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Ersatzurlaub


Begriff des Ersatzurlaubs

Der Begriff Ersatzurlaub bezeichnet im deutschen Arbeitsrecht einen Anspruch von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern auf Nachgewährung von Urlaubstagen, die ihnen ursprünglich als Erholungsurlaub zustanden, jedoch aus bestimmten, gesetzlich definierten Gründen nicht genommen oder erfüllt werden konnten. Ersatzurlaub unterscheidet sich vom regulären oder gesetzlichen Mindesturlaub und greift insbesondere dann ein, wenn der Urlaub wegen vorübergehender Arbeitsverhinderung, wie zum Beispiel durch Krankheit oder Mutterschutz, nicht angetreten oder nicht vollständig in Anspruch genommen werden konnte.


Gesetzliche Grundlagen

Regelung im Bundesurlaubsgesetz

Das Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) ist die zentrale Rechtsquelle für den Anspruch auf Ersatzurlaub in Deutschland. Insbesondere richtet sich der Anspruch nach § 9 BUrlG (Erkrankung während des Urlaubs) sowie nach den Vorgaben des § 7 Abs. 3 BUrlG hinsichtlich der Übertragung und des Verfalls des Urlaubsanspruchs.

  • § 9 BUrlG: Wird ein Arbeitnehmer während des genehmigten Urlaubs durch Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit arbeitsunfähig, werden die dadurch nicht genommenen Urlaubstage nicht auf den Jahresurlaub angerechnet. Sie gelten als nicht genommen und können nachgeholt werden.
  • § 7 Abs. 3 BUrlG: Urlaub muss grundsätzlich im laufenden Kalenderjahr genommen werden. Eine Übertragung in das nächste Kalenderjahr ist nur in Ausnahmefällen und unter engen Voraussetzungen möglich.

Europarechtliche Anforderungen

Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) und die Vorgaben der EU-Arbeitszeitrichtlinie (2003/88/EG) haben die deutsche Ausgestaltung des Ersatzurlaubs maßgeblich beeinflusst. Demnach muss der Anspruch auf Ersatzurlaub insbesondere im Krankheitsfall erhalten bleiben und darf nicht durch nationale Verfallsfristen ausgehöhlt werden. Zudem sind Besonderheiten bei längerer Arbeitsunfähigkeit (Langzeiterkrankung) zu beachten.


Voraussetzungen für die Gewährung von Ersatzurlaub

Arbeitsunfähigkeit während des Urlaubs

Wenn ein Arbeitnehmer während eines genehmigten Urlaubs arbeitsunfähig erkrankt und diese Arbeitsunfähigkeit durch ein ärztliches Zeugnis nachgewiesen wird, werden diese Krankheitstage nicht auf den Urlaub angerechnet. Stattdessen bleibt für diese Tage der Urlaubsanspruch bestehen, der nach Genesung nachgeholt werden kann.

Wesentliche Voraussetzungen:

  • Arbeitsunfähigkeit muss während des gebuchten Urlaubs eintreten.
  • Ärztliche Bescheinigung ist unverzüglich dem Arbeitgeber vorzulegen.
  • Es muss sich um Erholungsurlaub handeln, Sonderurlaub oder unbezahlter Urlaub ist ausgenommen.

Weitere Gründe für Ersatzurlaub

Neben Krankheit kann auch eine im BUrlG oder anderen Gesetzen geregelte Arbeitsverhinderung den Ersatzurlaubsanspruch auslösen. Hierzu zählen beispielsweise:

  • Maßnahmen des Mutterschutzgesetzes (MuSchG), wie Beschäftigungsverbote vor und nach der Entbindung,
  • Elternzeit nach dem Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG),
  • Wehr- oder Zivildienst,
  • betrieblich bedingte Nichtgewährung trotz rechtzeitigem Urlaubsantrag ohne Verschulden des Arbeitnehmers.

Übertragung und Verfall von Ersatzurlaubsansprüchen

Übertragung ins Folgejahr

Nach dem BUrlG ist Urlaub grundsätzlich im laufenden Kalenderjahr zu nehmen. Eine Übertragung ist gem. § 7 Abs. 3 BUrlG nur zulässig, wenn dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe dies rechtfertigen.

Im Fall von Ersatzurlaub wird der Anspruch auf den Zeitraum nach Beendigung der Arbeitsverhinderung verschoben. Hierbei gelten folgende Fristen:

  • Bei Arbeitsunfähigkeit kann der Ersatzurlaub bis 15 Monate nach Ablauf des Urlaubsjahres genommen werden (§ 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG, EuGH Rs. C-214/16 „King“).
  • Nach Ablauf dieser Frist verfällt der Ersatzurlaubsanspruch, sofern der Arbeitgeber seiner Informations- und Mitwirkungspflicht ordnungsgemäß nachgekommen ist.

Verfall und Abgeltung bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses

Beendet ein Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis, bevor er seinen Ersatzurlaub nehmen konnte, besteht gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG ein Anspruch auf Urlaubsabgeltung: Der nicht genommene Ersatzurlaub ist finanziell auszugleichen.


Praktische Umsetzung und Nachweispflichten

Nachweis durch ärztliches Attest

Kernvoraussetzung für die Anerkennung von Ersatzurlaub wegen Krankheit bleibt die unverzügliche Vorlage eines ärztlichen Attests. Ohne einen solchen Nachweis kann der Arbeitgeber den Erholungsurlaub als genommen betrachten. Die Anforderungen an die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung sind strikt: Sie muss den Zeitraum der Arbeitsunfähigkeit genau angeben und dem Arbeitgeber zeitnah vorgelegt werden.

Informations- und Mitwirkungspflichten des Arbeitgebers

Der Arbeitgeber ist verpflichtet, seine Mitarbeitenden über etwaige Urlaubsansprüche und deren Verfall klar und rechtzeitig zu informieren. Kommt er dieser Pflicht nicht nach, kann der Ersatzurlaubsanspruch unter Umständen auch über die gesetzlichen Fristen hinaus bestehen bleiben.


Sonderfälle und Abgrenzungen

Ersatzurlaub bei Langzeiterkrankung

Im Fall einer langfristigen Arbeitsunfähigkeit besteht ein gesetzlicher Mindesturlaubsanspruch, der jedoch spätestens 15 Monate nach Ablauf des Urlaubsjahres verfällt, sofern der Arbeitgeber seiner Informationspflicht nachgekommen ist.

Abgrenzung zum Übertragungsurlaub

Nicht jeder nicht genommene Urlaub wird automatisch zum Ersatzurlaub. Während der Übertragungsurlaub eine Verlagerung des regulären Urlaubsanspruchs in das Folgejahr darstellt (meist wegen betrieblicher Gründe), bezieht sich Ersatzurlaub stets auf Zeiten, in denen Urlaubsantritt aus personlig bedingten Gründen – etwa Krankheit oder Mutterschutz – unmöglich war.


Bedeutung und Funktion des Ersatzurlaubs

Ersatzurlaub dient dem Erhalt der Erholungsfunktion des gesetzlichen Mindesturlaubs. Er gewährleistet, dass Arbeitnehmer im Falle unvorhersehbarer Arbeitsverhinderungen den ihnen zustehenden Erholungszeitraum tatsächlich wahrnehmen können. Im Zusammenspiel mit europarechtlichen Maßgaben bildet der Ersatzurlaub ein zentrales Element des Arbeitnehmerschutzes und spiegelt die arbeitsschutzrechtlichen Leitbilder wider.


Rechtsprechung und Weiterentwicklung

Die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung, insbesondere des Bundesarbeitsgerichts (BAG) und des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), hat die praktische Handhabung und Auslegung des Ersatzurlaubs maßgeblich geprägt. Insbesondere das Spannungsverhältnis zwischen nationalen Verfallsfristen und europarechtlichen Vorgaben ist weiterhin Gegenstand rechtlicher Entwicklungen und Entscheidungen.


Literatur und weiterführende Quellen

  • Bundesurlaubsgesetz (BUrlG)
  • Mutterschutzgesetz (MuSchG)
  • Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG)
  • Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts (BAG)
  • Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH)

Dieser Beitrag bietet eine umfassende Übersicht und tiefgehende Erläuterung zum Ersatzurlaubsanspruch, dessen Voraussetzungen, Rechtsgrundlagen und praktischer Handhabung im deutschen Arbeitsrecht.

Häufig gestellte Fragen

Wann entsteht der Anspruch auf Ersatzurlaub?

Ein Anspruch auf Ersatzurlaub entsteht grundsätzlich dann, wenn Arbeitnehmer ihren gesetzlichen Mindesturlaub infolge einer bestimmten Verhinderung – etwa durch Krankheit oder Mutterschutz – nicht innerhalb des laufenden Urlaubsjahres oder des Übertragungszeitraums (in der Regel bis zum 31. März des Folgejahres) nehmen konnten. Nach § 9 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) gilt dies insbesondere, wenn der Urlaub wegen einer durch ein ärztliches Attest nachgewiesenen Erkrankung nicht angetreten oder abgebrochen werden musste. In solchen Fällen wandelt sich der nicht genommene Urlaub in einen Ersatzurlaubsanspruch um. Ersatzurlaub muss grundsätzlich nach Wegfall des Hinderungsgrundes, also z.B. nach Genesung, gewährt und genommen werden. Je nach rechtlicher Entwicklung und Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs erstreckt sich dieser Anspruch bei dauerhafter Arbeitsunfähigkeit nach ständiger Rechtsprechung nunmehr bis zu 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Urlaubsanspruch entstanden ist.

Wie lange bleibt ein Anspruch auf Ersatzurlaub bestehen?

Der Anspruch auf Ersatzurlaub unterliegt besonderen Fristenregelungen. Nach aktueller Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesarbeitsgerichts verfällt der Anspruch bei fortdauernder Arbeitsunfähigkeit spätestens 15 Monate nach Ablauf des Urlaubsjahres. War die Arbeitsunfähigkeit bereits im Vorjahr gegeben und dauerte sie ununterbrochen an, so endet der Ersatzurlaubsanspruch mit Ablauf dieses 15-Monats-Zeitraums. Wird die Arbeitsunfähigkeit jedoch vor Ablauf der 15 Monate beendet, bleibt der Anspruch bis dahin bestehen und kann dann vom Arbeitnehmer geltend gemacht werden.

Muss der Arbeitgeber den Arbeitnehmer auf den Ersatzurlaubsanspruch und den möglichen Verfall hinweisen?

Der Arbeitgeber trifft eine umfassende Hinweispflicht bezüglich Urlaubsansprüchen und deren möglichem Verfall. Diese Hinweispflicht wurde durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesarbeitsgerichts ausdrücklich erweitert und gilt auch für Ersatzurlaubsansprüche. Wird der Arbeitnehmer nicht rechtzeitig in Textform über seinen Ersatzurlaubsanspruch und die Verfallfristen informiert, kann der Anspruch nicht verfallen. Versäumt der Arbeitgeber diesen Hinweis, besteht das Risiko, dass sich der Urlaubsanspruch – und damit auch der Ersatzurlaub – über die gesetzliche Frist hinaus verlängert.

In welchen Fällen kann kein Ersatzurlaub beansprucht werden?

Ersatzurlaub kann grundsätzlich nur dann beansprucht werden, wenn der ursprüngliche Urlaubsanspruch infolge eines rechtlich anerkannten Verhinderungsgrundes, insbesondere Krankheit oder Mutterschutz, nicht genommen werden konnte. Fälle, in denen der Urlaub aus betrieblichen Gründen oder anderen, nicht gesetzlich gedeckten Umständen storniert werden musste, begründen keinen Anspruch auf Ersatzurlaub. Ebenso scheidet ein Anspruch aus, wenn der Arbeitnehmer eigenverantwortlich auf Urlaubsgewährung verzichtet hat oder den Urlaub aus eigenem Antrieb nicht beantragt bzw. in Anspruch genommen hat.

Was ist bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Ersatzurlaubsansprüchen?

Wird das Arbeitsverhältnis beendet, bevor der Arbeitnehmer den Ersatzurlaub nehmen konnte, wandelt sich der Anspruch auf Ersatzurlaub nach § 7 Abs. 4 BUrlG in einen Abgeltungsanspruch um. Das bedeutet, dass der Arbeitgeber verpflichtet ist, den noch offenen Ersatzurlaub finanziell auszugleichen (Urlaubsabgeltung). Voraussetzung dafür ist, dass zum Zeitpunkt der Beendigung tatsächlich noch ein Ersatzurlaubsanspruch besteht und dieser nicht bereits durch Zeitablauf erloschen ist.

Welche Nachweispflichten bestehen für den Anspruch auf Ersatzurlaub?

Arbeitnehmer sind verpflichtet, dem Arbeitgeber den Hinderungsgrund, beispielsweise eine Arbeitsunfähigkeit, durch die Vorlage eines ärztlichen Attests unverzüglich nachzuweisen. Andernfalls kann der Arbeitgeber den Anspruch auf Ersatzurlaub zurecht verweigern. Besonders bei längeren Erkrankungen ist es ratsam, eine lückenlose Dokumentation der Arbeitsunfähigkeit zu führen, da ansonsten ein Verfall des Anspruchs droht. Bei anderen Hinderungsgründen wie Mutterschutz oder Elternzeit sind die entsprechenden gesetzlichen Nachweise vorzulegen.

Greift der Anspruch auf Ersatzurlaub auch für den tariflichen oder vertraglichen Mehrurlaub?

Der Anspruch auf Ersatzurlaub bezieht sich vorrangig auf den gesetzlichen Mindesturlaub gemäß Bundesurlaubsgesetz. Für tarifvertragliche oder vertragliche Mehrurlaubsansprüche gelten andere Regelungen, die im jeweiligen Tarifvertrag oder Arbeitsvertrag festgelegt sind. Regelmäßig bestehen für den übergesetzlichen Urlaub keine so strengen Nachwirkungsregelungen; dieser verfällt meistens mit Ablauf des Übertragungszeitraums, sofern keine abweichenden Vereinbarungen existieren. Eine Übertragung oder ein Ersatzurlaubsanspruch für Mehrurlaub ist daher abhängig von den unionsrechtlichen und vertraglichen Vorgaben.