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Erziehungsförderung


Begriff und rechtliche Grundlagen der Erziehungsförderung

Definition der Erziehungsförderung

Erziehungsförderung bezeichnet sämtliche Maßnahmen und Leistungen, die darauf ausgerichtet sind, die Erziehung von Kindern und Jugendlichen innerhalb der Familie oder in betreuten Settings zu unterstützen und zu stärken. Der Begriff ist zentral im deutschen Kinder- und Jugendhilferecht verankert, wobei insbesondere das Sozialgesetzbuch Achtes Buch (SGB VIII) maßgebliche Regelungen enthält.

Gesetzliche Grundlagen

Sozialgesetzbuch Achtes Buch (SGB VIII)

Das SGB VIII – Kinder- und Jugendhilfe – bildet die grundlegende Rechtsquelle für Fragen der Erziehungsförderung. Gemäß § 1 Abs. 3 SGB VIII umfasst die Förderung der Erziehung unter anderem den Schutz von Kindern und Jugendlichen, die Beratung und Unterstützung von Erziehungsberechtigten sowie die Ausgestaltung und Finanzierung von Erziehungshilfen.

Grundgesetzlicher Auftrag

Erziehungsförderung ist durch das Grundgesetz, insbesondere in Art. 6 GG, geschützt, der das Elternrecht und gleichzeitig die staatliche Wächterfunktion normiert. Daraus ergibt sich das Recht der Eltern auf Pflege und Erziehung der Kinder sowie die Verpflichtung des Staates, dabei unterstützend und, im Bedarfsfall, auch eingreifend tätig zu werden.

Formen und Instrumente der Erziehungsförderung

Allgemeine Förderung der Erziehung in der Familie

Die allgemeine Förderung umfasst niedrigschwellige Unterstützungsangebote, wie Beratungen in Erziehungsfragen (§ 16 SGB VIII), Angebote der Familienbildung oder Familienfreizeiten. Ziel ist es, Ressourcen der Eltern zu stärken und dem Entstehen von Erziehungsschwierigkeiten vorzubeugen.

Leistungen der Hilfen zur Erziehung

Anspruchsvoraussetzungen

Die Hilfen zur Erziehung gemäß § 27 SGB VIII richten sich an Personensorgeberechtigte, wenn eine dem Wohl des Kindes oder Jugendlichen entsprechende Erziehung nicht gewährleistet ist und die Hilfe für dessen Entwicklung geeignet und notwendig ist.

Arten der Hilfen zur Erziehung

Leistungen nach §§ 27 ff. SGB VIII beinhalten unter anderem:

  • Erziehungsberatung (§ 28 SGB VIII)
  • Sozialpädagogische Familienhilfe (§ 31 SGB VIII)
  • Erziehung in einer Tagesgruppe (§ 32 SGB VIII)
  • Vollzeitpflege (§ 33 SGB VIII)
  • Heimerziehung/Betreutes Wohnen (§ 34 SGB VIII)

Diese differenzierten Leistungen entsprechen jeweils unterschiedlichen Bedarfen hinsichtlich Art, Intensität und Dauer der Unterstützung.

Förderung in Tageseinrichtungen und Tagespflege

Ein weiterer Bereich der Erziehungsförderung ist die Förderung von Kindern in Kindertageseinrichtungen oder in Tagespflege (§ 22 SGB VIII). Die gesetzlichen Regelungen betonen die Förderung der Entwicklung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit.

Rechte und Pflichten im Kontext der Erziehungsförderung

Anspruch auf Hilfen

Kinder, Jugendliche und deren Erziehungsberechtigte haben einen individuellen Rechtsanspruch auf geeignete und notwendige Hilfen zur Erziehung, sofern die Voraussetzungen nach §§ 27, 41 SGB VIII vorliegen. Der Antragsprozess erfolgt in der Regel beim zuständigen Jugendamt, das auch für die Prüfung und Auswahl der angemessenen Hilfe zuständig ist.

Partizipation und Beteiligung

Gemäß § 8 SGB VIII sind Kinder und Jugendliche ihrem Entwicklungsstand entsprechend an Entscheidungen zu beteiligen, die sie betreffen („Partizipation“). Die Mitwirkung bezieht sich sowohl auf Art und Umfang der Erziehungsförderung als auch auf deren Ausgestaltung.

Datenschutz und Schweigepflichten

Im Rahmen der Erziehungsförderung sind datenschutzrechtliche Vorgaben zu beachten. Personenbezogene Daten dürfen nur nach Maßgabe des SGB VIII, des Bundesdatenschutzgesetzes und weiterer einschlägiger Vorschriften erhoben, verarbeitet und genutzt werden. Die mit der Erziehungsförderung betrauten Personen unterliegen einer besonderen Schweigepflicht.

Finanzierung und Kosten

Die Finanzierung der Erziehungsförderung erfolgt überwiegend durch die öffentliche Hand, namentlich durch die Kommunen und Länder. Die Kostenübernahme ist im SGB VIII geregelt; Eltern können in bestimmten Fällen zu einem Kostenbeitrag herangezogen werden (§§ 91 ff. SGB VIII). Die genaue Höhe richtet sich nach Einkommensverhältnissen und Art der Inanspruch genommenen Leistung.

Kontrolle, Qualitätssicherung und Überwachung

Staatliche Aufsicht

Nach § 85 SGB VIII sind die Jugendämter für die Wahrnehmung der Aufgaben im Bereich der Erziehungsförderung zuständig. Sie unterstehen der Landesaufsicht, die die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben sicherstellt. Darüber hinaus sorgen verschiedene Instanzen für Qualitätsentwicklungs- und Schutzmaßnahmen, unter anderem durch verbindliche Standards und Zertifizierungsverfahren von Trägern der Jugendhilfe.

Qualitätssicherung

Träger der Jugendhilfe sind verpflichtet, Maßnahmen zur Qualitätssicherung durchzuführen (§ 79a SGB VIII). Dazu zählen die kontinuierliche Evaluation der Angebote sowie Fort- und Weiterbildungen des Fachpersonals.

Verhältnis zur elterlichen Sorge und staatlichem Wächteramt

Die Unterstützung durch Erziehungsförderung erfolgt stets unter Beachtung des Vorrangs der Elternverantwortung. Lediglich wenn das Kindeswohl gefährdet ist oder Eltern ihrer Verantwortung nicht mehr nachkommen können, greift der Staat im Rahmen seines Wächteramtes ein.

Internationale Bezüge und Entwicklung

Auch internationale Rechtsinstrumente, wie die UN-Kinderrechtskonvention, beeinflussen die Ausgestaltung der Erziehungsförderung in Deutschland. Die Konvention betont das Recht des Kindes auf Erziehung, Entwicklung und Schutz und wird bei der Ausgestaltung nationaler Regelungen berücksichtigt.

Fazit

Erziehungsförderung bildet ein zentrales Element des Kinder- und Jugendhilferechts in Deutschland und umfasst umfangreiche gesetzliche Regelungen sowie vielfältige praktische Maßnahmen. Ihr Ziel ist es, Kinder und Jugendliche bestmöglich in ihrer Entwicklung zu unterstützen und Eltern bei der Erfüllung ihrer Erziehungsaufgabe zu begleiten. Die gesetzlichen Grundlagen bieten hierbei einen umfassenden Schutz- und Förderrahmen, der durch kontinuierliche Qualitätssicherung und Überwachung ergänzt wird.

Häufig gestellte Fragen

Welche gesetzlichen Grundlagen regeln die Erziehungsförderung in Deutschland?

Die Erziehungsförderung ist in Deutschland primär im Achten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII) – Kinder- und Jugendhilfe – geregelt. Zentrale Bestimmungen finden sich insbesondere in §§ 16 ff. SGB VIII. Diese definieren, welche Angebote und Maßnahmen der Erziehungsförderung von den Trägern der öffentlichen Jugendhilfe bereitgestellt werden müssen. Dazu gehören unter anderem allgemeine Förderungen der Erziehung in der Familie, wie Beratungsstellen, Elternkurse sowie Unterstützungsmaßnahmen bei Erziehungsfragen und in akuten Erziehungskrisen. Zur Absicherung und Ausgestaltung der Hilfestellungen sind darüber hinaus weitere Gesetze, wie das Bundeskinderschutzgesetz (BKiSchG), das Sozialgesetzbuch I (SGB I), das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) hinsichtlich elterlicher Sorge und Kindeswohl sowie das Gesetz über die Kooperation und Information im Kinderschutz (KKG) einschlägig. Zudem regeln länderspezifische Ausführungsgesetze ergänzende und spezifische Aspekte der Erziehungsförderung. Die gesetzliche Grundlage verpflichtet die Jugendämter, einen niederschwelligen Zugang zu Beratungs- und Hilfsangeboten sicherzustellen, um das Wohl des Kindes und die Erziehungskompetenz der Eltern zu stärken.

Wer ist berechtigt, Angebote der Erziehungsförderung in Anspruch zu nehmen?

Nach § 16 SGB VIII haben grundsätzlich alle Erziehungsberechtigten Anspruch auf Unterstützungs- und Beratungsangebote der Erziehungsförderung, unabhängig von Herkunft, Einkommen, Staatsangehörigkeit oder Familienform. Insbesondere richten sich die Maßnahmen an Eltern, Adoptiveltern, Pflegeeltern sowie andere mit Sorgeberechtigung ausgestattete Personen. Auch minderjährige Eltern und Familienangehörige mit bedeutender erzieherischer Verantwortung sind einbezogen. Anspruch besteht zudem unabhängig davon, ob bereits eine akute Erziehungskrise vorliegt oder lediglich der Wunsch nach Unterstützung und Stärkung der elterlichen Kompetenz besteht. In bestimmten Angeboten kann – je nach Ausgestaltung – eine freiwillige oder vermittelte Inanspruchnahme erfolgen, wobei das grundsätzliche Ziel der niederschwellige Zugang ist.

In welchem Umfang und in welcher Form besteht ein Anspruch auf Erziehungsförderung?

Das SGB VIII verpflichtet die Träger öffentlicher Jugendhilfe, Erziehungsförderung in angemessenem und vielfältigem Umfang zur Verfügung zu stellen. Der Anspruch umfasst sowohl präventive als auch interventive Maßnahmen und schließt Beratungsangebote, Gruppenangebote, Elterntrainings, Kurse zur Stärkung der Erziehungskompetenz, Informationsveranstaltungen sowie individuelle Hilfen ein. Die Angebote sollen sich an den Bedürfnissen der Familien orientieren und möglichst wohnortnah, kostenfrei oder zumindest kostengünstig bereitgestellt werden. Es besteht jedoch kein Rechtsanspruch auf eine bestimmte Maßnahme oder einen bestimmten Anbieter. Vielmehr liegt die konkrete Ausgestaltung im pflichtgemäßen Ermessen der örtlichen Jugendhilfeträger, welche sich bei der Ausführung an den festgestellten Bedarfen und vorhandenen Ressourcen orientieren.

Ist die Inanspruchnahme von Erziehungsförderung freiwillig oder verpflichtend?

Die Inanspruchnahme von Angeboten der Erziehungsförderung nach den §§ 16 ff. SGB VIII ist in der Regel freiwillig und basiert auf dem Grundsatz der partnerschaftlichen Zusammenarbeit von Eltern und Jugendhilfe. Ein gesetzlicher Zwang zur Teilnahme besteht im Regelfall nicht. Eine verpflichtende Teilnahme kann lediglich durch familiengerichtliche Maßnahmen angeordnet werden, beispielsweise wenn im Rahmen eines Verfahrens nach § 1666 BGB (Kindeswohlgefährdung) das Gericht eine Erziehungsberatung oder bestimmte Programme verordnet. Auch im Zusammenhang mit Sorgerechtsverfahren oder bei gerichtlich angeordneter Mitwirkung des Jugendamtes kann im Einzelfall eine Teilnahme an spezifischen Fördermaßnahmen verpflichtend sein.

Welche Rolle spielen Jugendämter bei der Erziehungsförderung?

Die Jugendämter tragen die Hauptverantwortung für die Organisation, Steuerung und Sicherstellung der Angebote zur Erziehungsförderung gemäß SGB VIII. Sie sind verpflichtet, ein vielfältiges Hilfesystem bereitzustellen, das den individuellen und örtlichen Bedürfnissen gerecht wird (§ 79 und § 80 SGB VIII). Zu den Aufgaben zählt es, geeignete öffentliche wie freie Träger einzubinden, Fachpersonal fortzubilden, die Qualität der Maßnahmen zu überwachen und die Einrichtungen regelmäßig zu evaluieren. Ferner übernehmen Jugendämter die Funktion als erste Anlaufstelle für Ratsuchende und beraten Familien über mögliche Hilfen und den Zugang zu spezifischen Angeboten. Im Bedarfsfall obliegt ihnen zudem die Koordinierung sozialräumlicher Netzwerke und die Initiierung innovativer Förderansätze.

Welche rechtlichen Schutzmechanismen bestehen für Familien bei der Erziehungsförderung?

Familien und insbesondere Sorgeberechtigte genießen beim Zugang zu und der Inanspruchnahme von Erziehungsförderung umfassende Datenschutz- und Verschwiegenheitsrechte. Nach § 65 SGB VIII besteht eine Verpflichtung zur Wahrung des Sozialgeheimnisses und zur vertraulichen Behandlung sämtlicher erhobener Daten und Informationen. Berater und Fachkräfte sind zur Verschwiegenheit verpflichtet, es sei denn, eine ausdrückliche Einwilligung zur Weitergabe liegt vor oder es bestehen gewichtige Gründe wie der Schutz vor einer Kindeswohlgefährdung. Zudem besteht das Recht auf Beschwerde sowie auf Anhörung und Mitwirkung im Verfahren bei gravierenden Entscheidungen über den Umfang und die Form von Hilfsmaßnahmen.

Inwiefern sind freie Träger oder private Anbieter in den Prozess der Erziehungsförderung eingebunden?

Das SGB VIII sieht eine enge Zusammenarbeit zwischen öffentlichen Trägern (Jugendämter) und anerkannten freien Trägern der Jugendhilfe vor. Freie Träger – etwa Wohlfahrtsverbände, Kirchen, Elternvereine oder spezialisierte Beratungsstellen – leisten einen erheblichen Teil der Erziehungsförderung auf Grundlage von §§ 16, 74 SGB VIII und sind oftmals Vertragspartner der öffentlichen Hand bei der Umsetzung der Angebote. Sie müssen bestimmte Qualitätsstandards erfüllen, werden regelmäßig geprüft und können Fördermittel für ihre Arbeit beantragen. Im Rahmen der Subsidiarität ist der Vorrang der freien Trägerschaft zu beachten. Private Anbieter dürfen grundsätzlich Erziehungsförderleistungen anbieten, sofern sie die gesetzlichen und behördlichen Anforderungen einhalten und ggf. eine Anerkennung als Träger der freien Jugendhilfe besitzen.

Welche Möglichkeiten des Rechtsschutzes bestehen, wenn Ansprüche auf Erziehungsförderung nicht erfüllt werden?

Sollten Ansprüche auf Erziehungsförderung – etwa wegen Ablehnung eines Angebots oder mangelhafter Leistungserbringung – nicht erfüllt werden, stehen betroffenen Familien mehrere Möglichkeiten des Rechtsschutzes offen. Zunächst empfiehlt sich eine schriftliche Beschwerde oder ein Widerspruch direkt beim zuständigen Jugendamt. Wird der Widerspruch abgewiesen, besteht die Möglichkeit der Klage vor dem Verwaltungsgericht. In bestimmten Fällen, insbesondere bei Einschränkungen elterlicher Rechte oder der Anordnung verpflichtender Hilfen, können auch familiengerichtliche Verfahren zur Überprüfung eingeleitet werden. Zusätzlich bieten Ombudsstellen im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe kostenfreie Beratung und Unterstützung beim Einlegen von Rechtsmitteln und in Beschwerdeverfahren. Die Kostenübernahme für Verfahren richtet sich nach den Vorschriften der Prozesskostenhilfe und des Beratungs- und Verfahrenskostengesetzes.