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Erschleichen von Sozialleistungen

Begriff und Einordnung: Erschleichen von Sozialleistungen

Unter Erschleichen von Sozialleistungen versteht man das bewusste Erlangen oder Aufrechterhalten staatlicher Geld- oder Sachleistungen durch Täuschung, falsche Angaben oder pflichtwidriges Verschweigen relevanter Umstände. Gemeint sind Leistungen der öffentlichen Hand zur sozialen Absicherung, etwa zur Sicherung des Lebensunterhalts, für Wohnen, Familie, Gesundheit, Pflege, Bildung oder Beschäftigung. Das Erschleichen kann sowohl bei der erstmaligen Bewilligung als auch während des laufenden Leistungsbezugs erfolgen. Abzugrenzen ist dies von bloßen Irrtümern oder Versehen ohne Täuschungsabsicht.

Typische Erscheinungsformen

Aktive Täuschung

Das bewusste Behaupten falscher Tatsachen gegenüber der Behörde, zum Beispiel vorgetäuschtes Einkommen, Vermögen, Haushaltskonstellationen oder Wohnverhältnisse, um eine Leistung zu erhalten oder höher zu bemessen.

Pflichtwidriges Unterlassen von Mitteilungen

Das Verschweigen mitteilungspflichtiger Veränderungen (etwa Aufnahme einer Arbeit, Erhöhung des Einkommens, Zuzug oder Auszug von Haushaltsangehörigen), wodurch ein fortdauernder oder erhöhter Leistungsbezug aufrechterhalten wird.

Verwendung unzutreffender Nachweise

Das Einreichen manipulierter oder unrichtiger Unterlagen, wie Scheinmietverträge, fingierte Arbeitsverträge, unzutreffende Kontoauszüge oder Bescheinigungen.

Mitwirkung Dritter

Die Beteiligung weiterer Personen, etwa durch Unterstützung beim Erstellen falscher Unterlagen, das Bereitstellen von Konten oder das Bestätigen unzutreffender Angaben.

Rechtliche Voraussetzungen

Objektive Voraussetzungen

Täuschungshandlung oder pflichtwidriges Schweigen

Erforderlich ist eine Täuschung über relevante Tatsachen oder das pflichtwidrige Unterlassen einer gebotenen Mitteilung gegenüber der zuständigen Stelle.

Irrtum und Vermögensverfügung der Behörde

Die Behörde muss aufgrund der Täuschung einem Irrtum erliegen und Leistungen bewilligen, auszahlen oder nicht anpassen, was zu einer Vermögensverfügung auf Seiten der öffentlichen Hand führt.

Vermögensschaden der öffentlichen Hand

Es muss ein wirtschaftlicher Nachteil eintreten, etwa durch Auszahlung unberechtigter Leistungen oder durch unterbliebene Kürzungen.

Subjektive Voraussetzungen

Vorsatz und Bereicherungsabsicht

Regelmäßig ist Vorsatz erforderlich, also das wissentliche und wollende Herbeiführen der unberechtigten Leistungsgewährung. Häufig kommt eine Absicht hinzu, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vorteil zu verschaffen.

Versuch und Vollendung

Der Versuch kann bereits vorliegen, wenn mit Täuschungshandlungen begonnen wurde, die Leistung aber noch nicht geflossen ist. Vollendet ist das Delikt in der Regel mit der unberechtigten Bewilligung oder Auszahlung.

Abgrenzung zu Ordnungswidrigkeiten

Nicht jede Falschangabe führt zu einer Straftat. Bei fahrlässigen Falschangaben oder einfachen Mitwirkungsverstößen ohne Täuschungsabsicht können verwaltungsrechtliche Maßnahmen oder Bußgelder in Betracht kommen, ohne dass eine Strafbarkeit vorliegt. Unabhängig davon können überzahlte Leistungen erstattet werden müssen.

Verwaltungsrechtliche Folgen

Rücknahme und Widerruf von Bewilligungen

Bewilligungsbescheide können aufgehoben werden, wenn sie auf unzutreffenden Angaben beruhen. Dies betrifft sowohl die Vergangenheit als auch die Zukunft.

Erstattungspflicht und Verzinsung

Unberechtigt gezahlte Leistungen sind grundsätzlich zu erstatten. Je nach Konstellation können Zinsen oder Aufrechnungen mit künftigen Ansprüchen hinzukommen.

Sanktionen im Leistungsrecht

Es können leistungsrechtliche Konsequenzen eintreten, etwa Minderungen, Sperrzeiten oder Ausschlüsse für bestimmte Zeiträume, abhängig von der jeweiligen Leistungsart und dem Schweregrad des Verstoßes.

Datenabgleich und Mitwirkungspflichten

Behörden nutzen Datenabgleiche, Plausibilitätsprüfungen und Mitwirkungspflichten zur Aufklärung. Wer Leistungen beantragt oder bezieht, hat in festgelegtem Umfang Auskunft zu geben und Änderungen mitzuteilen.

Strafrechtliche Folgen

Geld- oder Freiheitsstrafe

Das Erschleichen von Sozialleistungen kann mit Geldstrafe oder Freiheitsstrafe geahndet werden. Für die Strafhöhe sind insbesondere Schadensumfang, Dauer des Bezugs, Vorgehensweise und persönliche Umstände bedeutsam.

Nebenfolgen

Mögliche Nebenfolgen sind Eintragungen im Register, Bewährungsauflagen oder die Einziehung erlangter Vorteile. Verwaltungs- und Strafverfahren können parallel geführt werden.

Beteiligung mehrerer Personen

Neben der unmittelbaren Täterschaft kommen Anstiftung und Beihilfe in Betracht, wenn Dritte das Erschleichen unterstützen oder veranlassen.

Fortlaufender Bezug

Bei fortlaufenden Leistungen kann eine Vielzahl einzelner Auszahlungen rechtlich zusammengefasst bewertet werden, wenn sie auf derselben Täuschung beruhen.

Verfahren und Beweisfragen

Zuständige Stellen

Sozialleistungsträger prüfen die Anspruchsvoraussetzungen und führen bei Auffälligkeiten interne Ermittlungen durch. Bei Verdachtsmomenten erfolgt regelmäßig die Einschaltung der Strafverfolgungsbehörden.

Ermittlungsmaßnahmen

Typisch sind Aktenauswertungen, Befragungen, Datenabgleiche mit anderen Stellen sowie die Prüfung von Nachweisen und Zahlungsströmen. Digitale Spuren und Meldeinformationen spielen eine wachsende Rolle.

Geständnis und Aufklärung

Ein frühes Einräumen von Unrichtigkeiten und die Mitwirkung an der Aufklärung des Sachverhalts können im Strafzumessungsrahmen berücksichtigt werden. Unabhängig davon bleibt die verwaltungsrechtliche Rückforderung bestehen.

Besondere Konstellationen

Irrtum und Behördenfehler

Fehlerhafte Berechnungen der Behörde ohne Beitrag der leistungsberechtigten Person begründen keine Strafbarkeit, können aber zur Rückforderung führen. Maßgeblich ist, ob eine Täuschung oder ein pflichtwidriges Verschweigen vorliegt.

Lebensgemeinschaften und Haushaltskonstellationen

Unklare Angaben zur Haushalts- oder Bedarfsgemeinschaft sind ein häufiger Streitpunkt. Entscheidend sind tatsächliche Verhältnisse wie gemeinsames Wirtschaften und gegenseitige Unterstützung.

Grenzüberschreitende Sachverhalte

Bei Wohnsitzwechseln oder Bezügen aus mehreren Staaten können komplizierte Zuständigkeits- und Anrechnungsfragen entstehen. Mehrfache Leistungen für denselben Bedarf sind regelmäßig ausgeschlossen.

Minderjährige und Vertretung

Beantragen Sorgeberechtigte Leistungen für Minderjährige, richtet sich die Verantwortlichkeit nach der jeweiligen Rolle und den abgegebenen Erklärungen.

Arbeitsverhältnisse und Meldungen

Nicht angegebene Arbeitsaufnahmen, Nebenbeschäftigungen oder überlassene Entgeltbestandteile sind typische Auslöser von Verfahren. Auch Arbeitgeber können betroffen sein, wenn sie an unrichtigen Bestätigungen mitwirken.

Verjährung und Fristen

Strafrechtliche Verjährung

Die Verfolgung ist nur innerhalb bestimmter Fristen möglich, die sich nach der Schwere der Tat richten. Mit verfahrenseinleitenden Maßnahmen kann die Frist unterbrochen werden.

Verwaltungsrechtliche Verjährung

Für die Aufhebung von Bewilligungen und die Erstattung überzahlter Leistungen gelten eigenständige Fristen. Diese können durch bekannte oder später erkannte Unrichtigkeiten beeinflusst werden.

Abgrenzung zu verwandten Begriffen

Subventionsbetrug

Bei zweckgebundenen Fördergeldern spricht man von Subventionsmissbrauch. Die Prüf- und Mitteilungspflichten können hier besondere Ausprägungen haben.

Erschleichen sonstiger Leistungen

Das Erschleichen von privatrechtlichen Leistungen, etwa im Bereich Verkehr oder Freizeit, ist anders gelagert und folgt eigenen rechtlichen Maßstäben. Sozialleistungen betreffen die Verwendung öffentlicher Mittel.

Häufig gestellte Fragen

Welche Handlungen gelten als Erschleichen von Sozialleistungen?

Erfasst sind insbesondere falsche Angaben bei Antragstellung, das Verschweigen mitteilungspflichtiger Änderungen im laufenden Bezug sowie die Vorlage unrichtiger Nachweise, wenn dadurch eine Leistung zu Unrecht gewährt, erhöht oder nicht reduziert wird.

Ist bereits das Verschweigen einer neuen Arbeit strafbar?

Maßgeblich ist, ob eine Mitteilungspflicht bestand und die Veränderung bewusst verheimlicht wurde, um Leistungen zu erhalten oder nicht abzusenken. Liegt nur ein Versehen ohne Täuschungsabsicht vor, kommt eher eine verwaltungsrechtliche Rückforderung in Betracht.

Muss eine zu Unrecht erhaltene Leistung immer zurückgezahlt werden?

Überzahlte Beträge sind grundsätzlich zu erstatten, unabhängig davon, ob eine Strafbarkeit gegeben ist. Je nach Fallgestaltung können Zinsen, Aufrechnungen oder Ratenregelungen hinzukommen.

Welche Strafen sind möglich?

In Betracht kommen Geld- oder Freiheitsstrafe. Die konkrete Sanktion hängt von Faktoren wie Schadenshöhe, Dauer, Vorgehensweise und persönlichen Umständen ab. Zusätzlich können Nebenfolgen und Einziehungen angeordnet werden.

Wie laufen Ermittlungen typischerweise ab?

Behörden prüfen Akten und Unterlagen, führen Datenabgleiche durch, befragen Beteiligte und werten Zahlungsflüsse aus. Bei Verdacht wird regelmäßig ein Strafverfahren eingeleitet, das parallel zum Verwaltungsverfahren geführt werden kann.

Spielt ein Geständnis eine Rolle?

Ein Einräumen der Vorwürfe und die Mitwirkung bei der Aufklärung können im Rahmen der Strafzumessung berücksichtigt werden. Verwaltungsrechtliche Erstattungsansprüche bleiben davon unberührt.

Wann verjähren Taten in diesem Bereich?

Es gelten feste Fristen für die strafrechtliche Verfolgung und eigenständige Fristen für die verwaltungsrechtliche Rückforderung. Die Dauer richtet sich nach der Schwere des Falls und kann durch behördliche Maßnahmen beeinflusst werden.