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Erschließung


Erschließung im Recht – Begriff, Grundlagen und Rechtsfragen

Die Erschließung ist ein zentraler Begriff im deutschen öffentlichen Recht und Bauplanungsrecht. Sie beschreibt die Vorbereitung und Herstellung der zur baulichen Nutzung eines Grundstücks erforderlichen infrastrukturellen Einrichtungen, insbesondere der öffentlichen Straßen, Wege, Plätze sowie der Leitungsnetze für Strom, Wasser, Abwasser, Gas und Telekommunikation. Die rechtlichen Grundlagen der Erschließung sind vielfältig und betreffen sowohl das Verwaltungsrecht als auch das Kommunalrecht und das private Baurecht.

Begriffsbestimmung und Abgrenzung

Die Erschließung umfasst sämtliche Maßnahmen, durch die ein Grundstück erstmalig oder erneut für die vorgesehene Nutzung, insbesondere für Bauvorhaben, zugänglich gemacht und versorgt wird. Rechtlich maßgeblich ist vor allem der Begriff der Erschließung im Sinne des § 123 Baugesetzbuch (BauGB), der die Aufgabe und Verpflichtung zur Erschließung in den Zuständigkeitsbereich der Gemeinden legt.

Es wird unterschieden zwischen:

  • Öffentlicher Erschließung (z.B. Verkehrsflächen, Versorgungs- und Entsorgungsleitungen),
  • Privater Erschließung (z.B. Hausanschlüsse oder interne Erschließungen auf dem Grundstück).

Weiterhin findet eine differenzierte Betrachtung zwischen der erstmaligen und weiteren Erschließung (z.B. Erweiterung, Verbesserung) statt.

Rechtliche Grundlagen

Baugesetzbuch (BauGB)

Das BauGB bildet die zentrale gesetzliche Grundlage für die Erschließung. Wesentliche Bestimmungen sind:

  • § 123 BauGB: Verpflichtet die Gemeinden zur Herstellung der notwendigen Erschließungsanlagen für bebaubare Grundstücke im Geltungsbereich eines Bebauungsplans.
  • § 124, § 125 BauGB: Regeln die Herstellung, Änderung und Unterhaltung der Anlagen.
  • §§ 127-135 BauGB: Befassen sich mit der Kostentragung und der Erhebung von Erschließungsbeiträgen.

Kommunale Satzungen

Neben dem BauGB konkretisieren kommunale Satzungen (z.B. Erschließungsbeitragssatzungen) die Rechtslage vor Ort. Sie regeln insbesondere die Verteilung der Erschließungskosten und die Anforderungen an technische Standards.

Weitere Rechtsnormen

  • Straßengesetze der Länder: Legen Festlegungen zur Widmung und Unterhaltung öffentlicher Straßen und Wege fest.
  • Wasserhaushaltsgesetz (WHG), Landeswassergesetze: Gelten für die Erschließung mit Trinkwasser und die Abwasserentsorgung.
  • Energiewirtschaftsgesetz (EnWG): Betrifft die Versorgung mit Strom und Gas.

Arten der Erschließung

Technische Erschließung

Die technische Erschließung umfasst Maßnahmen, um Grundstücke mit notwendigen Ver- und Entsorgungsleitungen, wie Strom, Wasser, Abwasser, Fernwärme und Telekommunikation zu versorgen. Auch die Verkehrsanbindung durch Straßen, Wege oder Plätze zählt in diesen Bereich.

Rechtliche Erschließung

Dies beinhaltet insbesondere die planungsrechtliche Sicherung durch Bebauungspläne, die Schaffung von Baurecht über Baugenehmigungen und die Sicherung des Zugangs zu den Grundstücken mittels grundbuchlicher Dienstbarkeiten oder Wegerechten.

Wirtschaftliche Erschließung

Bedeutet die finanzielle Betrachtung der Erschließung, insbesondere die Verteilung der Erschließungskosten zwischen Gemeinde und Grundstückseigentümer sowie die Modalitäten der Beitragszahlung.

Erschließungsbeitrag und Kostentragung

Gemäß §§ 127 ff. BauGB sind Eigentümer erschlossener Grundstücke verpflichtet, einen Erschließungsbeitrag an die Gemeinde zu leisten. Dieser dient der Refinanzierung der Erschließungsanlagen und umfasst regelmäßig Straßenbau, Beleuchtung, Entwässerung und begleitende Grünanlagen.

Grundsätze der Beitragserhebung

  • Der Beitragspflicht unterliegen in der Regel alle Grundstücke, die durch Erschließungsmaßnahmen überhaupt erst baulich oder gewerblich nutzbar gemacht werden.
  • Die Höhe des Beitrags wird nach den tatsächlichen Herstellungskosten bemessen, wobei die Gemeinde meist einen Eigenanteil zu tragen hat.
  • Die Verteilung erfolgt nach einem sachgerechten Maßstab, oftmals in Bezug auf Grundstücksflächen oder Nutzungspotential.

Rechtliche Aspekte im Verwaltungsverfahren

Beteiligung der Grundstückseigentümer

Vor Durchführung der Erschließungsmaßnahmen sind die betroffenen Grundstückseigentümer regelmäßig anzuhören. Sie haben das Recht zur Stellungnahme und zur Information über voraussichtliche Kosten und zeitliche Abläufe.

Anfechtung und Rechtsschutz

Gegen die Heranziehung zu Erschließungsbeiträgen steht den Eigentümern das Recht zu, Widerspruch einzulegen und bei Ablehnung den Verwaltungsrechtsweg zu beschreiten. Streitpunkte sind insbesondere die Höhe des Beitrags, die Abgrenzung zu anderen Abgaben (z.B. Straßenausbaubeiträge) sowie Fragen der Beitragspflicht und der tatsächlichen Vorteilslage.

Besondere Fallkonstellationen

Nachträgliche Erschließung

Finden Erschließungsmaßnahmen erst nach langjähriger Bebauung oder Nutzung statt, kann dies zu komplexen Abgrenzungsfragen führen, etwa ob es sich noch um eine erstmalige Erschließung oder bereits um beitragsfreie Unterhaltung/Verbesserung handelt.

Mehrheitseigentum und Wohnanlagen

Bei Wohnungseigentümergemeinschaften wird der Erschließungsbeitrag gesamtschuldnerisch erhoben. Die Verteilung im Innenverhältnis richtet sich nach den oder in der Gemeinschaftsordnung festgelegten Schlüsseln.

Sonderfälle: Private Erschließungsträger

In einigen Baugebieten kann die Erschließung von Dritten (privaten Erschließungsträgern) übernommen werden. Die Gemeinde schließt hierfür Erschließungsverträge ab, wobei die gesetzlichen Anforderungen an Transparenz, Offenheit und Zustimmung der betroffenen Eigentümer zu beachten sind.

Abgrenzung zu anderen Maßnahmen

Die Erschließung ist abzugrenzen von:

  • Straßenausbau (Verbesserung bestehender Anlagen)
  • Instandhaltung, Sanierung (laufende Unterhaltung, keine Beitragspflicht nach BauGB)
  • Private Grundstückserschließung (Hausanschlüsse, nicht beitragspflichtig nach BauGB)

Zusammenfassung

Die Erschließung bildet eine grundlegende Voraussetzung für die bauliche und gewerbliche Entwicklung von Grundstücken in Deutschland. Sie unterliegt umfassenden rechtlichen Regelungen, deren Schwerpunkt in der Pflicht zur Herstellung durch die Gemeinden, der Kostenverteilung auf die Eigentümer sowie der Gewährleistung der Nutzungsmöglichkeiten liegt. Die umfangreichen Rechtsvorschriften, Verwaltungsverfahren und Besonderheiten der Beitragserhebung machen die rechtliche Beurteilung der Erschließung zu einem komplexen, zentralen Bereich des öffentlichen Baurechts.

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtlichen Grundlagen regeln die Erschließung von Grundstücken in Deutschland?

Die Erschließung von Grundstücken wird in Deutschland maßgeblich durch das Baugesetzbuch (BauGB) geregelt, insbesondere in den §§ 123-135 BauGB. Hier ist festgelegt, dass ein Grundstück für eine alsbaldige bauliche oder gewerbliche Nutzung nur dann genutzt werden darf, wenn es erschlossen ist. Zu den Erschließungsanlagen zählen vor allem Straßen, Wege, Plätze, Versorgungseinrichtungen für Wasser, Abwasser, Elektrizität, Gas und Telekommunikation sowie Einrichtungen zur Oberflächenentwässerung. Kommunen sind grundsätzlich für die Herstellung der öffentlichen Erschließungsanlagen verantwortlich; sie handeln hierzu im Rahmen ihrer Planungshoheit und unterliegen dabei den Landesbauordnungen sowie ergänzenden kommunalen Satzungen. Das Privateigentum am Grundstück begründet keine automatische Erschließungsverpflichtung der Gemeinde, wohl aber ein Recht des Eigentümers auf erschließungsbegründende Anschlussmöglichkeiten, sofern ein Bebauungsplan dies vorsieht oder das Grundstück ansonsten nach öffentlichem Baurecht nutzbar werden kann. In Streitfällen über Umfang und Kosten der Erschließung können Verwaltungsgerichte angerufen werden.

Wer trägt die Kosten für die Erschließung, und wie werden diese rechtlich festgelegt?

Die Kosten für die Erschließung werden grundsätzlich im Wege der Erschließungsbeiträge gemäß §§ 127 ff. BauGB auf die Eigentümer der erschlossenen Grundstücke umgelegt. Die Gemeinden sind befugt und verpflichtet, die Erschließungskosten anteilig durch Beitragsbescheide einzufordern. Dabei legen sie die Umlage auf die Eigentümer durch eine kommunale Erschließungsbeitragssatzung fest, die detailliert regelt, wie und in welchem Umfang die Kosten auf die betroffenen Grundstückseigentümer verteilt werden. Die Kostentragungspflicht besteht in der Regel ab dem Zeitpunkt, zu dem das Grundstück durch die Erschließungsanlagen tatsächlich und rechtlich nutzbar ist. Erschließungsbeiträge sind keine Steuern, sondern zweckgebundene Abgaben, welche der Refinanzierung der Gemeindekosten dienen. Über die Höhe und Berechnung der Beiträge, die Abrechnungsmodalitäten sowie die Vorauszahlungen gibt es zahlreiche gerichtliche Entscheidungen, die eine ortsübliche, sachgerechte und rechtlich überprüfbare Erhebung sicherstellen sollen.

Welche rechtlichen Folgen ergeben sich bei Verzug oder Nichtzahlung von Erschließungsbeiträgen?

Erfolgt die Zahlung der festgesetzten Erschließungsbeiträge nicht fristgerecht, ist die Gemeinde berechtigt, die Zahlung im Wege der Verwaltungsvollstreckung zwangsweise durchzusetzen. Dies kann zur Einleitung von Mahnverfahren, zur Zwangsvollstreckung (z.B. durch Kontopfändung) oder sogar zur Eintragung einer Zwangssicherungshypothek ins Grundbuch führen. Darüber hinaus fallen Verzugszinsen an, deren Höhe und Berechnung im Kommunalabgabengesetz des jeweiligen Bundeslandes geregelt sind. Die Nichtzahlung führt jedoch nicht dazu, dass das Grundstück nicht nutzbar wird oder die Erschließung unterbleibt; Erschließung und Beitragszahlung sind dem Grunde nach voneinander unabhängig. Dennoch bleibt die Forderung der Gemeinde bestehen, ggf. auch für Rechtsnachfolger, falls das Grundstück den Eigentümer wechselt. Widerspruch und Klage gegen Beitragsbescheide sind binnen eines Monats nach Bekanntgabe möglich, haben aber in der Regel keine aufschiebende Wirkung.

Inwiefern besteht ein Rechtsanspruch auf Erschließung eines Grundstücks?

Ein Rechtsanspruch auf Herstellung von Erschließungsanlagen besteht grundsätzlich dann, wenn im Geltungsbereich eines Bebauungsplans das Grundstück für eine bauliche Nutzung vorgesehen ist und die Gemeinde damit gem. §§ 123, 125 BauGB zur Herstellung der dafür erforderlichen öffentlichen Erschließungsanlagen verpflichtet ist. Ohne Bebauungsplan kann sich ein Anspruch aus dem sog. Baurecht der Innenbereichsgrundstücke (§ 34 BauGB) ableiten, soweit eine gesicherte Erschließung zu gewährleisten ist. Allerdings ist die Gemeinde nicht verpflichtet, Grundstücke willkürlich oder gegen ihren Willen zu erschließen, wenn die planerische Voraussetzung fehlt oder die Maßnahme aus gemeindlichen Belangen nicht zu verantworten ist. Ein Anspruch erwächst nur aus dem öffentlichen Baurecht. Streitigkeiten über das Bestehen oder den Umfang des Anspruchs werden von den Verwaltungsgerichten entschieden.

Welche rechtlichen Besonderheiten gelten bei der Ersterschließung im Vergleich zur Erneuerung von Erschließungsanlagen?

Die rechtliche Unterscheidung zwischen Ersterschließung und Erneuerung ist von maßgeblicher Bedeutung. Erschließungsbeiträge nach dem BauGB dürfen nur für die erstmalige Herstellung der betreffenden Anlagen erhoben werden. Die Erneuerung, Verbesserung oder Unterhaltung bestehender Erschließungsanlagen unterliegt regelmäßig dem Kommunalabgabengesetz bzw. der jeweiligen Satzung über Straßenbaubeiträge; hierfür können sogenannte Straßenausbaubeiträge erhoben werden, sofern das Bundesland diese Möglichkeit nicht abgeschafft hat. Rechtsstreitigkeiten drehen sich häufig um die Abgrenzung, ob eine Maßnahme noch zur erstmaligen Herstellung oder schon zur Sanierung zählt. Nach der Rechtsprechung liegt eine Ersterschließung nur vor, wenn eine Anlage zum ersten Mal in dem nach dem geltenden Recht erforderlichen Umfang fertiggestellt wird.

Welche rechtlichen Möglichkeiten bestehen, gegen einen unberechtigten Erschließungsbeitragsbescheid vorzugehen?

Grundstückseigentümer haben das Recht, nach Zustellung eines Erschließungsbeitragsbescheids innerhalb der vorgeschriebenen Frist (meist ein Monat) Widerspruch bei der ausstellenden Behörde einzulegen. Wird dem Widerspruch nicht abgeholfen, besteht die Möglichkeit der Klage vor dem zuständigen Verwaltungsgericht. Im Verfahren wird insbesondere geprüft, ob die Abrechnung sachlich und rechtlich richtig ist, beispielsweise ob die Maßnahme eine Ersterschließung darstellt, die Beitragspflicht zutreffend berechnet und die Beitragssatzung ordnungsgemäß angewendet wurde sowie ob Verjährung eingetreten ist. Widerspruch und Klage haben grundsätzlich keine aufschiebende Wirkung, es sei denn, diese wird gesondert beantragt und bewilligt. In der Praxis empfiehlt sich die Einsichtnahme in die Abrechnungsunterlagen der Kommune und gegebenenfalls die Hinzuziehung eines Fachanwalts für Verwaltungsrecht.