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Erzwingungsstrafe


Begriff und Rechtsgrundlagen der Erzwingungsstrafe

Die Erzwingungsstrafe ist ein rechtliches Zwangsmittel, das insbesondere im deutschen Verwaltungs- und Ordnungswidrigkeitenrecht Anwendung findet. Sie dient dazu, die Durchführung einer gerichtlich oder behördlich angeordneten Handlung, Duldung oder Unterlassung durchzusetzen, wenn der Betroffene seinen Verpflichtungen nicht freiwillig nachkommt. Die Erzwingungsstrafe zeichnet sich dadurch aus, dass sie im Gegensatz zur reinen Geldstrafe oder Freiheitsstrafe nicht dem Zweck der Bestrafung dient, sondern primär der Durchsetzung von Obliegenheiten oder Pflichten.

Gesetzliche Grundlagen

Zentrale gesetzliche Grundlagen für die Erzwingungsstrafe sind:

  • § 96 Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG) für die Erzwingung der Zahlung von Geldbußen
  • § 888 und § 890 der Zivilprozessordnung (ZPO) für die Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen mit Handlungs-, Duldungs- oder Unterlassungsverpflichtungen
  • Landesverwaltungsvollstreckungsgesetze (VwVG der Länder) für Maßnahmen der Verwaltungsvollstreckung

Im Folgenden werden die Anwendungsbereiche, Voraussetzungen, das Verfahren sowie die Rechtsfolgen der Erzwingungsstrafe detailliert dargestellt.

Anwendungsbereiche der Erzwingungsstrafe

Ordnungswidrigkeitenrecht

Im Rahmen des Ordnungswidrigkeitenrechts kommt die Erzwingungsstrafe hauptsächlich zur Anwendung, wenn rechtskräftig festgesetzte Geldbußen nicht freiwillig gezahlt werden. Nach § 96 OWiG kann für jede uneinbringliche Geldbuße eine Erzwingungshaft angeordnet werden.

Zivilprozessrecht

Zivilprozessual sieht § 888 ZPO für unvertretbare Handlungen eine Erzwingungsstrafe (Zwangsgeld mit möglicher Zwangshaft) zur Durchsetzung von Verpflichtungen vor, beispielsweise zur Herausgabe einer Sache oder zur Vornahme einer Handlung, die nur durch die verpflichtete Partei persönlich verrichtet werden kann. Auch § 890 ZPO regelt die Erzwingung bei Unterlassungs- und Duldungsansprüchen im Wege von Ordnungsgeld oder Ordnungshaft.

Verwaltungsrecht

Im Verwaltungsrecht sind Erzwingungsstrafen etwa nach den Landesverwaltungsvollstreckungsgesetzen möglich, wenn ein Verwaltungsakt, mit dem eine Handlung, Duldung oder Unterlassung verlangt wird, nicht befolgt wird. Die Durchsetzung erfolgt hier häufig durch Zwangsgeld oder Zwangshaft (Beugehaft).

Voraussetzungen der Erzwingungsstrafe

Rechtmäßigkeit und Bestandskraft der Grundverfügung

Voraussetzung für die Anordnung einer Erzwingungsstrafe ist stets, dass die zugrunde liegende Verpflichtung – etwa der Bußgeldbescheid, das Gerichtsurteil oder der Verwaltungsakt – rechtsverbindlich und vollstreckbar ist. Ferner darf der Verpflichtete die ihm auferlegte Handlung, Duldung oder Unterlassung nicht freiwillig erfüllt haben.

Subsidiarität

Die Erzwingungsstrafe darf meist nur dann angeordnet werden, wenn mildere Zwangsmittel (z. B. Mahnungen, Vollstreckungsmaßnahmen) ohne Erfolg geblieben sind oder offensichtlich nicht ausreichen werden.

Persönliche Zumutbarkeit und Verschulden

Im Bereich der Zivilprozessordnung und des OWiG wird zusätzlich geprüft, ob die Nichterfüllung auf Umständen beruht, die der Verpflichtete nicht zu vertreten hat (z. B. Unvermögen, Krankheit). Die Anordnung der Erzwingungsstrafe ist daher dann ausgeschlossen, wenn die Pflichterfüllung objektiv unmöglich oder unzumutbar ist.

Verfahren der Erzwingungsstrafe

Zuständige Behörden und Gerichte

Die Zuständigkeit zur Anordnung und Vollstreckung der Erzwingungsstrafe richtet sich nach der Art des zugrunde liegenden Anspruchs:

  • Im Ordnungswidrigkeitenrecht ist es in der Regel das Amtsgericht (§ 96 Abs. 2 OWiG).
  • Im Zivilprozess sind die Vollstreckungsgerichte zuständig.
  • Im Verwaltungsrecht sind regelmäßig die Vollstreckungsbehörden oder örtlichen Verwaltungsgerichte zuständig.

Anhörung und Entscheidung

Vor der Anordnung einer Erzwingungsstrafe ist der Betroffene regelmäßig anzuhören. Die Entscheidung wird dem Verpflichteten schriftlich und mit einer Begründung bekanntgegeben. Innerhalb bestimmter Fristen ist gegen die Anordnung auch ein Rechtsmittel (z. B. Beschwerde, Erinnerung) möglich.

Arten und Rechtsfolgen der Erzwingungsstrafe

Erzwingungshaft nach OWiG

Wird anhand § 96 OWiG eine Erzwingungshaft angeordnet, so kann sie maximal sechs Wochen für eine Geldbuße und maximal drei Monate insgesamt für alle Geldbußen gegen den Betroffenen nicht überschreiten. Die Haft soll so lange andauern, bis die Geldbuße gezahlt wird oder der Höchstzeitraum erreicht ist.

Ordnungsgeld und Ordnungshaft im Zivilrecht

Im Rahmen der § 888, 890 ZPO wird zumeist zunächst ein Ordnungsgeld verhängt. Wird dieses nicht bezahlt oder die Handlung weiterhin nicht vorgenommen, kann als letzte Maßnahme auch Ordnungshaft angeordnet werden. Diese Maßnahmen können mehrfach wiederholt und in ihrer Höhe bzw. Dauer gesteigert werden, um die Pflichterfüllung zu erreichen.

Zwangsgeld und Zwangshaft im Verwaltungsrecht

Im Verwaltungsrecht ist die Erzwingungsstrafe meist als Zwangsgeld ausgestaltet, bei weiterer Verweigerung kann als ultima ratio Beugehaft (Zwangshaft) eintreten. Die Haft dient nicht der Straffung, sondern der Durchsetzung der Verwaltungsverfügung und endet mit deren Erfüllung oder Ablauf der höchstens zulässigen Dauer.

Grenzen und Schutzmechanismen

Persönliche Unzumutbarkeit

Die Erzwingungsstrafe darf nicht verhängt werden, wenn die Erfüllung der Verpflichtung dem Betroffenen unmöglich oder objektiv unzumutbar ist.

Doppelbestrafungsverbot

Eine Erzwingungsstrafe darf nicht dazu führen, dass für denselben Sachverhalt mehrfach sanktioniert wird. Die Erzwingungsmaßnahme erfolgt ausschließlich zur Pflichterfüllung, nicht zur Bestrafung.

Grundrechtsschutz

Die Anordnung von Erzwingungsstrafen muss immer im Lichte der Grundrechte, namentlich der Menschenwürde und der Verhältnismäßigkeit, betrachtet werden. Insbesondere Freiheitsentziehungen unterliegen strengen rechtsstaatlichen Anforderungen und richterlicher Kontrolle.

Beendigung und Aufhebung der Erzwingungsstrafe

Die Erzwingungsstrafe endet regelmäßig mit der Erfüllung der Verpflichtung oder spätestens nach Ablauf der gesetzlich zulässigen Höchstdauer. Außerdem kann die Anordnung aufgehoben werden, wenn sich im Nachhinein ergibt, dass Voraussetzungen nicht vorlagen oder weggefallen sind.

Fazit

Die Erzwingungsstrafe stellt ein essentielles Instrument zur Durchsetzung von rechtlichen Verpflichtungen dar. Sie dient nicht der Bestrafung, sondern ausschließlich der Herstellung rechtskonformen Verhaltens. Ihre Anwendung ist gesetzlich klar geregelt und an enge materielle und verfahrensrechtliche Voraussetzungen geknüpft. Damit symbolisiert sie einen ausgewogenen Ausgleich zwischen dem Vollzugsinteresse des Staates und dem Schutz individueller Rechte.

Häufig gestellte Fragen

Welche Voraussetzungen müssen für die Verhängung einer Erzwingungsstrafe vorliegen?

Damit eine Erzwingungsstrafe verhängt werden kann, müssen bestimmte rechtliche Voraussetzungen erfüllt sein. Zunächst muss eine vollstreckbare Verpflichtung zur Vornahme einer Handlung, Duldung oder Unterlassung bestehen, die auf einem Verwaltungsakt oder einem gerichtlichen Urteil beruht. Die Verpflichtung muss eindeutig, hinreichend bestimmt und dem Adressaten bekanntgegeben worden sein. Entscheidend ist weiterhin, dass der Verpflichtete die angeordnete Handlung trotz Aufforderung innerhalb einer gesetzten Frist nicht, nicht vollständig oder nicht ordnungsgemäß erfüllt hat und die Zwangsgeldandrohung keinen Erfolg hatte oder offensichtlich kein Erfolg verspricht (Subsidiaritätsprinzip der Erzwingungsstrafe). Zudem muss dem Betroffenen vor der Verhängung der Erzwingungsstrafe rechtliches Gehör gewährt werden, was bedeutet, dass ihm Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben werden muss. Die zu vollstreckende Verpflichtung darf auch nicht auf eine unvertretbare Handlung gerichtet sein; bei vertretbaren Handlungen ist die Ersatzvornahme vorrangig. Schließlich dürfen keine persönlichen oder tatsächlichen Hindernisse vorliegen, welche die Erfüllung der Verpflichtung unmöglich machen.

Wer ist für die Anordnung und Durchführung der Erzwingungsstrafe zuständig?

Die Zuständigkeit für die Anordnung und Durchführung der Erzwingungsstrafe richtet sich nach der jeweiligen Rechtsmaterie und dem zugrunde liegenden gesetzlichen Regelwerk. In verwaltungsrechtlichen Angelegenheiten entscheiden in der Regel die zuständigen Verwaltungsbehörden, wie etwa die Ordnungsbehörden, Bauämter oder Sozialämter, je nach Sachbereich. Grundlage für die Erzwingungsstrafe ist meist das Verwaltungsvollstreckungsgesetz (VwVG) des Bundes oder das jeweils einschlägige Landesverwaltungsvollstreckungsgesetz. Im gerichtlichen Bereich kann – etwa im Zivilprozess etwa nach § 888 ZPO – das zuständige Vollstreckungsgericht die Erzwingungsstrafe anordnen und durchführen. Die eigentliche Vollstreckung, etwa die Festsetzung von Haft, erfolgt dann über die Justizvollzugsbehörden. Die Einhaltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes sowie die Überwachung der Erfüllungspflicht obliegen der vollstreckenden Behörde bzw. dem Gericht.

In welcher Form wird die Erzwingungsstrafe festgesetzt und wie erfolgt die Rechtsmittelbelehrung?

Die Festsetzung der Erzwingungsstrafe erfolgt stets durch einen eigenständigen, förmlichen Verwaltungsakt oder einen entsprechenden Gerichtsbeschluss. Dieser muss die zu erfüllende Verpflichtung, die Gründe für die Strafverhängung, die Höhe und Art der Strafe sowie einen Hinweis auf das Recht des Betroffenen zur Anhörung umfassend enthalten. Ferner muss über die zulässigen Rechtsmittel belehrt werden, d.h., es ist anzugeben, wie und binnen welcher Frist gegen die Entscheidung Einspruch oder Widerspruch eingelegt bzw. Beschwerde erhoben werden kann. Die genaue Ausgestaltung der Rechtsmittel und der Fristen richtet sich nach der jeweils einschlägigen Rechtsordnung, etwa Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), Zivilprozessordnung (ZPO) oder speziellen Verwaltungsvollstreckungsgesetzen der Länder.

Welche Rechtsfolgen können sich aus der Verhängung einer Erzwingungsstrafe ergeben?

Die Verhängung einer Erzwingungsstrafe hat mehrere rechtliche Folgen für den Betroffenen. Primär dient sie als Druckmittel zur Erzwingung einer bestimmten Handlung oder Unterlassung und ist keine strafrechtliche Sanktion, sondern ein Verwaltungs- bzw. vollstreckungsrechtliches Mittel. Sollte der Verpflichtete trotz Verhängung der Strafe weiterhin nicht leisten, kann die Strafe mehrfach und wiederholt festgesetzt werden, solange der Zwangszweck nicht erreicht ist. Darüber hinaus kann die Erzwingungsstrafe je nach Sachverhalt auch eine Freiheitsentziehung beinhalten, sofern dies gesetzlich vorgesehen ist (z.B. Erzwingungshaft statt Zwangsgeld). Zudem können Kosten entstehen, die vom Betroffenen zu tragen sind. Die Verhängung der Strafe entbindet jedoch nicht von der eigentlichen Verpflichtung, sondern besteht fort, bis die geforderte Handlung erbracht wurde oder die Zwangsvollstreckung aus anderen Gründen beendet wird.

Ist die Erzwingungsstrafe auf eine Höchstdauer oder Höchstsumme begrenzt?

Die Erzwingungsstrafe ist rechtlich begrenzt, sowohl was die Höhe des Zwangsgeldes als auch die Dauer von Erzwingungshaft betrifft. Die jeweiligen Höchstgrenzen ergeben sich aus dem einschlägigen Gesetz: Im Verwaltungsrecht betragen Zwangsgelder häufig bis zu mehreren Tausend Euro und können bei andauernder Weigerung wiederholt festgesetzt werden. Die Erzwingungshaft im gerichtlichen Bereich (etwa gem. § 888 ZPO) kann für eine bestimmte Anzahl von Tagen oder Monaten angeordnet werden, darf aber insgesamt ein gesetzlich vorgeschriebenes Maximum – in der Regel sechs Monate – nicht überschreiten. Auch bei mehrfacher Festsetzung darf die Gesamtdauer die gesetzlichen Grenzen nicht überschreiten. Diese Begrenzungen dienen dem Schutz des Betroffenen vor unverhältnismäßigen Sanktionen und stellen sicher, dass die Erzwingungsstrafe nicht zu einer strafähnlichen Dauerbelastung wird.

Kann eine Erzwingungsstrafe nachträglich aufgehoben oder eingeschränkt werden?

Eine bereits festgesetzte Erzwingungsstrafe kann aus verschiedenen Gründen aufgehoben oder gemindert werden. Voraussetzung hierfür ist in der Regel das Vorliegen neuer Umstände, etwa wenn der Verpflichtete nach erfolgter Festsetzung die geforderte Handlung doch noch vollständig und ordnungsgemäß ausführt, so dass der Zweck der Maßnahme erreicht wurde. Auch kann eine Einschränkung erfolgen, wenn der Betroffene nachweisen kann, dass ihm die Handlung aufgrund von rechtlichen, tatsächlichen oder persönlichen Umständen unmöglich oder unzumutbar ist. Anträge auf Aufhebung oder Einschränkung können beim zuständigen Gericht oder der Behörde gestellt werden; über diese wird per Beschluss oder Verwaltungsakt entschieden. Weiterhin sind, insbesondere bei Freiheitsentziehung, spezielle Vorschriften zum besonderen Rechtsschutz sowie Möglichkeiten des einstweiligen Rechtsschutzes zu beachten. Zudem ist eine gerichtliche Überprüfung möglich, insbesondere im Hinblick auf die Verhältnismäßigkeit und Rechtsmäßigkeit der Maßnahme.

Besteht ein Anspruch auf Entschädigung bei rechtswidriger Verhängung einer Erzwingungsstrafe?

Wird im Nachhinein festgestellt, dass die Verhängung einer Erzwingungsstrafe rechtswidrig war, besteht grundsätzlich ein Anspruch auf Entschädigung nach den Vorschriften des Staatshaftungsrechts. Dies betrifft insbesondere den Ausgleich von wirtschaftlichen Schäden, den Ersatz gezahlter Zwangsgelder oder Schäden infolge rechtswidriger Freiheitsentziehung. Die Geltendmachung dieser Ansprüche erfolgt durch Einreichung eines entsprechenden Antrags oder Klage auf Schadenersatz. Die Grundlage für Entschädigungsansprüche können das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB), das Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen (StrEG) oder spezielle Regelungen der jeweiligen Verwaltungsvollstreckungsgesetze darstellen. Voraussetzung für einen Anspruch ist stets der Nachweis eines Schadens sowie das Vorliegen einer rechtswidrigen und schuldhaften Amtshandlung der zuständigen Behörde oder eines Gerichtes.