dem Ausstellungsstaat übernommen wurde und der Betroffene die Voraussetzungen zum Erwerb nicht erfüllt.

Rechtliche Probleme bei Erwerb nach Entzug

Von besonderer Relevanz ist die Problematik des Führerschein-„Tourismus“. Wenn eine Person nach Entzug der Fahrerlaubnis in einem anderen EU-Mitgliedstaat einen Führerschein erwirbt, muss dieser grundsätzlich anerkannt werden, sofern die Voraussetzungen der Richtlinie vorliegen und kein Wohnsitzverstoß vorliegt. Nationale Behörden prüfen daher im Umschreibungsfall oder bei Polizeikontrollen regelmäßig die Rechtmäßigkeit des Erwerbs und den Wohnsitz während der Ausstellung.

Besonderheiten: Führerscheine aus EWR- und Drittstaaten

Zusätzlich zu den Mitgliedstaaten der EU fallen auch die EWR-Staaten (Island, Liechtenstein, Norwegen) unter das Anerkennungsregime der EU-Führerscheinrichtlinie. Führerscheine aus Drittstaaten können hingegen nur nach Umschreibung und ggf. erneuter Fahrprüfung anerkannt werden.

Umtauschpflichten und Gültigkeitsfristen alter Führerscheine

Alt-Führerscheine

Führerscheine, die vor dem 19. Januar 2013 ausgestellt wurden (Papierdokumente und ältere Kartenführerscheine), müssen gemäß den gestaffelten Umtauschfristen der EU bis spätestens 2033 gegen den neuen EU-Scheckkartenführerschein umgetauscht werden. Die Fristen richten sich nach dem Geburtsjahr des Inhabers beziehungsweise dem Ausstellungsjahr.

Datenschutz und Verwaltung

Führerscheindatenregister

Die Mitgliedstaaten sind verpflichtet, nationale Fahrerlaubnisregister zu führen und relevante Daten mit anderen Mitgliedstaaten zu teilen, um Mehrfachausstellungen und Missbrauch zu verhindern. Die Verwaltung erfolgt unter Beachtung der Datenschutzvorschriften, insbesondere der Verordnung (EU) 2016/679 (Datenschutz-Grundverordnung).

Zusammenfassung

Der EU-Führerschein stellt ein standardisiertes, unionsrechtlich geregeltes Führerscheindokument dar, das auf gegenseitiger Anerkennung und harmonisierten Ausbildungs- sowie Prüfungsstandards innerhalb der EU basiert. Die rechtlichen Grundlagen sind primär in den EU-Führerscheinrichtlinien und deren Umsetzung im nationalen Recht verankert. Seine Einführung und stete Weiterentwicklung tragen maßgeblich zur Verkehrssicherheit und Freizügigkeit in Europa bei. Die zentrale Bedeutung rechtlicher Vorgaben – insbesondere zum Wohnsitzprinzip und zur gegenseitigen Anerkennung – sichert ein hohes Maß an Rechtssicherheit für die Inhaber und die zuständigen Behörden.

Häufig gestellte Fragen

Wird ein im EU-Ausland ausgestellter Führerschein in Deutschland anerkannt?

Ein in einem EU-Mitgliedstaat ausgestellter Führerschein wird grundsätzlich in Deutschland anerkannt, sofern die Ausstellung im Einklang mit der EU-Führerscheinrichtlinie (Richtlinie 2006/126/EG) erfolgte. Die rechtliche Grundlage für die Anerkennung bildet § 28 der Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV). Vorausgesetzt, der Inhaber hat seinen ordentlichen Wohnsitz zum Zeitpunkt der Ausstellung mindestens 185 Tage im Ausstellerstaat gehabt (Wohnsitzprinzip), ist die Fahrerlaubnis in Deutschland gültig. Ein anerkanntes Führerscheindokument berechtigt den Inhaber, Fahrzeuge der eingetragenen Klassen zu führen, ohne eine Umschreibung vornehmen zu müssen. Ausnahmen gelten, wenn gegen die betreffende Person eine fahrerlaubnisrechtliche Sperre in Deutschland verhängt wurde, etwa durch ein Fahrverbot oder die Entziehung der Fahrerlaubnis. Weiterhin kann die Anerkennung versagt werden, wenn der Führerschein unter Umgehung bestehender Vorschriften erworben wurde, insbesondere wenn der Wohnsitzerfordernis nicht eingehalten wurde („Führerscheintourismus“). In diesen Fällen kann die deutsche Behörde die Anerkennung ablehnen oder den Führerschein im Inland für ungültig erklären.

Welche Rechte verleiht ein EU-Führerschein im Vergleich zu einer deutschen Fahrerlaubnis?

Ein gültiger EU-Führerschein verleiht dem Inhaber das Recht, alle in der Fahrerlaubnis dokumentierten Kraftfahrzeuge innerhalb der gesamten Europäischen Union sowie des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) zu führen, gleichgestellt mit einer nationalen Fahrerlaubnis. Dies betrifft sowohl den privaten wie auch den beruflichen Kontext. Die Klassen und Unterklassen der EU-Führerscheine sind harmonisiert, sodass eine direkte Vergleichbarkeit zwischen den Mitgliedstaaten besteht. Die Nutzung ist jedoch an die im Ausstellungsland festgelegten Auflagen gebunden (wie etwa die Pflicht zum Tragen einer Sehhilfe). Eine Umschreibung des Führerscheins in eine deutsche Fahrerlaubnis ist nicht erforderlich, solange der Führerschein gültig ist und die Person nicht dauerhaft ihren Wohnsitz nach Deutschland verlegt (dann muss die Umschreibung innerhalb von sechs Monaten erfolgen, falls der Führerschein verloren geht oder abläuft). Berufskraftfahrer müssen im Rahmen der Berufskraftfahrer-Qualifikationsrichtlinie eventuell zusätzliche Nachweise erbringen.

Welche Einschränkungen können bei der Nutzung eines EU-Führerscheins in Deutschland auftreten?

Obwohl ein EU-Führerschein in Deutschland grundsätzlich anerkannt wird, gibt es Ausnahmen und Einschränkungen. Bestehen spezifische Auflagen oder Beschränkungen, die im Führerschein eingetragen sind (zum Beispiel Automatikbindung, Sehhilfenpflicht), müssen diese auch in Deutschland eingehalten werden. Wurde die Fahrerlaubnis in einem anderen EU-Land nach einer in Deutschland verhängten Sperrfrist neu erworben, kann ihre Nutzung im Bundesgebiet nach § 28 FeV untersagt sein. Auch bei Missachtung des Wohnsitzprinzips kann die Fahrerlaubnis in Deutschland für nichtig erklärt werden. Personen ohne Wohnsitz im Ausstellerstaat beziehungsweise mit einer im Ausland während einer deutschen Sperrfrist erworbenen Fahrerlaubnis droht zudem ein Strafverfahren wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis (§ 21 StVG).

Wie ist die Rechtslage bei Entzug einer deutschen Fahrerlaubnis und anschließender Ausstellung eines EU-Führerscheins im Ausland?

Nach einem Entzug der Fahrerlaubnis in Deutschland gilt gemäß § 28 Abs. 4 FeV eine Sperre für das Führen von Kraftfahrzeugen im Bundesgebiet. Auch wenn eine neue Fahrerlaubnis in einem anderen EU-Staat erworben und ein entsprechend gültiger Führerschein ausgestellt wird, besteht die deutsche Sperrwirkung weiterhin, solange die Sperrfrist nicht abgelaufen oder die Wiedererteilung nicht ausdrücklich von der zuständigen Behörde genehmigt wurde. Ein im Ausland erworbener EU-Führerschein berechtigt daher nicht automatisch zum Fahren in Deutschland, wenn die rechtlichen Voraussetzungen (z.B. Sperrfrist) nicht erfüllt sind. Dies wurde durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs nur insoweit eingeschränkt, dass unter gewissen Umständen – etwa bei klarer Einhaltung des Wohnsitzprinzips und Ablauf der Sperrfrist – eine Anerkennung erfolgen kann. Hier bedarf es einer sorgfältigen Einzelfallprüfung.

Muss ein EU-Führerschein nach dauerhafter Wohnsitznahme in Deutschland umgeschrieben werden?

Ein Führerschein aus einem EU-Mitgliedstaat muss nicht zwingend umgeschrieben werden, solange er gültig ist. Nach EU-Recht darf der Inhaber seinen EU-Führerschein bis zum Ablauf der Gültigkeitsdauer im neuen Wohnsitzland nutzen. Nach Ablauf dieser Frist, bei Verlust oder Beschädigung sowie bei beabsichtigter Erweiterung der Fahrerlaubnis, muss die Umschreibung in einen deutschen Führerschein erfolgen. Besondere Vorschriften betreffen Fahrerlaubnisse, die nur zeitlich befristet ausgestellt wurden oder deren Gültigkeit sich anderen als den EU-Standards unterliegt. Die Umschreibung erfolgt in der Regel unter Vorlage des ausländischen Führerscheins, eines Identitätsnachweises sowie eines Nachweises über den ordentlichen Wohnsitz.

Welche rechtlichen Folgen drohen bei Verstößen gegen das Wohnsitzprinzip bei EU-Führerscheinen?

Verstöße gegen das Wohnsitzprinzip – also die rechtswidrige Erlangung eines Führerscheins ohne tatsächlichen Aufenthalt im Ausstellerstaat – führen dazu, dass die deutsche Behörde die Anerkennung des EU-Führerscheins verweigern oder widerrufen kann. Eine Nutzung im deutschen Straßenverkehr wäre in diesem Fall nicht zulässig und kann als Fahren ohne Fahrerlaubnis geahndet werden. Hierbei ist insbesondere die Beweislast zu beachten: Die Behörden müssen nachweislich belegen, dass das Wohnsitzerfordernis nicht eingehalten wurde. Der Europäische Gerichtshof hat jedoch betont, dass ein „offenkundiger Verstoß“ vorliegen muss, um die Anerkennung verweigern zu können. Die Mitwirkung an der Aufklärung des Sachverhalts, beispielsweise durch Vorlage von Meldebescheinigungen oder Mietverträgen, kann zur Klärung beitragen.

Kann die deutsche Fahrerlaubnisbehörde Auflagen nachträglich für einen EU-Führerschein verfügen?

Die deutschen Behörden sind nicht befugt, nachträglich eigenständige nationale Auflagen für einen gültigen EU-Führerschein zu verfügen, die über die im Ausstellerstaat festgelegten Bedingungen hinausgehen. Es gilt das Prinzip der gegenseitigen Anerkennung der Fahrerlaubnisse innerhalb der EU. Nur bei konkreten Anhaltspunkten für eine gesundheitliche Einschränkung oder einen Missbrauchstatbestand kann die zuständige Fahrerlaubnisbehörde die Überprüfung der Fahreignung anordnen. Ein Entzug oder eine Beschränkung kann dann jedoch lediglich aufgrund eines aktuellen Gutachtens und unter Berücksichtigung der unionsrechtlichen Vorgaben erfolgen. Eine nachträgliche Pflicht, beispielsweise zu medizinischen Kontrolluntersuchungen, kann somit erst nach Durchführung eines entsprechenden Verfahrens begründet werden.