Erwerbsobliegenheit

Begriff und Bedeutung der Erwerbsobliegenheit

Die Erwerbsobliegenheit ist ein rechtlicher Begriff, der vor allem im Zusammenhang mit Unterhaltsverpflichtungen eine zentrale Rolle spielt. Sie beschreibt die Verpflichtung einer Person, alle zumutbaren Anstrengungen zu unternehmen, um eigenes Einkommen zu erzielen oder ihre Einkommenssituation zu verbessern. Ziel dieser Verpflichtung ist es, die eigene wirtschaftliche Selbstständigkeit sicherzustellen und gegebenenfalls den Unterhaltspflichtigen nicht übermäßig zu belasten.

Anwendungsbereiche der Erwerbsobliegenheit

Die Erwerbsobliegenheit findet insbesondere im Familienrecht Anwendung. Sie betrifft sowohl unterhaltsberechtigte als auch unterhaltspflichtige Personen. Im Bereich des Kindesunterhalts oder Ehegattenunterhalts wird geprüft, ob eine Person durch eigene Arbeit in der Lage wäre, ihren Lebensunterhalt ganz oder teilweise selbst zu bestreiten.

Erwerbsobliegenheit beim Kindesunterhalt

Beim Kindesunterhalt kann die erwerbspflichtige Person verpflichtet sein, sich um eine angemessene Beschäftigung zu bemühen. Dies gilt sowohl für Elternteile mit Betreuungspflichten als auch für solche ohne Betreuungsverantwortung. Die Anforderungen an die Bemühungen richten sich nach Alter, Ausbildung und gesundheitlichem Zustand.

Erwerbsobliegenheit beim Ehegattenunterhalt

Auch beim Ehegattenunterhalt besteht grundsätzlich eine Pflicht zur Aufnahme einer zumutbaren Tätigkeit nach Trennung oder Scheidung. Dabei werden individuelle Umstände wie Kinderbetreuung oder gesundheitliche Einschränkungen berücksichtigt.

Kriterien zur Beurteilung der Zumutbarkeit von Arbeit

Ob und in welchem Umfang eine Erwerbstätigkeit verlangt werden kann, hängt von verschiedenen Faktoren ab:

  • Alter: Jüngere Menschen müssen sich intensiver um Arbeit bemühen als ältere.
  • Gesundheitszustand: Körperliche oder psychische Einschränkungen können den Umfang der Obliegenheiten begrenzen.
  • Kinderbetreuung: Die Betreuung kleiner Kinder kann dazu führen, dass nur eingeschränkte Arbeitszeiten verlangt werden.
  • Bisherige Berufstätigkeit: Wer lange nicht gearbeitet hat oder keine Ausbildung besitzt, muss dennoch versuchen, einfache Tätigkeiten aufzunehmen.
  • Lage am Arbeitsmarkt: Auch regionale Unterschiede bei Jobangeboten spielen eine Rolle bei der Bewertung.

Mögliche Folgen bei Verletzung der Erwerbsobliegenheit

Kommt jemand seiner Verpflichtung zur Aufnahme einer zumutbaren Tätigkeit nicht nach – etwa indem er keine ausreichenden Bewerbungsbemühungen unternimmt -, können daraus rechtliche Konsequenzen entstehen:

  • Ihm kann ein fiktives Einkommen angerechnet werden; das bedeutet: Es wird so getan, als hätte er ein bestimmtes Einkommen erzielt.
  • Daraus ergibt sich möglicherweise ein höherer Unterhaltsanspruch des anderen Elternteils beziehungsweise geringerer eigener Anspruch auf Unterhalt.

Sonderfälle und Ausnahmen von der Erwerbsobliegenheit

Kinderbetreuung und Pflege naher Angehöriger

Wer kleine Kinder betreut oder nahe Angehörige pflegt,
kann in bestimmten Fällen ganz oder teilweise von dieser Pflicht entbunden sein.
Hierbei kommt es auf das Alter des Kindes sowie den individuellen Betreuungsbedarf an.
Auch außergewöhnliche Belastungen durch Pflegeaufgaben können berücksichtigt werden.
Jede Situation wird dabei einzeln betrachtet.

Dauerhafte Erkrankung

Bei dauerhaften körperlichen
oder psychischen Erkrankungen entfällt die Pflicht zur Arbeitsaufnahme,
sofern diese ausreichend belegt sind.
In solchen Fällen steht meist fest,
dass keine realistische Möglichkeit besteht,
durch eigene Arbeit Einkommen zu erzielen.

Zumutbarkeit einfacher Tätigkeiten

Selbst wenn bisher kein Beruf ausgeübt wurde
oder keine abgeschlossene Ausbildung vorliegt,
besteht grundsätzlich die Erwartung,
dass zumindest einfache Tätigkeiten angenommen werden – sofern dies möglich ist.
Eine vollständige Befreiung von jeglicher Tätigkeit erfolgt nur ausnahmsweise.

Häufig gestellte Fragen zur Erwerbsobliegenheit (FAQ)

Muss jede arbeitsfähige Person einer Beschäftigung nachgehen?

Nicht jede arbeitsfähige Person muss zwingend arbeiten gehen; jedoch besteht grundsätzlich die Verpflichtung dazu im Rahmen bestehender Unterhaltsverhältnisse. Ob tatsächlich gearbeitet werden muss und in welchem Umfang richtet sich nach individuellen Umständen wie Gesundheit sowie familiären Pflichten.

Können auch Teilzeitstellen ausreichend sein?

Sind beispielsweise kleine Kinder zu betreuen oder bestehen andere wichtige Gründe wie Pflege eines Angehörigen,
kann auch eine Teilzeitbeschäftigung genügen beziehungsweise erwartet werden,
dass zunächst nur eingeschränkt gearbeitet wird.
Der konkrete Einzelfall entscheidet über den erforderlichen Stundenumfang.

Darf ich einen weniger gut bezahlten Job ablehnen?

Einen Arbeitsplatz abzulehnen,
nur weil er schlechter bezahlt ist als frühere Stellen,
ist meist nicht zulässig,
wenn ansonsten gar kein eigenes Einkommen erzielt würde.
Es besteht häufig sogar die Erwartung,
auch einfachere Arbeiten anzunehmen,
um zumindest einen Beitrag zum eigenen Lebensunterhalt leisten zu können.

Muss ich mich regelmäßig bewerben?

Bewerbungsbemühungen sind zentraler Bestandteil
der Erfüllung dieser Pflicht;
es reicht daher nicht aus,
nur gelegentlich Bewerbungen abzusenden
oder ausschließlich auf passende Angebote im bisherigen Berufsfeld abzuwarten.

Vielmehr müssen ernsthafte Anstrengungen unternommen
und dokumentiert werden.