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Ersatzkraftwerke


Definition und rechtliche Einordnung von Ersatzkraftwerken

Ersatzkraftwerke sind Anlagen zur Stromerzeugung, die insbesondere während Engpässen, Versorgungsnotständen oder bei Ausfall anderer Energieerzeugungsquellen eingesetzt werden. Im rechtlichen Kontext bezeichnet der Begriff vor allem Reservekapazitäten, die der Sicherstellung der Versorgungssicherheit, insbesondere im Zuge der Energiewende, dienen. Die Errichtung, der Betrieb und die Aktivierung von Ersatzkraftwerken unterliegen in Deutschland umfassenden regulatorischen Rahmenbedingungen, die maßgeblich vom Energiewirtschaftsrecht, Umweltrecht sowie spezifischen Sondergesetzen und Verordnungen geprägt sind.

Rechtlicher Hintergrund und gesetzliche Regelungen

Energiewirtschaftsgesetz (EnWG)

Das Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) stellt die zentrale Rechtsgrundlage für die Energieversorgung in Deutschland dar und verpflichtet Energieversorgungsunternehmen (§ 1 EnWG) zur Sicherstellung einer möglichst sicheren, preisgünstigen, verbraucherfreundlichen, effizienten und umweltverträglichen Versorgung. Ersatzkraftwerke erfüllen eine systemrelevante Funktion, da sie im Fall eines unerwarteten Ausfalls anderer Erzeugungseinheiten die Stromversorgung stabilisieren.

Ersatzkraftwerkebereithaltungsgesetz (EKBG)

Insbesondere vor dem Hintergrund des beschleunigten Kohle- und Atomausstiegs wurden im Jahr 2022 mit dem Ersatzkraftwerkebereithaltungsgesetz (EKBG) spezielle gesetzliche Regelungen erlassen, die die zeitlich befristete Bereithaltung und den Betrieb von Ersatzkraftwerken (häufig Kohle- oder Öl-Anlagen) ausdrücklich regeln. Das EKBG ist zentral zur Sicherung der Versorgungssicherheit in kritischen Phasen der Energiewende. Es regelt:

  • Die Voraussetzungen für die Aktivierung und den Betrieb
  • Die zeitliche Befristung und Modalitäten der Bereithaltung
  • Die technische und umweltrechtliche Nachrüstung (beispielsweise im Hinblick auf Emissionsminderungen)
  • Die Kostenerstattung und wirtschaftliche Absicherung der Betreiber

Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) und Umweltrecht

Aufgrund ihrer überwiegend konventionellen Technologie (Kohle, Öl, Gas) unterliegen Ersatzkraftwerke strengen Anforderungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (BImSchG) sowie zugehörigen Verordnungen (z. B. 13. und 17. BImSchV). Dies erfordert u.a.:

  • Antragsverfahren und Genehmigungspflichten
  • Einhaltung von Emissionsgrenzwerten
  • Umweltverträglichkeitsprüfungen
  • Nachweis technischer Standards zur Emissionsminderung

Eine Betriebsgenehmigung ist in der Regel mit umfangreichen Nebenbestimmungen zur Minimierung von Umweltauswirkungen versehen.

Europarechtliche Vorgaben

Die Rechtslage zu Ersatzkraftwerken ist auch durch unionsrechtliche Vorgaben geprägt. Richtlinien und Verordnungen der Europäischen Union, insbesondere aus dem Bereich des Energiebinnenmarktes und des Umweltrechts (v.a. Industrieemissionsrichtlinie 2010/75/EU und Renewable Energy Directive), setzen Rahmenbedingungen für Genehmigung, Betrieb und Emissionsmanagement von Ersatzkraftwerken.

Aktivierung und Betrieb: Verfahren und Pflichten

Markt- und Netzrelevanz

Die Aktivierung von Ersatzkraftwerken ist eng an die Sicherheit und Stabilität des Stromnetzes geknüpft. Wesentliche Regelungen hierzu ergeben sich aus dem Gesetz zu Sofortmaßnahmen für die Versorgungssicherheit im Bereich der Elektrizitätsversorgung sowie einschlägigen Vorschriften des EnWG und EKBG. Ersatzkraftwerke werden in der Regel nur dann eingesetzt, wenn andere Flexibilitätsoptionen (Speicher, Lastmanagement, Importkapazitäten) nicht ausreichen.

Aktivierungsverfahren und Melderechte

Über den Netzbetreiber werden die notwendigen Schritte zur Inbetriebnahme eines Ersatzkraftwerks eingeleitet. Es gelten Meldepflichten gegenüber den zuständigen Behörden (Bundesnetzagentur, Landesbehörden) sowie Dokumentations- und Berichtspflichten zur Betriebsaufnahme, -dauer und Emissionssituation.

Kostenerstattung und Finanzierung

Die Kosten für die Bereithaltung und den Betrieb von Ersatzkraftwerken werden gemäß den Regelungen im EKBG und EnWG im Rahmen von Umlagesystemen auf die Netzentgelte umgelegt und somit von den Letztverbrauchern getragen. Detaillierte Vorschriften regeln die Ausgleichsansprüche der Betreiber gegenüber den Übertragungsnetzbetreibern.

Haftung, Sanktionen und Rechtsschutz

Haftungsfragen

Die Betreiber von Ersatzkraftwerken haften für die Einhaltung sämtlicher energiewirtschaftlichen, technischen und umweltrechtlichen Vorgaben. Im Falle von Verstößen gegen Emissionsgrenzwerte, fehlerhafte Inbetriebnahmen oder Störungen der Versorgungssicherheit können Bußgelder, Schadensersatzforderungen und im Extremfall der Entzug der Betriebserlaubnis drohen.

Sanktionen und Aufsicht

Die Bundesnetzagentur und das Bundesumweltamt überwachen die Einhaltung der einschlägigen Vorschriften. Bei Verstößen drohen nach den Straf- und Bußgeldvorschriften des EnWG, BImSchG sowie des EKBG empfindliche Sanktionen.

Rechtsschutzmöglichkeiten

Gegen behördliche Entscheidungen im Zusammenhang mit der Genehmigung, Aktivierung oder dem Betrieb eines Ersatzkraftwerks stehen den Betreibern die üblichen Rechtsmittel des Verwaltungsrechts, insbesondere das Widerspruchsverfahren und die Klage zum Verwaltungsgericht, offen.

Zusammenfassung und Ausblick

Ersatzkraftwerke stellen einen bedeutsamen Bestandteil der Stromversorgungssicherheit innerhalb des rechtlichen Rahmens der Energiewende dar. Ihr Betrieb ist an strenge energiewirtschaftliche und umweltrechtliche Vorgaben gebunden, die insbesondere durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz, das Energiewirtschaftsgesetz, das Ersatzkraftwerkebereithaltungsgesetz sowie das Immissionsschutzrecht geprägt werden. Die Funktion und Aktivierung dieser Anlagen werden fortlaufend evaluiert und an die fortschreitende Transformation des Energiesystems und die europarechtlichen Vorgaben angepasst. Zukünftig wird mit der Integration erneuerbarer Energien und dem Ausbau von Flexibilitätsoptionen der Bedarf an klassischen Ersatzkraftwerken perspektivisch sinken, während deren rechtliche Ausgestaltung weiter dynamisch bleibt.

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtlichen Voraussetzungen müssen für den Betrieb von Ersatzkraftwerken erfüllt werden?

Für den Betrieb von Ersatzkraftwerken in Deutschland sind eine Vielzahl rechtlicher Anforderungen zu beachten. Zunächst bedarf es einer Genehmigung nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG), bei der umweltrechtliche Belange wie Luftreinhaltung, Lärmschutz und Gewässerschutz geprüft werden. Zusätzlich ist eine energiewirtschaftsrechtliche Einordnung nach dem Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) erforderlich, insbesondere im Hinblick auf die Zuordnung als systemrelevante Reservekapazität. Ersatzkraftwerke unterliegen zudem Melde- und Berichtspflichten gegenüber der Bundesnetzagentur, etwa im Rahmen der Kapazitätsreserveverordnung (KapResV). Auch kartellrechtliche Vorschriften sind zu beachten, um Wettbewerbsverzerrungen durch staatliche Vergütungen oder Beihilfen zu verhindern, die von der Europäischen Kommission genehmigungspflichtig sein können. Schließlich ist das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) zu berücksichtigen, falls Schnittstellen zu erneuerbaren Energien bestehen.

Welche Rolle spielen Ersatzkraftwerke nach dem Gesetz zur Sicherung der Energieversorgung (EnSiG)?

Das Gesetz zur Sicherung der Energieversorgung (EnSiG) bildet die Grundlage für besondere Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der Energieversorgungssicherheit, einschließlich des befristeten Einsatzes von Ersatzkraftwerken. Hierzu können Verordnungen erlassen werden, die den temporären Weiterbetrieb alter, eigentlich stillgelegter Kraftwerke ermöglichen, sofern eine Versorgungsgefährdung festgestellt wird. Diese Maßnahmen stehen unter dem Vorbehalt strenger Kontrolle durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz sowie die Bundesnetzagentur. Die Zurverfügungstellung, Aktivierung und Vergütung der Ersatzkraftwerke ist im Detail geregelt und unterliegt einem Zustimmungsvorbehalt des Bundestags.

Welche Genehmigungsverfahren müssen Ersatzkraftwerke durchlaufen?

Ersatzkraftwerke müssen, sofern sie keine bereits bestehenden Anlagen sind, ein vollständiges immissionsschutzrechtliches Genehmigungsverfahren nach dem BImSchG durchlaufen, das auch Umweltverträglichkeitsprüfungen (UVP) und wasserrechtliche Genehmigungen einschließen kann. Für Bestandsanlagen, die als Ersatzkraftwerke genutzt werden, sind ggf. Anpassungsanträge zur Änderung des Betriebszwecks einzureichen. Sämtliche Verfahren sind mit umfangreichen Beteiligungs- und Informationspflichten verbunden, etwa der Öffentlichkeitsbeteiligung, Einwendungsfristen und der Beteiligung betroffener Behörden gemäß Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG). Ergänzend sind auf Landesebene gegebenenfalls weitere Vorschriften, etwa aus dem Naturschutzrecht oder Bauordnungsrecht, relevant.

Inwiefern sind Ersatzkraftwerke an Emissionsgrenzwerte gebunden?

Ersatzkraftwerke unterliegen grundsätzlich denselben Emissionsgrenzwerten wie Neuanlagen, soweit keine spezifischen Ausnahmeregelungen im Rahmen befristeter gesetzlicher Sonderregelungen z.B. nach EnSiG geschaffen wurden. Die Einhaltung der Grenzwerte gemäß der 13. und 17. BImSchV für Großfeuerungsanlagen und Abfallverbrennungsanlagen ist zwingend vorgeschrieben, es sei denn, es erfolgt im Einzelfall eine temporäre Lockerung dieser Vorgaben durch behördliche Anordnungen zur Gefahrenabwehr für die Allgemeinheit. Auch europarechtliche Vorgaben aus der Industrieemissionsrichtlinie (IED) sind einzuhalten. Überschreitungen oder temporäre Ausnahmen bedürfen stets einer expliziten behördlichen Erlaubnis und sind an strenge Auskunfts-, Überwachungs- und Rückführungsvorgaben gekoppelt.

Welche Haftungsregelungen gelten beim Betrieb von Ersatzkraftwerken?

Die Betreiber von Ersatzkraftwerken haften im Rahmen der allgemeinen zivil-, umwelt- und strafrechtlichen Vorschriften. Dies umfasst die Haftung für Umweltschäden nach dem Umweltschadensgesetz (USchadG), die Gefährdungshaftung nach BImSchG sowie nach Wasserhaushaltsgesetz (WHG) und Chemikaliengesetz (ChemG). Vertragliche Haftungsbegrenzungen, insbesondere gegenüber Vorlieferanten, Netzbetreibern oder dem Staat, sind nur im engen Rahmen zulässig und entbinden den Betreiber nicht von Öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen. Bei vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Pflichtverstößen drohen zudem strafrechtliche Sanktionen gemäß Umweltstrafrecht.

Wie ist die Vergütung und Kostendeckung für Ersatzkraftwerke rechtlich geregelt?

Die Vergütung von Ersatzkraftwerken erfolgt auf der Grundlage der jeweiligen gesetzlichen Grundlagen (z.B. EnSiG, KapResV, Strommarktgesetz) und der darauf basierenden behördlichen Festlegungen. Meist wird ein sogenanntes Kapazitätsentgelt gezahlt, das die Vorhaltung und die tatsächliche Betriebsaufnahme abgegolten. Diese Vergütung wird durch die Übertragungsnetzbetreiber finanziert und ist auf die Netzentgelte umzulegen. Die Preisgestaltung unterliegt wettbewerbs- und beihilferechtlicher Kontrolle, etwa durch die Bundesnetzagentur und die EU-Kommission, um eine Überförderung oder Verstöße gegen das EU-Beihilferecht auszuschließen.

Welche Mitwirkungs- und Informationspflichten bestehen gegenüber Behörden?

Im Rahmen des Betriebs von Ersatzkraftwerken besteht eine Vielzahl von Mitwirkungs- und Informationspflichten. Hierzu zählen regelmäßige Meldungen zur Einsatzbereitschaft, Einhaltung von Emissionsgrenzwerten, Dokumentationspflichten über Betriebszeiten und Störungen sowie die unverzügliche Anzeige von Störfällen und Emissionsüberschreitungen. Ferner sind Behörden wie die Bundesnetzagentur, Landesumweltämter und ggf. Katastrophenschutzbehörden regelmäßig zu informieren und im Rahmen von Überprüfungen, Audits und Ortsbesichtigungen zu unterstützen. Diese Pflichten sind detailliert in Einzelgesetzen, Verordnungen sowie in behördlichen Auflagen geregelt und bei Nichtbeachtung bußgeldbewehrt.