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Erwerb vom Nichtberechtigten


Erwerb vom Nichtberechtigten

Der Erwerb vom Nichtberechtigten ist ein zentrales Institut des deutschen Sachenrechts, das regelt, unter welchen Voraussetzungen das Eigentum oder ein sonstiges Recht an einer Sache von einer Person erworben werden kann, die zur Verfügung hierüber nicht berechtigt war. Die Regelungen hierzu finden sich insbesondere im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB). Ziel der Regelung ist es, den Rechtsverkehr zu schützen und den Glauben des Erwerbers an die Rechtmäßigkeit des Erwerbs zu stärken, indem ein Verkehrsschutzmechanismus geschaffen wird.


Grundlagen des Erwerbs vom Nichtberechtigten

Definition

Der Erwerb vom Nichtberechtigten beschreibt den rechtlichen Vorgang, bei dem ein Erwerber ein Recht (häufig Eigentum) an einer beweglichen oder unbeweglichen Sache von einer Person erwirbt, die tatsächlich nicht Inhaber des entsprechenden Rechts ist.

Zweck und Funktion

Das Rechtsinstitut bezweckt, das Vertrauen des Verkehrs in die Zuverlässigkeit von Rechtsgeschäften zu sichern und die Funktionsfähigkeit des Rechtsverkehrs zu gewährleisten. Es schützt insbesondere gutgläubige Erwerber davor, dass ein Mangel in der Übertragungskette (fehlende Berechtigung des Veräußerers) ihnen den Rechtserwerb verwehrt.


Gesetzliche Grundlagen

Zentrale Normen

Die gesetzliche Grundlage für den Erwerb vom Nichtberechtigten findet sich insbesondere in den folgenden Vorschriften des BGB:

  • § 932 BGB (Gutgläubiger Erwerb vom Nichtberechtigten bei beweglichen Sachen)
  • § 933 BGB (Besitzkonstitut)
  • § 934 BGB (Abtretung des Herausgabeanspruchs)
  • § 892 BGB (Gutgläubiger Erwerb von Rechten an Grundstücken)
  • § 366 HGB (Gutgläubiger Erwerb im Handelsverkehr)

Diese Normen regeln die Voraussetzungen, unter denen ein gutgläubiger Erwerb zu Stande kommt, und normieren unterschiedliche Anforderungen für den Erwerb beweglicher Sachen und Grundstücken bzw. dinglicher Rechte an Grundstücken.


Voraussetzungen des gutgläubigen Erwerbs

Nichtberechtigung des Veräußerers

Voraussetzung ist, dass die veräußernde Person nicht berechtigt ist, das Recht zu übertragen. Dies kann z.B. der Fall sein, wenn eine Person, die nicht Eigentümerin einer Sache ist, diese weiterveräußert. Kein Erwerb vom Nichtberechtigten liegt vor, wenn der Veräußerer tatsächlich zur Verfügung berechtigt war.

Verfügungsgeschäft

Der Erwerb setzt ein wirksames dingliches Verfügungsgeschäft voraus, also z.B. die Übergabe und Einigung nach § 929 BGB für bewegliche Sachen bzw. die Auflassung und Eintragung ins Grundbuch nach §§ 873, 925 BGB für Grundstücke.

Guter Glaube des Erwerbers

Der Erwerb ist nur möglich, wenn der Erwerber im guten Glauben an die Berechtigung des Veräußerers ist. Er darf also keine Kenntnis und keine grob fahrlässige Unkenntnis von der fehlenden Berechtigung haben (§ 932 Abs. 2 BGB).

Kein Ausschluss des Erwerbes

Der Erwerb vom Nichtberechtigten ist in bestimmten Fällen ausgeschlossen, etwa wenn die Sache dem ursprünglichen Berechtigten abhandengekommen ist (§ 935 BGB). Darunter versteht man den unfreiwilligen Verlust des unmittelbaren Besitzes z.B. durch Diebstahl oder Verlust.


Rechtsfolgen des Erwerbs vom Nichtberechtigten

Erwerb des Eigentums

Sind die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt, so erwirbt der Erwerber das Eigentum oder das betreffende Recht, obwohl der Veräußerer hierzu nicht berechtigt war. Der ursprüngliche Berechtigte verliert das Recht in diesen Fällen, kann jedoch unter Umständen Ansprüche auf Schadensersatz oder Rückgabe gegen den Veräußerer geltend machen.

Schutz des Erwerbers

Die gutgläubige Erwerbskonstellation schützt den Erwerber und fördert damit die Verkehrsfähigkeit von Gegenständen und Rechten. Der ursprüngliche Eigentümer hat unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit, das Recht durch Herausgabeansprüche aus § 985 BGB oder durch Bereicherungsansprüche (§§ 812 ff. BGB) zurückzuerlangen, falls die Voraussetzungen des gutgläubigen Erwerbs nicht vorgelegen haben.


Besondere Konstellationen

Erwerb von Grundstücken vom Nichtberechtigten

Für Grundstücke gelten die §§ 892 ff. BGB. Hier reicht der Glaube an die Richtigkeit des Grundbuchs aus, sofern nicht ein Widerspruch eingetragen ist oder dem Erwerber die Unrichtigkeit des Grundbuchs bekannt ist. Der Erwerber erhält Schutz, solange er keine bösgläubige Kenntnis von der mangelnden Verfügungsberechtigung hat.

Sonderregelungen im Handelsrecht

Das Handelsgesetzbuch regelt in § 366 HGB einen erleichterten gutgläubigen Erwerb im kaufmännischen Geschäftsverkehr, um die besondere Dynamik und Geschwindigkeit im Handelsverkehr zu berücksichtigen.

Erwerb bei Sicherungsübereignung und Besitzkonstitut

In besonderen Fällen kann der Erwerb durch Besitzkonstitut oder Abtretung des Herausgabeanspruchs erfolgen (§§ 933, 934 BGB).


Ausnahmen und Einschränkungen

Abhandenkommen (§ 935 BGB)

Ein Erwerb vom Nichtberechtigten ist ausgeschlossen, wenn dem Eigentümer die Sache abhandengekommen ist. Dies schützt denjenigen, dem die Sache gegen seinen Willen entzogen wurde. Keine Anwendung findet dies bei Geld, Inhaberpapieren und Sachen, die im Rahmen einer öffentlichen Versteigerung erworben werden (§ 935 Abs. 2 BGB).

Ausschluss des guten Glaubens

Der Erwerber kann sich nicht auf guten Glauben berufen, wenn er grob fahrlässig nicht erkannt hat, dass der Veräußerer nicht berechtigt ist. Insbesondere ist dies der Fall, wenn äußerlich erkennbare Mängel vorliegen oder Zweifel an der Berechtigung angebracht sind.


Rechtslage in anderen Rechtsordnungen

Auch andere europäische Rechtssysteme kennen Mechanismen, um den redlichen Erwerber vom Nichtberechtigten zu schützen, wobei die Voraussetzungen und Möglichkeiten zum Teil erheblich variieren, wie z.B. im österreichischen oder schweizerischen Recht.


Bedeutung in der Praxis

Das Rechtsinstitut des Erwerbs vom Nichtberechtigten ist von enormer praktischer Relevanz im Wirtschafts- und alltäglichen Geschäftsverkehr. Es ermöglicht eine hohe Sicherheit im Rechtsverkehr für Erwerber und reduziert das Risiko langwieriger Eigentumsklagen und Unsicherheiten bezüglich der Rechtslage nach einem Erwerb.


Zusammenfassung

Der Erwerb vom Nichtberechtigten ist ein essenzieller Bestandteil des deutschen Sachenrechts, der die Interessen von Eigentümern und redlichen Erwerbern miteinander ausgleicht. Die gesetzlichen Vorschriften zielen darauf ab, den Rechtsverkehr zu fördern und das Vertrauen in den Erwerb von Sachen und Rechten zu stärken, wobei sie zugleich Ausnahmen und Schutzmechanismen für den ursprünglichen Rechtsträger vorsehen.

Häufig gestellte Fragen

Was geschieht mit dem Eigentum, wenn eine bewegliche Sache vom Nichtberechtigten erworben wird?

Erwirbt jemand eine bewegliche Sache von einer Person, die nicht dazu berechtigt ist, diese zu veräußern (also nicht Eigentümer ist oder keine Verfügungsbefugnis hat), so bleibt grundsätzlich der ursprüngliche Eigentümer Eigentümer der Sache. Nach deutschem Recht – konkret gemäß § 929 Satz 1 BGB – ist für den Eigentumserwerb die Berechtigung des Veräußerers erforderlich. Fehlte diese, tritt in der Regel kein Eigentumserwerb ein (sog. „Nemo plus iuris“-Prinzip). Allerdings sieht das Gesetz in § 932 BGB Ausnahmen für den Fall des gutgläubigen Erwerbs vor. Hier kann unter bestimmten Voraussetzungen auch ein gutgläubiger Erwerber Eigentum an der Sache erwerben, selbst wenn der Veräußerer nicht berechtigt war. Ausschlaggebend ist dabei, dass der Erwerber zum Zeitpunkt des Erwerbs nicht wusste und auch nicht wissen musste, dass der Veräußerer nicht Eigentümer ist, und die Übergabe der Sache erfolgt ist.

Welche Voraussetzungen müssen für einen gutgläubigen Erwerb vom Nichtberechtigten vorliegen?

Für einen gutgläubigen Erwerb vom Nichtberechtigten müssen mehrere Voraussetzungen erfüllt sein: Erstens muss ein rechtsgeschäftlicher Erwerb unter Lebenden vorliegen (also keine Erbfälle oder Vermächtnisse). Zweitens muss ein dingliches Geschäft (Einigung und Übergabe) zwischen dem Erwerber und dem Nichtberechtigten stattfinden. Drittens darf kein Abhandenkommen der Sache vorliegen, das heißt, der Eigentümer darf die Sache nicht ohne seinen Willen verloren haben (§ 935 BGB). Viertens muss der Erwerber gutgläubig im Hinblick auf das Eigentum des Veräußerers sein, also davon ausgehen, der Veräußerer sei berechtigt. Einfache Fahrlässigkeit schließt den Gutglauben bereits aus (§ 932 Abs. 2 BGB). Situationen, in denen diese Voraussetzungen nicht erfüllt sind, führen dazu, dass kein gutgläubiger Erwerb stattfinden kann.

Wie ist die Rechtslage bei abhandengekommenen Sachen?

Handelt es sich bei der veräußerten Sache um eine, die dem Eigentümer abhandengekommen ist, ist ein gutgläubiger Erwerb grundsätzlich ausgeschlossen (§ 935 BGB). Abhandengekommen bedeutet, dass der Eigentümer den unmittelbaren Besitz an der Sache ohne seinen Willen verloren hat, zum Beispiel durch Diebstahl, Verlieren oder Verlierenlassen. In solchen Fällen kann kein Erwerber, egal wie gutgläubig er ist, Eigentum an der Sache erwerben. Gesetzliche Ausnahmen werden nur für Geld, Inhaberpapiere und Sachen, die auf einer öffentlichen Versteigerung erworben werden, gemacht. In diesen Ausnahmefällen ist ein gutgläubiger Erwerb möglich.

Welche Rechtsfolgen ergeben sich für den Nichtberechtigten bei einem unwirksamen Eigentumserwerb?

Bleibt der Erwerb vom Nichtberechtigten mangels Gutgläubigkeit oder wegen eines Abhandenkommens der Sache unwirksam, wird der Erwerber nicht Eigentümer. In der Folge hat der wahre Eigentümer gegen den Erwerber einen Herausgabeanspruch nach § 985 BGB. Hat der Erwerber die Sache bereits veräußert oder verbraucht, können weitergehende Ansprüche – etwa Schadensersatzansprüche – gegenüber dem Erwerber bestehen. Zudem kann der ursprüngliche Eigentümer Ansprüche gegen den Nichtberechtigten haben, zum Beispiel aus § 823 BGB (unerlaubte Handlung) oder § 812 BGB (ungerechtfertigte Bereicherung), falls eine Bereicherung auf Seiten des Nichtberechtigten vorliegt.

Welche Bedeutung hat der Gutglaubensschutz beim Erwerb vom Nichtberechtigten?

Der Gutglaubensschutz dient dazu, den Verkehrsschutz und die Rechtssicherheit beim Erwerb von beweglichen Sachen zu gewährleisten. Dadurch sollen gutgläubige Erwerber vor den oft schwer erkennbaren Eigentumsverhältnissen geschützt werden, damit der Waren- und Rechtsverkehr nicht durch allzu große Unsicherheiten behindert wird. Der Gutglaubensschutz ist jedoch nicht schrankenlos; er findet seine Grenzen in besonderen Fallkonstellationen wie dem Abhandenkommen. Im Ergebnis muss stets ein Ausgleich zwischen dem Schutz des tatsächlichen Eigentümers und dem Schutz des gutgläubigen Erwerbers gefunden werden.

Wie kann der wahre Eigentümer gegen einen Erwerb vom Nichtberechtigten vorgehen?

Der wahre Eigentümer hat gegen jeden, der unberechtigt seine Sache besitzt, einen Herausgabeanspruch gemäß § 985 BGB (Eigentumsklage). Erfährt der Eigentümer vom Verbleib seiner Sache, kann er sie von dem aktuellen Besitzer herausverlangen, sofern kein gutgläubiger Erwerb vorliegt. Weiterhin kann der Eigentümer gegebenenfalls Schadensersatz nach §§ 989, 990 BGB fordern, wenn der Besitzer den Besitz nicht mehr redlich ausübt und Schäden verursacht wurden. Darüber hinaus kann in Fällen des Abhandenkommens auch eine Strafanzeige gegen den Nichtberechtigten erstattet werden, etwa wegen Diebstahls oder Unterschlagung.

Welche Beweispflichten treffen den Erwerber einer beweglichen Sache?

Im Streitfall muss der Erwerber beweisen, dass die Voraussetzungen für einen gutgläubigen Erwerb erfüllt sind, etwa dass er im Zeitpunkt des Erwerbs wirklich gutgläubig war und keine Anhaltspunkte für einen fehlenden Eigentumserwerb bestanden. Außerdem muss belegt werden, dass die Sache nicht abhandengekommen war beziehungsweise keine anderen Ausschlussgründe für einen gutgläubigen Erwerb vorliegen. Die Beweislastverteilung richtet sich im Einzelnen nach den allgemeinen Beweisregeln des BGB und der ZPO.

Welche Rolle spielen Besitz und Besitzübergabe beim Erwerb vom Nichtberechtigten?

Die Übergabe des unmittelbaren Besitzes ist eine wesentliche Voraussetzung sowohl für den originären als auch für den gutgläubigen Erwerb des Eigentums an beweglichen Sachen. Auch beim Erwerb vom Nichtberechtigten muss die Sache tatsächlich übergeben werden (§ 929 Satz 1 BGB). Ein bloßes Verpflichtungsgeschäft (zum Beispiel ein Kaufvertrag ohne Übergabe) reicht für den Eigentumserwerb nicht aus, wenn keine Besitzübertragung stattfindet. Erst durch die Übergabe wird der gutgläubige Erwerber auch zum Besitzer und gegebenenfalls zum Eigentümer, sofern alle weiteren Voraussetzungen vorliegen.