Begriff und Rechtsnatur des Erziehungsurlaubs
Der Begriff Erziehungsurlaub bezeichnet in Deutschland einen gesetzlich geregelten Zeitraum unbezahlter Freistellung von der Arbeit zur Betreuung und Erziehung eines Kindes. Das entsprechende Rechtsinstitut wurde zum 1. Januar 2001 durch die Einführung des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes (BEEG) in „Elternzeit“ umbenannt. Historisch betrachtet besteht jedoch weiterhin ein erhebliches Interesse an einer präzisen und umfangreichen rechtlichen Beschreibung des Begriffs „Erziehungsurlaub“, da dieser in älteren Rechtsquellen, Literatur und Rechtsprechung nach wie vor verwendet wird. Der Erziehungsurlaub diente ursprünglich dazu, Eltern, in erster Linie Müttern, einen rechtlich geschützten Zeitraum für die Kindererziehung nach der Geburt zu gewähren.
Historische Entwicklung des Erziehungsurlaubs
Gesetzliche Einführung und Regelungen vor 2001
Der Erziehungsurlaub wurde mit dem Gesetz zum Erziehungsurlaub und für das Erziehungsgeld (Bundeserziehungsgeldgesetz – BErzGG) zum 1. Januar 1986 eingeführt. Zuvor bestanden lediglich die Regelungen zum Mutterschutz und Mutterschaftsurlaub. Das Erziehungsurlaubsgesetz war ein Meilenstein der Familienförderung: Eltern (anfänglich vor allem Müttern) wurde die Möglichkeit eröffnet, nach Ablauf des Mutterschutzes bis zu drei Jahre unbezahlten Urlaub für die Betreuung ihres Kindes zu nehmen. Gleichzeitig sicherte das Erziehungsgeld eine gewisse finanzielle Grundsicherung.
Übergang zur Elternzeit
Im Rahmen der Familienrechtsreform wurde das BErzGG durch das Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) ersetzt. Seit dem 1. Januar 2001 spricht das Gesetz nur noch von „Elternzeit“ und „Elterngeld“. Die Kernregelungen des Erziehungsurlaubs blieben im Wesentlichen erhalten, wurden jedoch weiterentwickelt und flexibilisiert.
Voraussetzungen und Anspruch auf Erziehungsurlaub (bis 2001)
Anspruchsberechtigte Personen
Erziehungsurlaub stand Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ebenso zu wie in einem Berufsausbildungsverhältnis stehenden Personen. Voraussetzung war das Bestehen eines deutschen Arbeitsverhältnisses. Der Anspruch bestand unabhängig von der Dauer der Betriebszugehörigkeit oder der Betriebsgröße.
Dauer und Beginn des Erziehungsurlaubs
Anspruch auf Erziehungsurlaub bestand für bis zu drei Jahre ab Geburt des Kindes. Der Erziehungsurlaub konnte flexibel bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres des Kindes genommen werden. Auf Antrag konnte ein Anteil des Erziehungsurlaubs von bis zu zwölf Monaten auf die Zeit bis zur Vollendung des achten Lebensjahres des Kindes übertragen werden.
Antragsverfahren
Der Erziehungsurlaub musste durch eine ausdrückliche schriftliche Erklärung gegenüber dem Arbeitgeber spätestens sieben Wochen vor Beginn angemeldet werden. Es bestand grundsätzlich kein Anspruch auf Zustimmung des Arbeitgebers; bei rechtzeitiger Anmeldung trat die gesetzliche Regelung automatisch in Kraft.
Teilzeittätigkeit während des Erziehungsurlaubs
Es bestand seit dem 1992 eingefügten § 15 Abs. 4 BErzGG die Möglichkeit, während des Erziehungsurlaubs eine Teilzeitbeschäftigung von bis zu 30 Wochenstunden aufzunehmen, ohne den Erziehungsurlaubsanspruch zu verlieren. Dies sollte die Vereinbarkeit von Beruf und Familie fördern.
Rechte und Pflichten während des Erziehungsurlaubs
Bestandsschutz des Arbeitsverhältnisses
Während des Erziehungsurlaubs ruhte das Arbeitsverhältnis. Das bedeutet, die Hauptleistungspflichten (Arbeitsleistung und Vergütung) waren suspendiert. Der Arbeitgeber konnte das Arbeitsverhältnis nur in Ausnahmefällen aus wichtigem Grund (außerordentliche Kündigung) kündigen. Der Kündigungsschutz begann mit der Anmeldung des Erziehungsurlaubs, frühestens jedoch acht Wochen vor dessen Beginn.
Urlaubsanspruch
Der gesetzliche Mindesturlaub wurde für jeden vollen Kalendermonat des Erziehungsurlaubs um ein Zwölftel gekürzt, sofern von dem Recht auf Kürzung Gebrauch gemacht wurde. Nach Beendigung des Erziehungsurlaubs war es möglich, den Resturlaub im laufenden oder folgenden Kalenderjahr zu beanspruchen.
Auswirkungen auf die Sozialversicherung
Im Erziehungsurlaub ruhte die Versicherungspflicht als Arbeitnehmer. Es bestand jedoch die Möglichkeit der freiwilligen Versicherung in der Kranken-, Renten- und Arbeitslosenversicherung, sofern bestimmte Voraussetzungen erfüllt wurden. Die Anrechnung von Kindererziehungszeiten auf die gesetzliche Rentenversicherung blieb erhalten.
Kündigungsschutz
Während des Erziehungsurlaubs bestand ein besonderer Kündigungsschutz gemäß § 18 BErzGG. Dies bedeutete, dass eine ordentliche Kündigung durch den Arbeitgeber für die gesamte Dauer des Erziehungsurlaubs unzulässig war. Der Schutz begann mit der schriftlichen Anmeldung des Anspruchs.
Finanzierung: Das Erziehungsgeld
Das Erziehungsgeld war während des Erziehungsurlaubs eine vom Einkommen der Eltern abhängige staatliche Sozialleistung. Die Leistung konnte ab Geburt bis zum vollendeten zweiten Lebensjahr des Kindes beansprucht werden, sofern bestimmte Einkommensgrenzen nicht überschritten wurden.
Übergangs- und Ausgliederungsbestimmungen
Mit Inkrafttreten des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes (BEEG) am 1. Januar 2001 gelten neue Regelungen, doch blieb für Geburten bis zum 31. Dezember 2000 der Begriff und das System des Erziehungsurlaubs anwendbar. Elternzeiten, die mit Erziehungsurlaubszeiten überlappten, sind im Arbeitsrecht und Sozialrecht üblicherweise gleichgestellt.
Zusammenfassung und Bedeutung des Erziehungsurlaubs im heutigen Rechtssystem
Obwohl der Begriff Erziehungsurlaub im deutschen Recht mittlerweile durch „Elternzeit“ abgelöst wurde, stellt er nach wie vor einen wichtigen Begriff im Kontext familienpolitischer und arbeitsrechtlicher Entwicklungen dar. Die rechtliche Ausgestaltung des Erziehungsurlaubs legte den Grundstein für den heutigen umfassenden Schutz von Eltern im Arbeitsverhältnis sowie für flexible Arbeitszeitmodelle zur Förderung der Kindererziehung. Die nun geltende Elternzeit baut im Wesentlichen auf den Strukturen des ehemaligen Erziehungsurlaubs auf, wurde aber hinsichtlich Flexibilität, Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie staatlicher Förderung weiterentwickelt. Im arbeitsrechtlichen und sozialrechtlichen Kontext ist der Erziehungsurlaub aufgrund von Übergangsregelungen, Altfällen und juristischer Fachliteratur weiterhin von Bedeutung.
Häufig gestellte Fragen
Wie lange kann Erziehungsurlaub in Anspruch genommen werden?
Die Anspruchsdauer des Erziehungsurlaubs, der in Deutschland als Elternzeit bezeichnet wird, beträgt grundsätzlich bis zu drei Jahre pro Kind. Beide Elternteile können diese Zeit beanspruchen, wobei sie flexibel aufgeteilt werden kann. Es ist möglich, die Elternzeit am Stück oder in bis zu drei Zeitabschnitten zu nehmen. Ein Anteil von bis zu 24 Monaten kann auch zwischen dem dritten und achten Geburtstag des Kindes genutzt werden, sofern dies sieben Wochen vor Beginn rechtzeitig beim Arbeitgeber angemeldet wird. Während der Elternzeit ruht das Arbeitsverhältnis, das heißt, für den Zeitraum besteht kein Anspruch auf Arbeitsentgelt, jedoch bleibt der Arbeitsplatz grundsätzlich erhalten.
Besteht während des Erziehungsurlaubs Kündigungsschutz?
Ja, während der Erziehungszeit genießt der beschäftigte Elternteil einen besonderen Kündigungsschutz. Dieser beginnt spätestens acht Wochen vor dem angekündigten Beginn der Elternzeit und besteht für deren gesamte Dauer. Während dieser Zeit darf der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis grundsätzlich nicht kündigen. Nur in besonderen Ausnahmefällen, etwa bei einer Betriebsschließung und ausschließlich mit vorheriger Zustimmung der zuständigen Landesbehörde, kann eine Kündigung ausgesprochen werden. Diese Regelung soll sicherstellen, dass Eltern ohne Angst vor Arbeitsplatzverlust die Elternzeit in Anspruch nehmen können.
Wie erfolgt die Antragstellung auf Erziehungsurlaub?
Die Inanspruchnahme des Erziehungsurlaubs muss dem Arbeitgeber schriftlich mitgeteilt werden. Die Anmeldung muss spätestens sieben Wochen vor Beginn der Elternzeit erfolgen, wobei der Zeitraum der Elternzeit verbindlich für die nächsten zwei Jahre festgelegt werden muss. Im Antrag müssen sowohl der Beginn als auch das Ende der gewünschten Elternzeit angegeben werden. Für den Zeitraum nach dem dritten Geburtstag des Kindes ist eine verlängerte Anmeldefrist von 13 Wochen vorgesehen. Nach der Anmeldung erhält der Arbeitgeber keinen Ermessensspielraum: Die Zustimmung ist nicht erforderlich, sondern der Anspruch auf Elternzeit ist ein gesetzlicher Anspruch.
Können beide Elternteile gleichzeitig Erziehungsurlaub nehmen?
Ja, beide Elternteile haben jeweils einen eigenen Anspruch auf Elternzeit und können diese auch gleichzeitig in Anspruch nehmen, unabhängig davon, ob sie gemeinsam im selben Haushalt leben oder nicht. Es ist zudem möglich, dass beide Elternteile unterschiedliche Zeitabschnitte wählen und die Elternzeit kombinieren, sodass eine lückenlose Betreuung des Kindes möglich ist. Die maximale Gesamtdauer von 36 Monaten je Kind bleibt jedoch auch bei gemeinsamer Elternzeit für jeden Elternteil bestehen.
Kann während der Elternzeit in Teilzeit gearbeitet werden?
Während der Elternzeit können Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer eine Teilzeitbeschäftigung von bis zu 32 Wochenstunden ausüben, sofern das Arbeitsverhältnis länger als sechs Monate besteht und der Betrieb in der Regel mehr als 15 Arbeitnehmer beschäftigt. Dazu muss die Teilzeitarbeit beim Arbeitgeber beantragt werden, der nur unter bestimmten Voraussetzungen ablehnen kann, etwa bei dringenden betrieblichen Gründen. Die Teilzeitbeschäftigung kann sowohl beim bisherigen Arbeitgeber als auch bei einem anderen Arbeitgeber oder als selbstständige Tätigkeit erfolgen, wobei eine Zustimmung des bisherigen Arbeitgebers erforderlich ist.
Besteht Rentenversicherungspflicht während des Erziehungsurlaubs?
Ja, Zeiten der Kindererziehung werden für die gesetzliche Rentenversicherung bis zum dritten Lebensjahr des Kindes als Pflichtbeitragszeiten angerechnet. Das bedeutet, dass der erziehungsleistende Elternteil – auch während des Bezugs von Elterngeld oder ohne Einkommen – als rentenversichert gilt und dies in vollem Umfang für die spätere Rente berücksichtigt wird. Die Rentenversicherungsbeiträge übernimmt der Staat. Eine Meldung an die Rentenversicherung ist in der Regel nicht erforderlich, da dies automatisch geschieht.
Was passiert mit Urlaubsansprüchen während des Erziehungsurlaubs?
Der gesetzliche Urlaubsanspruch bleibt während der Elternzeit erhalten, allerdings darf der Arbeitgeber den Jahresurlaub für jeden vollen Monat, in dem Elternzeit genommen wurde, um ein Zwölftel kürzen. Nach Ablauf der Elternzeit kann der Resturlaub im laufenden oder im darauf folgenden Kalenderjahr genommen werden. Eine Kürzung des Urlaubs ist jedoch ausgeschlossen, wenn der Arbeitnehmer während der Elternzeit in Teilzeit weiterarbeitet. Ungekürzter Resturlaub bleibt ebenfalls erhalten, wenn das Arbeitsverhältnis nach der Elternzeit fortgesetzt wird.